Chronoskōp
und Chronogrāph (grch.), Instrumente zur Bestimmung der Dauer einer Erscheinung oder zur Bestimmung der Zeit des Eintritts einer Erscheinung. Die Instrumente enthalten als Zeitmeßapparat immer ein Uhrwerk, während die übrige Einrichtung sehr verschieden ist. So befindet sich bei dem von Winnerl 1831 ausgeführten Apparat über dem eigentlichen Sekundenzeiger der Uhr [* 2] ein zweiter, der für gewöhnlich auf Null stillsteht, durch einen Druck auf einen Knopf aber eingerückt wird und nun mitgeht, bis er durch einen zweiten Druck auf den Knopf gehemmt wird.
Der nunmehrige Stand giebt die Dauer der Beobachtung an. Für eine neue Beobachtung wird der Zeiger durch Auslösung einer vorher gehemmten Feder durch einen abermaligen Druck auf den Knopf in die Anfangslage zurückgebracht. Bei dem Instrument von Foucher trägt der Sekundenzeiger an der Spitze ein kleines Farbgefäß mit kapillarer Öffnung, durch die bei einem Druck auf einen Knopf der feine Punktierstift eines zweiten Zeigers, der über dem ersten sitzt und mit ihm umläuft, hindurchdringt und dadurch auf dem Zifferblatt einen Punkt erzeugt, dessen Lage auf der Einteilung die Zeit ablesen läßt.
Bei beiden
Apparaten wird die betreffende Zeit auf einem Zifferblatt abgelesen; man nennt sie Chronoskope
im
engern
Sinne, im Gegensatz zu den speciell als
Chronographen oder
Registrierapparate
[* 3] bezeichneten
Apparaten, bei denen die betreffenden
Zeitpunkte dauernd markiert werden, und zwar gewöhnlich durch einen Punktierstift, ähnlich wie bei dem Foucherschen
Instrument,
das deshalb auch als
Chronograph angesehen werden kann.
Bei den meisten neuern
Chronographen bewegt sich die Schreibfläche
vor dem Punktierstift vorbei.
Die übrige Einrichtung ist verschieden und richtet sich auch nach der Art der zu beobachtenden Erscheinung. Wesentlich hierbei ist, ob letztere sich so langsam abspielt, daß der Beobachter die zu markierenden Zeitpunkte mit dem Auge [* 4] verfolgen und durch einen Druck auf einen Knopf selbst markieren kann, oder ob die Erscheinung eine solche Geschwindigkeit besitzt, daß sie sich der Beobachtung entzieht; in diesem Falle muß der Apparat selbstthätig, ohne Hilfe des Beobachters, die Zeitpunkte markieren.
Als Typus der ersten Art können die zu astron. Zwecken dienenden Chronographen gelten. Der denselben zu Grunde liegende Gedanke beruht auf der Verbindung einer Uhr mit einem Morseschen Telegraphen. [* 5] Eine Uhr (s. vorstehende [* 1] Fig. 1), die Registrieruhr, ist in den Stromkreis eines Elektromagneten E so eingeschaltet, daß durch sie jede Sekunde für einen Moment der Strom geschlossen wird. Durch den Stromschluß wird der Anker [* 6] A, der für gewöhnlich durch die Spiralfeder F von E entfernt gehalten wird, von E für einen Moment angezogen. Das Ende von A ist mit einer feinen Stahlspitze versehen und markiert beim Herabfallen auf den schmalen Papierstreifen S S einen Punkt. Da S S durch ein Uhrwerk gleichmäßig vorwärts bewegt wird, werden auf ihm hierdurch eine fortlaufende Reihe von Punkten, die Sekundenpunkte, aufgezeichnet, die gleichweit voneinander abstehen. Dicht neben
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dieser Punktreihe können aber auf dem Streifen noch weitere Punkte hervorgerufen werden dadurch, daß der Beobachter in dem Moment, dessen Zeit bestimmt werden soll, durch den Druck auf einen Knopf den Stromkreis eines zweiten Elektromagneten E′ (mit Feder F′) schließt, wodurch dessen Anker A′ einen Eindruck auf den Streifen macht. Durch Ausmessen der linearen Entfernung dieses Punktes vom nächsten Sekundenpunkte ist dann der Zeitmoment des Stromschlusses leicht zu ermitteln. B B sind die galvanischen Elemente. In neuerer Zeit hat man die Punktreihe vermittelst Ersetzung der Stahlspitzen durch Farbschreiber und Seitlichstellen der Elektromagneten in eine fortlaufende Linie mit zackenförmigen Ausbiegungen an Stelle der Sekundenpunkte umgewandelt. Am weitesten verbreitet sind die Chronographen von Hipp in Neuchâtel.
