Das Land hat eine eigentümliche, bestimmt abgeschlossene
Lage durch die
Gebirge, von denen es rings umgeben wird, und die
ziemlich genau mit den politischen
Grenzen
[* 7] zusammenfallen. Auf der Südwestgrenze steht das Böhmerwaldgebirge,
von dessen höchsten
Spitzen derKubani (1357 m), der
Plöckelstein (1383 m), der Mittagsberg (1341
m) und der
Große Osser (1295
m) Böhmen angehören, und damit gleichlaufend auf der Nordostseite die
Glieder
[* 8] des sudetischen
Systems: das
Adlergebirge oder die
Böhmischen Kämme als südlichster Teil dieses
Zugs mit der
DeschnaerKuppe (1111 m), das
Riesengebirge mit
Schneekoppe (1601
m), Brunnberg,
Sturmhaube, Krkonosch und das
Isergebirge mit der
Tafelfichte (1124 m), dem sich nördlich das
Lausitzer Bergland
mit dem Jeschkenberg (1013
m) und der
HohenLausche (797 m) anschließt.
Beide Gebirgszüge werden durch Querzüge verbunden, an der Nordwestgrenze durch das steil abfallende
Erzgebirge, dessen Hauptrücken größtenteils Böhmen angehört, mit dem
Keilberg (1275
m) und dem
Spitzberg (1107
m), und den südwestlich
daran stoßenden Teil des
Fichtelgebirges; im SO. durch das
Mährische Hügelland, das sich ohne Gebirgsrücken auf der
Grenze
gegenMähren hinzieht, nach beiden Seiten sanft abfallend und die
Wasserscheide zwischen
March und
Elbe
bildend.
Das
Innere dieses so eigentümlich geschlossenen
Landes bildet ein im ganzen einförmiges
Hoch- und Gebirgsland, dessen Gestalt
durch drei weithin vom
Böhmerwald nordöstlich bis zur
Elbe gedehnte und allmählich sich senkende Bergplatten bestimmt wird,
und das man daher am geeignetsten als ein Terrassenland auffaßt. Die erste dieser böhmischen
Terrassen,
die der
Länge nach durch vielfach gewundene Flußthäler voneinander getrennt sind, der Quere nach aber alle drei von der
Moldau in tiefer Thalfurche durchschnitten werden, ist die nördliche, die südlich vom Egerthal mit steilem
Rand aufsteigt,
hier im Engelhäuser
Berg bei
Karlsbad 662 m
Höhe erreicht und sich dann zwischen
Eger
[* 9] und
Elbe einerseits
und der
Mies,
Beraun und
Sazawa anderseits südöstlich bis an die mährischen
Hügel erstreckt.
Westlich von der
Moldau ist diese
Terrasse ein hügeliges
Plateau, dessen
Flächen am
Böhmerwald zu 450-600 m aufsteigen, während
sie sich zur
Moldau auf 260-200 m senken. Die darauf stehenden isolierten
Kuppen erheben sich im W. bis 650, im O. bis 400 m
über die
Moldau. Östlich von der letztern hat das Hügelland kaum eine mittlere
Höhe von 320 m. Südlich von der
Mies, der
Beraun und
Sazawa steigt dann die mittlere
Terrasse an, die sich bis zum
Thal
[* 10] der
Wotawa
und zur mittlern
Luschnitz erstreckt und mehr als die erste den
Charakter einer Gebirgsgegend trägt.
Die
Höhen sind rauher, die Gipfel ansehnlicher, die
Thäler tiefer eingeschnitten. Die bedeutendste
Erhebung ist der Trzemschinberg
(836 m), von dem nordöstlich der 500-600 m hohe
Rücken des
Brdywaldes mit dem Komorsko (677 m), sich
allmählich senkend, zum Moldauthal zieht. Die Hügellandschaften um die Luschnitz haben
Höhen von
ca. 700 m. Zwischen der
obern
Wotawa und der obern Luschnitz und dem
Böhmerwald mit dem
Greinerwald zieht sich endlich die dritte, die südliche böhmische
Terrasse hin, innerhalb deren sich der
SchöningerBerg (1080 m) im
Blansker Wald erhebt.
Außerdem sind in orographischer Beziehung noch das Sandsteinplateau von
Dauba, zwischen
Iser und
Elbe, das
GitschinerPlateau,
östlich von jenem, und das
Mittelgebirge zu erwähnen, das, als selbständige Gebirgsgruppe zwischen der
Elbe,
Biela und der
untern
Eger parallel mit dem
Erzgebirge westlich bis
Brüx sich erstreckend, im Phonolithkegel des
Milleschauer
oder
Donnersbergs 836 m
Höhe erreicht und auch noch auf der rechten Elbseite als sogen. Kegelgebirge bis gegen
Sandau und
Graber fortsetzt.
In geognostischer Hinsicht besteht das böhmische Gebirgssystem seiner Hauptmasse nach aus
Urgebirge, namentlich in dem das
Land umgebenden Gebirgskranz und in der südlichen Hälfte des
Königreichs.
In denSudeten, welche wieder größtenteils aus kristallinischen
Schiefern zusammengesetzt sind, haben
ebenfalls einige Basalterhebungen stattgefunden. Auch das böhmisch-mährische Grenzgebirge samt den mit ihm verbundenen
Bergzügen gehört derselben
Gebirgsformation an und wird in der
Richtung von
Neuhaus nach
Grein von einem mächtigen Granitzug
und westwärts der Zwittawa von einem Syenitrücken durchzogen. Auch laufen mehrfach
Streifen des rotenSandsteins
durch dasselbe.
Häufig kommt in diesem Gebirgssystem die
Kohlenformation vor. Bei
Prag
[* 15] sind in einer räumlich nicht sehr ausgebreiteten beckenartigen
Versenkung silurische
Schichten abgelagert, die durch ihren
Reichtum an
Versteinerungen eins der instruktivsten geologischen
Gebiete
Europas bilden. Unter den zahlreichen Tertiärbecken im Innern des
Landes treten besonders vier größere hervor:
das
Becken von
Wittingau, das des obern Egerlandes, dem sich westlich das
FalkenauerBecken anschließt, das
Becken von
Komotau
und
Teplitz, endlich im äußersten
Norden
[* 16] das
Becken von
Zittau.
[* 17] Diluvial- und Alluvialbildungen bedecken die Thalgründe und
selbst
¶
die Berge bis zu beträchtlicher Höhe. Die Torfbildung tritt in ausgedehntem Maß besonders auf dem Böhmerwald auf. Unverkennbare
Spuren vulkanischer Thätigkeit sind, außer dem häufigen Vorkommen von vulkanischem Gestein, besonders die mächtigen Ausströmungen
von kohlensaurem Gas in vielen Gegenden (z. B. in Bilin, Eger, Marienbad, Franzensbad etc.), die Überreste früher thätiger
Vulkane
[* 21] (wie des seltsam gestalteten Kammerbühls bei Eger) sowie endlich die unverkennbar vulkanische Bildung des Mittelgebirges
und der Reichtum an Mineralquellen, die jenem Bereich angehören und dem Vulkanismus ihr Dasein verdanken dürften.
Hinsichtlich seiner Gewässer gehört das Land fast ausschließlich dem Elbgebiet an (und zwar durch die Elbe selbst in ihrem
Oberlauf bis zum Durchbruch durch das Elbsandsteingebirge und durch die bei Melnik in sie mündende Moldau,
den zweiten Hauptstrom Böhmens), während die Donau und die Oder nur durch sehr unbedeutende Quellgebiete im SO. und NO. einigen
Teil am böhmischen Boden haben. Die Elbe, die hier bereits schiffbar wird, nimmt in Böhmen unmittelbar aus:
rechts die Cidlina, Iser und Pulsnitz (Polzen), links die Aupa, Mettau, Adler,
[* 23] Moldau, Eger und Biela.
