Titel
Börse
(franz. Bourse, engl. Exchange, Change, ital. Borsa, holländ. Beurs), ein Gebäude, worin in bestimmten Stunden Kaufleute und ihnen gleichstehende Geschäftsleute zur Unterhandlung und Abschließung von Geschäften sich zu versammeln pflegen, in übertragener Bedeutung auch diese Versammlungen selbst. Das Wort Börse leitet man vom mittellateinischen bursa ab, welches einen ledernen Geldbeutel bedeutet. Es ist nur zweifelhaft, ob der Ausdruck im Sinn von Genossenschaft, wie er sonst häufige Verwendung findet, auch von den Versammlungen der Kaufleute gebraucht wurde, oder ob das mit drei in Stein gehauenen Börsen geschmückte Haus eines van der Beurs in Brügge, welches zu geschäftlichen Zusammenkünften diente, die Bezeichnung veranlaßt hat.
Sicher ist, daß die ältesten Börsen im heutigen Sinn und mit dem heutigen Namen teils in den Niederlanden, teils in Frankreich schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. bestanden, während regelmäßige Vereinigungen der Kaufleute zur Besprechung ihrer Geschäfte auch schon im Mittelalter, namentlich in Italien, ja sogar schon im alten Rom in den Collegia mercatorum vorkommen. Die ältesten Börsen waren außer in Brügge die von Antwerpen (1531), Lyon, Toulouse (1549). Dann verbreitete sich die Einrichtung auch nach England, wo durch den Hofbankier Sir Thomas Gresham 1566 das erste Börsengebäude der Benutzung übergeben wurde, sowie auch nach den deutschen Küstenstädten und zwar zuerst nach Hamburg (1558). In den deutschen Binnenstädten fand das Börsenwesen erst gegen Ende des 18. Jahrh. Eingang und zwar zuerst in Frankfurt a. M. und Leipzig.
Die ersten Börsen waren nur Warenbörsen, ihre Hauptwirkung lag darin, daß sie den unmittelbaren Kauf aus der Hand zu gunsten des Kaufs auf Bestellung verdrängten. Als dann mit der Ausdehnung der Handelsbewegung durch den überseeischen Verkehr häufig Preisschwankungen eintraten, bot die Börse die einzige Gelegenheit, sich von dem momentanen Wert einer Ware Kenntnis zu verschaffen und daraus durch Kauf oder Verkauf Nutzen zu ziehen, und so mußte der Börsenverkehr mehr und mehr Teilnahme in der Handelswelt finden.
Nicht weniger wirkten aber zum Aufschwung desselben die durch das Wachsen der Staatsschulden veranlaßte Kreierung von Staatspapieren sowie die Entstehung großer industrieller Gesellschaften mit, deren Aktien, gleich Waren, Gegenstand der Börsengeschäfte wurden. Der Schwerpunkt der Börse beruht auf der möglichsten Konzentration von Angebot und Nachfrage. Der Geschäftsmann lernt in ihr alle sein Interesse berührenden Vorkommnisse der Handelswelt sofort genau kennen und überblickt somit bequem die Strömungen und Schwankungen des Handels. Insofern
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begründet die Börse eine Teilung der Arbeit innerhalb der Zeit, indem die Interessenten sich gegen Gefahren schützen können, von welchen sie durch die Veränderung der Zeitverhältnisse bedroht sind. Sie ist das Theater, auf dem sich die eigentlichen Spekulationen abspielen. Schwankungen im Preise sind aber die verschiedenen Waren in ungleicher Weise ausgesetzt, und deshalb eignen sie sich auch nicht alle gleichmäßig als Objekt der Spekulation.
Gegenstände des Börsenverkehrs.
Besonders passende Gegenstände des Börsenverkehrs sind einerseits die Rohprodukte, die in den einzelnen Jahren, je nach der Witterung, in ungleicher Reichlichkeit produziert werden, vorausgesetzt, daß die Qualitäten nicht zu mannigfach sind (also Getreide, Spiritus, Öl, Kaffee u. dgl.), anderseits die zahlreichen Kreditpapiere (Wechsel, Staatspapiere, Aktien, Obligationen, Prioritäten, Pfandbriefe etc.). Danach unterscheidet man namentlich Warenbörse, Effektenbörse und Wechselbörse. So bestehen in London außer der königlichen Börse (royal exchange) für den allgemeinen Waren- und Wechselverkehr eine Fondsbörse (stock exchange) für englische Papiere, eine solche für fremde Fonds (foreign stock exchange), eine Getreidebörse (corn exchange), eine Kohlenbörse (coal exchange) und eine Schiffahrts- und Versicherungsbörse, Lloyd's genannt.
Auch Amsterdam hat eine besondere Kornbörse;
Berlin eine Getreide- und Produktenbörse etc.;
Leipzig neben der alten Wechsel- und Fondsbörse eine Öl- und Produktenbörse, eine Handels- und Industriebörse, dann die deutsche Buchhändlerbörse, wo jährlich einmal die Vertreter des gesamten deutschen Buchhandels sich vereinigen, um ihre gegenseitigen Rechnungsverhältnisse zu ordnen;
Wien eine sogen. Geldbörse für die Geschäfte in Münzen und Papieren und seit 1859 eine Warenbörse für Waren-, Pfand-, Assekuranz-, Fracht- und Speditionsgeschäfte.
Infolge der Produktion ihrer Umgegend Zentralpunkte für den Umsatz eines einzelnen wichtigen Artikels geworden, haben als besondere Börsen für denselben Frankfurt a. M., Augsburg, Stuttgart, Mannheim, Mainz, Lissa und Jüterbog eine Produktenbörse, Stuttgart zugleich eine Weinbörse, Döbeln eine Getreidebörse, Prenzlau eine Rapsbörse, Hagen eine Eisenbörse (halbjährlich), Bochum eine Kux- und Bergwerksaktien-Börse. Nach dem Vorgang der erwähnten englischen Lloyd's entstanden Börsenversammlungen für die Behandlung von Schiffs- und Seeversicherungsangelegenheiten in Triest (der österreichische Lloyd), Paris (Lloyd français), Nantes (Lloyd Nantais) und Hamburg (die Börsenhalle); eine Abteilung des österr.
