Titel
Bandwürmer
(Cestodes
Rud.),
Ordnung der
Platoden (s. d.) oder
Plattwürmer, lassen sich als durch
den
Parasitismus in ihrer
Organisation äußerst veränderte
Trematoden
(Saugwürmer) auffassen und sind mit diesen durch einige
Übergangsformen verbunden (s. unten). Die typischen Bandwürmer
unterscheiden sich jedoch
von den
Trematoden wie von allen
Platoden überhaupt durch die Koloniebildung, welche sie zu einer gewissen Zeit ihres
Lebens
eingehen. Der Gewöhnliche Bandwurm
[* 2] (Fig. 1) ist nämlich kein einfaches
Tier, sondern besteht aus dem
»Kopf« a und der an ihm hangenden
Kette von
»Gliedern« b als ebenso viele Individuen, die im geschlechtsreifen Zustand sich
losreißen und einige Zeit frei leben, auch wohl noch bedeutend wachsen. Diese
Glieder
[* 3]
(Proglottiden) werden durch
Knospung,
also auf ungeschlechtlichem Weg, am Hinterende des
Kopfes
¶
mehr
(Skolex) hervorgebracht und sind daher um so älter und auch um so weiter entwickelt, je mehr sie nach hinten vorrücken.
Da aber der Kopf selber, wenn auch auf einem Umweg, aus einem befruchteten Ei
[* 5] hervorgeht, so haben die Bandwürmer
einen Generationswechsel
aufzuweisen (Einzelheiten s. unten). - Abweichend von den Trematoden, erfolgt ferner die Nahrungsaufnahme,
da Mund und Darm
[* 6] gänzlich fehlen, geradezu durch die Haut
[* 7] vermittelst der Endosmose. Eine Leibeshöhle ist gleichfalls nicht
vorhanden, und so verbreiten sich die Säfte des Tiers, in welchem der Bandwurm lebt, direkt in seinem ganzen Körper, der
gewissermaßen einem Schwamm gleicht.
Stark entwickelt sind hingegen die unter dem Namen der Wassergefäße bekannten Exkretionsorgane; sie verlaufen, meist 4 an der Zahl, der Länge nach durch die ganze Kette, erhalten aus jeder Proglottide Anschluß durch Querzweige, welche in ein Netz noch feinerer Gefäße übergehen, und münden hinten aus. Das Nervensystem besteht nur aus 2 im sogen. Kopf gelegenen und miteinander verbundenen Ganglien nebst 2 von ihnen ausgehenden Längsstämmen; Sinnesorgane fehlen.
Viel Raum nehmen die Geschlechtsorgane in Anspruch, die sich indessen erst allmählich und zwar die männlichen zuerst entwickeln.
Die jungen Glieder zeigen noch keine Spur von ihnen, während jedes alte sowohl zahlreiche Hoden als auch einen Eierstock
samt Dotterstock, Schalendrüse, Eibehälter
[* 2]
(Fig. 2), Samentasche und Scheide besitzen. Wahrscheinlich begattet jedes Glied
[* 8] als ein echter Hermaphrodit sich selbst. Die Eier
[* 9] werden nach Befruchtung
[* 10] durch die Spermatozoiden von einer dicken Kapsel, dem
Produkt der Schalendrüse, umhüllt und gelangen meist erst mit dem Glied, in welchem sie sich befinden, aus
dem Wirtstier heraus ins Freie. Ein Glied des Gewöhnlichen Bandwurms (Taenia solium) enthält etwa 50,000 Eier, die Wurmkolonie
selbst also mit ihren 1500 Gliedern gegen 75 Mill. Von diesen müssen aber, weil die Bandwürmer
selbst nicht häufiger werden, alle
bis auf eins, das sich völlig auszubilden Gelegenheit hat, vor der Geschlechtsreife früher
oder später
zu Grunde gehen. Die Entwickelung hat darum auch viel Eigentümliches; sie verläuft wie folgt.
In den Eiern bilden sich Embryonen aus, welche bei Bothriocephalus noch mit Wimpern bekleidet sind, bei den übrigen Bandwürmern
aber dieses Zeichen ihrer Abkunft von ursprünglich frei lebenden Plattwürmern bereits eingebüßt haben.
Dies ist meist (Ausnahme ist Bothriocephalus, s. unten) schon geschehen, während die Eier sich noch in den Proglottiden befinden;
letztere verlassen den Darm des Wirts, gelangen mit dessen Exkrementen auf Düngerhaufen, auf Wiesen, in das Wasser etc. und
bleiben dort unter Umständen noch tagelang bei feuchter Wärme
[* 11] am Leben. So können sie nun zugleich mit
der Nahrung von andern Tieren verschluckt werden und finden dann manchmal auch Gelegenheit zur Weiterentwickelung. Für die
einzelnen Bandwurmarten existieren aber ganz bestimmte Tiere (die sogen. Zwischenwirte), in deren Darm allein die Verdauung
der Proglottiden, die Auflösung der Eikapseln u. das Wachstum der nun frei werdenden Larve vor sich gehen.