Durch Einführung der Chronographen in die messende Astronomie [* 8] haben namentlich die Beobachtungen der Durchgänge der Gestirne durch den Meridian eine durchgreifende Änderung erfahren. Während früher der Astronom bei solchen Beobachtungen die Sekundschläge seiner Uhr zählen und die Zehntelsekunde, zu welcher der Stern die einzelnen Fäden des Fadennetzes im Fernrohr [* 9] passierte, schätzen mußte (Beobachtung nach Auge und Ohr), [* 10] hat er nach dem neuern Beobachtungsverfahren (Registriermethode oder Beobachtung nach Auge und Hand) [* 11] nur nötig, im Moment des Durchganges des Sterns durch den Faden [* 12] auf einen Knopf zu drücken, wodurch dieser Zeitpunkt auf dem Streifen des Apparates registriert wird. Hierdurch wird einerseits eine größere Beständigkeit in der «persönlichen Gleichung» des Beobachters gewährleistet, andererseits können die Beobachtungen in rascherer Folge ausgeführt werden, und es kann so mit dem nämlichen Zeitaufwand ein größeres Beobachtungsmaterial gesammelt werden.
Die selbstthätig registrierenden Apparate verdanken ihre Entwicklung namentlich den Bemühungen, die Geschwindigkeit von Geschossen zu bestimmen. Den ersten Versuch hierzu, und zwar unter Anwendung elektromagnetischer Wirkung, unternahm 1838 die königliche preuß. Artillerie-Prüfungskommission. Das erste brauchbare Instrument jedoch ist 1840 von Wheatstone erfunden und später von Hipp verbessert: ein Uhrwerk, das Tausendstel einer Sekunde angiebt, indem der eine Zeiger vor einem hundertteiligen Zifferblatte in einer Sekunde zehnmal umläuft.
Dieser Zeiger wird nun zu Anfang der zu messenden Zeit in das Gangwerk eingeschaltet und zu Ende der Zeit wieder ausgeschaltet,
sodaß man nachträglich die Zahl der durchlaufenen Teile ablesen kann (daher ist dieser Apparat auch als Chronoskop
[* 13] aufzufassen). Die Einschaltung des Zeigers wird dadurch bewirkt, daß beim Austritt der Kugel aus dem Laufe die Leitung eines
galvanischen Stroms, der einen Elektromagnet erzeugt, durch Zerreißen eines Drahtes unterbrochen wird.
Hierdurch verliert der Elektromagnet die Kraft, [* 14] einen Anker anzuziehen. Sobald dies der Fall ist, kann auch der Anker jenen Zeiger nicht mehr hemmen, wodurch dieser in Umlauf gerät. Sobald jedoch, bei der Ankunft der Kugel an der Scheibe, durch den auf die Scheibe ausgeübten Druck eine neue metallische Verbindung hergestellt und dadurch der Strom wieder geschlossen wird, entsteht wieder jener Elektromagnet, der den Zeiger durch Anziehung des Ankers hemmt und somit ausschaltet. Die spätern dauernd registrierenden Apparate haben gewöhnlich einen mit Papier überzogenen sich drehenden Cylinder (resp. Scheibe), auf dem die Markierung durch einen elektromagnetisch bewegten Punktierstift erfolgt. - Bei dem 1844 von Werner Siemens (damals Artillerie-Offizier) konstruierten Funkeninduktor (vgl. Poggendorfs Annalen, Bd. 66, 1845, S. 435) ist der sich drehende Cylinder berußt, und die Markierung der Zeitpunkte erfolgt durch elektrische Funken, die aus ihn überschlagen und an den betreffenden Stellen den Ruß entfernen; aus dem Abstande der Marken wird dann die Zeit bestimmt. Hierzu muß man die gleichförmige Geschwindigkeit des durch ein Uhrwerk bewegten Cylinders kennen; andernfalls läßt man auch eine schwingende Stimmgabel während der ganzen zu messenden Zeit eine wellenförmige Spur auf der Platte oder dem Cylinder beschreiben, sodaß man nur die Anzahl der zwischen den Marken befindlichen Wellen [* 15] abzulesen braucht. - Die zeitmessende Strecke kann auch zwischen elektromagnetisch gegebenen Marken an einem fallenden Pendel [* 16] (Navez 1852; vgl. seine Schrift, Sur l’appareil électro-ballistique, Par. 1859) oder an einem fallenden Stabe (Leboulengé 1864) liegen.