Lloyd betreibt auch Dampfschiffahrt unter Staatssubvention. Die Londoner und Pariser Anstalten sind zugleich Schiffsklassifikationsgesellschaften. Noch sind die in neuester Zeit an einigen deutschen Plätzen errichteten Industriebörsen zu erwähnen. Die zu Stuttgart eröffnete ist der Baumwollindustrie Süddeutschlands gewidmet. An ihr beteiligen sich aber nicht nur Fabrikanten und Großhändler in dem bezeichneten Geschäftszweig, sondern außer Banken und Kreditanstalten auch Produzenten in Hopfen, Obst, Wein etc. Eine zu Frankfurt a. M. eröffnete Industriebörse sollte den Vereinigungspunkt für das Verkehrs- und Industriewesen Nord- und Süddeutschlands abgeben, hat aber den gehegten Erwartungen wenig entsprochen. Der Grund hiervon liegt wohl darin, daß sich der Warenverkehr, der Börsen minder benötigt, leicht ohne deren Vermittelung zwischen den einzelnen Handlungshäusern abwickelt.
Börsenverkehr, Börsenordnungen.
Der Börsenverkehr, namentlich die Form des Geschäftsabschlusses, unterliegt überall gewissen Regeln, welche gewöhnlich nach den Anträgen der Handelsbehörde des betreffenden Orts von der Staatsregierung sanktioniert sind. Die Zusammenkünfte finden regelmäßig täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, nach Maßgabe besonderer Börsenordnungen statt. Die Börsenordnungen enthalten Vorschriften über die Zutrittsberechtigung, Zeit (Stunde) und Ort der Versammlungen und Geschäftsabschlüsse, Feststellung der Durchschnittspreise etc. und der Börsenbeiträge.
Die Überwachung der Ordnung an der Börse ist sogen. Börsenkommissaren anvertraut, die hier und da auch Börsen alte oder Börsenälteste heißen und aus dem Kaufmannsstand gewählt werden. Die Börsenbehörde oder ein Ausschuß derselben (Sachverständigenkommission) nimmt an vielen Orten den Charakter eines Handelsschiedsgerichts an. Zu den Obliegenheiten der Börsenkommissare gehören aber meist auch die Feststellung und Publikation der Preise, zu welchen Abschlüsse stattgefunden haben, auf den Börsenpreiskuranten und Börsenkurszetteln.
Auch erteilt die Börsenbehörde bindende Vorschriften für den Verkehr, namentlich in Bezug auf Zeit und Form der Erfüllung der Verträge und auf Qualität der Leistungen. Der Zutritt zu den Börsenversammlungen, die sogen. Börsenfähigkeit, steht in der Regel allen unbescholtenen dispositionsfähigen Personen zu; Frauen und nicht rehabilitierte Falliten sind ausgeschlossen. Das Innere der Londoner Fonds- und Aktienbörse darf nur von den durch den Vorstand (committee for general purposes) als Mitglieder aufgenommenen Personen derselben, die entweder Spekulanten (jobbers und dealers) oder Makler (brokers) sind und eine Korporation bilden, betreten werden.
Diese Mitgliedschaft kostet 21 Pfd. Sterl. Fast allenthalben muß für den Börsenbesuch eine Abgabe entrichtet werden und zwar entweder für einen bestimmten Zeitraum, wie in Berlin, Frankfurt a. M., Wien, oder für jedes einzelne Erscheinen, oder nach Belieben für einen Zeitraum oder für den Einzelbesuch, wie in Paris. Hier wurden die Börseneintrittsgelder (tourniquets), welche für 1861 zu 750,000 Frank veranschlagt waren, im November d. J. aufgehoben. Börsenzeit sind mit wenigen Ausnahmen die ersten Nachmittagsstunden.
Beginn und Ende der Versammlungen werden durch Lauten mit einer Glocke verkündigt. Zu später Eintritt in die und zu langes Verweilen in derselben pflegen mit einer Geldstrafe belegt zu sein, deren Ertrag meist Wohlthätigkeitszwecken gewidmet ist. An manchen Plätzen bestehen auch sogen. Winkelbörsen (Nebenbörsen), die durch lästige Beschränkungen, namentlich enge Begrenzung der Börsenzeit, hervorgerufen worden sind. Man hat diese an einigen Orten (so namentlich Paris) zu unterdrücken gesucht, jedoch nicht immer mit Erfolg.
Den Sonntagsbörsen und Abendbörsen (s. d.), welche sich ebenfalls leicht heranbilden, hatte man in Wien anfangs keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Doch wurde die Teilnahme an solchen Versammlungen mit der sofortigen Entziehung der Börsenkarte bedroht und durch das Gesetz über die Börse vom verboten. In Berlin bestand lange als Sonntagsbörse der »Privatverkehr«, der aber neuerdings polizeilich untersagt wurde, in Prag besteht zu gleichem Zweck die »Kaufmännische Ressource«. In der Pariser Fonds- und Aktienbörse heißt Parkett (auch corbeille, Korb; in Wien »der
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Schranken« genannt) der innere, lediglich für die Wechselagenten oder Makler bestimmte Raum, worin die Papiere unter lautem Zuruf verhandelt werden. In übertragenem Sinn bedeutet das Parkett auch die Gesamtheit der Börsenagenten, während die nicht autorisierten Vermittler als »Kulisse« und, wenn sie als sekundäre Vermittler für das Parkett Bestellungen sammeln, als »Remisiers« bezeichnet werden. Jede hat ihre eigne Kanzlei und beschäftigt ein zahlreiches Personal von Buchhaltern, Sekretären, Boten und Thürstehern.