Diese bohrt sich mit ihren 4-6 Haken
[* 2]
(Fig. 3) durch die Darmwandung des Zwischenwirts hindurch und verbreitet sich im Körper
desselben, teils vom Blut mitgeführt, teils auch wohl im Bindegewebe wandernd, kommt aber zuletzt in ganz bestimmten Organen
(Leber, Lunge,
[* 12] Hirn, Muskeln,
[* 13] Auge)
[* 14] vorläufig zur Ruhe. Die verletzten Teile des Wirts scheiden bald eine
bindegewebige Kapsel aus; in ihr bilden sich die Larven zu sogen. Blasenwürmern oder Hydatiden um, die früher als selbständige
Tiergattungen beschrieben wurden und im gewöhnlichen Leben Finnen oder Quesen heißen. Zunächst scheidet sich im rundlichen
Körper
[* 2]
(Fig. 4) eine Flüssigkeit aus und dehnt den Leib zu einer Blase aus. Dann entwickelt sich, in die
Blase hineinragend, ein hohler Zapfen,
[* 15] welcher in seiner Höhlung die Saugnäpfe und den Stachelkranz des künftigen Bandwurmkopfes
erkennen
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Gewöhnlicher Bandwurm. Natürliche Größe.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 2. a Glied des schwarzen Bandwurms mit Eibehälter. b Zwei Glieder des gewöhnlichen Bandwurms mit den Eibehältern. 4/1]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 3. Embryonen mit Haken. Stark vergrößert.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 4. Finne mit beginnender Bildung des Kopfzapfens. Stark vergrößert.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 5. Erste Anlage des spätern Bandwurmkörpers bei der Finne. Stark vergrößert.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 6. Finne mit vorgestülptem Kopf. 6/1] ¶
mehr
läßt; später entsteht auch die erste Anlage des Bandwurmkörpers in Form einer hohlen Röhre
[* 16]
(Fig. 5). Gelegentlich stülpt
sich wohl auch der Zapfen aus und gleicht dann vollständig einem Bandwurm mit ungegliedertem Körper und anhängender Schwanzblase
[* 16]
(Fig. 6). Dieser Ähnlichkeit
[* 17] wegen hat man, ehe man den Zusammenhang kannte, die Finnen als verirrte Bandwürmer
, die
»wassersüchtig« geworden, betrachtet. Bei den meisten Arten bildet sich nur ein Bandwurmkopf (echte Finnen, Cysticercus), bisweilen
aber, z. B. beim Drehwurm (s. unten), wachsen aus der einen Larve durch Knospung allmählich einige Hundert Köpfe hervor.
Bei dem Hülsenwurm oder Echinokokkus
[* 16]
(Fig. 7), welcher von der Taenia echinococcus des Hundes abstammt,
bilden sich auf der Innenfläche des Blasenkörpers besondere Tochter- und Enkelblasen, und von diesen aus entwickeln sich
allmählich zahlreiche Bandwurmköpfe (s. unten). Die Finnen stellen somit in der Entwickelungsgeschichte
[* 18] der Bandwürmer
eine besondere
Stufe dar, sind gewissermaßen die Puppen derselben; als solche können sie auch einige Jahre hindurch
unverändert am Leben bleiben und gehen, wenn ihr Wirt stirbt, mit ihm zu Grunde.
Wird jedoch nicht allzulange nach ihrer Einwanderung das betreffende Organ von einem andern und zwar wiederum einem ganz bestimmten Tier gegessen, so entwickelt sich im Darm des letztern die Finne zum Bandwurm. Der Leib stülpt sich aus der Blase hervor, diese selbst wird durch den Verdauungsprozeß entfernt, und nun sprossen rasch hinter dem Kopf des jungen Wurms die Glieder. Hiermit ist der Kreislauf [* 19] der Entwickelung geschlossen. Man hat also dabei die geschlechtlich erzeugten Larven und Finnen als die erste, die ungeschlechtlich gebildeten Glieder als die zweite Generation zu betrachten.
Indessen gibt es Bandwürmer
, welche zeitlebens ungegliedert bleiben (z. B. Caryophyllaeus),
und noch andre (die Familie der Amphilinidae), welche auch durch ihre Gestalt an die Trematoden erinnern und früher zu ihnen
gerechnet wurden. Somit darf man es als höchst wahrscheinlich betrachten, daß die Bandwürmer
von Haus aus Trematoden
waren und sich erst durch ihr ausschließliches Schmarotzerleben im Innern andrer Tiere allmählich in ihrer Organisation vereinfacht
haben. Ähnlich den Trematoden, machen sie ihre Jugendzustände in besondern Zwischenwirten ab, und nur die eigentümliche
Form der Vermehrung mittels der Proglottiden scheint von ihnen selbständig erworben zu sein.
