Titel
Carey
(spr. kärri), 1) Henry, engl. Dichter und Musiker, geboren um 1696 zu London, [* 2] lebte als Musiklehrer daselbst und ließ 1713 eine erste, 1720 eine zweite Sammlung von »Poems« erscheinen; außerdem schrieb er Operntexte und eine Anzahl von Farcen, wie: »The contrivances« (1715),
»Hanging and marriage« (1722) u. a.,
die gesammelt als »Dramatic works« (1743) erschienen. Am bekanntesten wurde
Carey
durch das englische Nationallied
»God save the king« (s. d.), das, wie
Chrysander nachweist, nach
Text
und
Melodie von Carey
herrührt, während es nach andern schon hundert Jahre früher von
John Bull komponiert worden sein soll.
Carey
hat außerdem viele
Lieder,
Balladen und
Kantaten (z. B. »Sally in our valley«),
auch
Zwischenspiele komponiert, unter welch letztern besonders sein
»Nancy,
[* 3] or the parting lovers«, das
im spanischen
Erbfolgekrieg den
Enthusiasmus der
Soldaten und
Matrosen erregte, großen Beifall fand. Carey
führte ein sehr ungeordnetes
Leben, das ihn schließlich zum
Selbstmord brachte. Eine Sammlung seiner
Lieder und
Balladen erschien unter dem
Titel:
»The musical century« (Lond. 1737-1740, 2 Bde.).
2) William, engl. Missionär und Orientalist, geb. zu Paulersbury in Northamptonshire, kam zu einem Schuhmacher in die Lehre, [* 4] beschäftigte sich aber, in den Versammlungen der Kongregationalisten mächtig angeregt, in seinen freien Stunden eifrig mit theologischen Studien und wurde endlich in einer Dissentergemeinde Prediger. 1793 ging er, von einer Baptistenmissionsgesellschaft unterstützt, nach Kalkutta, [* 5] erlangte hier eine gründliche Kenntnis des Sanskrits und Bengali, setzte auch seine Missionsarbeiten eifrig fort und übersetzte die Bibel [* 6] in die bengalische Sprache. [* 7]
Mit andern Missionären wandte er sich 1799 nach Serampur bei Kalkutta, wo er eine Buchdruckerei gründete und 1806 seine »Sanskrit-Grammatik« sowie mit J. ^[John Clark] Marshman zwei von den sieben Büchern des großen Heldengedichts »Ramâyana« in Text und Übersetzung (1806-10) veröffentlichte. Zugleich organisierte und leitete er ein Institut zur Herstellung von Bibelübersetzungen in die verschiedenen Dialekte Indiens, welches in wenigen Jahren eine unglaubliche Menge von Übersetzungen herausgab.
Bei allen diesen
Geschäften fand Carey
noch Zeit, neben weniger umfangreichen
Schriften eine
»Bengali grammar«
(1805), ein bengalisches
Lexikon (1825-27, 3 Bde.) sowie mit Marshman ein kleineres
Lexikon (1827, 2 Bde.) herauszugeben und den
Druck des tibetischen
Lexikons des deutschen
Missionärs
Schröder zu leiten. Gleichzeitig
wirkte er als
Professor des
Sanskrits am
College des
Fort William in
Kalkutta und nahm noch wenige Jahre vor
seinem
Tode thätigen
Anteil an der Errichtung und Leitung des
Kollegiums von
Serampur für
Erziehung der
Söhne von Europäern
in
Indien. Er starb
Sein
»Memoir« erschien 1836 in
London.
Vgl. G.
Smith, Life of
William Carey
(Lond. 1834).
3)
Henry
Charles, amerikan. Nationalökonom, geb. zu
Philadelphia
[* 8] als der Sohn des Irländers
Matthew Carey
(gest. 1839), der von
Dublin
[* 9] infolge politischer Verfolgungen dahin ausgewandert war und dort ein Verlagsgeschäft
gründete. Nachdem Carey
1814 Teilhaber an diesem
Geschäft geworden war, trat er 1821 an die
Spitze desselben und machte sich
um den
Buchhandel durch Einführung der Verlagsauktionen (trade sales) verdient, die sehr wesentlich dazu beigetragen haben,
einen sehr starken
Absatz von
Büchern in den
Vereinigten Staaten
[* 10] zu schaffen. 1835 zog er sich von den
Geschäften zurück und
verwendete sein großes
Vermögen zu industriellen
Unternehmungen.
Von da ab hat er bis zu seinem am eingetretenen Tod seine Muße ungeteilt der Ausbildung der nationalökonomischen Wissenschaft gewidmet und seine schriftstellerischen Arbeiten nur durch Reisen, besonders nach England und dem europäischen Kontinent (1857), unterbrochen. Hierbei gelangte er zu Anschauungen, welche zu denen der englischen Schule in schroffem Gegensatz standen. Ursprünglich eifriger Freihändler, wird er ebenso eifriger Schutzzöllner und erblickt, wie schon vor ihm Fr. List, in dem Freihandel ein erstrebenswertes Ziel, das zu erreichen der Schutz ein geeignetes Mittel bilde. In seiner ersten größern Arbeit: »Essay on the rate of wages« (Philad. 1835),
bekämpft er die
Doktrinen
Ricardos.