Von Kanälen ist der Schwarzenbergsche Schwemmkanal zu bemerken, welcher die Zuflüsse der Moldau mit dem Mühlflüßchen
in Oberösterreich verbindet, um das Holz
[* 26] des Böhmerwaldes zur Donau zu schaffen. Die klimatischen Verhältnisse Böhmens sind
im allgemeinen denen Mitteldeutschlands gleich (mittlere Temperatur von 8° C.), doch greift die Bodengestaltung sehr gewichtig
zur Hervorbringung eigentümlicher Erscheinungen ein. Der höhere Süden ist rauher als der tiefere Norden, die Gebirgsgegend
kälter als die geschützte Ebene; im Erzgebirge gibt es einige Gegenden, wo das Getreide
[* 27] nicht mehr reift,
ebenso im Böhmerwald, während in den tiefern Gegenden an der Moldau und Elbe der Wein gedeiht. Im ganzen ist aber Böhmen durch
großen Produktenreichtum ausgezeichnet
und muß zu den ergiebigsten LändernEuropas gerechnet werden.
Naturprodukte.
Die Produkte des Mineralreichs, dessen Schätze schon seit Jahrhunderten ausgebeutet werden, sind sehr reich und mannigfaltig.
Böhmen lieferte 1883 an Silber 32,511 kg (aus 127,327 metr. Ztr. Silbererz), hauptsächlich
zu Pribram. Blei
[* 28] (1883: 5649 metr. Ztr. aus 24,142 metr.
Ztr. Erzen) und Bleiglätte (39,434 metr. Ztr.) werden vorzüglich zu
Mies und Přibram gewonnen, Zinn (359 metr. Ztr.) im Erzgebirge, Antimon (1313 metr. Ztr.) im südlichen Böhmen (Mileschan).
In kleinern Quantitäten werden Wismut und Nickel gewonnen. An Frischroheisen wurden 1883: 754,436 metr. Ztr.,
an Gußroheisen 128,756, in Summa 883,192 metr. Ztr., erzeugt, gegen die in den letzten
Jahren gesunkene Produktion wieder ein Fortschritt.
Das hauptsächlichste Eisenerz in Böhmen ist ein dichter, linsenförmig-körniger Roteisenstein, thoniger und ockeriger Brauneisenstein,
Thon- und Raseneisenstein. Hauptlager sind bei Kruschnahora und Nutschitz, dort mit 40, hier mit 50 Proz.
haltigem Erz. Das Erz wurde in 13 Hochöfen (hauptsächlich zu Kladno und Königshof bei Beraun; 22 Hochöfen standen
kalt) verhüttet, wobei 3623 Arbeiter beschäftigt waren. Ferner wurden 1883 gefördert: Uranpräparate (zu Joachimsthal, 20 metr.
Ztr.), Mineralfarben (8737 metr. Ztr.), Schwefel (1767 metr. Ztr.), Schwefelsäure
[* 29] und Oleum (113,382 metr. Ztr.), Graphit (bei
Oberplan, 74,221 metr. Ztr.), Alaun
[* 30] (in Altsattel, Münchdorf, Habersbirk etc., 17,324 metr.
Ztr.), Vitriolstein (36,562 metr. Ztr.)
und Eisenvitriol (in Altsattel, Lukawitz, Littmitz etc., 17,998 metr.
Ztr.). Sehr reich ist an fossiler Kohle, und zwar findet sich Steinkohle hauptsächlich in den Becken von Kladno-Schlan-Rakonitz,
von Pilsen und von Schatzlar-Schwadowitz, Braunkohle in dem ausgedehnten und ergiebigen Becken am südlichen Abhang des Erzgebirges.
Dagegen fehlt es Böhmen gänzlich an Kochsalz. Der Gesamtwert derBerg- und Hüttenproduktion Böhmens nach Abzug des Werts der verhütteten
Erze belief sich 1883 auf 29,38 Mill. Fl., d. h. 41,7 Proz. des Werts der gesamten Bergwerksproduktion Österreichs.
Der Arbeiterstand betrug 1883 beim Bergbau
[* 33] 43,016 Menschen (davon 18,751 beim Steinkohlen-, 16,004 beim Braunkohlen-, 5554 beim
Silberbergbau) und bei den Hüttenwerken 4530. Zur Administration des Bergbaues ist in neun der Berghauptmannschaft in Prag unterstehende
Reviere geteilt. Die Waldungen, 15,060 qkm einnehmend und meist aus Fichten, seltener aus Buchen und Eichen
bestehend, sind vom trefflichsten Bestand und meist Eigentum der Großgrundbesitzer (FürstSchwarzenberg allein besitzt 740 qkm).
Die größten zusammenhängenden Waldflächen finden sich im Böhmerwald.
Hier, wo zahlreiche Glashütten und Eisenwerke Unmassen von Holz verschlingen, blüht vor allem das
¶
mehr
Köhlergeschäft. Aber auch das Riesen-, das Iser- und Erzgebirge sind sehr waldreich, und das InnereBöhmens besitzt im Brdywald,
im Pürglitzer und SchwarzkosteletzerWald nicht minder umfangreiche Waldungen. Der durchschnittliche jährliche Holzzuwachs
beläuft sich aus mehr als 5 Mill. Festmeter, davon 57 Proz. Brennholz und 43 Proz. Bau- und Nutzholz. Der
Gesamtwert des Realbesitzes und Kulturlandes in Böhmen wurde 1871 aus 2435 Mill. Fl., der landwirtschaftliche Ertrag des Bodens
auf 459 Mill. Fl. berechnet.
Von wilden Tieren trifft man vereinzelt noch die wilde Katze
[* 35] an; überall ist der Dachs verbreitet, der Hamster wird, je weiter
südöstlich, desto seltener. Obschon der Wildstand bedeutend gesunken, kann sich doch schwerlich die
Jagd irgend eines andern deutschen Landes mit der böhmischen messen. Man hat 59 Tiergärten und 160 Fasanerien, in welchen
Wild in großer Menge gehegt wird. Im J. 1881 wurden an Nutzwild 11,499 Stück großes und 418,344 Stück kleines Haarwild, dann
488,333 Stück Federwild, an Raubwild 11,925 Stück Haarwild und 33,414 Stück Federwild geschossen. Gleich
bedeutend ist die Teichwirtschaft, obschon man zahlreiche Teiche in Äcker und Wiesen umgewandelt hat. Die WittingauerTeiche,
wo noch der Biber künstlich gehegt wird, bedecken allein über 50, die Frauenberger über 25 qkm. Den Ertrag der Teichfischerei
schätzt man auf jährlich 15,000 metr. Ztr.
Die Vermehrung betrug in der Periode 1857-69 jährlich 0,74, 1869-80 jährlich 0,71 Proz.
Die Ergebnisse der Bevölkerungsbewegung sind günstige zu nennen; 1883 kamen auf 1000 Bewohner 8 Trauungen, 38 Lebendgeborne
und 29 Sterbefälle; auf 1000 Geburten kamen 125 Uneheliche und 29 Totgeborne. Die Dichtigkeit der Bevölkerung beträgt jetzt
pro Quadratkilometer 107 Bewohner. Am dichtesten sind die nördlichen Bezirkshauptmannschaften Rumburg, Schluckenau, Gablonz
und Reichenberg, am dünnsten die südwestlichen Gegenden (Kralowitz, Krumau, Wittingau, Kaplitz) bevölkert.
