Chloral
(Trichloraldehyd) C2HCl3O , das Endprodukt der Einwirkung von
Chlor auf absoluten
Alkohol,
wird dargestellt, indem man trocknes
Chlor in absoluten
Alkohol leitet und die
Reaktion, welche anfangs sehr stürmisch verläuft,
durch Kühlung mäßigt, später aber durch Erwärmen bis auf 100° unterstützt. Sobald sich das
Produkt fast ohne Trübung
in
Wasser löst, schüttelt
man es mit konzentrierter
Schwefelsäure
[* 2] und destilliert. Es bildet eine farblose,
leicht bewegliche, sich fettig anfühlende
Flüssigkeit von eigentümlichem, durchdringendem, zu
Thränen reizendem
Geruch und
scheinbar fettigem, scharfem
Geschmack, welche bei 94° siedet, sich mit
Alkohol und
Äther mischt, auch in
Wasser leicht löslich
ist und mit diesem Chloral
hydrat C2HCl3O.H2O[C2HCl3O.H2O] bildet.
Bei längerer
Aufbewahrung, beim Vermischen mit wenig
Wasser oder mit konzentrierter
Schwefelsäure verwandelt
sich Chloral
in isomeres
Metachloral, welches fest, farblos, in kaltem
Wasser, in
Alkohol und
Äther unlöslich ist und beim Erhitzen
auf 200° wieder in gewöhnliches Chloral
übergeht. Das Chloralhydrat, aus
Benzol umkristallisiert, bildet farblose
Kristalle,
[* 3] riecht schwach aromatisch, in der
Wärme
[* 4] etwas stechend und schmeckt bitterlich scharf. Es ist leicht
löslich in
Wasser, auch in
Alkohol und
Äther, schmilzt bei 46° und erstarrt dann erst wieder bei 15°, siedet bei 98° und
ist völlig flüchtig.
Erwärmt
man es mit
Kalihydrat, so zerfällt es in
Ameisensäure und
Chloroform. Es erzeugt einen tiefen, anscheinend normalen
Schlaf, der in der
Regel sehr schnell eintritt, und aus dem man leicht und ohne
Beschwerden erwacht. Dabei
treten keine übeln Nachwirkungen ein, und man kann das Chloral
längere Zeit gebrauchen, ohne an
Empfänglichkeit für dasselbe
einzubüßen. Man benutzt es daher bei allgemeiner Aufregung des
Gefäßsystems, bei
Geisteskrankheiten, nervöser Aufregung,
Eklampsie,
Tetanus, bei
Entbindungen, äußerlich bei
Diphtheritis, auf geschwürigen
Flächen, bei Fußgeschwüren,
Stinknase etc. Auf der
Haut
[* 5] erzeugt es
Blasen wie
Spanische
[* 6]
Fliegen;
[* 7] auch gegen
Seekrankheit und als
Ätzmittel ist es empfohlen
worden und vielfach Gegenstand des
Mißbrauchs (zu Schlummerpunsch etc.) gewesen. Zu
Strychnin steht es in auffälligem
Antagonismus,
die fünf- bis sechsfache tödliche Strychnindosis läßt sich bei Darreichung von Chloral
überwinden,
während umgekehrt
Strychnin bei Chloral
vergiftung wirkungslos ist. In der
Technik benutzt
man es zur
Darstellung von
Chloroform
und zur Konservierung von
Eiweiß und
Eigelb. Das Chloral
wurde 1832 von
Liebig entdeckt, blieb aber ohne praktisches
Interesse, bis
Liebreich 1869 seine Anwendung als anästhetisches
Mittel versuchte und dabei die vortreffliche einschläfernde
Wirkung des Chloral
hydrats erkannte.
Vgl.
Liebreich, Das Chloral
hydrat (3. Aufl., Berl. 1871).