Die Kanzlei führt Listen über die Geschäftsfirmen des Platzes und deren Prokuristen, nimmt die als Anschläge erscheinenden Kundmachungen von Handelsgerichten entgegen, hält Notiz über die an der Börse entstandenen Preise etc. Die Kosten des Börseninstituts, soweit sie nicht durch die Eintrittsgelder gedeckt werden, trägt der Handelsstand des betreffenden Platzes, hier und da mit Unterstützung durch Staats- oder städtische Mittel. Die Börsen kleinerer Handelsplätze sind im allgemeinen von denen der größern abhängig und höchstens für Geschäfte in gewissen Waren und Wertpapieren, die an den großen Börsen weniger gesucht sind, selbständig.
Auch die Kursnotierung an großen Börsen ist für einzelne Waren und Papiere von vorwiegend lokaler Bedeutung, dagegen wirken der Gold- oder Wechselkurs sowie der Kurs der bedeutendern Staatspapiere und Aktien von einer Börse auf die andern ein. Namentlich sind infolge der Telegraphenverbindungen und durch die Thätigkeit der Arbitrage (s. d.) die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Hauptbörsen weit enger geworden, und die Kursnotierungen pflegen nur um ein Geringes zu differieren. Infolge der Beteiligung der Börsen bei den Finanzoperationen der Staaten hat sich ihre Bedeutung gesteigert, und die Stimmung der ob »flau« oder »animiert«, pflegt, oft freilich mit Unrecht, als Maßstab für den Staatskredit und die Sicherheit der politischen Lage zu gelten.
Börsengeschäfte.
Das Grundgeschäft des Börsenhandels ist der Kauf. Dieser ist nach Handelsrecht formlos, d. h. es bedarf zu seiner Rechtsgültigkeit nicht der Schriftlichkeit oder einer andern Formalität; nur im Börsenverkehr kommen Urkunden über Käufe regelmäßig vor, nämlich die von den Maklern ausgestellten Schlußzettel; aber auch diese sind zur Rechtsgültigkeit des Geschäfts an sich nicht erforderlich, können aber auch im Interesse des Staats vorgeschrieben sein, wenn durch ihre Besteuerung eine öffentliche Einnahme erzielt werden soll.
Nun läßt sich vom Gewinnresultat eines Geschäfts nur sprechen, wenn eine Bilanz gezogen werden kann, also mindestens zwei Geschäfte, die sich zur Vergleichung aneinander anschließen, abgeschlossen vorliegen. Dies leitet zum Begriff der Handelsoperation, d. h. einer solchen Kombination von mindestens zwei sich aneinander anschließenden Geschäften, welche eine Bilanz zulassen und infolgedessen einen Aktiv- oder Passivsaldo als Resultat (Gewinn oder Verlust) liefern.
Das eine dieser Geschäfte muß den Minuenden, das andre den Subtrahenden liefern; die Differenz ist der Gewinn oder Verlust; das der Zeit nach vorausgegangene Geschäft ist das Spekulationsgeschäft, das der Zeit nach spätere das Realisationsgeschäft. Ist das Spekulationsgeschäft ein Kauf (Ankauf, vom Standpunkt eines gewissen Kontrahenten, des Spekulanten, aus), so ist das Realisationsgeschäft ein Verkauf (vom Standpunkt desselben Spekulanten aus), und die durch jenen Spekulationskauf und diesen Realisationsverkauf kombinierte Handelsoperation ist eine Spekulation à la hausse, eine Spekulation auf Steigen des Preises, auf Mehrerlös durch den nachgefolgten Verkauf.
Von den zwei diese Handelsoperation bildenden Geschäften ist das erstere, der Spekulationskauf, ein absolutes (objektives), das zweite, der Realisationsverkauf, ein relatives (subjektives) Handelsgeschäft (nach Art. 271 u. 273 des Reichshandelsgesetzbuchs). Ist das Spekulationsgeschäft ein Verkauf (Veräußerung, vom Standpunkt eines gewissen Kontrahenten aus), so ist das darauf folgende Realisationsgeschäft ein Kauf (Ankauf, Anschaffung, vom Standpunkt desselben Kontrahenten aus), und die aus jenem Spekulationsverkauf und diesem Realisationskauf zusammengesetzte Handelsoperation ist eine Spekulation à la baisse, eine Spekulation aus Sinken des Preises, auf Minderaufwand beim nachfolgenden Ankauf.
Wer es übernimmt, an einem bestimmten (spätern) Termin zu einem sofort vereinbarten Preis dem andern Waren (z. B. Wertpapiere etc.) zu liefern (Spekulationsverkauf), der hofft und rechnet darauf, daß er die versprochenen Waren billiger werde einkaufen können (Realisationskauf), und gewinnt dann, wenn die Spekulation sich als richtig erweist, die Differenz zwischen dem vereinbarten Lieferungspreis des Spekulationsverkaufs (Tageskurs des Spekulationsgeschäfts) und dem (gesunkenen) Preis des Realisationsankaufs (Tageskurs des Realisationsgeschäfts).
Der Spekulationsverkauf ist ein absolutes (objektives) Handelsgeschäft nach Art. 271 des Reichshandelsgesetzbuchs, ob auch der Realisationsankauf und zwar aus demselben Grund wie der Spekulationsankauf, ist unter den Handelsrechtslehrern streitig. Die Ursachen des Steigens oder Fallens der Kurse können die verschiedenartigsten, natürliche und künstliche (z. B. hinaufgeschraubte oder gedrückte), politische, soziale, ökonomische etc., sein; auf ihrer richtigen Voraussicht und Vorausberechnung in Richtung und Grad beruht der Erfolg der Spekulation, das Schlußresultat der Handelsoperation. Die beiden Kontrahenten gehen regelmäßig von verschiedenen Voraussetzungen aus oder kalkulieren die vorhandenen Chancen verschieden; der Nachfragende, der Käufer, erwartet das Steigen des Kurses und heißt Haussier (Mineur) oder Liebhaber, der Anbietende, Verkäufer, operiert auf Fallen der Kurse und heißt Baissier (Fixer, Kontermineur).
Börsenusancen.
