Andalūsien
(span. Andalucia), im Altertume ein Teil der röm. Provinz Bätica, das Vandalitia oder Vandalusia zur Zeit der Vandalenherrschaft, dann als Vereinigung der mächtigen Königreiche Sevilla, [* 3] Jaen, Cordoba [* 4] und Granada [* 5] die letzte Stätte der Maurenherrschaft in Europa, [* 6] bildet jetzt eine Kapitanie mit dem Sitz des Generalkapitäns in Sevilla im südlichsten Teile Spaniens und besteht aus den acht Provinzen Sevilla, Huelva, Cadiz, [* 7] Cordoba, Jaen, Granada, Malaga [* 8] und Almeria mit zusammen 87570,67 qkm und (1877) 3283436, (1887) 3429813 E. Im N. trennen das Land die einzelnen Sierren des andalus.
Scheidegebirges, namentlich die
Sierra Morena, von Estremadura und Neucastilien. Östlich grenzt es an Murcia
[* 9] und im
W. an
Portugal,
[* 10] im
S. an das Mittelmeer mit den steilen Felsterrassen des Küstengebirges von Granada, das in der
Sierra de Gador
bis 2325 m aufsteigt und sich bis gegen die
Straße von
Gibraltar
[* 11] fortsetzt, im
W. an den Atlantischen Ocean
mit der offenen, zum
Teil steppenartigen Mündungsebene des Guadalquivir, der in seinem ganzen Laufe Andalusien
angehört und dessen
Hauptverkehrsader ist.
Man unterscheidet Hochandalusien
(Andalucia alta) und
Niederandalusien (Andalucia baja).Letzteres, das bätische
Tiefland,
reicht zu beiden Seiten des Guadalquivir, allmählich sich verschmälernd, vom
Busen von
Cadiz aufwärts
bis el Carpio, oberhalb Cordoba, und bedeckt einen Raum von ungefähr 13770 qkm.
Jenes wird gänzlich erfüllt durch das bätische,
vielgliedrige Gebirgssystem. Den
Kern des
Systems bildet die
Sierra Nevada (s. d.), das südlichste Schneegebirge Europas, dessen
Gipfel bis 3481 m aufsteigen.
Getrennt davon und zum marianischen Gebirgssystem (Sierra Morena) gehörend, erhebt sich in der Nordostecke von Granada die Sierra Sagra (2400 m). Infolgedessen ist die Bewässerung meist eine vorzügliche. Das Klima ist in der untern Region ein fast afrikanisches, namentlich an den Mittelmeerküsten, wo der Solano im Sommer die Hitze zuweilen unerträglich macht. An der atlantischen Küste dagegen herrschen kühlere Winde [* 12] vor. Die mittlere Temperatur des kältesten Monats ist etwa 15° C., die des wärmsten 30° C. Der Frühling beginnt im Februar und dauert je nach der Lage bis Mai oder Juni. Im Sommer verdorrt die Vegetation bei mangelndem Regen, aber Ende September rufen die ersten Regen ein zweites Frühjahr hervor, welches fast unmerklich wieder durch den milden Winter hindurch in den eigentlichen Frühling übergeht. In den höhern Regionen ist Eis [* 13] und Schnee [* 14] keine Seltenheit; in Granada sinkt die Temperatur öfters bis –5°C., und selbst in dem durch seine milden Winter bekannten Malaga kommen ausnahmsweise ¶
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Nachtfröste mit -2 bis -5° C. vor. Die Beinamen A.s, z. B. der Garten, [* 16] der Kornspeicher, der Keller, der Stall, ja sogar der Geldbeutel Spaniens, lassen auf einen ungemeinen Naturreichtum schließen; doch findet dieser sich nur noch in kleinen Teilen Landes, z. B. in den Vegas von Granada, Malaga, Velez Malaga, Motril, den Alpujarrasthälern und andern Thälern der Sierra Nevada, den Plateaus von Ubeda und Baëza; im Tieflande in den Umgebungen von Cordoba, Sevilla, Ecija, Jerez u. a. Hier bringt der schon im April reife Weizen 40fältige, der Mais 80-, ja 100fältige Frucht; die Oliven und Orangen erreichen die größte Höhe, und die Vegetation wird subtropisch.
