Baugewerbe
,
im weitern Sinn alle Gewerbe, welche beim Bau von Häusern beteiligt sind, also die der Maurer, Zimmerleute, Steinmetzen, Tischler, Glaser, Schlosser, Dachdecker, Klempner, Anstreicher, Tapeziere etc. Im engern, ursprünglich historischen Sinn versteht man darunter nur das Maurer- und das Zimmergewerbe, welchen die umfassendsten Arbeiten beim Hausbau zufallen, und welche meist als Hausbau-Unternehmer aufzutreten pflegen. Bis vor kurzem nahmen diese Gewerbe in Deutschland [* 2] noch eine von derjenigen der übrigen Gewerbe wesentlich verschiedene gewerberechtliche Stellung ein.
Noch unter der allgemeinen Herrschaft des Innungs- und Konzessionswesens war ihre Ausübung an erheblich
schwerere
Bedingungen gebunden als die der meisten übrigen
Gewerbe. Auch als allmählich ein
Staat nach dem andern den
Grundsatz
der
Gewerbefreiheit anerkannte und im allgemeinen das
Prüfungs- und Konzessionswesen aufhob, glaubte man dasselbe in vermeintlich
öffentlichem
Interesse, namentlich zum
Schutz des
Lebens und der
Gesundheit der Staatsangehörigen, wohl
auch aus Rücksicht auf die dabei möglicherweise zu befürchtenden bedeutenden Vermögensverluste, bei den Baugewerben
noch
beibehalten zu müssen.
Man überzeugte sich jedoch mehr und mehr, daß die Vorteile, welche man sich von Beibehaltung der
Prüfungen versprach, verhältnismäßig
wenig sicher und wertvoll seien, da sie sich im günstigsten
Fall auf die
Garantie eines gewissen
Maßes
von theoretischem
Wissen beschränkten, während es bei Ausübung der Baugewerbe
weniger hierauf als vielmehr auf das Vorhandensein
von moralischen
Eigenschaften bei dem ausführenden
Bauhandwerker ankommt. Da nun weder bei andern ebenso gefährlichen
Gewerben
noch auch in den meisten außerdeutschen
Staaten hinsichtlich der Baugewerbe
eine
Prüfungspflichtigkeit bestand,
so ließ man zunächst in einigen Einzelstaaten, sodann aber durch die Reichsgewerbeordnung für ganz
Deutschland dieselbe
für die Baugewerbe
ebenfalls fallen und stellte die letztern insoweit den übrigen
Gewerben vollständig gleich.
Daß man daneben in einzelnen
Staaten baugewerbliche, vom
Staat unterhaltene Bildungsanstalten sowie fakultative
Prüfungen
beibehalten hat, steht mit dem
Prinzip der
Gewerbefreiheit nicht im
Widerspruch. Ungeachtet dieser gewerberechtlichen
Gleichstellung der Baugewerbe
mit allen übrigen
Gewerben oder teilweise vielmehr gerade infolge derselben hat man die in strafrechtlicher
und sicherheits- und wohlfahrtspolizeilicher Beziehung einer schärfern
Kontrolle zu unterstellen für notwendig erachtet.
Das Reichsstrafgesetzbuch schreibt vor, daß derjenige, welcher bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst [* 3] dergestalt handelt, daß hieraus für andre Gefahr entsteht, mit Geldstrafe bis zu 900 Mk. oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft wird. Ebenso bestraft dasselbe mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft denjenigen, welcher als Bauherr, Baumeister oder Bauhandwerker einen Bau oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Bauplan ausführt.
Außerdem unterliegen die Baugewerbe
vom polizeilichen
Gesichtspunkt aus einer tief eingehenden Regelung durch allgemeine Landesgesetze
und Lokalstatuten
(Bauordnungen), welche im allgemeinen den
Zweck verfolgen, einesteils gehörig darüber
zu wachen, daß alle Bauten von vorheriger
Genehmigung der Behörden abhängig gemacht und nach den geltenden Vorschriften
ausgeführt werden, andernteils die Abänderung und Beseitigung aller Bauanlagen, durch welche
Gefahr für andre oder eine
Verletzung des öffentlichen
Interesses droht, zu ermöglichen und anzuordnen.
Die
Organisation auch der Baugewerbe
nimmt nach Abänderung der
Gewerbeordnung wieder eine festere Gestalt an und
läuft nach dem
Reichsgesetz vom auf die
Bildung von fakultativen
Innungen hinaus, deren wesentliche Aufgabe die
Pflege des
Gemeingeistes und der Standesehre, die
Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen
Meister und
Gesellen,
die nähere Regelung des Lehrlingswesens, insbesondere die
Fürsorge für die technische, gewerbliche
und sittliche
Ausbildung der
Lehrlinge und die
Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Innungsmitgliedern und ihren
Lehrlingen
an
Stelle der Gemeindebehörde, ist.
Als Bauinnung ist jede dahin zielende Verbindung von Bauhandwerkern, z. B. der Bund der Bau-, Maurer- und Zimmermeister Berlins, die Bauhütte zu Kiel, [* 4] der Baugewerkverein in Hannover, [* 5] zu bezeichnen, unter welchen der in der Bildung begriffene Verband [* 6] deutscher Baugewerksmeister zur Zeit eine Einigung herbeizuführen sucht; s. Innung. Die revidierte österreichische Gewerbeordnung vom hat die unter die Zahl der konzessionierten Gewerbe aufgenommen.