Titel
Andrieux
(spr. angdriöh), 1)
François
Guillaume
Jean Stanislas, franz. Gelehrter und Dichter, geb. zu
Straßburg,
[* 2] war beim
Ausbruch der
Revolution
Advokat in
Paris,
[* 3] schloß sich derselben mit
Eifer an, wurde 1796 Mitglied des
Kassationshofs, 1798 in
den
Rat der Fünfhundert gewählt, nach dem 18.
Brumaire zum Mitglied des Tribunats ernannt, jedoch schon 1802 wegen
seiner
Opposition entlassen. Einen
Antrag
Fouchés, sich bei der
Zensur zu beteiligen, lehnte er ab, ward 1804 Bibliothekar
Joseph
Bonapartes und gleichzeitig des
Senats und erhielt dann die Professur der schönen
Wissenschaften an der polytechnischen
Schule,
die er nach der
Restauration (1814) mit einem Lehrstuhl am
Collège de
France vertauschte. Im J. 1816 wurde
er Mitglied der
Akademie und 1829 deren beständiger
Sekretär.
[* 4] Er starb Andrieux
ist ein
Kind des 18. Jahrh.: sein Hauptbestreben
ist, geistreich und witzig zu sein;
Gefühl und Leidenschaft scheinen ihm gänzlich zu fehlen.
Auch seine
ästhetischen
Ansichten gehören der alten Zeit an;
Shakespeare tadelt er als kunstlos und übertrieben, die
deutsche Litteratur
verabscheute er ebenso wie die romantische
Schule. Seine eignen
Komödien zeichnen sich durch leichten Versbau, gut ausgedachte
Situationen und
manche sinnreiche Einfälle aus. Die besten sind: »Les étourdis,
ou le mort supposé« (1788) und »La comédienne«
(1816). Auch eine
Tragödie:
»Junius
Brutus«, hat Andrieux
verfaßt, die nach der
Julirevolution zur Aufführung kam, sowie zahlreiche
leichte
Poesien: Fabeln,
Erzählungen,
Romanzen,
Episteln, die sich durch Urbanität auszeichnen, und von denen die bemerkenswertesten
sind: »Le
[* 5] meunier de
Sans-Souci«, »La promenade de
Fénelon« und »Le procès du sénat de Capoue«. Andrieux
gab
selbst seine Werke heraus (1818-23, 4 Bde.);
eine Auswahl erschien 1878.
2) Louis, franz. Politiker, geb. zu Trévoux (Ain), studierte in Paris die Rechte und ließ sich in Lyon [* 6] als Advokat nieder, wo er in vielen politischen Prozessen plaidierte, eine freie Rechtsschule gründete und einer der Vorkämpfer der liberalen Partei gegen das Kaisertum war; wegen Beleidigung des Kaisers ward er 1870 zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Nach dem wurde er zum Prokurator der Republik in Lyon ernannt und hatte zwischen der revolutionären und reaktionären Partei eine schwere Stellung; trotzdem erfüllte er nach beiden Seiten hin mutig seine Pflichten.
Nach Thiers' Abdankung 1873 nahm er seine Entlassung und bekämpfte mit Entschiedenheit den reaktionären Präfekten von Lyon, Ducros. Im J. 1876 ward er in die Deputiertenkammer gewählt, in welcher er sich der Republikanischen Union anschloß und für die Einigkeit der liberalen Parteien wirkte. Er war 1879 Berichterstatter über den Gesetzentwurf, betreffend die teilweise Amnestie, und wurde darauf zum Polizeipräfekten von Paris ernannt, in welcher Stellung er aber von den Radikalen heftig angefeindet wurde. Er erhielt daher im Juli 1881 seine Entlassung und ward 1882 zum Botschafter in Madrid [* 7] ernannt, aber als Gegner der Gambettisten bald wieder abberufen und bekämpfte seitdem diese aufs heftigste.