Titel
Baeyer
,
1) Joseph Jakob, preuß. Offizier und Geodät, geb. zu Müggelsheim bei Köpenick, trat 1813 als freiwilliger Jäger beim 3. ostpreußischen Infanterieregiment ein, machte die Feldzüge von 1813, 1814 und 1815 mit, avancierte während derselben zum Offizier, besuchte die von Gneisenau in Koblenz [* 2] errichtete Kriegsschule und wurde vom General v. Müffling erst in Koblenz, dann in Erfurt [* 3] mit topographischen Arbeiten beschäftigt und 1821 zum Generalstab kommandiert. 1826 begann er, an der Kriegsschule Vorlesungen zu halten; gleichzeitig unterstützte er 1831-36 als Kommissar des Generalstabs den Astronomen Bessel in seinen Gradmessungen bei Memel [* 4] zur Verbindung der preußischen und russischen Triangulierung.
Inzwischen wurde Baeyer
zum
Chef der trigonometrischen Abteilung des
Generalstabs ernannt, avancierte 1832 zum
Generalmajor und
wurde 1835 Mitglied der Studienkommission. 1858 ward er als
Generalleutnant zur
Disposition gestellt und mit der Ausführung
des von
Preußen
[* 5] übernommenen
Anteils einer europäischen Längengradmessung unter dem 52.
Parallelkreis betraut.
Als er 1861 den
Vorschlag einer mitteleuropäischen
Gradmessung
[* 6] machte, vereinigten sich alle mitteleuropäischen
Staaten zu gemeinsamer Ausführung
dieses Unternehmens, das durch den
Beitritt auch der übrigen europäischen
Staaten (außer
England) zu einer europäischen
Gradmessung sich erweiterte.
Für die
Zwecke derselben wurde 1864 in
Berlin
[* 7] ein unter Baeyers
Präsidium stehendes Zentralbüreau errichtet und 1869 in
ein permanentes
Geodätisches Institut umgewandelt. Unter den zahlreichen
Schriften Baeyers
sind vornehmlich zu nennen: »Die
Gradmessung in
Ostpreußen«
[* 8] (mit
Bessel, Berl. 1838);
»Nivellement zwischen Swinemünde und Berlin« (das. 1840);
»Die Küstenvermessung und ihre Verbindung mit der Berliner [* 9] Grundlinie« (das. 1849);
»Die Verbindungen der preußischen und russischen Dreiecksketten bei Thorn [* 10] und Tarnowitz« [* 11] (das. 1857);
»Über die Größe und [* 1] Figur der Erde« (das. 1861);
»Das Messen auf der sphäroidischen Erdoberfläche« (das. 1862);
»Wissenschaftliche Begründung der Rechnungsmethode des Zentralbüreaus der europäischen Gradmessung« (das. 1869-1871, 3 Hefte);
»Vergleichung einiger Hauptdreiecksketten der königlichen Landestriangulation mit der Besselschen Methode« (das. 1879) und »Über die Nivellementsarbeiten im preußischen Staat und die Darstellung ihrer Resultate in richtigen Meereshöhen« (das. 1881).
Unter
Baeyers
Leitung veröffentlicht das
Geodätische Institut seit 1863 jährlich einen »Generalbericht über die
europäische
Gradmessung«, die
Verhandlungen der
Konferenzen der
Kommissare und
»Publikationen« in einzelnen Heften.
2) Adolf, Sohn des vorigen, Chemiker, geb. zu Berlin, studierte 1853-59 daselbst, in Heidelberg [* 12] und Gent [* 13] Physik und Chemie, habilitierte sich 1860 in Berlin als Privatdozent, wurde bald darauf Lehrer der organischen Chemie an der Berliner Gewerbeakademie, 1866 außerordentlicher Professor, 1869 Lehrer der Chemie an der Kriegsakademie und 1870 Mitglied der technischen Deputation für Gewerbe. 1872 ging er als Professor für Chemie nach Straßburg [* 14] und 1875 als Nachfolger Liebigs nach München, [* 15] wo nach seinen Angaben ein neues großartiges Laboratorium [* 16] gebaut wurde. Im Februar 1885 wurde in den erblichen Adelsstand des Königreichs Bayern [* 17] erhoben.
Baeyers
zahlreiche
Arbeiten haben gewisse
Gruppen der organischen
Chemie wesentlich ausgebaut und dem chemischen
Verständnis erschlossen. Nach einigen Untersuchungen über Kakodylverbindungen durchforschte Baeyer
die
Harnstoff- und Harnsäuregruppe,
die Kondensationsprodukte des
Acetons etc. Eine
Reihe von
Arbeiten beschäftigte sich mit den Kondensationsprodukten, welche
durch Einwirkung von
Aldehyden auf
Kohlenwasserstoffe und
Phenole und besonders von Phthalsäureanhydrid auf
Phenole und Oxyphenole
entstehen. Die
Bildung dieser
»Phthaleine« führte zur
Entdeckung des
Eosins, welches jetzt in großen
Mengen
für die
Färberei dargestellt wird. Seit 1866 beschäftigte sich Baeyer
mit der Körpergruppe, zu welcher das
Indigblau gehört,
und es gelang ihm die künstliche Synthese des Indigoblaus in solcher Form,
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mehr
daß dieselbe praktisch im großen ausgeführt werden kann. Im Lauf dieser Untersuchungen hat Baeyer
das Indol, Oxindol und Dioxindol
dargestellt und den Zusammenhang dieser Körper sowie des Isatins mit dem Indigblau aufgeklärt. Er führte auch die Benutzung
des Zinkstaubes als Reduktionsmittel ein und entdeckte das Skatol. In seinem Laboratorium stellten Grabe
und Liebermann das Alizarin aus Anthracen dar, und Fischer entdeckte das Bittermandelölgrün.