Sie nehmen die ganze Mitte sowie den Osten und Südosten des Landes ein, wo sie sich an ihre Stammesgenossen in Mähren anschließen,
während sie sonst ringsum von der deutschen BevölkerungBöhmens (2 Mill.), welche die Grenzgebiete bewohnt, umgeben sind.
Schon von Riedersdorf (bei Landskron) an bewohnen die Deutschen gegen N. in schmalem Streifen die GrenzenBöhmens gegen Mähren
und die GrafschaftGlatz.
[* 39] Bei Nachod schieben sich Tschechen dazwischen, selbst bis
auf preußisches Gebiet.
Von Braunau im KöniggrätzerKreis zieht sich die deutsche Grenzbevölkerung in geschlossenen Massen und weitem Bogen
[* 40] nach W.,
von danach S. bis über Gratzen und nach einem kurzen Übertritt der Sprachscheide nach Niederösterreich (bei Schrems) über
Neubistritz und Neuhaus hinab. Die größte Breite dieses 830 km langen deutschen Grenzgürtels beträgt
im N. 80, im W. ca. 100 km; die schmälste Stelle befindet sich bei Klentsch im Böhmerwald, wo die Deutschen aus einen kaum 1 km
ins Land gehenden Streifen beschränkt sind.
Eine Sprachinsel der Tschechen im deutschen Gebiet findet sich bei Mies, wogegen die Deutschen viel zahlreichere und bedeutendere
Sprachinseln im tschechischen Gebiet bilden, so die der Schönhengstler um Landskron, Abtsdorf, Brünnlitz, die von Stecken
(im Anschluß an die Iglauer Sprachinsel in Mähren), von Budweis, Prag und Umgebung u. a. Im übrigen wohnen Deutsche zerstreut
in allen Gegenden des Landes, namentlich in den größern Städten. Wenn man bedenkt, daß die Deutsch-Böhmen
gegenüber den Tschechen, trotz der relativ hohen Bildungsfähigkeit der letztern unter den slawischen Völkerschaften, doch
einen Vorsprung, ein Übergewicht in kultureller und intellektueller Beziehung haben, daß die industrielle Produktion, der
Handel und das Verkehrswesen vorzugsweise in den Händen der Deutschen sind, und daß diese endlich an ihren Stammesgenossen
in und außerhalb Österreichs einen festen Stützpunkt finden, so wird man trotz der größern Zahl der
Tschechen Böhmen doch nicht als ein Land mit vorwaltend slawischen, tschechischem, Charakter ansehen können. Ebensowenig ist von
einer Vermischung der beiden Nationen die Rede; dieselben stehen sich vielmehr in neuerer Zeit mehr denn je als
national und politisch streng gesonderte Parteien gegenüber, ein Verhältnis, das allerdings der Förderung der Interessen des
von der Natur so glücklich bedachten und noch einer reichen Entwickelung fähigen Landes nicht zuträglich ist.
Das Unterrichtswesen hat sich in Böhmen, im Vergleich zu andern KronländernÖsterreichs, ansehnlicher Resultate zu erfreuen. Im
J. 1880 bestanden 4782 Volks- und Bürgerschulen (2244 deutsche, 2532 tschechische und 6 gemischte) mit
zusammen 16,129 Lehrern, 846,903 schulpflichtigen und 845,585 schulbesuchenden Kindern. Gymnasien und Realgymnasien zählte
das Land 1881: 51 (21 mit deutscher, 30 mit tschechische Unterrichtssprache), zusammen mit 938 Lehrern und 15,808 Schülern;
Realschulen 17 (9 mit deutscher, 8 mit tschechische Unterrichtssprache), zusammen mit 337 Lehrern und 5048 Schülern.
[* 2] Die Bevölkerung des Königreichs Böhmen, welche 1880: 5,560,819 Seelen betrug, wird für Ende 1888 auf
Grund der Ergebnisse der Bevölkerungsbewegung und der Wanderungen mit 5,812,635 Bewohnern berechnet. Von den höhern Unterrichtsanstalten
zählten die beiden Universitäten zu Prags im J. 1887 und zwar die deutsche 161 Dozenten und 1602 Studierende, die tschechische 124 Dozenten
und 2172 Studierende, die beiden technischen Hochschulen und zwar die deutsche 47 Lehrer und 192 Studierende,
die tschechische 60 Lehrer und 348 Studierende.
Der Bergbau und Hüttenbetrieb, welcher unter den Erwerbszweigen der Bevölkerung von Böhmen eine hervorragende Stelle einnimmt
und sich sowohl durch Reichtum als durch Mannigfaltigkeit der Produkte auszeichnet, hat im J. 1888 einen Produktionswert (nach
Abzug des Wertes der verhütteten Erze) von 33,218,189 Gulden, d. h. 46 Proz. des Wertes der Gesamtproduktion ÖsterreichsanBerg- und Hüttenprodukten, geliefert. Die Zahl derBerg- und
¶
mehr
Hüttenarbeiter betrug 53,766. Die wichtigsten Produkte waren: 35,073 kg Silber, 1,164,662 metr. Ztr. Frischroheisen, 208,271
Gußroheisen, 18,922 Blei, 26,867 Glätte, 2128 Antimon, 118,135 metr. Ztr. Graphit, 10,033,403 Ton. Braunkohle und 3,715,479 T.
Steinkohle. Nach der letzten statistischen Erhebung derIndustrie belief sich die Zahl der gewerblichen Unternehmungen Ende 1885 auf
124,965, die der Handelsgewerbe auf 91,000. An Verkehrsmitteln bestanden Ende 1887: 4347,7 km Eisenbahnen,
24,781,5 km Landstraßen und 1160 km Wasserstraßen. Der wichtigste Flußschiffahrtsverkehr findet
auf der Elbe statt. Der beim Grenzzollamt Schandau nachgewiesene Warenverkehr umfaßte in der Thalfahrt 16,7 Mill. metr.
Ztr. (darunter 14 Mill. Braunkohle, 1,2 Mill. Werkholz), in der Bergfahrt 245,900 metr. Ztr. Postanstalten
bestanden Ende 1887: 1089, Staatstelegraphenämter 432, Sparkassen 117 mit 536,793 Einlegern und einem Guthaben derselben von
335,86 Mil. Gulden.
Geschichte. Begünstigt vom MinisteriumTaaffe, setzten die Tschechen ihre Bemühungen, Böhmen gänzlich zu slawisieren, fort; die
sich liberal nennenden sogen. Jungtschechen gingen in ihren Forderungen sogar weiter als die mit dem Klerus
und dem Feudaladel verbündeten Alttschechen. Die Tschechen behaupteten, hierdurch nicht nur ihre eigne nationale Existenz zu
sichern, sondern auch den Bestand des österreichischen Staats, indem ein starker slawischer Staat zwischen dem DeutschenReich
und Deutschösterreich die Aufsaugung des letztern durch Deutschland
[* 43] hindern werde.
Ihren leidenschaftlichen Haß gegen letzteres gaben sie bei jeder Gelegenheit kund, und nur einige Führer, welche zu der Regierung
Beziehungen unterhielten, wie Rieger, nahmen auf das Bündnis zwischen Österreich
[* 44] und Deutschland einige Rücksicht, während
es andre offen bekämpften und dafür ein Bündnis mit Rußland und Frankreich forderten. Dennoch machte
die Regierung, namentlich der Justizminister Prazak, den Tschechen immer neue Zugeständnisse, um sich deren Zustimmung im Reichsrat
und damit die Mehrheit zu sichern. 1886 gebot eine neue Sprachenverordnung, daß auch die Beamten des Oberlandesgerichts
beide Sprachen, Tschechisch und Deutsch, verstehen und gebrauchen müßten.
