Angriffsve
rfahren
oder Offensive, das Bestreben, den Zusammenstoß mit dem Gegner durch Herangehen
an denselben absichtlich herbeizuführen; Verteidigungsverfahren (Defensive) dagegen der Entschluß, diesen Zusammenstoß
stehenden Fußes abzuwarten. Beide
Arten können sich auf die gesamte Kriegführung beziehen (strategische Offensive und Defensive),
wie auch auf das Gefechtsfeld (taktische Offensive und Defensive). In beiden Fällen bietet das Angriffsve
rfahren folgende
Vorteile:
1) Belebung des moralischen Elementes durch das dreiste Vorwärtsgehen;
2) freie Wahl des Auftretens nach Zeit und Ort;
3) die Möglichkeit der Überraschung, indem der Angreifer den Gegner durch Scheinbewegungen (Demonstrationen) über die Richtung des Hauptangriffs täuscht und mit überlegenen Kräften gegen den gewählten Angriffspunkt auftritt, bevor der Verteidiger dort entsprechende Widerstandskräfte gesammelt hat;
4) im Falle des Erfolges ist sofort die wirkliche Entscheidung gegeben, während in der reinen Defensive der Erfolg an sich nur die Aufschiebung der Entscheidung bedeutet. Diesen Vorteilen der Offensive stehen auch Vorteile der Defensive gegenüber, und zwar kommen der strategischen Defensive zu gute:
1) die Kenntnis des eigenen Landes und die bequeme Ausnutzung seiner Hilfsmittel;
2) die Anlehnung an die vorhandenen Befestigungsanlagen und 3) die Unterstützung durch die Landeseinwohner; desgleichen sind als Vorteile der taktischen Defensive anzusehen:
1) die freie Wahl einer vorteilhaften Stellung und das genaue Bekanntmachen mit ihren örtlichen Eigentümlichkeiten;
2) die Möglichkeit, diese Stellung künstlich zu verstärken;
3) die Möglichkeit einer bessern Ausnutzung der vervollkommneten Feuerwaffen, die durch den ausgeruhten Zustand der Truppen und ihre genaue Bekanntschaft mit den Entfernungen des Schlachtfeldes gegeben ist.
Die
Vorteile des Angriffsve
rfahren sind also mehr moralischer und intellektueller, die des Verteidigungsverfahrens
mehr materieller Natur, daher ist von vornherein das Angriffsve
rfahren als die stärkere Form
zu betrachten, und zwar um so mehr, als es vollen Erfolg verspricht, wogegen das Verteidigungsverfahren im günstigsten Falle
nur die
Entscheidung verschieben kann. Deshalb ist auch das reine Verteidigungsverfahren (passive Defensive) ein unbedingter
Fehler; es muß eben auch die Defensive nach augenblicklicher
Abwehr des feindlichen
Stoßes selbst zum
Gegenstoß übergehen (aktive Defensive). In
Bezug auf die allgemeinen charakteristischen Formen der Offensive unterscheidet
man Frontalangriff (s. d.),
Umfassung (s. d.) und
Umgehung (s. d.), welche Formen jede für sich allein wie auch in verschiedenen
Kombinationen angewendet werden können. In
Bezug auf die
Absicht jeder Offensive unterscheidet man die
Decisive und die
Demonstrative.