Titel
Christine
,
1) Christine
Auguste,
Königin von
Schweden,
[* 3] die Tochter
Gustav
Adolfs und der brandenburgischen
Prinzessin
Marie Eleonore,
geb. ward noch
vor der Abreise
Gustav
Adolfs nach
Deutschland
[* 4] von den
Ständen als Nachfolgerin
desselben anerkannt. Nach dem
Tod ihres
Vaters 1632 wurde sie unter eine von
Oxenstierna geleitete vormundschaftliche
Regierung
gestellt. Dabei trieb sie allerlei
Studien, besonders sprachliche, welchen sie alle
Zerstreuungen opferte, verriet aber auch
bald ihren bizarren
Charakter, indem sie sich als Mann gebärdete, ritt und jagte und selbst in Mannskleidern
öffentlich erschien.
Schon 1643 war sie in den Reichsrat zugelassen worden, um den Gang [* 5] der Geschäfte kennen zu lernen, und hatte durch ihre Umsicht, ihren Scharfsinn und ihre Fassungsgabe Staunen erregt. Am ward ihr von den Ständen die Regierung feierlich übertragen, und sie begann sogleich, diese mit großer Energie und Selbständigkeit zu führen. Sie schloß mit Dänemark [* 6] 1645 den Frieden zu Brömsebro, welcher der schwedischen Krone Blekinge, Småland und verschiedene Handelsvorteile einbrachte.
Den Reichskanzler Oxenstierna erhob sie zwar zum Grafen, entzog sich aber mehr und mehr seinem Einfluß. Gegen die Ehe hatte sie eine unüberwindliche Abneigung und wies alle Bewerber ab. Sie hatte dem Pfalzgrafen Karl Gustav von Zweibrücken [* 7] schon im zarten Alter ihre Hand [* 8] versprochen, und auch die Reichsstände erklärten sich damit zufrieden. Als sie daher unvermählt zu bleiben beschloß, bestimmte sie den Pfalzgrafen zu ihrem Nachfolger und brachte es bei den anfangs widerstrebenden Reichsständen dahin, daß sie denselben 1649 feierlichen ihrem Thronfolger ernannten. Im Oktober 1650 ließ sie sich mit großer Pracht in Stockholm [* 9] krönen.
Während sie die Zügel der Staatsregierung mit männlichem Geist führte, versammelte sie zugleich ausgezeichnete Männer der Wissenschaft, wie Grotius, Salmasius, Descartes, Meibom u. a., um ihren Thron, [* 10] suchte oft in Upsala [* 11] im Umgang mit Gelehrten Erholung, bereicherte die Universität mannigfach und stand mit vielen Gelehrten im Briefwechsel. Auch Dichter und Künstler zog sie an ihren Hof [* 12] und brachte mit vielen Kosten wertvolle Sammlungen von Gemälden, Antiken und Münzen [* 13] zusammen.
Kein
Wunder daher, wenn das
Lob der
»Pallas suecica«, der »zehnten
Muse«, der
»Sibylle des
Nordens« von allen
Zungen tönte.
Um so
unzufriedener waren aber bald die
Stände mit ihrer
Regierung, das
Volk mit ihrer
Verschwendung des
Staatsschatzes, der
Adel mit
ihrer
Begünstigung der
Talente ohne Rücksicht auf
Geburt und
Stand. Berechtigten
Anlaß zum
Tadel gab Christine
durch
die Bevorzugung unwürdiger
Menschen, die sie mit
Würden und
Geschenken überhäufte. Bei der
Geistlichkeit erregte ihr
Verkehr
mit Calvinisten und
Jesuiten Anstoß. Es kam endlich sogar zu
Verschwörungen und Aufstandsversuchen gegen ihre
Regierung.
Die Unzufriedenheit des
Volkes, die Finanznot, politische Verwickelungen, denen sie sich nicht gewachsen
fühlte, Überdruß an der
Regierung und Sehnsucht nach
Freiheit brachten endlich in der
Königin den Entschluß, abzudanken,
zur
Reife,
und sie erklärte denselben dem
Reichsrat, forderte aber 600,000 Mk. jährliche
Revenuen mit der
Berechtigung,
diese
Summe im
Ausland verzehren zu dürfen. Am wurde auf dem
Reichstag zu
Upsala ihre Abdankungsurkunde
verlesen und noch an demselben
Tag
Karl
Gustav zum König gekrönt. Christine
begab sich über
Hamburg
[* 14] und
Münster
[* 15] nach
Brüssel,
[* 16] wo
sie 23. Dez. einen glänzenden Einzug hielt.
