Crescentini
(spr. kresch-), Girolamo, Sänger (Kastrat), geb. 1769 zu Urbania bei Urbino, bildete sich in der Musik bei seinem Vater, sodann im Gesang bei Gibelli, trat zuerst zu Rom [* 3] in Frauenrollen auf, ward 1785 als erster Sopran in Livorno [* 4] angestellt, sang dann in Padua, [* 5] während des Karnevals 1785 zu Venedig, [* 6] im Sommer darauf in Turin [* 7] und erntete überall ungemeinen Beifall. Nach 16monatlichem Aufenthalt in London [* 8] gastierte er von 1787 an auf verschiedenen Bühnen Italiens, [* 9] verweilte dann vier Jahre in Lissabon [* 10] und kam um 1805 nach Wien, [* 11] wo er als Gesanglehrer der kaiserlichen Familie angestellt wurde. Hier hörte ihn Napoleon I. und zog ihn unter glänzenden Bedingungen nach Paris, [* 12] dessen Klima [* 13] ¶
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jedoch so ungünstig auf seine Stimme wirkte, daß er 1812 seine Entlassung nehmen mußte. Von 1813 bis 1825 lebte er zurückgezogen
in Bologna, ward dann von Franz I. zum Gesangsdirektor am Musikkollegium zu Neapel
[* 15] ernannt und starb hier Die Schönheit
und Biegsamkeit seiner Mezzosopranstimme sowie der Ausdruck in seinem Vortrag sollen unvergleichlich gewesen
sein. Die Zeitgenossen berichten mit Entzücken von der Wirkung, die er unter anderm in Zingarellis Oper »Romeo und Julia« hervorbrachte,
namentlich mit der Arie »Ombra adorata, aspetta«, durch die er bei einer Aufführung dieser
Oper in den Tuilerien 1806 Napoleon und seinen ganzen Hof
[* 16] zu Thränen rührte. Auch als Komponist hat sich
Crescentini
ausgezeichnet, sowohl durch seine zahlreichen Arien mit Klavierbegleitung als auch durch seine »Raccolta di esercizj per
il canto« (Par. 1811 u. öfter), ein vielgebrauchtes Solfeggienwerk.