Während durch die Forderung der Doppelsprachigkeit die deutschen Beamten, besonders die aus andern Kronländern,
als des Tschechischen meist nicht mächtig, verdrängt wurden (1889 waren von 45 Beamten der Staatsanwaltschaft 41 Tschechen,
nur 4 Deutsche!), wurden die Anforderungen hinsichtlich der Kenntnis des Deutschen bei den Prüfungen tschechischer Schüler
und Studenten immer mehr ermäßigt und die amtlichen Vorschriften darüber lax gehandhabt. Die Deutschen
erneuerten daher ihre Forderung, daß die deutschen Distrikte von den tschechischen administrativ getrennt würden, damit das
Eindringen der Tschechen in reindeutsche Gemeinden als Beamte, Arbeiter etc., welche dann sofort tschechische Schulen für sich
verlangten und die Slawisierung begannen, aufhöre und der nationale Hader beschwichtigt werde.
würden.
Die deutschböhmischen Wähler billigten diesen Schritt ihrer Abgeordneten und hielten treu zu ihnen; die ihres Mandats
verlustig erklärten deutschen Abgeordneten wurden sämtlich wiedergewählt. Die Vermittelungsvorschläge, welche der Oberstlandmarschall
FürstLobkowitz Ende 1887 dem Führer der Deutschen, Schmeykal, machte, und welche auf eine Teilung des Landtags
in drei Kurien (Großgrundbesitz, Tschechen und Deutsche) hinausliefen, winden zurückgewiesen, zumal sie nicht aufrichtig
gemeint waren; die Deutschen beharrten auf voller Sicherung ihres nationalen Besitzstandes durch administrative TeilungBöhmens
nach den Nationalitäten und die Teilung des Landtags in zwei nationale Kurien, denen das Veto gegen alle
Übergriffe zustande.
Ein Versuch, die deutschen Großgrundbesitzer für die Beschickung des Landtags durch das Zugeständnis einer Anzahl von Abgeordnetenmandaten
zu gewinnen, den die Feudalen auf Antrieb Taaffes 1889 machten, scheiterte ebenfalls an der Einigkeit der Deutschen. Die Tschechen
hatten also die unbestrittene Herrschaft im Landtag und benutzten sie, um ihre Interessen rücksichtslos
zu verfolgen; 1888 beschlossen sie auf Kosten der deutschen Steuerzahler die Errichtung einer böhmischen (tschechischen)
Akademie der Wissenschaften und Künste in Prag.
Der MinisterGrafTaaffe suchte von neuem Ausgleichsverhandlungen mit den Deutschen einzuleiten. Diese verlangten aber von vornherein
eine beruhigende Erklärung über die Absichten der Regierung hinsichtlich der Krönungsfrage, und daran
zerschlugen sich die Verhandlungen. Die 41 deutschen Abgeordneten beschlossen auch diesmal, dem Landtag fern zu bleiben. Die
Jungtschechen traten in demselben herausfordernd auf, und die Alttschechen wagten nicht, ihnen zu widersprechen, um nicht ihre
Popularität Zu verlieren.
Sie beantragten sofort 12. Okt. eine Adresse an den Kaiser mit der Bitte um die Wiederherstellung des Königreichs
und seiner frühern, durch den Krönungseid zu bekräftigenden Rechte. Dieser Antrag wurde 10. Nov. mit 113 gegen 37 Stimmen abgelehnt,
weil die Alttschechen durch Rücksichten auf die Regierung gebunden waren; doch wurde die angenommene Tagesordnung mit dem Vertrauen
begründet, daß die Krone den richtigen Zeitpunkt wählen werde, um das große Werk des böhmischen Staatsrechts durch die
Königskrönung abzuschließen. Dafür wurden die Alttschechen durch ein neues Sprachengesetz belohnt, welches auch für die
Bezirks- und Gemeindebehörden die Zweisprachigkeit vorschreibt.
[* 2] Geschichte. Der günstige Verlauf der Ausgleichsverhandlungen im Januar 1890 (s. Österreich, Bd. 17) rief
in den Kreisen der deutsch-böhmischen Bevölkerung aufrichtige Befriedigung hervor. Auf dem am zu Teplitz abgehaltenen
deutsch-böhmischen Parteitag wurden die von den Parteiführern getroffenen Abmachungen einmütig sanktioniert und zugleich
beschlossen, daß sich die Deutschböhmen an der Prager Landesausstellung des Jahres 1891 beteiligen werden.
Auch die Alttschechen erklärten sich, wenn schon mit einer gewissen Beklommenheit, durch die Vereinbarungen
für befriedigt, während sich die Jungtschechen, welche zu den Verhandlungen nicht zugezogen worden waren, zunächst nicht
als Partei über den Ausgleich vernehmen ließen. Mit der Durchführung der Ausgleichsbestimmungen trat am raschesten der Justizminister
GrafSchönborn hervor. Am 5. Febr. erschienen nämlich bereits zwei Verordnungen, von welchen die eine der
Bildung einer Kommission beim PragerOberlandesgericht galt, welche unter Zuziehung von je zwei Vertrauensmännern der Deutschen
und Tschechen die Abgrenzung der Gerichtsbezirke vorzunehmen hat, während die andre die Bildung eines deutschen und eines tschechischen
Senats beim PragerOberlandesgericht, ferner die Verfügungen über das Erfordernis der Sprachkenntnisse
nach dem praktischen Dienstbedarf für die richterlichen Beamten zum
Gegenstand hatte.
Während der durch die Ostertage veranlaßten Unterbrechung der Reichsratssession fand 14.-16. April eine Nachkonferenz zum
deutsch-böhmischen Ausgleich statt. Es handelte sich hauptsächlich um die Abänderung der Landtagswahlordnung, betreffend
den allodialen Großgrundbesitz, dessen Wählerschaft in fünf territoriale Wahlkörper zum Zwecke der
Wahl von je einer Anzahl von Landtagsabgeordneten eingeteilt werden sollte. Nach dem Regierungsentwurf wären der deutschen
Partei von den 54 in Betracht kommenden Landtagsmandaten nur 13 zugefallen. Da sich die deutschen Großgrundbesitzer
mit dieser geringen Vertretung nicht zufrieden gaben, kam eine Einigung nicht zu stande, und wurde daher
die Austragung dieser Angelegenheit dem Landtag vorbehalten.
Inzwischen hatten die Jungtschechen nach ihrer anfänglichen Zurückhaltung in einem Manifest vom 20. Febr. den Ausgleich in der
vorliegenden Form für nicht annehmbar erklärt. Im einzelnen erhoben sie keine prinzipiellen Bedenken gegen die Teilung des
Landesschul- und des Landeskulturrats sowie gegen die Errichtung zweier Senate beim PragerOberlandesgericht.
Auch sprachen sie sich für die Wahlreform und für die Errichtung einer neuen Handelskammer im östlichen Böhmen aus, verlangten
aber zunächst die Erledigung der nationalen Desiderien der Tschechen.
Einen schwerwiegenden Sieg errang die jungtschechische Partei am 16. April bei der Wahl des Reichsratsabgeordneten im Jungbunzlauer
Städtebezirk, welcher bisher durch den gemäßigten Alttschechenführer Mattusch vertreten war und nun
den Jungtschechen zufiel. Sofort nach Schluß der Reichsratssession, 19. Mai, trat in Prag der böhmische Landtag, in welchem zum
erstenmal seit dem Exodus vom die Vertreter des deutschen Volkes in Böhmen wieder erschienen, zu seinen Beratungen
zusammen, welche die im Januar zu Wien getroffenen Vereinbarungen verwirklichen sollten.