Der Chronograph (Flugzeitmesser) von Leboulengé (belg. Kapitän) wird jetzt zur Messung von Geschoßgeschwindigkeiten allgemein gebraucht und hat folgende Einrichtung. Von einer galvanischen Batterie führen zwei elektrische Stromzweige durch den Chronographen nach zwei vor dem Geschütz in einem bestimmten Abstand (z. B. 50 m) voneinander aufgestellten Rahmen, durch die das Geschoß [* 17] hindurchfliegt, indem es dabei durch Zerreißen eines Drahtes die Leitung unterbricht. Diese beiden kurz nacheinander erfolgenden Stromunterbrechungen, aus deren Zeitunterschied sich die Geschwindigkeit leicht ergiebt, kommen im Meßapparat (s. vorstehende [* 7] Fig. 2) in folgender Weise zur Wirkung.
Der den ersten Rahmen durchlaufende Stromzweig umfließt einen Elektromagneten a, der durch magnetische Anziehung den Fallstab c so lange trägt, als der Strom geschlossen ist, ihn jedoch fallen läßt, sobald beim Durchschlag des Geschosses durch den ersten Rahmen infolge der Stromunterbrechung der Elektromagnet a unmagnetisch wird. Der zweite Stromzweig umfließt den Elektromagneten e, der in analoger Weise das kleine Fallgewicht f trägt. Dieses hängt über einer Platte g der in umstehender [* 7] Fig. 3 in vergrößertem, Maßstab [* 18]
^[Abb.]Fig. 2.
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dargestellten Auslösvorrichtung, bei der im unberührten Zustande durch die Nase [* 20] i des Hebels h die Feder k mit dem Messer [* 21] l festgehalten wird. Wird nun ein Schuß abgegeben, so beginnt beim Durchschlagen des ersten Rahmens der Stab [* 22] c zu fallen. Beim Durchschlagen des zweiten Rahmens fällt das Gewicht f und schlägt auf die Platte g auf, wodurch die Nase i die Feder k losläßt, sodaß das Messer l auf dem fallenden, mit einer Zinkhülse überzogenen ^[Abb: Fig. 3.] Stabe c eine Marke einschlägt, deren Lage auf dem Stabe die Zeit, in welcher die 50 m vom Geschoß durchflogen wurden, berechnen läßt.
Dabei muß berücksichtigt werden, daß eine gewisse Zeit verfließt, bis erstens das Gewicht f bis zu der Platte g herabgefallen ist und zweitens, bis von da an die Auslösungsvorrichtung das Einschlagen der Marke bewirkt hat. Diese beiden Zeitabschnitte zusammen werden durch besondere Versuche bestimmt, indem man mittels eines Stromunterbrechers beide Stromzweige zugleich unterbricht, wodurch c und f zugleich zu fallen beginnen und auf c eine entsprechend tiefer liegende Marke entsteht. Vorher hat man noch eine Nullmarke durch Abschnellen des Messers l gegen den noch am Magneten hängenden Stab erzeugt. Der Abstand beider Marken bestimmt die bei der Berechnung der Geschoßgeschwindigkeit aus der ganzen Fallstrecke in Abrechnung zu bringende Zeit.
In neuester Zeit haben die elektroballistischen Apparate zum Zweck der innern Ballistik oder der Ermittelung der Geschoßbewegung im Rohr und der Bewegung des Rohrs selber eine bedeutende Fortbildung erfahren. Besonders ist hier das auf den Schwingungen der elektrischen Stimmgabel beruhende Velocimeter des franz. Oberstlieutenants Sébert zu erwähnen, der die Resultate graphisch giebt. (S. Phonautograph.) Der Velocimeter dient zum Studium der Bewegungsverhältnisse der Geschosse inner- und außerhalb des Rohrs, der Rücklaufsverhältnisse, der Gasspannungen, der Explosionserscheinungen von Explosiv- und Sprengstoffen und der Explosionsgeschwindigkeiten.
Ferner gehören hierher das Fallchronometer von Bianchi, die Verbesserung des Leboulengéschen Chronographen vom Kapitän Bréger, der Pendelchronograph des dän. Hauptmanns Caspersen, der mit Benutzung des Phonischen Rades (s. d.) konstruiert ist, endlich auch der elektroballistische Chronograph von H. Mathieu. Es ist zu erwähnen, daß alle die zuletzt angeführten Chronographen nicht nur zur Bestimmung von Geschoßgeschwindigkeiten, sondern auch zu andern Zwecken, z. B. zum Messen von Fallzeiten, benutzt werden können. ‒
Vgl. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens (Wien [* 23] 1885 u. 1886);
Revue d'artillerie (Par. 1880);
Kuhn, Handbuch der angewandten
Elektricitätslehre (Artikel Chronoskope
und Chronographen), als Bd. 20 von Karstens «Allgemeiner Encyklopädie der Physik» (Lpz.
1866).
Über nicht elektrische Chronographen: Saunier, ^[] Lehrbuch der Uhrmacherei, deutsch von Großmann, Bd. 3 (Glashütte 1879), S. 272.