Wichtig für die Börsengeschäfte sind die an den Börsen festgestellten Usancen. So sind an der Berliner Börse Usancen über Kurs- und Zinsberechnung, über Reduktionen der fremden Währungen und über verschiedene Rechtsgeschäfte des Effektenbörsenverkehrs fest bestimmt (vgl. Saling, Börsenpapiere, Teil 1, S. 385 ff.; über die neuesten Börsenusancen vgl. Goldschmidts »Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht« 1879, Bd. 24, S. 525 ff., 546 ff., 555 ff.). Die konkreten Angebote auf konkrete Nachfragen zu beziehen, ist an den Börsen die Aufgabe besonderer Hilfspersonen des Handels, der Makler; für die Handelsmakler (Sensale), d. h. amtlich bestellte und vereidigte Vermittler für Handelsgeschäfte, enthält das Reichshandelsgesetzbuch (Art. 66-84) eingehende Vorschriften; danach haben die Handelsmakler die Aufgabe, für Auftraggeber Käufe und Verkäufe von Waren, Schiffen, Wechseln, inländischen und ausländischen Staatspapieren, Aktien und andern Handelspapieren, ingleichen Verträge über Versicherungen, Bodmerei, Befrachtung und Miete von Schiffen sowie über Land- und Wassertransporte und andre
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den Handel betreffende Gegenstände zu vermitteln. Da sie aber weder Stellvertreter noch Kommissionäre sind, so schließen sie die betreffenden Verträge niemals selbst ab, sondern ermöglichen nur den Abschluß seitens der Kontrahenten, indem sie dem Nachsuchenden das für ihn passende Angebot, dem Anbietenden die ihm erwünschte Nachfrage mitteilen und bei dem sodann zu stande gekommenen Vertrag als Urkundsperson fungieren. Als solche haben die Makler Handbücher und Tagebücher zu führen, insbesondere aber Schlußnoten über jedes Geschäft auszustellen und den kontrahierenden Parteien einzuhändigen. In Frankreich haben die Börsenagenten für den Wertpapierhandel (60 an der Zahl) ein Privilegium auf ihre Stellen.
Letztere sind verkäuflich und werden hoch bezahlt (bis über 2 Mill. Frank). Die Geschäftsthätigkeit der Sensale an Börsenplätzen ist regelmäßig noch durch besondere Maklerordnungen normiert. Dieselben enthalten namentlich auch Bestimmungen über die den Börsenmaklern obliegenden Kursnotierungen; in diesen bedeutet, der heutigen Übung entsprechend, die hinter den Kurswert im Kurszettel gestellte Bezeichnung »G.« oder »Gld.« (d. h. Geld),
daß das betreffende Wertpapier zu diesem Preis gesucht war, auch zu diesem Preis gekauft wurde; die Bezeichnung oder »Br.« (Brief) oder »P.« (Papier) bedeutet, daß das betreffende Papier zu diesem Preis angeboten war, daß es mehr angeboten als verlangt war, während umgekehrt »G.« ausdrückt, daß es mehr verlangt als angeboten wurde. Effektiv wird das Papier mit etwas mehr als dem »G.«-Kurs, dagegen mit etwas weniger als dem »Börse-Kurs angekauft, Thatsachen, welche auf dem Kurszettel durch den Zusatz »bz.« oder »bez.« (»bezahlt«) oder »gem.« (»gemacht«) angedeutet sind.
Vielfach werden nur die Kurse des Kassengeschäfts, oft auch, wie in Paris, die des Zeitgeschäfts mit Unterscheidung des Anfangs-, des höchsten, des niedrigsten und des Schlußkurses notiert. Jedoch ist zu bemerken, daß die Kursnotierungen nicht unanfechtbar sind; einzelne Börsenordnungen verwahren sich ausdrücklich gegen den offiziellen Charakter der vom Syndikat etc. herausgegebenen Kursnotizen; jedenfalls läßt das Handelsrecht den Nachweis der Unrichtigkeit zu (RHGB., Art. 353).
Die Ankäufe und Verkäufe auf der Börse läßt der Kapitalist, der nicht selbst börsenbesuchender Bankier ist, regelmäßig durch einen Kommissionär besorgen; er kommittiert (beauftragt) einen von ihm gewählten Bankier zum projektierten Ankauf oder Verkauf, und hierdurch entsteht zwischen diesen beiden Personen das durch Art. 360-378 des Reichshandelsgesetzbuchs im allgemeinen geregelte Rechtsverhältnis des kaufmännischen Kommissionshandels. Besteht zwischen ihnen eine solche Geschäftsverbindung (im Effektenverkehr), oder hat sich der Bankier zur Besorgung solcher Aufträge erboten, so ist er, im Fall er die Kommission nicht annehmen will, zu einer umgehenden Antwort verpflichtet, widrigenfalls sein Schweigen als Übernahme des Auftrags gilt.
Die Aufträge werden entweder »limitiert« (»es wird limitiert«),
oder »bestens« erteilt, d. h. es wird entweder ein höchster Kurs gesetzt, über welchen hinaus der Kommissionär nicht mehr kaufen, bez. ein niedrigster, unter welchem er nicht verkaufen darf, oder der letztere wird berechtigt, einfach »zum Kurs« zu kaufen, resp. zu verkaufen. Der Kommissionär handelt Dritten gegenüber stets als Selbstkontrahent; er haftet aber auch dem Auftraggeber stets als Käufer, bez. Verkäufer, wenn er von der ihm durch Art. 376 des Reichshandelsgesetzbuchs eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht hat, d. h. wenn er das betreffende Gut, welches einen Börsen- oder Marktpreis hat, selbst als Verkäufer liefern zu wollen, bez. als Käufer behalten zu wollen erklärt.