Hier nahm ihr der
Dominikaner
Pater Guemes im
Palast des
Erzherzogs
Leopold heimlich das katholische
Glaubensbekenntnis
ab. Als sie dem
Papst ihren Vorsatz, nach
Rom
[* 17] zu kommen, gemeldet hatte, schickte er seinen Protonotarius Holstenius nach
Innsbruck,
[* 18] vor dem sie 1655 ihr öffentliches
Glaubensbekenntnis ablegte.
In den
Staaten des
Papstes wurde Christine
mit großen
Ehrenbezeigungen
empfangen. Im Amazonengewand und zu
Pferde
[* 19] hielt sie in
Rom einen prächtigen Einzug; der
Papst firmte sie,
wobei
sie den
Namen Alessandra erhielt.
Bald aber verbreiteten die Jesuiten die gehässigsten Gerüchte über den leichtfertigen Lebenswandel und die ärgerlichen Reden der neuen Konvertitin. Daher verließ sie im Sommer 1656 Rom, um sich nach Frankreich und dann nach Deutschland zu begeben. Im September 1656 kehrte sie nach Italien [* 20] zurück, ging aber schon 1657 abermals nach Frankreich. Im königlichen Schloß zu Fontainebleau ließ sie ihren Oberstallmeister, den Marquis Monaldeschi, wegen angeblichen Hochverrats nach abgehaltenem Gericht von einigen Trabanten mit Dolch- und Degenstößen ermorden, wodurch sie bei Hof und beim Publikum die Achtung verscherzte und sich allgemeinen Tadel zuzog.
Nach einem zweijährigen Aufenthalt in
Rom begab sie sich 1660 nach
Karl
Gustavs
Tod nach
Schweden, um sich der regelmäßigen
Zahlung ihrer Einkünfte zu versichern. Sie ward zu
Stockholm mit allen
Ehrenbezeigungen empfangen, entfremdete sich aber die
Herzen dadurch, daß sie sogleich eine katholische
Kapelle errichten ließ. Auf Befehl der
Regierung wurde
diese
Kapelle niedergerissen, und da Christine
die Absicht merken ließ, ihre Ansprüche auf den
Thron
im Fall einer Erledigung desselben
zu erneuern, so mußte sie eine neue, vollständige Entsagungsakte ausstellen. Während ihres Aufenthalts in
Hamburg 1661-67
und einer zweiten Anwesenheit in
Schweden gab sie von neuem durch ihre
Begünstigung der katholischen
Kirche
¶
mehr
Anstoß, weshalb sie nach Rom zurückkehrte. Nach Clemens' IX. Tod (1670) gefiel sie sich nicht mehr in Rom, obwohl sie dort der Mittelpunkt der geistlichen und gelehrten Kreise [* 22] war und eine Akademie um sich versammelt hatte, aus der später die Accademia dei Arcadi zur Veredelung der italienischen Sprache [* 23] und Dichtkunst hervorging. 1672 begab sie sich nach Frankreich, von wo aus sie nach Johann Kasimirs Tod als dessen nächste Wasasche Verwandte auf dessen Güter in Polen und Neapel [* 24] Ansprüche erhob.
Der Papst unterstützte ihre Forderung, allein ihre sechsjährigen Bemühungen in dieser Sache blieben infolge ihrer Mittellosigkeit ohne Resultat. Ihre letzten Lebensjahre verlebte sie in Rom. Sie starb und ward in der Peterskirche beigesetzt, wo ihr der Papst ein Denkmal errichten ließ. Sie hatte sich auch als Schriftstellerin, stets in französischer Sprache, versucht. Sie war von kleiner Statur, blendend weißer Hautfarbe, hatte blaue Augen, eine Adlernase und ein üppiges Lockenhaar, auf das sie jedoch wenig Sorgfalt verwandte.
Ohne die liebenswürdigen Eigenschaften des Weibes, vermochte sie doch in vieler Beziehung sich nicht über weibliche Schwächen
zu erheben; dahin gehörten ihr launenhafter Religionswechsel, ihre Reizbarkeit, ihre Herrschsucht, selbst nachdem sie freiwillig
das Zepter niedergelegt. Ihre Schriften finden sich größtenteils in Arckenholz, Memoiren der Königin Christine
(Berl. 1751 bis
1760, 4 Bde.).
Vgl. Grauert, Christine
, Königin von Schweden und ihr Hof (Bonn
[* 25] 1838-42, 2 Bde.);
Woodhead, Memoirs of Christine
, queen of Sweden
(Lond. 1863, 2 Bde.);
Campori, Cristina di Svezia e gli Estensi (Modena 1877);
Busson, Christine
von Schweden in Tirol
[* 26] (Innsbr.
