Bischof
(vom grch. episkopos, d. h. Aufseher) heißen
die als Nachfolger der
Apostel geltenden kirchlichen
Beamten, die in der Regel in einem räumlich abgegrenzten
Bezirke (Diöcese)
das Kirchenregiment führen. In der Apostelzeit gab es noch keine Bischof
im spätern
Sinne, vielmehr stand, nach dem Vorbild der
jüd.
Synagoge, an der
Spitze jeder Gemeinde eine Mehrheit von Vorstehern oder
Ältesten («Presbytern»),
für die in den heidenchristl. Gemeinden der
Name Bischof
aufkam. Im 2. Jahrh. bildete sich die
Sitte aus, den Vorsteher des Presbyterkollegiums
mit gewissen
Vorrechten auszustatten, und diesen vorzugsweise als Bischof
zu bezeichnen. Abweichend von dieser
Auffassung hat Hatch
in «The organisation of the early christian churches (3. Aufl.
1888; deutsch von
Harnack,
Gießen
[* 3] 1883) die Bischof
als die ursprünglichen Kassenbeamten und Gabenverwalter der Gemeinden zu
erweisen gesucht. Erst nach Mitte des 2. Jahrh. drängte die
Notwendigkeit, die kirchliche Einheit in
Lehre
[* 4] und äußern Ordnungen
sicherzustellen, zu einer Zusammenfassung der
Kirchengewalt in dem Bischof
samte oder
"Episkopat».
Die Bischof
galten fortan vorzugsweise als
Träger
[* 5] des
Heiligen
Geistes, in denen durch
Handauflegung von Geschlecht
zu Geschlecht von den
Aposteln her die echte Lehrüberlieferung sich fortpflanze und die
Vollmacht der
Kirche zur
Sündenvergebung
zusammengefaßt sei. Dem entsprechend wurden ihnen noch besondere
Vorrechte, z. B. das der Firmung und der Ordination, zugestanden.
Ursprünglich waren die Bischof
untereinander wesentlich gleich. Allmählich aber wurden die Bischof auf dem
Lande (s. Chorbischöfe) von den Stadtbischöfen abhängig und verloren seit dem 4. Jahrh.
auch den
Namen Bischof
Andererseits erlangten die Bischof der größern
Städte, namentlich der Provinzialhauptstädte, ein Aufsichtsrecht
über die übrigen, und es bildete sich das Rangverhältnis unter den Bischof
aus, welches in
den
Titeln Erzbischof
, Metropolit,
Patriarch und Papst seinen
Ausdruck fand. Nachdem durch das
Vatikanische Konzil das
Episkopalsystem
(s. d.) ausdrücklich verworfen und der Papst als Inhaber der bischöfl. Gewalt
über die ganze
Kirche
(Universalepiskopat) anerkannt worden ist, sind die Bischof als
Stellvertreter (Vikare) des
Papstes anzusehen, welche die bischöfl. Gewalt nicht kraft eigener
Vollmacht, sondern im
Auftrage des Papstes ausüben.
Die bischöfliche Gewalt umfaßt die jura ordinis, d. h. die Rechte ihres geistlichen Standes, und die jura jurisdictionis, d.h. die Regierungsrechte. Die jura ordinis sind zum Teil solche, welche den Bischof mit den übrigen Priestern gemeinsam sind (jura communia), wie Predigt, Sakramentsspendung, Feier der Messe; zum Teil solche, die nur dem bischöfl. Stande zukommen (jura ordinis reservata sive pontificalia s. Pontifikalien). Die jura jurisdictionis begreifen das gesamte Kirchenregiment der Diöcese in sich, soweit nicht der Papst es ausübt oder durch besonders Delegierte ausüben läßt.
Insbesondere gehört dazu die Fürsorge für Erhaltung und Ausbreitung der reinen Lehre (potestas magisterii), einschließlich der Erziehung des Klerus, die Kirchenvisitation (welche die Bischof durch die Dekane ausüben lassen), die Überwachung der Klöster, die Aufsicht über das Kirchenvermögen, die Disciplin über die Geistlichen, sowie die Anstellung und Bestätigung derselben u. dgl. m. Zur Hilfe in der Ausübung der bischöfl. Gewalt steht dem Bischof die bischöfliche Kurie, d. h. der bischöfl. Hof, [* 6] zur Seite. Dazu gehören: das Domkapitel (s. d.), der Generalvikar (s. d.) mit dem bischofl. Ordinariate (dem bischöfl. Gericht), ferner häufig ein Weihbischof (s. d.) und unter Umständen ein Koadjutor (s. d.).
Die Wahl zum bischöfl. Amte geschah nach altem kirchlichen Recht durch «Klerus und Volk»; seit dem Mittelalter geschieht sie teils durch die Domkapitel (electio canonica) unter landesherrlicher Zustimmung, in Preußen [* 7] und der Oberrheinischen Kirchenprovinz nach den Bestimmungen Pius' Ⅶ. so, daß das Kapitel sich vor der Wahl die Gewißheit darüber verschaffen muß, ob der in Aussicht genommene Kandidat dem Landesherrn genehm sei; teils, wie noch heute in Frankreich, Bayern [* 8] ¶
mehr
und den meisten österr. Diöcesen, durch das Staatsoberhaupt (nominatio regia). Immer bedarf die Wahl der päpstl. Bestätigung (Konfirmation). Der Gewählte muß wenigstens vor 6 Monaten die Subdiakonatsweihe erhalten haben, 30 J. alt und im Besitz eines akademischen Grades in der Theologie oder im kanon. Rechte sein; doch kann von diesen Erfordernissen der Papst Dispens erteilen. Die neuere Staatsgesetzgebung hat durchweg die Staats- (in Preußen die Reichs-)Angehörigkeit der Gewählten zum Erfordernis gemacht.