Nicht minder aber haftet der Bankier, welcher bei Offerten u. dgl. Zusicherungen macht, welche über den Bereich einer bloßen Reklame hinausgehen und sich nicht bewahrheiten. Dies gilt namentlich auch von »Einführungen« neuer Wertpapiere; das Recht bietet hier als Schutz auch die strafrechtliche Haftbarkeit der das neue Effekt bugsierenden Börsenmänner (vgl. Reichshandelsgesetzbuch, Art. 249 d). Die Börse wird nicht selten durch »on dits« und »bruits de la bourse« aufgeregt, welche sich mit lauffeuerartiger Schnelligkeit verbreiten und das beabsichtigte Steigen oder Fallen der Kurse zum nicht geringen Schaden der gläubigen Gegenparteien hervorrufen, ihren Grund aber in dem bestellten Telegraphieren einer falschen Nachricht haben (Börsenmanöver). Läßt sich letzteres beweisen, so ist offenbar ein Betrug vorhanden, welchem nicht mit der Einrede begegnet werden kann, der Gegner hätte ja die Nachricht nicht zu glauben gebraucht.
Die einzelnen Börsengeschäfte.
Kaufgeschäfte, mögen sie Spekulationsgeschäfte oder Realisationsgeschäfte sein, durch Vermittelung von Maklern oder von Kommissionären oder von Selbsthändlern und unmittelbar abgeschlossen werden, sind, wie bemerkt, die Grundgeschäfte des gesamten Börsenhandels. Gegenstände derselben sind an den Effektenbörsen nur Wertpapiere und Münzen. Die Geschäfte in Wertpapieren (Fondsgeschäfte) sind entweder Kassageschäfte oder Zeitgeschäfte; letztere zerfallen in Zeitgeschäfte »auf Zeit fest« und in solche »aus Zeit bedingt«.
Kassageschäfte (Kontantgeschäfte) sind Kaufgeschäfte, bei welchen die Erfüllung sowohl seitens des Käufers als seitens des Verkäufers sofort (spätestens an dem dem Abschluß folgenden Werktag) zu geschehen hat; es wird per Kassa (per comptant) gehandelt, Ware und Geld Zug um Zug übergeben. Derartige Käufe werden regelmäßig zu Realisationen abgeschlossen; aber auch als Spekulationskäufe sind sie denkbar, sofern nicht befürchtet wird, daß der Kurs sich lange Zeit nicht heben werde, und sofern nicht die Flüssigmachung der zu Kassa-Ankäufen aufgewendeten Valuten vor Kurserhöhung dringend gewünscht wird. Ferner ist das Kassageschäft von seiten des Käufers auch dann die natürliche Form, wenn keine Spekulation, sondern eine Kapitalanlage beabsichtigt ist, und ebenso von seiten des Verkäufers, wenn dieser die eine Art der Kapitalanlage mit einer andern vertauschen will.
Zeitgeschäfte sind Kaufgeschäfte, welche nicht sofort bei Abschluß, sondern eine bestimmte Zeit später beiderseits zu erfüllen sind; der Tag der Erfüllung heißt Stichtag, ein Name, der bei bedingten Zeitgeschäften den Tag der Entscheidung, der mitunter vom Erfüllungstermin verschieden ist, bezeichnet. Effekten werden sehr häufig auf Zeit gekauft und verkauft, ohne daß sie beim Kaufsabschluß bezahlt oder geliefert werden konnten, indem der Verkäufer die verkauften Fonds bis zum Stichtag noch unter dem vereinbarten Kaufpreis (Kurs des Abschlußtags) anschaffen zu können hofft. Hierbei handelt es sich lediglich um die Differenz des Kurses zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis, d. h. zwischen Kurs des Abschluß- und des Stichtags; der Verkäufer, der auf Sinken des Kurses bis zum Stichtag (sehr häufig der letzte Tag des laufenden Monats,
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daher »Ultimogeschäft«) rechnet, mithin à la baisse spekuliert, verkauft à découvert (ungedeckt) oder in blanco, er »fixt«, d. h. er verkauft Objekte, die er noch gar nicht besitzt, und der Käufer spekuliert umgekehrt à la hausse, will die Differenz zwischen dem niedrigen Abschluß und dem gestiegenen Stichtagkurs gewinnen.
Von den gewöhnlichen Zeit- oder Lieferungsgeschäften unterscheiden sich die an der Börse geschlossenen Zeitgeschäfte oder sogen. Fixgeschäfte zunächst durch eine juristische Eigentümlichkeit, indem auch das formelle Recht bei letztern die Differenz als das Punctum saliens des gesamten Börsenverkehrs anerkennt (vgl. Art. 354-357 des Reichshandelsgesetzbuchs). Um die Differenz drehen sich alle Lieferungsgeschäfte, und wenn die Bestimmungen des Art. 357, Abschn. 3 des Reichshandelsgesetzbuchs zur Anwendung kommen, dann wird schon nach diesen nicht mehr und nicht weniger als die Kursdifferenz bezahlt.
Diese bloße Zahlung der Differenz statt des vollen Kaufpreises kann aber auch die Folge der an den Börsen eingeführten Form der Abwickelung sein. Da nämlich die Spekulanten am Erfüllungstag meist bereits ihre Spekulation wieder realisiert haben, so lassen sie ihre Verpflichtung durch denjenigen erfüllen, der durch das Realisationsgeschäft an ihre Stelle getreten, und treten selbst nur so weit ein, als die Preisdifferenz zwischen den beiden Abschlüssen in Betracht kommt.
Wenn jemand von A zu 100 gekauft und dem B zu 105 verkauft hat, so kann er den B anweisen, von A in Empfang zu nehmen, und da A nur 100 zu bekommen hat, kann er den Überschuß 5 an sich zahlen lassen. Auch derjenige, mit dem das Realisationsgeschäft gemacht wurde, kann dieses seinerseits als Spekulations- oder Realisationsgeschäft gemacht haben und durch die weitere Person, mit der er noch außerdem kontrahiert hat, erfüllen lassen. So finden die Ablieferungen zwischen ganz andern Personen statt als zwischen den Kontrahenten, indem den Empfangsberechtigten immer neue Firmen genannt (wie der übliche Ausdruck lautet: »Adressen gegeben«) werden, mit welchen sie abzuwickeln haben.