Dem Landtag wurden vorgelegt die Gesetzentwürfe hinsichtlich der Teilung und Einrichtung des Landesschul- und des Landeskulturrats,
hinsichtlich der Minoritätsschulen, der neuen Landtagskurien und der Reform der Landtagswahlordnung für den allodialen Großgrundbesitz;
doch erledigte er bis zu seiner Vertagung am 3. Juni infolge der jungtschechischen Verschleppungs- und Obstruktionspolitik
nur eine einzige Ausgleichsvorlage, nämlich den Gesetzentwurf, betreffend die Zweiteilung des Landesschulrats, welcher nach
endlosen Debatten, wobei die Deutschen die größte Geduld und Mäßigung bewiesen, ohne wesentliche Änderung angenommen wurde.
Das Gesetz wurde noch im Juni 1890 vom Kaiser sanktioniert, welcher auch bei Gelegenheit der Vorstellung der Delegierten Anlaß
nahm, den Ausgleich unter seinen persönlichen Schutz zu nehmen, indem er erklärte, daß das begonnene Ausgleichswerk unter
allen Verhältnissen durchgeführt werden müsse, und zugleich
¶
mehr
betonte, daß die tschechische Bevölkerung ohne jeden Grund verhetzt und in Aufregung versetzt sei. Übrigens dauerte auch
nach der Vertagung des Landtags die jungtschechische Agitation ungeschwächt fort, wogegen die Alttschechen, welche fühlten,
daß sie denBoden unter ihren Füßen verloren, ein neues Mittel versuchten, um ihre Position zu retten. Sie
verlangten nämlich plötzlich die Einführung der tschechischen Amtssprache im internen Dienste
[* 48] der Gerichte der rein tschechischen
Bezirke als Bedingung für die Annahme der weitern Ausgleichspunkte. In diesem Sinne hatte sich auch der Landtag mit einer gegen
die Stimmen der Deutschen angenommenen Resolution ausgesprochen.
Die Regierung und die Deutschen verhielten sich gegenüber dieser neuen Forderung, welche zufolge der Wiener
Vereinbarungen vom Ausgleich ausgeschlossen bleiben sollte, ablehnend. Ja der Kaiser erklärte, als bei einem Delegationsempfang
Rieger ihm gegenüber diese Frage berührte, es dürfe nicht dahin kommen, daß die Beamten in Böhmen der deutschen Sprache
nicht mehr mächtig seien. Neuerliche Konzessionen der Regierung an die Tschechen in der Schulfrage, wie
die Komplettierung der tschechischen Universität durch die Errichtung einer theologischen Fakultät, die Übernahme von tschechischen
Privatgymnasien in die Staatsverwaltung, Anerkennung und Unterstützung der neuen tschechischen Akademie der Wissenschaften und
Künste, übten nur geringe Wirkung auf die erregten Gemüter aus, anderseits verursachte es bei der Durchführung
des neuen Gesetzes über den Landesschulrat auf seiten der Deutschen großen Unmut, daß die Prager tschechische Stadtvertretung
den Reichsratsabgeordneten Heinrich, welcher immer mit den Tschechen stimmte, als Vertreter der Deutschen in den Landesschulrat
entsandte. Am 14. Okt. wurde der böhmische Landtag zur Fortsetzung seiner Beratungen über die Ausgleichsvorlagen
einberufen.
Die kurz vorher stattgefundenen Verhandlungen zwischen den Alt- und Jungtschechen über den Ausgleich waren, wie vorauszusehen
war, an der Weigerung der Jungtschechen, für die Ausgleichspunktationen ohne vorherige Zugeständnisse an die Tschechen in
sprachlicher und staatsrechtlicher Beziehung, insbesondere hinsichtlich der Wahlordnung, einzutreten, gescheitert. In dieser
zweiten Ausgleichssession wurde die Vorlage, betreffend die Zweiteilung des Landeskulturrats, jedoch in
einer Art in Verhandlung gezogen, daß die Beratung des Gesetzes in der Session nicht zu Ende geführt werden konnte und bis
zu der im Januar 1891 in Aussicht genommenen dritten Session vertagt werden mußte. Unter diesen Umständen beschlossen die
Vertrauensmänner der Deutschböhmen, daß von der Beschickung der Landesausstellung 1891 seitens der
DeutschenAbstand zu nehmen sei.
[* 2] Geschichte. Während die Ausgleichsverhandlungen 1891 ins Stocken gerieten, weil die Regierung, zumal nach
dem Ausfall der österreichischen Reichsratswahlen, sich nicht entschließen konnte, die alttschechische Forderung der tschechischen
Amtssprache zu bewilligen, die Alttschechen aber ohne dies Zugeständnis abzufallen drohten, gab die böhmische Landesausstellung
zu Prag, an der sich trotz des Beschlusses der deutschen Vertrauensmänner doch einige deutsche Firmen
beteiligten, im Sommer 1891 den Tschechen erwünschte Gelegenheit, ihrem nationalen Hochmut und dem Haß gegen die Deutschen den
üblichen Ausdruck zu verleihen. Namentlich die besonders veranstalteten Massenbesuche aus andern slawischen Ländern und auch
aus Frankreich wurden dazu benutzt, um panslawistische Verbrüderungsfeste zu feiern, gegen den Dreibund
zu hetzen und das Bündnis mit Rußland und Frankreich zu verlangen. Die jungtschechische Partei stellte sogar ein neues politisches
Programm auf, welches die Organisation der »Vereinigten
[* 49] Staaten von Österreich« forderte.
Gegen Deutsche wurden in Prag wiederholt rohe Gewaltakte verübt und von den Gerichten nur gelinde bestraft.
Dennoch besuchten im Juli eine Anzahl klerikaler und feudaler Reichsratsabgeordneter die PragerAusstellung, und auch der Kaiser
entschloß sich, den angekündigten, aber wegen der wüsten
Szenen wiederholt verschobenen Besuch Ende September auszuführen, doch mit der Veränderung, daß er nicht bloß die PragerAusstellung, sondern auch Reichenberg, als den Sitz der deutsch-böhmischen Industrie, besuchte. FranzJoseph
wurde in Prag mit großem, ja begeistertem Jubel
empfangen; die Jungtschechen bemühten sich, durch eifrige Loyalitätsbezeigungen
ihre panslawistischen Ausschreitungen vergessen zu machen. Doch bemerkte der Kaiser dem fanatisch-tschechischen Bürgermeister
von Prag, Scholz, daß ihn die Straßen- und Bahnhofsdemonstrationen schmerzlich betrübt hätten, und daß er
hoffe, daß so unpatriotische Kundgebungen sich nicht wiederholen würden.
Auch gegen die Absicht, Huß in Prag ein Denkmal zu errichten, sprach er sich entschieden aus. Wiederholt betonte er die Notwendigkeit
des innern Friedens und des einträchtigen Zusammenwirkens beider Volksstämme. Auch in Reichenberg war der Empfang des Kaisers
glänzend. Ein Bombenattentat, durch welches die Eisenbahn zerstört werden sollte, um den Besuch in Reichenberg
unmöglich zu machen, mißlang. Weiteres s. Österreich-Ungarn,
[* 50] Geschichte.
