Bildungsan
stalten,
militärärztliche. Die unter dem Namen militärärztliche in Berlin [* 2] bestehenden Anstalten haben den Zweck, für das deutsche Heer und die deutsche Marine wissenschaftlich und technisch leistungsfähige Sanitätsoffiziere heranzubilden. Aufgenommen werden nur Staatsangehörige des Deutschen Reichs außer Bayern. [* 3] Die Studierenden dieser Anstalten gehören teils dem Medizinisch-Chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut, teils der Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militärwesen an. Ersteres wurde infolge der Bemühungen Goerckes (s. d.) unter dem Namen Pepinière errichtet, der 1818 mit der jetzigen Bezeichnung vertauscht ward.
Die
Akademie wurde an
Stelle des 1809 aufgelösten Collegium medico-chirurgicum durch Kabinettsorder vom gegründet
und im Nov. 1811 eröffnet. Die Studierenden beider militärärztlichen Bildungsan
stalten sind bei der
«Akademie» immatrikuliert. Die Ausbildung
und die spätern
Rechte der Studierenden beider Anstalten sind völlig gleich, der einzige Unterschied
besteht in einer Verschiedenheit der während der Studienzeit gewährten Vergünstigungen und der daraus hervorgehenden besondern
Dienstverpflichtung, die für die Studierenden des
Friedrich-Wilhelms-Institutes eine doppelt so lange ist als für diejenigen
der
Akademie.
Die Anstalten gewähren nach einem bestimmten, alljährlich zeitgemäß vervollkommneten Studienplan den umfassendsten Unterricht in allen Gebieten der ärztlichen Wissenschaft und ihrer Hilfszweige an der Universität zu Berlin, gemeinsam mit den Studierenden der letztern, außerdem Wiederholungsunterricht in den wichtigsten Lehrfächern unter Benutzung reichhaltiger Sammlungen und die für den Heeres-Sanitätsdienst erforderliche besondere Ausbildung. Die Studienzeit umfaßt 9 Halbjahre, von denen das erste Sommerhalbjahr der Ausbildung mit der Waffe bei einem Garderegiment gewidmet wird. Nach Beendigung der Studien werden die Studierenden zunächst als Unterärzte in der Armee oder Marine angestellt, zum Teil als solche behufs erhöhter Ausbildung im praktischen Krankendienste auf ein Jahr in das Charitékrankenhans zu Berlin kommandiert.
Beide Bildungsan
stalten stehen unter dem preuß. Kriegsminister als
Kurator, dem Generalstabsarzt der preuß.
Armee als
Direktor und einem
Generalarzt als Subdirektor; der Etat umfaßt 28 Stabsärzte (davon 2 der Marine) als Repetenten und ordinierende
Ärzte im Charitékrankenhause und 264 (einschließlich 18 der Marine) Studierende (darunter 57 der
Akademie).
Außer der Ausbildung
der Studierenden dienen die militärärztlichen Bildungsan
stalten zugleich in hohem
Maße der wissenschaftlichen und
praktischen Fortbildung der Sanitätsoffiziere durch die Verwendung solcher (mit meist dreijährigem Wechsel) als Repetitoren,
behandelnde
Ärzte in der
Charité und Assistenten klinischer
Lehrer. Die militärärztlichen Bildungsan
stalten haben eine große Bedeutung
nicht
nur für das Militär-, sondern auch für das
Civil-Medizinalwesen in
Deutschland;
[* 4] viele berühmte
Ärzte sind
aus ihnen hervorgegangen.
Die Heranbildung und Fortbildung der Militärärzte anderer großer
Armeen geschieht gegenwärtig zum
Teil in abweichend organisierten
Anstalten, zum
Teil ganz ohne solche. Als erste bedeutende Bildungsan
stalt für Militärärzte (und zwar an
Stelle der seit 1768 in
Brüssel
[* 5] unterhaltenen «Schule der militär.
Wundarznei») wurde die
Medizinisch-Chirurgische Josephsakademie zu
Wien
[* 6] 1784 gegründet. Dieselbe gelangte
zu hohem Ruhme, verfiel jedoch später, wurde 1848 geschlossen und durch ein «Feldärztliches
Institut» ungenügend ersetzt, 1854 wieder eröffnet, nach kurzem neuen
Glänze 1864 wesentlich umgestaltet, 1874 aber wiederum
aufgelöst. An ihre
Stelle trat nunmehr bis auf weiteres der «Militärärztliche Kurs».
(S. Fortbildungskurse, militärärztliche.)
Großbritannien
[* 7] besitzt gegenwärtig die «Army Medical School»
zu Netley im
Fort Pitt zu Chatham eröffnet),
Frankreich die «École d'application de la médicine et pharmacie militaire» zu Paris [* 8] (durch Verfügung vom begründet und 1856 mit dem Val-de-Grâce, dem größten Militärlazarett von Paris, organisch verbunden) sowie zwei Vorbereitungsanstalten für dieselbe zu Bordeaux [* 9] und Nancy; [* 10] Italien [* 11] seit die «Scuola d'applicazione di sanità militare» zu Florenz, [* 12] Rußland die (aus der allgemeinen Medizinisch-Chirurgischen Akademie durch Statut vom 10./22. Juli 1881 hervorgegangene) «Militärmedizinische Akademie».
Litteratur. Bestimmungen über die
Aufnahme in die königlich preuß. militärärztlichen Bildungsan
stalten (Berl.
1890);
Knorr, Entwicklung und Gestaltung des Heeres-Sanitätswesens der europ. Staaten (2. Aufl., Hannov. 1883);
H. Frölich, Militärmedizin (Braunschw. 1887).