Die Abwickelungen zwischen diesen Parteien aber, die ja unter sich gar nicht abgeschlossen, also auch keinen Preis vereinbart haben, finden der Bequemlichkeit halber zu einem gleichmäßigen, am Erfüllungstag vom Börsenvorstand festgesetzten Kurse statt (sogen. Kompensationskurs). Die eigentlichen Kontrahenten haben dann untereinander nochmals abzurechnen wegen der Differenz, die zwischen dem von ihnen ursprünglich vereinbarten Kurs und dem Ablieferungskurs sich ergeben hat.
Wenn A von B zu 102 gekauft und an C zu 104 verkauft hat, und am Erfüllungstag wird der Kompensationskurs auf 100 festgesetzt, so liefert B an C zu 100, hat aber noch 2 von A zu bekommen, während C noch 4 an A zahlen muß. So kann jedes Zeitgeschäft, ja sogar auch ein Kontantgeschäft teilweise oder ausschließlich durch Zahlung einer Differenz ausgeglichen werden. Man nennt nun aber gewöhnlich speziell Differenzgeschäfte diejenigen Spekulationsgeschäfte, bei denen es nur auf den Gewinn der Differenz abgesehen ist, zu deren Abschluß keinerlei Motiv treibt außer der Hoffnung auf diesen Gewinn.
Der Sache nach nähert sich das Differenzgeschäft in diesem Sinn sehr stark dem Hasardspiel und der Wette. Man könnte nur dann dasselbe günstiger beurteilen, wenn sich zeigen ließe, daß dasselbe notwendig ist, damit künftige Ereignisse schon im voraus bei der Preisgestaltung Berücksichtigung finden und somit übermäßige Preisschwankungen verhindert werden. Allein einerseits könnte wohl meistens diese Funktion von dem reellen, des wirklichen Ankaufs, resp. Verkaufs wegen unternommenen Geschäft mit besorgt werden, anderseits sind die Bestimmungsgründe der Preise oft solche, daß sie gar nicht durch Nachdenken und Erfahrung vorher zu berechnen sind, das Erraten daher nur Sache des Zufalls ist.
Trotzdem kann es nicht wundernehmen, daß gerade in unsern Tagen so außerordentlich viel in Differenzen spekuliert wird (nach G. Cohn, »Die und die Spekulation«, Berl. 1868, verhalten sich im Getreidehandel der Berliner Börse die Differenzgeschäfte zu dem effektiven Warenumsatz jährlich wie 20:1, 2 Mill. Wispel Roggen zu 100,000 Wispel effektiv). Man streitet nun viel über Rechtsbeständigkeit und Wirksamkeit dieser Geschäfte und über die Frage ihrer gesetzlichen Regelung.
Man hat auch wohl ein allgemeines Verbot der Differenzspekulation verlangt; doch hatten die gegen dieselbe in einzelnen Staaten ergriffenen Maßregeln wenig Erfolg, weil das effektive Umsatzgeschäft und das Differenzgeschäft praktisch nicht voneinander zu scheiden, denn reelles Geschäft und Differenzgeschäft bewegen sich genau in denselben Formen. Die zwischen beiden Kontrahenten abgeschlossene Vereinbarung enthält keineswegs immer etwas Unmögliches oder etwas Unsittliches.
Weiter ist zu erwägen, daß dasselbe Geschäft für den einen der Kontrahenten ein Spiel, für den andern Teil eine reelle Anlage oder Realisierung des Besitzes sein kann. Ist auch nicht zu leugnen, daß das reine Differenzgeschäft den Charakter der Wette und des Spiels trägt und vielfach auch ganz die gleichen Folgen hat wie diese, so gehen doch die Angriffe gegen dasselbe oft zu weit und werden ungerecht. Auch die Gesetzgebung hat neuerdings darauf verzichtet, die Differenzgeschäfte ganz zu unterdrücken; ja, in Frankreich, wo dieselben bisher nicht klagbar waren, ist man gerade nach der Börsenkrisis vom Januar 1882 zu dem Entschluß gekommen, sie als bindende Verträge zu behandeln, um auf diesem Weg zu größerer Vorsicht beim Eingehen derselben zu veranlassen.
Denn allerdings müssen dieselben als durchaus bedenklich und unratsam bezeichnet werden. Namentlich der Kleinkapitalist ist in der That aufs dringendste vor der Differenzspekulation zu warnen; die Vorteile, welche der große Verkehr von den Differenzgeschäften zieht, sind nicht selten den Nachteilen zu danken, die der Kleinspekulant erfährt. Wenn das bloße Differenzspiel überwuchert, so artet die Spekulation aus in Börsenspiel oder, wie man es auch bezeichnet, in Agiotage und Börsenschwindel (vgl. hierüber wie über Börsenkrisis den Art. »Handelskrisis«).
Weit weniger gefährlich als die Differenzgeschäfte sind die Prämiengeschäfte. Hat jemand Papiere, sei es effektiv, sei es nur als Differenzobjekt gemeint, zu liefern versprochen, und ist deren Kurs am Stichtag (statt, wie er kalkulierte, gefallen) um 3 gestiegen, so wäre er wohl froh, wenn er sich mit Zahlung von 1 oder 1½ der ganzen Differenzzahlung entschlagen, oder einen Aufschub oder das Recht zur Lieferung einer geringern Quantität erlangen, oder das verabredete durch ein ganz andres Geschäft ersetzen könnte. Das Prämiengeschäft gestattet ihm dies; laut vorgängiger Vereinbarung (am Abschlußtag) ist dem einen der Kontrahenten, dem Prämiengeber, ein Wahlrecht eingeräumt, das er am Stichtag auszuüben hat; der andre Kontrahent räumt dieses Wahlrecht ein, weil er die Prämie erhält und
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darin einen allerdings hinter der möglicherweise ihm günstigern Kursdifferenz zurückbleibenden kleinern, aber in diesem Minimum ganz sichern Gewinn hat. Das Juristische des Prämiengeschäfts liegt einfach im folgenden: jedes Prämiengeschäft ist ein Vertrag, in welchem von einem Kontrahenten dem andern gegen Versprechen einer bestimmten Summe, Prämie genannt, ein Wahlrecht zugestanden wird, welches Bezug hat auf das Zustandekommen oder die Ausführung eines andern Vertrags (Fixgeschäft überhaupt oder Differenzgeschäft). Es ist unrichtig, das Prämiengeschäft als bedingtes Geschäft aufzufassen; das Prämiengeschäft ist unbedingt, nur jenes andre Geschäft, welches in seinem Zustandekommen oder in seinem Vollzug von dem Prämiengeschäft, von der Wahl abhängt, kann als bedingtes Geschäft bezeichnet werden (bedingtes Zeitgeschäft).