[* 2] (hierzu Karte: Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien; vgl. für den
nordöstl. Teil die Karte: PreußischeProvinzSchlesien; für den nordwestl. Teil: Königreich Sachsen, PreußischeProvinzSachsen [südl. Teil] und Thüringische Staaten), czech. Čechy, lat. Bohemia, d. i. Land derBojer, sonst Böheim, früher
ein selbständiges Königreich, jetzt ein zum cisleithanischen Teile der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehöriges
Kronland, zwischen 48° 34' bis 51° 3½' nördl. Br. und 12° 7' bis 16° 50' östlich von Greenwich,
enthält den nördlichsten Punkt der ganzen Monarchie. Es hat von W. nach O. eine Länge von 330 km, von N. nach S. von 277 km.
In denUmrissen eines 51 948,18 qkm großen, verschobenen Vierecks grenzt es im NW. an das Königreich
Sachsen, im NO. an die preuß. ProvinzSchlesien, im SO. an die Markgrafschaft Mähren und das Erzherzogtum
Nieder-Österreich, im S. an das Erzherzogtum Ober-Österreich und im SW. an Bayern.
Oberflächengestaltung. Allerdings treffen die polit. Grenzen auch auf den drei nichtösterr. Seiten mit den natürlichen
Grenzwällen des Böhmerwaldes, Fichtel- und Erzgebirges und den Gliedern des sudetischen Bergsystems fast
überall zusammen; doch ist deshalb Böhmen nicht als ein von allen Seiten geschlossenes und in der Mitte eingesenktes
Kesselland anzusehen, sondern es schließt sich durch das Fichtelgebirge (s. d.)
an die mitteldeutschen Terrassenlandschaften an, deren vertikale Entwicklungsart es teilt.
Mit Mähren ist es so innig verwachsen, daß man in dem Raume zwischen der Eger, Elbe und Donau einerseits
und March und Raab
[* 51] andererseits ein gemeinsames böhmisch-mährisches, hochummauertes, welliges Terrassenland verfolgen kann,
dessen Treppenabsteigung von SW.
nach NO. nur durch wenige kleine Binnensenken gestört wird. Durch sehr geringe Quellgebiete
(3184 qkm, d. i. 6,8 Proz. des Landes) im SO. und NO. haben Donau und Oder Anteil am böhm. Boden, der fast
ganz dem Elbgebiet (48 772 qkm) zufällt, und zwar durch die Elbe selbst in ihrem obern Laufe bis zum Durchbruche der merkwürdigen
Felsgebilde des Elbsandsteingebirges und durch den bei Melnik mündenden echt böhm. Fluß, die Moldau (Gebiet 28 135 qkm).
Die Elbe, welche bei Melnik schiffbar wird, nimmt auf: rechts die Cidlina, Iser und den Polzen; links
Aupa, Mettau, Adler, Laucha (Loučna), Chrudimka, Doubrawa, Moldau, Eger und Biela.
Der Moldau fließen zu: rechts Malisch, Luschnitz und Sazawa, links Wotawa und Beraun. Für das eigentliche böhm. Terrassenland
treten gliedernd auf die Elbe und Eger, die Sazawa und Beraun, die tiefe Meridianfurche der Moldau und der
diese nördlich fortsetzenden Elbe. Die kleinen, rings umschlossenen Tiefebenen sind folgende: Im Norden das Teplitz-KomotauerBecken, die Laun-Saazer Ebene an der Eger, 120-150 m hoch, die ebenso hohe Theresienstädter, an der Egermündung gelegene Ebene,
östlich davon an der Moldaumündung die Melniker Ebene, an diese anschließend die Nimburger und die
Pardubitzer Ebene, d. i. der südwestlich von Königgrätz
[* 52] eingesenkte Elbkessel, der von Teichen zerrissen und 190-200 m hoch
ist.
In der Mitte bei Pilsen das Sammelbecken der Beraun, etwa 300 m hoch. Im Süden breitet sich, von Teichgruppen
erfüllt, aber bis zu etwa 400 m erhoben, die Budweis-Wittingauer Tiefplatte weiter aus. Dieselbe Überhöhung behaupten auch
die den genannten Ebenen südwärts anliegenden Stufen, unter einer zweiten allgemeinen Neigung nach Osten hin, sodaß das
böhm. Bergland westlich der Moldau den östl. Abschnitt immer um fast 100 m an Höhe überragt. Die nördliche
böhm. Terrasse erhebt sich in schroffen Rändern und einzelnen scharf markierten Vorsprüngen, wie z. B. dem Engelhäuser
Berg (645 m), Purberg (562 m) und Georgenberg (455 m), zur Mittelhöhe von 310 bis 380 m. Die
mittlere Stufe steigt zu 450-500 m und ragt am Brdýwald 853 m und am Třemschin-(Třemšin-)berg 822 m
empor.
Die südl. Terrasse schließt sich bei 570-630 m hohen Nordrändern an den Böhmer- und Greinerwald (höchste Spitze: Kubany, 1358 m).
Die natürliche Grenze B.s gegen Westen bildet der Böhmerwald (s. d.), der durch das Plateau von Waldsassen mit dem Fichtelgebirge
in Verbindung steht. Die Bodenform des nördlichen am rechten Elb-, Adler- und linken Egerufer, wird durch
das sächs. und sudetische Bergland bedingt. Östlich und nordöstlich des Elbkessels, im Gebiete
der linken Zuflüsse der obern Elbe, übersteigt man kurze Absätze ziemlich scharfgezeichneter Bergformen, um zu den Sudeten
(s. d.) und zwar entweder zu den Vor- und Hochketten des
Glatzer Gebirgslandes, besonders zu den Böhmischen und Habelschwerdter Kämmen oder Adlergebirge (Hohe Mense, 1085 m), Heuschmergebirge
(920 m), Politzer Felsen und Adersbacher Sandsteinklippen, oder zu den steilen Kämmen des Riesengebirges (s. d.,
Schneekoppe, 1605 m) zu gelangen. Im N. und in dem Gebiete der rechten Elbzuflüsse aber führen breitere Plateaumassen,
wie das Gitschiner und das Daubaer Plateau, zu den Ketten des Isergebirges (Tafelfichte, 1124 m) und den Massen des LausitzerGebirges
(Jeschkenberg, 1013 m). Diesem liegen südwestlich
¶
mehr
Haufen dichtgedrängter Bergkuppen vor, die zwischen Leitmeritz und Aussig von der Elbe durchbrochen werden. Östlich sind
es die unzusammenhängenden Gruppen des Kleis- und des Geltschberges (725 m) und westlich die gleichfalls basaltischen Massen
des Böhmischen Mittelgebirges, welches in dem Donnersberg (Mileschauer) 835 m Höhe erreicht und im N. durch die
tiefe Furche der Biela vom Erzgebirge getrennt wird. Dieses begrenzt mit seinen Steilabfällen den nördl. Egerabschnitt,
trägt die böhm. Grenze auf seinem plateauförmigen, breiten Scheitel, erreicht im Lande die größte Höhe im Keilberg (1238
m) und geht westlich zu den sanftern Formen des Egerlandes über, das sich allmählich dem Fichtelgebirgsplateau
öffnet.
Mit dem Wechsel der äußern Formen des Bodens steht auch vielfach die Änderung des geognost. Bildes in Verbindung. Der höhere
Süden ist aus den Massen des Urgesteins (Gneis, Granit u. s. w.) zusammengesetzt. Die westl.