Zuckerrohr (früher auch Baumwolle), [* 17] Feigendisteln, Bataten und Dattelpalmen gedeihen im Freien; baumartige Aloen und Kaktusarten bilden undurchdringliche Decken, und eine Menge von Zierpflanzen Afrikas und Amerikas sind verwildert. Wein und Öl, Obst und Südfrüchte giebt es im Überfluß. Im W. des Jenil dagegen, wo bei geringer natürlicher Bewässerung die künstlichen Rieselwerke verfallen, wird der Anbau spärlicher; dort liegen weite Felder verödet.
Näher an der Küste sind noch einförmigere und nacktere Gegenden, und die Küstenebene zwischen der Guadalquivir- und Tintomündung,
Las Arenas Gordas genannt, ist sogar nur mit beweglichem Flugsande bedeckt. Im allgemeinen gehört aber Andalusien
zu
den ergiebigsten Landschaften Spaniens, dank seinem milden Klima,
[* 18] seinem größern Wasserreichtum im Bereich
eines Gebirges, das in so südl. Breite
[* 19] die nie versiegenden Quellen großer Schneefelder besitzt, sowie den vorzüglichen Bewässerungsanlagen
der Mauren, auf deren Erhaltung jedoch nicht die nötige Sorgfalt verwendet wird.
Kein Land Europas bietet einen solchen Wechsel der üppigsten Fruchtbarkeit mit trostlosen Einöden dar
wie Andalusien
, namentlich in seinen Gebirgen. Ebenso abwechselnd ist der Pflanzenwuchs. Bis in eine Höhe von 600 m finden sich die
Gewächse der tropischen und subtropischen Zone, namentlich als Kulturpflanzen die Orangeriegewächse. Bis zu 1000 m hinauf
gehen Ölbaum und Weinstock, Weizen bis 1500 m, Roggen und Gerste
[* 20] sogar in der Sierra Nevada über 2200 m,
darüber hinaus sind Alpenweiden.
Als Waldbäume finden sich in der untern Region namentlich immergrüne Eichen, in der Bergregion Kastanien, blattwechselnde
Eichen und Nadelhölzer,
[* 21] neben denen als Kulturpflanzen die Walnüsse und die mitteleurop. Obstbäume zu nennen sind. Die andalus.
Hengste, namentlich die cordobanischen, sind berühmt; auch liefern die Provinzen Sevilla und Cordoba die meisten der wilden
Stiere für die Stiergefechte. Wie der Besitz natürlicher Reichtümer das Land schon früh zum Ziel fremder Kolonisten und
Eroberer gemacht hat, wie schon Phönizier durch die Schätze von Tartessus angelockt wurden und die
Mauren hier mächtige Reiche gründeten, so erhob sich Andalusien
auch selbständig zum Schauplatz einer frühen Gesittung, der Kunst,
Wissenschaft, der Ritterlichkeit, des Gewerbfleißes und Handels.
Die Audalusier sprechen ein mit arab. Worten gemischtes Spanisch; sie zeichnen sich aus durch Gastfreundschaft, Fröhlichkeit und Leichtsinn, Verstand, Gewandtheit und Einbildungskraft und gehören zu den thätigsten Stämmen der span. Nation. Die Frauen sind mit ungemeiner natürlicher Grazie begabt. Beide Geschlechter sind von mittlerer Statur, schön gewachsen, von dunkelm Teint, haben meist schwarze Augen und glänzendschwarzes Haar, [* 22] gebogene Nase [* 23] und halb orient. Schnitt des Gesichts, der besonders bei den Frauen stark hervortritt. Zu der maurisch-span. Bevölkerung [* 24] und den Moriscos kommen noch Tausende von Zigeunern. -
Vgl. von Hesse-Wartegg, Andalusien
(Lpz. 1894).