Cellulose
,
Holzfaserstoff, Zellstoff, Lignose, ein organischer
Stoff, dessen Zusammensetzung wahrscheinlich
ein Vielfaches von C6H10O5 ist. Sie ist demnach isomer mit
Stärke,
[* 2] Dextrin,
Gummi und verwandten
Substanzen. Die Cellulose
ist der Hauptbestandteil aller pflanzlichen Zellwandungen und der
Ablagerungen, die beim Verholzungsprozeß
daraus gebildet werden. Sie ist nirgends völlig rein, sondern von Farbstoffen, Harzen, Fetten,
Gummi,
Stärke,
Eiweißstoffen und
Salzen begleitet. Am reinsten findet sie sich in der
Baumwolle
[* 3] und in jüngern Pflanzenteilen.
Alle aus Pflanzenfasern hergestellten Fabrikate, wie Leinwand, Baumwollstoffe, Papier, bestehen daher größtenteils
aus Cellulose.
Im
Tierreiche wurde es schon vor geraumer Zeit im Mantel der Seescheiden, neuerdings auch in den Hüllen der
Gliedertiere
nachgewiesen. Seine Gegenwart in der
Haut
[* 4] der Schlangen
[* 5] scheint zweifelhaft. Zur
Darstellung der Cellulose
behandelt man die betreffenden
Pflanzenprodukte (am besten
Watte oder schwed. Filtrierpapier) der Reihe nach mit verdünnter Kalilauge, verdünnter
Salzsäure, Wasser,
Weingeist und
Äther, wobei alle Beimengungen (inkrustierende
Substanzen) entfernt werden und Cellulose
als amorphe
weiße
Masse zurückbleibt.
Die reine Cellulose
ist unlöslich in Wasser,
Weingeist und andern Lösungsmitteln, löst sich aber in ammoniakalischer Kupferoxydlösung
unter vorherigem Aufquellen allmählich
auf und wird aus dieser Lösung durch Säuren,
Alkohol und Zuckerlösungen unverändert
wieder gefällt. Trotz ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Säuren wird die Cellulose
in den Nahrungsstoffen von
Tieren reichlich
und vom
Menschen in merklicher Menge verdaut. An der Luft ist reine Cellulose
unveränderlich, im natürlichen Zustande
indes, wo sie mit stickftoffhaltigen
Stoffen verunreinigt ist, wie im Holz,
[* 6] wird sie an feuchter Luft langsam oxydiert und
zerfällt in braunen Moder. In konzentrierter Schwefelsäure
[* 7] löst sich die Cellulose;
auf Zusatz von
Wasser zu dieser Lösung scheidet sich ein stärkeähnlicher Körper
(Amyloid) aus.
Bei längerer Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure in der Kälte entsteht Dextrin.
Beim Erwärmen mit konzentrierter
Schwefelsäure wird die Cellulose
unter Schwärzung völlig zerstört, beim
Kochen mit verdünnter Säure entsteht
Traubenzucker,
den man nach der Neutralisation der Lösung mit Kreide
[* 8] in Gärung versetzen und in
Alkohol verwandeln
kann. Taucht man Filtrierpapier einige Sekunden in kalte konzentrierte schwefelsaure und wäscht dann mit Wasser aus, so
erleidet die Cellulose
durch Quellung eine
¶
mehr
Veränderung, welcbe sie der tierischen Haut ähnlich macht (vegetabilisches Pergament). Bei der Einwirkung kalter konzentrierter Salpetersäure oder eines Gemenges von Salpetersäure und Schwefelsäure entstehen Salpetersäureester, sog. Nitrocellulosen, die je nach der Einwirkungsart stärker oder schwächer nitriert sind. Die schwächer nitrierten Nitrocellulosen, z. B. Tetranitrat, C12H14O6(ONO2)4, lösen sich in einem Gemisch von Äther mit wenig Alkohol auf (s. Kollodium), die stärker nitrierte Hexanitrocellulose, C12H14O4(ONO2)6, ist unlöslich und wird Schießbaumwolle (s. d.) genannt.
Bei der Destillation
[* 10] unter Luftabschluß zersetzt sich die Cellulose
unter Hinterlassung von Kohle und Verflüchtigung von Methylalkohol
(Holzgeist), Ameisensäure, Essigsäure (Holzessig), Kohlenwasserstoffen, Kreosot u. s. w., welch letztere Bestandteile des Holzteers
sind. (Vgl. Holzstoff.)
[* 11] Technische Verwendung findet die Cellulose
in den verschiedensten Formen; die Gespinstfasern,
[* 12] Baumwolle, Lein, Hanf sind fast reine Cellulose
, ebenso das daraus bereitete Papier. Die aus Holz dargestellte Cellulose ist
seit etwa 1865 ein wichtiges Rohmaterial für die Fabrikation besserer Papiere geworden, nachdem das auf mechan.
Wege zerteilte Holz, der Holzschliff, sich nur für grobe Papierarten tauglich erwiesen hat.
Zur Darstellung der Holzcellulose sind vielfache Vorschriften gegeben worden, von denen sich besonders zwei als praktisch nutzbar erwiesen haben, das Natronverfahren und das Sulfitverfahren. Bei dem Natronverfahren wird das zu kleinen Stücken zerschlagene Holz, vorzugsweise Nadelholz, mit Ätznatronlauge in geschlossenen eisernen Kesseln erhitzt, bis eine Dampfspannung von 6 bis 10 Atmosphären erreicht ist. Dabei wird alles im Holz enthaltene Harz und die inkrustierende Substanz gelöst, während die Cellulose nicht oder nur wenig angegriffen wird.
Zweckmäßig verbindet man dabei eine Anzahl von Kochapparaten so untereinander, daß die gebrauchte Lauge mit frischem Holz, dagegen die schon nahezu fertige Cellulose mit frischer Lauge zusammengebracht werden kann. Die mir den löslichen Stoffen beladene Lauge wird endlich eingedampft und der Rückstand im Flammofen geglüht, um das Natron wiederzugewinnen. Das Holz braucht, nachdem es durch Waschen von der aufgesogenen Lauge befreit ist, nur noch im Kollergang, [* 13] Stampfwerk oder Holländer gemahlen zu werden, um dann als Halbzeug an Papierfabriken abgegeben zu werden. Bei dem Sulfitverfahren (Mitscherlich) erfolgt die Zerstörung der Lignite und Harze durch Kochen in wässriger schwefliger Säure oder in einer Lösung von unterschwefligsaurem Kalk in einer solchen Säure. Das Sulfitverfahren hat sich in den meisten Fällen als vorteilhafter erwiesen als das Natronverfahren, sodaß jetzt meist mit Sulfitlauge gekocht wird. Das Wiedereindampfen der Kochlauge unterbleibt hier. - Die Fabrikation von Cellulose hat sich rasch entwickelt und ist anscheinend noch im Zunehmen; 1890 wurde in Deutschland [* 14] an chemisch bereitetem Holzstoff und Strohstoff, Esparto und anderm Faserstoff 75 757 Doppelcentner (im Werte von 1 856000 M.) eingeführt, dagegen 381 665 Doppelcentner (im Werte von 10 114000 M.) ausgeführt; 1891 betrug die Ausfuhr 467030 Doppelcentner. -
Vgl. Schubert, Die Cellulosefabrikation (Berl. 1892).