Mitte zwischen Prag und Klattau besteht aus den Schichten der Cambrischen, der Silur- und Steinkohlenformation, und
die östl. Mitte in und um den Elbkessel gehört der Kreidegruppe an. Ein noch bunteres Bild zeigt der nördl. Abschnitt. Östlich
von der Elbe herrscht der Quadersandstein vor, stellenweise auf den Schichten des Rotliegenden aufliegend; westlich nehmen
die mächtigen Schichten der Braunkohlenformation den Fuß des Erzgebirges ein. Überall treten hier Kuppen,
Kegel und Ströme vulkanischer Gesteine
[* 54] (Basalt, Phonolith), das basaltische Mittelgebirge bildend, auf, während an der westl.
Grenze die Primärformation, die sog. Urschieferformation des Südens im Anschluß an das Fichtelgebirge vorherrscht.
Klima.
[* 55] Die klimatischen Verhältnisse schließen sich zwar den günstigen Beziehungen Mitteldeutschlands an durch das Vorhandensein
einer, von den Gebirgen abgesehen, ziemlich gleichmäßigen Temperatur, die Bodengestaltungen greifen jedoch
wesentlich zur Erzeugung eigentümlicher Erscheinungen ein. Während die westl. und nördl.
Grenzgegenden noch oceanischen Einflüssen zugänglich sind, hat das Klima des übrigen Landes rein kontinentalen Charakter.
Der höhere Süden ist rauher als der tiefere Norden, die Gebirgsgegend kälter als die geschützte Ebene.
Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Budweis 8,0, in Deutsch-Brod 7,2, Pilsen 8,4, Eger 7,4, Prag 9,2, Bodenbach 8,6° C.,
ist also in Prag im Mittelpunkte des Landes am höchsten und nimmt gegen die Ränder ab. Am niedrigsten ist sie im Egerbecken,
am Plateau von Tepl, im Süden und Südosten, endlich auf dem nordöstl. Kreideplateau, wo Minima unter
-30° C. beobachtet wurden, während in Prag die Temperatur nur bis -26,8° C. sank. Das absolute Maximum betrug in Prag 36,4°
C. in 30 Jahren. Die Niederschlagsmengen schließen sich den Höhenverhältnissen an, sind am größten an den Rändern,
am geringsten in der Mitte; Prag hat nur 416 mm Regenmenge, in Marienbad erreicht sie 758 mm, im Riesengebirge
steigt sie dagegen über 1200 mm.
Mineralreich. Außerordentlich rasch sind die Fortschritte, welche das durch seinen Produktenreichtum von Natur gesegnete
Land in der neuern Zeit auf allen Gebieten der physischen und der technischen Kultur genommen hat. Zunächst
ist es das Mineralreich, welches in ergiebigster Weise die mannigfaltigsten Schätze darbietet. Goldgruben giebt es bei Eule,
die aber seit mehrern Jahren nicht mehr ausgebeutet werden. Die Produktion
von Golderzen betrug (1891) 283 Doppelcentner,
von Gold
[* 56] 1,96 kg (im Werte von 351 Fl.), von Silber 35 314 kg (im Werte von 3 146 481 Fl.), besonders in
den Werken von Joachimsthal und Přibram; Kuttenberg östlich von Prag wurde im Mittelalter ausgebeutet und neuerdings wieder
in Angriff genommen.
Der Eisenbergbau ist zu einer bedeutenden Entwicklung gelangt (1891: 3 133 204 Doppelcentner Eisenerze); die sich jährlich
mehrenden Hochöfen erzeugten (1891) 1097 009 Doppclcentner Frisch- und 175 733 Doppelcentner Gußroheisen,
zusammen im Werte von 5,15 Mill. Fl. Böhmen ist unter allen österr. Kronländern das einzige, welches Zinn produziert, und zwar
im Erzgebirge (1891) 7205 Doppelcentner Zinnerze und daraus 562 Doppelcentner Zinn; der Bergbau lieferte 15 610 Doppelcentner
Blei und 22 676 Doppelcentner Glätte, etwas Kupfer,
[* 57] Nickel und Kobalt, Antimon (1541 Doppelcentner), Wismut,
Arsenik, Uran- und Wolframerz (567 Doppelcentner), Braunstein, Schwefel (456 Doppelcentner), 122 679 Doppelcentner Schwefelsäure, 8384 Doppelcentner
Mineralfarben und 11 843 Doppelcentner Eisenvitriol, Graphit (126 830 Doppelcentner), Alaun, Porzellanerde, vorzügliche Bau-
und Nutzsteine sowie mehrere Arten Edel- und Halbedelsteine (insbesondere die berühmten böhm. Granaten),
deren Aufsuchen und Bearbeitung jedoch bei weitem nicht mehr die Ausdehnung hat wie ehedem.
Den größten Anteil am Bergbau des Landes, der Menge wie dem Wert nach, hat die Kohlenproduktion. Im mittlern Böhmen (Pilsen, Nürschan,
Kladno) werden Steinkohlen gewonnen, im nördl. Teile des Landes (Dux, Brüx, Ossegg, Falkenau) befinden sich
Braunkohlengebiete, die zu den reichsten in Europa
[* 58] gehören. Böhmen produzierte (1891) 37 911 924 Doppelcentner Steinkohlen und 129 563 004 Doppelcentner
Braunkohlen im Werte von 12,52, bez. 20,84 Mill. Fl. Torflager werden nur vereinzelt, namentlich im Oberlaufe der Moldau ausgebeutet.
Der Wert der Produktion des Bergbaues in Böhmen betrug (1891) 37 953 588 Fl., der des Hüttenbetriebes 9651326
Fl. Kochsalz fehlt ganz; dagegen haben die Mineralquellen (s. Böhmische Bäder) dem Lande einen Weltruf verschafft.
Tierreich. Unter den Tieren sind die wilden mit zunehmender Landeskultur immer mehr den Haustieren gewichen oder doch wenigstens
die Gegenstände geregelten Jagdbetriebes geworden. Bär und Wolf sucht man jetzt vergebens, wohl aber
trifft man noch, wenn auch selten, die wilde Katze an; in den Gebirgswaldungen ist der Dachs verbreitet. Schwarz- und Rotwild
giebt es in großer Menge, zumeist in eingezäunten Waldstrecken; Hasen sind so häufig, daß jährlich beinahe ½ Mill.
Felle ausgeführt werden; die Zucht der böhm. Fasane ist weithin berühmt.
Die Viehzucht
[* 59] ist im allgemeinen in starkem, wenn auch in den einzelnen Gegenden und in ihren verschiedenen Zweigen ungleichem
Betriebe und in neuern Zeiten ein Gegenstand höherer Sorgfalt geworden. Die Pferdezucht
[* 60] hat sich besonders aus Veranlassung
militär. Rücksichten unter Maria Theresia und Joseph II. gehoben. Außer vielen Privatgestüten giebt
es ein kaiserl. Hofgestüt zu Kladrub. Der Pferdebestand des Landes betrug (1890) 215 729 Stück; der beste Schlag findet sich
in den südl. und östl. Landesteilen. An Rindvieh zählte man 2 022 305 Stück. Die Schafzucht stand ehedem, vorzüglich
durch die Fürsorge der Kaiserin Maria Theresia, in Blüte,
[* 61] ist aber neuestens stark zurückgegangen. Die
Anzahl
¶
mehr
der Schafe
[* 63] betrug (1890) 423 002, der Schweine
[* 64] 514 367 Stück. Die Ziegenzucht (334 117 Stück) findet viele Pflege in den
Gebirgsgegenden, die Gänsezucht im Süden, wo Herden von vielen Tausend Gänsen weiden, von denen man jährlich an 15000 Ctr.
Bettfedern gewinnt; Hauptsitz des Handels mit Bettfedern ist Neuern in der Bezirkshauptmannschaft Klattau.