Die Prämie ist das Äquivalent für das vom Prämienzieher eingeräumte Wahlrecht. Im einfachen Prämiengeschäft wird die Prämie bezahlt nach Vereinbarung entweder für den gewählten Rücktritt, oder für den nicht gewählten Rücktritt, oder für das Recht der Wahl an sich, ohne Rücksicht darauf, ob oder wie es ausgeübt wurde. Im Wandelgeschäft zahlt der Prämiengeber die Prämie für Wahlrecht darüber, ob er die Erfüllung des Lieferungs- oder Differenzgeschäfts an diesem oder an jenem Zeitpunkt (innerhalb einer vereinbarten Frist) wolle.
Während demnach in den einfachen Prämiengeschäften die Wahl zwischen Wollen und einem konkreten, entgegengesetzten Nichtwollen charakteristisch ist, räumt das Wandelgeschäft keinen Rücktritt, kein Nichtwollen ein, sondern die Wahl zwischen einem So- und einem Anderswollen. Das letztere ist dem Wandelgeschäft gemeinsam mit dem Noch- (oder Nach-) Geschäft, dem Schluß auf fest und offen und dem Stellgeschäft. Im Nochgeschäft hat der Prämienzahler die Wahl, ob er die ursprünglich vereinbarte Menge oder mehr als diese liefern, bez. fordern will.
Umgekehrt räumt der Schluß auf fest und offen dem Prämiengeber die Befugnis ein, nur einen Teil der gehandelten Effekten zu nehmen, bez. zu liefern. Die Menge der Effekten, auf deren Lieferung oder Bezug am Stichtag vertragsmäßig verzichtet werden kann, ist stets nur ein Bruchteil der überhaupt in Rede stehenden Papiere und heißt »offen« bezogene Partie, oder man spricht von »in Option gegebenen Papieren«, ein Ausdruck, der übrigens auch im Nochgeschäft gang und gäbe ist.
Überhaupt unterscheidet sich das »Nochgeschäft« von dem Geschäft auf »fest und offen« nur durch die Ausdrucksweise des geschlossenen Vertrags, ob man nämlich die kleinere Quantität als das Normale und die größere als das Ergebnis eines besonders auszuübenden Wahlrechts auffaßt oder umgekehrt. Das Stellgeschäft (die Stellage) ist ein Prämiengeschäft, bei welchem dem Prämienzahler (Wähler, Stellageinhaber) das Recht eingeräumt ist, die behandelte Quantität Fonds nach seiner am Stichtag zu treffenden Wahl entweder von dem andern Kontrahenten (Steller) zu einem höhern Kurs zu empfangen, oder zu einem niedrigern Kurs zu liefern (Schluß auf geben und nehmen).
Das zweischneidige Prämiengeschäft gibt dem Prämienzahler außer dem Rechte der Wahl zwischen Beziehen und Liefern auch noch das Recht des vollständigen Rücktritts vom Vertrag, mithin ein Wahlrecht zwischen So-, Anders- und Nichtwollen. Das Zweiprämiengeschäft ist die Kombination zweier einfacher Prämiengeschäfte, welche jemand mit zwei verschiedenen Personen abschließt, indem er in beiden Fällen sich das Recht des Rücktritts vorbehält, in dem einen Fall von einem Kauf, den er abschließt, in dem andern von einem Verkauf. (Vgl. Moser, Zeitgeschäfte, Berl. 1875.) In allen Prämiengeschäften ist auf einer Seite der Verlust auf ein Minimum, die Prämie, beschränkt, auf der andern Seite aber auch der Gewinn aus dieselbe.
Für die rechtliche Natur dieser Geschäfte ist es gleichgültig, ob die Prämie besonders ausgesprochen oder nur im Lieferungskurs ausgedrückt, ob sie vorher oder nachher bezahlt wird, oder in Reduktion oder Erhöhung des Bezugspreises liegt etc. Die Usancen der Börsen, in Bezug auf die Prämiengeschäfte die einzigen besondern Rechtsquellen, weichen hierin voneinander ab. Hat der Verkäufer die Prämie zu zahlen (Rückprämie), so läßt sie sich in einer Verminderung des Kaufpreises ausdrücken, die vom Käufer zu zahlende (Vorprämie) in einer Erhöhung desselben.
An den deutschen Börsen wird sie gesondert berechnet und bezahlt, an den meisten andern Börsen Europas in den Kurs gerechnet. Die Spekulation in den Prämiengeschäften stützt sich auf Kursschwankungen;
Prämienzahler und Prämienempfänger müssen sich verschiedenen Anschauungen in Bezug auf Richtung oder Intensität der Kursänderung hingeben. So hofft der Wähler im Stellgeschäft, daß eine sehr bedeutende Kursänderung nach oben oder nach unten eintreten werde;
er gewinnt erst, wenn die Kursänderung über den (vereinbarten höchsten) Empfangskurs hinaus oder unter den (vereinbarten niedrigsten) Lieferungskurs herab vor sich gegangen ist;
der Steller (Prämienempfänger) rechnet umgekehrt darauf, daß keine so bedeutende Preisschwankung eintreten werde, etc. Es kann sein, daß am Stichtag (Prämienerklärungstag, gewöhnlich ein Ultimo) die Spekulation sich als ungünstig für den einen der Kontrahenten darstellt, während er von den bevorstehenden nächsten Kursänderungen Vorteil hofft und der andre Kontrahent die Fortdauer der ihm günstigen Geschäftslage voraussetzen zu dürfen glaubt;
so kommen beide Kontrahenten dazu, das Zielgeschäft (Fixgeschäft, Differenz- oder Prämiengeschäft) zu prolongieren: Prolongation der Fondsgeschäfte (Prolongations- oder Kostgeschäfte).