Die in derselben niedergelegte
Ideen wurden weiter verarbeitet in dem nun folgenden ersten Hauptwerk,
den »Principles of political economy« (Philad.
1837-40, 3 Bde.; deutsch von
Adler,
[* 11] 2. Aufl.,
Wien
[* 12] 1870), worin Carey
seine teils neuen
Anschauungen über den Wertbegriff, nach
welchen der Wert gleich den
Kosten der Wiederherstellung ist, über die volkswirtschaftliche Verteilung
und über die sogen.
Interessenharmonie entwickelte, und welches später (1850) der
Franzose
Bastiat als Hauptmaterial zu seinen
»Harmonies économiques« benutzte.
Nun folgten: »The credit system in
France,
Great Britain and the
United States« (Lond. 1838)
und »Answer to the questions: what constitutes currency? what are the causes of
unsteadiness of the currency? and what is the remedy?« (Philad.
1840),
eine bemerkenswerte
Verteidigung der Bankfreiheit.
In dem Werk »The past, the present and the future« (Philad.
1848) bekämpft Carey
an der
Hand
[* 13] historischer Nachweisungen die
Annahme, als ob die
Agrikultur zuerst auf demjenigen
Boden begonnen
habe, welchen wir heute als den besten ansprechen, während er in der
Schrift »The harmony of interests«
(New York 1851) das Protektionssystem durch die zwischen der landwirtschaftlichen und industriellen
Entwickelung eines
Landes
bestehende
Solidarität begründet. Das bedeutendste von allen Werken Careys
sind seine
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»Principles of social science« (Philad. 1858-60, 3 Bde.; deutsch von Adler, Münch. 1863-64, 3 Bde.). Ein Auszug dieses Werkes wurde von Mac Kean herausgegeben unter dem Titel: »Manual of social science« (Philad. 1864). Von demselben erschienen zwei deutsche Übersetzungen, die eine unter dem Titel: »Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaft« (Münch. 1866),
die andre als »Sozialökonomie« (Berl. 1866).
Die in dem genannten Werk versuchte Widerlegung der Ricardoschen Rententheorie ist als mißglückt zu betrachten, da Carey
sich
vorzüglich nur gegen Ricardos Hypothese der historischen Entwickelung der Grundrente wendet, den eigentlichen Kerngedanken jener
Theorie, daß Böden verschiedener Qualität und Lage ungleiche Erträge abwerfen, aber unbeachtet läßt.
Die Malthussche Bevölkerungstheorie sucht Carey
mit der Annahme zu entkräften, mit steigender Kultur und wachsender Bevölkerung
[* 15] erweitere sich auch der Spielraum für die Erzeugung von Unterhaltsmitteln, so daß nie eine Übervölkerung entstehen könne.
Carey
war unzweifelhaft ein kühner und origineller Denker auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre; doch
ist die Annahme, als ob er eine Umwälzung in dieser Wissenschaft herbeigeführt habe, eine Übertreibung.
Ihr gegenüber darf nicht vergessen werden, daß Careys Arbeiten in Bezug auf Exaktheit viel zu wünschen übriglassen. Von sonstigen Schriften Careys sind noch zu nennen: »Letters on international copyright« (1853, 2. Aufl. 1868);
»The French and American tariffs compared« (Philad. 1861);
»The way to outdo England without fighting her« (das. 1865);
»Review of the decade 1857-1867« (das. 1867);
»Contraction or expansion? Repudiation or resumption?« (das. 1866);
»How protection, increase of public and private revenues, and national independence march hand in hand together« (das. 1869);
»Shall we have peace... Letters to the President elect of the United States« (das. 1869; deutsch u. d. T.: »Geldumlauf und Schutzsystem«, Pest 1870);
»International copyright question« (Philad. 1872);
»The Unity of law« (das. 1873; deutsch von Stöpel, Berl. 1878).
Gesammelt erschienen »Miscellaneous works« (Philad. 1869).
Vgl. Dühring, Careys Umwälzung der Volkswirtschaftslehre (Münch. 1865);
Derselbe, Die Verkleinerer Careys etc. (Bresl. 1867);
das klar geschriebene Werk A. Langes: »J. St. Mills Ansichten über die soziale Frage und die angebliche Umwälzung der Sozialwissenschaft durch Carey« (Duisb. 1866), und Elder, A memoir of Carey (Philad. 1880);
Jenks, Henry Carey. Carey als Nationalökonom (Jena [* 16] 1885).