Auf die Bestätigung durch den Papst erfolgt die Präkonisation (s. d.), dann die Konsekration oder Bischofsweihe (s. d.), an welche die Inthronisation sich unmittelbar anschließt. In Deutschland [* 10] ist ein besonderer Eid der neugewählten Bischof zur Treue gegen den Landesherrn althergebracht; die preuß. Verordnung vom welche diesen Eid zu einem Eid auf die Staatsgesetze erweiterte, ist durch Kabinettsorder vom 13. Febr. 1887 wieder aufgehoben. Die Bischof gehören zu den Prälaten (s. d.); in ihren eigenen Diöcesen hat nur der eigene Metropolit oder ein päpstl. Legat vor ihnen den Vorrang. In Preußen haben die Bischof den Rang der Oberpräsidenten. Ihr Unterhalt wird in Deutschland seit der Säkularisation zu Anfang des 19. Jahrh. aus den Staatskassen bestritten. Für die preuß. Bistümer und die zugehörigen Institute waren im Etat 1889/90 1255417 M. ausgesetzt. Über die Stellung der Bischof bei den Altkatholiken s. Altkatholicismus.
In der griechischen Kirche besteht dieselbe Auffassung vom bischöfl. Amt wie in der römisch-katholischen; doch gehen die Bischof nur aus der Zahl der Priestermönche hervor. Außerdem verlangt man jetzt noch die Absolvierung des Universitätsstudiums. Die Wahl erfolgt in den meisten Ländern durch die Synode, bedarf aber der Bestätigung durch den Landesherrn (so in Rußland und der Türkei). [* 11]
Unter den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen hat nur die bischöfl. Kirche in England eine wirklich bischöfl. Verfassung und besondere durch den Empfang der Weihe bedingte Vorrechte des Bischofstandes beibehalten. (S. Anglikanische Kirche.) Auch in Schweden [* 12] haben die Bischof die Reformation überdauert. Sie werden von dem König auf Vorschlag der Stifter gewählt und stehen unter dem Erzbischof von Upsala, [* 13] als dem Primas der Kirche, welcher von sämtlichen bischöfl.
Konsistorien gewählt und vom König bestätigt wird. Sie bilden einen eigenen, einflußreichen Stand auf den Reichstagen und tragen noch den bischöfl. Ornat. In Dänemark [* 14] wurden 1536 die katholischen Bischof, unter Einziehung ihrer Güter für den Staat, durch evangelische ersetzt, unter welchen der Bischof von Seeland den ersten Rang einnimmt. Sie stehen unter der Regierung zu Kopenhagen, [* 15] welche die wesentlichsten kirchenregimentlichen Rechte ausübt. Auch in Deutschland bestanden einige Bistümer noch längere Zeit als protestantische fort (Meißen, [* 16] Naumburg, [* 17] Zeitz, [* 18] Merseburg, [* 19] Magdeburg, [* 20] Osnabrück, [* 21] Cammin, Lübeck); [* 22] doch allmählich ging die bischöfl.
Regierungsgewalt überall auf die Landesherren über, welche deshalb als Rechtsnachfolger der Bischof angesehen und oberste Landesbischöfe, Summi episcopi, genannt wurden (s. Summepiskopat). In Preußen erneuerte Friedrich I. bei seiner Königskrönung den Bischofstitel, indem er denselben dem ersten reform. und dem ersten luth. Hofprediger beilegte, was indessen ohne Nachfolge blieb, bis Friedrich Wilhelm III. 1816 den Hofprediger Sack in Berlin [* 23] und den Generalsuperintendenten Borowsky in Königsberg [* 24] zu Bischof (letztern 1829 zum Erzbischof) ernannte.
Seitdem wurden noch mehrere hohe Geistliche in Preußen mit dem Titel eines Bischof neben dem eines Generalsuperintendenten ausgestattet. (Vgl. Nicolovius, Die bischöfl. Würde in Preußens [* 25] evang. Kirche, Königsb. 1834; Jacoby, das bischöfl. Amt und die evang. Kirche, Halle [* 26] 1886.) In neuester Zeit hat man auf orthodoxer Seite, im Zusammenhange mit dem Streben nach größerer Unabhängigkeit der Kirche vom Staate, der Wiederherstellung eines bischöfl. Regiments und der bischöfl. Würde in der evang. Kirche das Wort geredet. Erhalten hat sich die bischöfl. Würde auch noch in der evang. Brüdergemeine (s. d.), deren seit 1735 eingesetzte Bischof jedoch gänzlich von den Anordnungen der Direktion und Ältestenkonferenz der Unität abhängig sind.