Die beim Menschen schmarotzenden Bandwürmer
verteilen sich auf zwei Familien. Zu der einen gehören mehrere Arten
der Gattung Taenia, von welcher im ganzen über 200 Arten bekannt sind, zur zweiten der Bothriocephalus latus und Bandwürmer
cordatus.
Diese
Bandwürmer
wohnen sämtlich im Dünndarm. Außer ihnen beherbergt der Mensch noch einige »Blasenwürmer« aus der erstern
Familie (darunter die gewöhnliche Finne, Cysticercus cellulosae). - Der gemeine Bandwurm (Taenia solium L.), im entwickelten
Zustand 2-8 m lang, enthält bis zu 800 Glieder von 9-10 mm Länge und 6-7 mm Breite.
[* 20] Der kugelige Kopf
[* 16]
(Fig. 1 a u.
[* 16]
Fig. 8) hat
die Größe eines Stecknadelkopfes, ziemlich stark vorspringende Saugnäpfe und einen doppelten Hakenkranz
zum Festhalten in der Darmwandung; der fadenförmige, fast 2,5 cm lange Hals erscheint dem unbewaffneten Auge ungegliedert.
Die reifen Glieder (etwa vom 650. an), welche nur selten für sich abgehen, sind den Kürbiskernen nicht unähnlich [* 16] (Fig. 2 h); ihre Geschlechtsöffnung liegt hinter der Mitte. Der zugehörige Blasenwurm (Cysticercus cellulosae) bewohnt mit Vorliebe das Muskelfleisch des Schweins (Finne, [* 16] Fig. 9), findet sich gelegentlich aber auch an andern Orten und in andern Tieren (Hund, Katze, [* 21] Reh), [* 22] auch im Menschen. Etwa 2½ Monate nach Einführung der Bandwurmembryonen in das Schwein [* 23] ist die Entwickelung der Finnen abgeschlossen, und 3-3½ Monate nach Genuß von finnigem Schweinefleisch gehen beim Menschen die ersten reifen Bandwurmglieder ab. Dieser Bandwurm erreicht ein Alter von 10-12 Jahren und mehr.
Man hat ihn überall in Europa, [* 24] in Indien, Nordamerika [* 25] und Algerien [* 26] beobachtet und zwar am häufigsten bei Erwachsenen, besonders bei Frauen, Fleischern und Köchen, welche leicht durch rohes Fleisch infiziert werden können. Gewöhnlich kommt er einzeln vor, doch sind 2 und 3 bei demselben Individuum nicht selten, und man hat sogar 41 nebeneinander beobachtet. Der schwarze Bandwurm (Taenia saginata Götze, T. mediocanellata Küch.) wird 4 m lang und breiter und dicker als der vorige. Die Glieder werden 16-18 mm lang, 7-9 mm breit; der ansehnliche Kopf [* 16] (Fig. 10) ist ohne Hakenkranz, mit flachem Scheitel und vier großen, äußerst kräftigen Saugnäpfen versehen; die Glieder erreichen etwa vom 750. an ihre Reife [* 16] (Fig. 2 a), gehen dann häufig freiwillig ab und sind in der Regel eilos und zusammengeschrumpft.
Dieser Bandwurm scheint nicht minder weit verbreitet zu sein als der vorige; der zu ihm gehörige Blasenwurm lebt aber in Rindern, und daher findet er sich z. B. sehr häufig in den Ländern oder den Orten, wo viel rohes Rindfleisch genossen wird. Er verursacht wegen seiner kräftigern Muskulatur und größern Beweglichkeit intensivere Beschwerden als der gemeine Bandwurm, ist auch viel schwerer abzutreiben, weil der Kopf sehr leicht abreißt und im Darm zurückbleibt. - ^[GEDANKENSTRICH!]
[* 16] ^[Abb.: Fig. 7. Hülsenwurm. 12/1.]
[* 16] ^[Abb.: Fig. 8. Kopf des gemeinen Bandwurms; vergrößert.]
[* 16] ^[Abb.: Fig. 9. Schweinefleisch mit Finnen; nat. Größe.]
[* 16] ^[Abb.: Fig. 10. Kopf des schwarzen Bandwurms; vergrößert.] ¶
Zum Duden
Nr. | Ergebnis | Bandwürmer |
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1 | Band|wurm, der: langer Plattwurm, der als Schmarotzer im Darm von Menschen u. Wirbeltieren vorkommt: ein ... |
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Zoologie: Würmer, niedere Thiere. Zoologen
Seite 269: Würmer.- Aalthierchen.
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