Auflösung
,
im modernen Staatsleben die vor
Ablauf
[* 2] der gesetzlichen Wahlperiode von der
Regierung verfügte Beendigung
einer
Körperschaft behufs Herbeiführung einer
Neuwahl derselben. Die Befugnis zur Auflösung
ist besonders parlamentarischen
Körperschaften gegenüber ein wichtiges
Recht der
Krone; doch ist ein solches
Recht auch in Ansehung von Gemeindekollegien,
Kirchenvorständen u. dgl. den Aufsichtsbehörden
nicht selten eingeräumt. Nach der preußischen
Städteordnung für die östlichen
Provinzen vom bedarf es
aber zur Auflösung
einer Stadtverordnetenversammlung einer königlichen
Verordnung.
Der
Volksvertretung gegenüber zur Anwendung gebracht, ist die Auflösung
, zu welcher der Monarch in den modernen
Verfassungsurkunden ausdrücklich ermächtigt ist, im
Grund nichts andres als eine
Aufforderung der
Krone an das
Volk, durch
Neuwahlen darzuthun,
ob eine zwischen der
Regierung und der
Volksvertretung bestehende
Disharmonie und eine
bisherige oppositionelle
Haltung der letztern von den Wählerschaften gutgeheißen oder mißbilligt werde. Denn nur dann wird
der
Souverän zur Auflösung
schreiten, wenn nach seiner Überzeugung die
Volksvertretung den Majoritätswillen des
Volks nicht voll
und ganz zum
Ausdruck bringt, so daß von den
Neuwahlen eine
¶
mehr
Abhülfe in dieser Hinsicht erwartet wird. Freilich ist die Möglichkeit eines Mißbrauchs dieser außerordentlichen Maßregel
durchaus nicht ausgeschlossen. Durch die Auflösung
werden nur die gewählten Mitglieder der Kammer und nicht diejenigen getroffen,
welche kraft erblichen Rechts oder auf Grund einer Ernennung auf Lebenszeit der Kammer, insbesondere der Ersten Kammer, in
Preußen
[* 4] dem Herrenhaus, angehören. Die Auflösung
bewirkt den Schluß der Session und die Neuwahl auf eine anderweite volle Legislaturperiode.
Nur ausnahmsweise (in Oldenburg
[* 5] und Sachsen-Koburg-Gotha) findet sich die Bestimmung, daß die an die Stelle des aufgelösten
Landtags tretende Körperschaft bloß für den Rest der Legislaturperiode der aufgelösten Kammer fungieren soll.
Regelmäßig ist in den Verfassungsurkunden eine bestimmte Frist vorgesehen, binnen deren im Fall einer Auflösung
die Neuwahlen vorgenommen,
sowie eine weitere Frist, innerhalb deren die neugewählten Volksvertreter versammelt werden müssen. So sind in Preußen die
Wähler binnen 60 und die Kammern binnen 90 Tagen nach der Auflösung
zu versammeln (Verfassungsurkunde, Art. 53).
Diese Bestimmung ist auch in die deutsche Reichsverfassung (Art. 25) übergegangen. Die Auflösung
des Reichstags (Art. 24) setzt einen
Beschluß des Bundesrats und die Zustimmung des Kaisers voraus.