Die Seidenkultur ist durch viele Aufmunterungen in neuesten Zeiten nicht ohne Erfolg geblieben (5 Mill. Pfd. Cocons). Die
Bienenzucht
[* 65] (1890: 149 738 Stöcke) liefert dem Handel ein gleich dem mährischen sehr geschätztes Wachs. Die Fischerei
[* 66] wird
in den zahlreichen Teichen mit großem Vorteil getrieben, und böhm. Karpfen und Hechte gehen in Menge
nach den benachbarten Ländern.
Bevölkerung. Die Einwohnerzahl betrug 1785 etwa 2,7 Mill., 1807 über 3,1 Mill., 1827 3,7 Mill., 1837 4 Mill., 1846 4,34
Mill., 1857 4 705 526, 1869 5 106 069, 1880 5 560 819, 1890 5 843 094 (34 392 Militär), d. i. 112 E.
auf 1 qkm, wonach Böhmen zu den bestbevölkerten Kronländern Österreich-Ungarns gehört. Die Zunahme betrug 1869-80 420 275 oder
7,43 Proz., 1880-90 286 695 oder 5,16 Proz. Am dichtesten sind die
nördlichen, am wenigsten die südwestl. Gegenden bewohnt. Dem Geschlechte nach waren (1890) 2 821 989 männlich, 3 021 105 weiblich
(d. i. 1071 Frauen auf 1000 Männer); der Nationalität nach 2 159 O11 (37,20 Proz.) Deutsche, 3 644 188 (62,79 Proz.)
Czechen.
Die Czechen (s. d.) nehmen besonders die Mitte und den Osten des Landes ein, während die Deutschen vorzugsweise an den Grenzen
wohnen, am meisten im Norden und im Südwesten. Der Religion nach waren 5 612 297 (96 Proz.) Katholiken, 127 236 (2,17
Proz.) Evangelische, darunter 60 737 Lutheraner (1,04 Proz.) und 66 499 (1,13 Proz.) Reformierte, 94 479 (1,6 Proz.) Israeliten, 6514 Altkatholiken, 1180 Konfessionslose.
Es gab 2 Städte mit eigenem Statut, 89 polit. Bezirke, 218 Gerichtsbezirke, 7151 Gemeinden, 19 931 Ortschaften, 726 226 Wohngebäude, 1289 808 Wohnparteien.
Auf 1 Wohngebäude entfielen 1,77 Wohnparteien und 8,05 E., auf 1 Wohnpartei 4,5 E. Die Bewegung der Bevölkerung ergab (1890) 42 500 Eheschließungen, 204 407 Lebendgeborene,
darunter 27 287 uneheliche, 167 757 Sterbefälle. Dem Berufe nach gehörten (1880) an 3,10 Proz.
den Berufsarten mit höherer Schulbildung, 45,25 Proz. der Land- und Forstwirtschaft, 39,65 Proz. dem Bergwesen, der Industrie
und dem Gewerbe, 5,96 Proz. dem Handel und Transportwesen, 3,36 Proz. den Haus- und Rentenbesitzern und Pensionisten, endlich
1,85 Proz. der dienenden Klasse.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche des Landes sind 96,75 Proz. produktiv, davon entfallen
auf Äcker 50,54, Wiesen 10,05, Gärten 1,35, Weingärten 0,01, Hutweiden 5,05, Waldungen 29,01, Teiche 0,74 Proz. Von der
Ackerfläche des Landes (2 625 402 ha) wurden (1890) 97 Proz. angebaut, 3 Proz.
blieben als Brache liegen. Mit Getreide wurden im zehnjährigen Durchschnitte (1880-89) 1 581 400 ha,
mit Hülsenfrüchten 58 369 ha, mit Kartoffeln 334 158 ha, mit Zuckerrüben 128 194 ha bepflanzt. In diesem Zeitraume produzierte
Böhmen durchschnittlich jährlich 4 631 764 hl Weizen, 9 271 293 hl Roggen, 6 278 258 hl Gerste
[* 67] und 10 113 600 hl
Hafer.
[* 68] An Kartoffeln wurden geerntet 31 241 782 hl. Ebenso ist an Hülsenfrüchten
(568 228 hl), Küchen- und Gartengewächsen aller Art Überfluß.
Unter den Gewerbspflanzen nehmen Flachs, Hopfen
[* 69]
und die Zuckerrübendie ersteStelle ein. Der Flachs gedeiht besonders in den
Gebirgsgegenden; 1890 wurden 127 690 Doppelcentner Bast
[* 70] und 80 150 Doppelcentner Samen
[* 71] erzeugt. Der Hopfenbau
ist berühmt, namentlich im Egerthale und besonders bei Saaz. Die Ernte
[* 72] schwankt zwischen 25000 und 50000 (1890: 42 380)
Doppelcentner. An Zuckerrüben wurden geerntet 38 161 520 Doppelcentner. Die Hanfkultur ist untergeordnet, dagegen der Anbau
des Rapses in rascher Aufnahme begriffen (1890: 18 741 ha mit 208 220 Doppelcentner Ertrag).
Der Obstbau liefert große Mengen zu Handelszwecken, die Zahl der Obstbäume im ganzen Lande wird auf 21 173000 geschätzt.
Die Weinkultur liefert im Durchschnitt 9000 hl (1880, ein Mißjahr, 3905 hl, 1890: 861 ha mit 6160 hl Ertrag) und ist auf
das Elbthal von Melnik bis Aussig und die Gegend um Prag beschränkt. Die Waldungen (1890: 1 507 325 ha)
bestehen aus 1 368 331 ha Nadel-, 59 928 ha Laub- und 79 066 ha Mittel- und Niederwald, und geben eine Ausbeute von mehr als 10 Mill.
cbm Holz.
Industrie und Gewerbe. Die Aufzählung der einzelnen Zweige der physischen Kultur in Böhmen bestätigt zwar im allgemeinen
eine günstige Benutzung der natürlichen Landesreichtümer, indeß noch günstiger gestalten sich die Verhältnisse der
Gewerbsthätigkeit in welcher Beziehung das Königreich das erste Industrieland in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie
ist und überhaupt zu den bedeutendsten Industrieländern Europas gehört, vorzugsweise in seinen nördl.
Gegenden.
Die Industrie hat seit 1852, noch mehr aber seit 1860 und 1867 eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Ganze Zweige,
insbesondere von städtischen Gewerben, sind verschwunden, andere neu entstanden und wieder andere in ihrem Betriebe geändert
oder in ihrer Örtlichkeit versetzt worden. Als nach der Entlastung des Grund und Bodens keine Robot (s. d.)
mehr zu Gebote stand, mußte man trachten, die sich verteuernde Handarbeit durch die Maschine
[* 75] zu ersetzen. So entwickelte sich
die fabrikmäßige Erzeugung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte. Der Mühlenbetrieb gestaltete sich nach amerik. System
um und beginnt sich mehr in großen Etablissements zu vereinigen. Die durch die Eisenbahnen erleichterte
Konkurrenz des ungar. Getreides und Mehles nötigte die Landwirte, in andern Bodenfrüchten
einen bessern Ertrag zu suchen, daher die große Ausbreitung der Rübenzuckerfabrikation und die wenigstens intensiv gesteigerte
Spirituserzeugung. In vielen Gegenden
¶
Nebenfluß der Elbe in Böhmen, nächst der Moldau und Eger der wasserreichste Zufluß in Böhmen, 82 km lang, entsteht aus der Wilden und Stillen A. und mündet bei Königgrätz