1884).
2) Marie Christine
, Königin und Regentin von Spanien,
[* 27] Tochter des Königs beider Sizilien,
[* 28] Franz I., und der Maria Isabella, der Tochter
des Königs Karl IV. von Spanien, geb. zu Neapel, wurde die vierte Gemahlin des Königs Ferdinand VII. von
Spanien. Auf ihren greisen Gemahl erlangte sie bald einen herrschenden Einfluß und zog sich hierdurch
den Haß der apostolischen Partei sowie des Bruders des Königs, Don Karlos, seiner Gemahlin und seiner Schwägerin, der Prinzessin
von Beira, zu, der sich noch steigerte, als Christine
schwanger wurde und der bisher kinderlose Ferdinand VII. das
Auto arrodado vom umstieß und durch Wiederherstellung der alten kastilischen Erbfolgeordnung auch einer Tochter
seiner Gemahlin die Thronfolge sicherte, seinen Bruder und dessen Partei also der bisher ganz sichern Aussicht auf die Herrschaft
beraubte.
Als nun Christine
wirklich eine Tochter gebar, entspann sich ein erbitterter Kampf zwischen den Apostolischen
unter Don Karlos und der Königin, welche sich zu den Liberalen hinneigte; die erstern behielten jedoch die Oberhand. Auch Christines
zweites Kind, das sie gebar, war eine Tochter. Während einer gefährlichen Krankheit des Königs im September 1832 bat
um sich vor der Rache der Apostolischen sicherzustellen, selbst um Aufhebung der Pragmatischen Sanktion von
1830, die auch 18. Sept. erfolgte.
Aber der König erholte sich wieder, ernannte 5. Okt. Christine
zur Regentin und nahm 30. Dez. auch das Kodizill vom 18. Sept. zurück. Zwar
übernahm er wieder die Regierung, und der neue Minister Zea Bermudez ging nicht durchaus auf
die liberale Politik Christines
ein; jedoch behauptete sich diese in ihrem Einfluß auf den König, und als Ferdinand VII. starb,
wurden seine dreijährige Tochter Isabella in Madrid
[* 29] als
Königin und Christine als Regentin ausgerufen. Schon vermählte
sich Christine in morganatischer Ehe mit Don Fernando Muñoz (geb. aus Tarancon in Cuenca, der damals in der königlichen Leibgarde
diente, und den sie später zum Herzog von Rianzares erhob.
Die Regentin hatte gleich nach dem Tode des Königs ein Manifest erlassen, welches Abhilfe der Übel versprach, an welchen das Land leide. Aber schon im Oktober 1833 brach in Aragonien und in den baskischen Provinzen ein Aufstand zu gunsten des Don Karlos aus. Um eine Stütze gegen diesen zu gewinnen, neigte sich Christine offen der liberalen Partei zu, deren Glieder [* 30] daher Christinos genannt wurden. Ihre der französischen Charte nachgebildete Verfassung, das Estatuto real, genügte bald den extremen Parteien nicht mehr und wurde durch andre rasch aufeinander folgende Verfassungen verdrängt, wie denn Christine stets auf das Regierungssystem ihres jedesmaligen Ministers einging.
Doch konnte sich Christine nicht dauernd in der Herrschaft befestigen, obwohl sie über Don Karlos endlich den Sieg davontrug. Infolge einer durch das Gesetz über die Ayuntamientos (s. d.) veranlaßten Volksbewegung dankte sie als Regentin ab und begab sich mit einem sehr bedeutenden Vermögen nach Frankreich. Nach Esparteros Sturz kehrte sie 1843 wieder nach Madrid zurück und ließ sich mit Muñoz, dem sie mehrere Kinder geboren hatte, kirchlich trauen; derselbe starb Die meisten Vorgänge in Spanien seit 1843: die spanischen Heiraten, die reaktionären Ministerien von Narvaez und Bravo-Murillo, die Verbannung von Narvaez etc., erfolgten unter ihrer Einwirkung;
doch zog sie sich durch ihre Einmischung in die öffentlichen Angelegenheiten den Haß eines großen Teils des Volkes in dem Maß zu, daß sie sich beim Ausbruch der Revolution 1854 zu fliehen genötigt sah.
Ende September 1864 kehrte sie nach einer mehr als zehnjährigen Abwesenheit nach Spanien zurück. Doch war ihr Aufenthalt in Madrid kein dauernder, und sie lebte meist im Ausland, wo sie ihr Vermögen in Sicherheit gebracht, bald in Italien, bald in Frankreich. Hier starb sie in Le [* 31] Havre. [* 32]