Die Fortsetzung der Spekulation bei vermuteter Fortdauer, resp. Verbesserung der Chance kommt, abgesehen von den bankmäßigen Prolongationen im Wechsel-, Lombard- und Darlehnsgeschäft, im Fondsverkehr in doppelter Weise vor: als sogen. verdeckte (einfache) Prolongation und als Reportgeschäft. Die verdeckte Prolongation besteht in der Abschließung eines neuen Geschäfts unter Beibehaltung der gleichen Spekulationsrichtung nach Abwickelung des ersten (»prolongierten«) Geschäfts; gleichgültig ist dabei, ob das zweite (prolongierende) Geschäft mit einem und demselben Kontrahenten oder mit einem neuen abgeschlossen wird.
Der prolongierende Haussespekulant verkauft demnach am Stichtag per Kassa, zahlt Kaufpreis, resp. Differenz an seinen frühern Verkäufer und setzt die Haussespekulation in derselben Weise wie bisher dadurch fort, daß er die nämliche Quantität derselben Effekten von einem Dritten oder wiederum vom Verkäufer auf Lieferung per nächsten Ultimo kauft. Entsprechend werden die Verkäufe vom prolongierten Baissespekulanten fortgesetzt. Die Prolongation setzt also im ersten Fall voraus: Verkauf per Kassa und Kauf per Ultimo, im letztern: Kauf per Kassa und Verkauf per Ultimo. Dies Geschäft trägt die Natur des gewöhnlichen Lieferungsgeschäfts an sich. Der Zusammenhang mit dem dadurch prolongierten Geschäft ist juristisch
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bedeutungslos. Dieses versteckte Prolongationsgeschäft hat den Mangel, daß der Spekulant mit drei Personen zu verhandeln hat: mit dem Kontrahenten bei seinem ersten Spekulationsgeschäft, mit dem Kontrahenten beim Realisationsgeschäft und mit dem Kontrahenten bei dem neuen (prolongierenden) Geschäft. Vereinfacht wird die Prolongation durch das Reportgeschäft, bei welchem das Realisations- und das neue Spekulationsgeschäft mit derselben Person abgeschlossen werden.
Verkauft der prolongierende Spekulant die betreffenden Effekten per Kassa an dieselbe Person, von welcher er sie alsdann per Ultimo zu beziehen übernimmt, und kauft diese Person per Kassa zum Kassakurs unter Versprechen der Rücklieferung der Papiere per Ultimo, so liegt seitens dieser Person (Kostgeber, weil er Papiere »in Kost« gibt) ein Reportgeschäft vor, welches für jenen Spekulanten den Schein und das Wesen eines Prolongationsgeschäfts hat. Dabei kann Verkauf und Kauf zum nämlichen Kurs geschehen, oder die spätere Lieferung zu einem höhern oder die spätere Lieferung zu einem niedrigern Kurs. Im erstern Fall spricht man von einer »glatten« Prolongation (»es wird glatt prolongiert«); im zweiten Fall nennt man den Unterschied zwischen den beiden Kursen Report (Kostgeld, franz. report, engl. contango),
im dritten Fall Deport (auch Leihgeld genannt, franz. déport, engl. backwardation). Bei »glatter« Prolongation genießt der Geldgeber bis zum Rückempfang die laufenden Zinsen der Papiere, im Fall des Reports mehr als diese, im Fall des Deports weniger. Ein Report wird sich daher besonders bei der Prolongation niedrig verzinslicher, ein Deport bei derjenigen hoch verzinslicher Papiere leicht einstellen. Der Kapitalist, welcher reportiert, d. h. die Papiere in Prolongation nimmt (d. h. per Kassa kauft und gleichzeitig per Ultimo des nächsten Monats verkauft) und an Zinsen und Report gewinnen will, ermöglicht dadurch die Prolongation der Spekulation des Haussiers; umgekehrt kann er auch die Spekulation des Baissiers unterstützen, indem er demselben die abzuliefernden Effekten zeitweise überläßt und dabei den Vorteil genießt, Geld zu niedrigen Zinsen einige Zeit zur Verfügung zu haben.
Das Reportgeschäft wird nicht selten als Darlehen, Geldleihe auf Effekten, dargestellt; diese Auffassung dürfte aber juristisch unhaltbar sein, vielmehr ist das Geschäft als Kaufvertrag zu beurteilen und nur durch die fixen Termine und die Differenzabgleichung besonders qualifiziert. Dagegen ist das Lombardgeschäft eine wirkliche Darleihe, welche unter Verpfändung von bestimmten Effektenstücken gegen Verzinsung und unter Verpflichtung zur Depoterhöhung im Fall gesunkenen Kurses abgeschlossen wird.
Auf dieses Geschäft finden die im Art. 311 des Reichshandelsgesetzbuchs ausgesprochenen Grundsätze Anwendung.
Vgl. Proudhon, Handbuch des Börsenspekulanten (deutsch, Hannov. 1857);
Swoboda, und Aktien (Köln 1868);
Kautsch, Allgemeines Börsenbuch (Stuttg. 1874);
Siegfried, Die und die Börsengeschäfte (4. Aufl., Berl. 1884);
Hecht, Das Börsen- und Aktienwesen der Gegenwart (Mannh. 1874);
Struck, Die Effektenbörse (Leipz. 1881).
Statistisches in »Salings Börsenjahrbuch« (Berlin),
dem »Jahrbuch der Berliner Börse« (hrsg. von Neumann),
»Kompaß. Finanzielles Jahrbuch für Österreich-Ungarn« (Wien).