Titel
Alpen.
[* 2] Die älteste Einteilung des östlichen Flügels der Alpen stammt von den Römern, welche das Gebirge entweder nach den Ländern benannten, denen die Alpen angehörten, oder nach den Völkern, welche sie bewohnten. In diesem Sinn unterschieden die Römer [* 3] ihre Rätischen, Norischen, Pannonischen, Tridentinischen, Karnischen und Julischen Alpen. Die Grenzen [* 4] dieser Alpenteile fielen mit den Länder- und Völkergrenzen zusammen, welche ihrerseits durch den Verlauf der höchsten Gebirgsketten bedingt waren.
Diese römische Alpenbenennung hat sich seither jahrhundertelang fast bis in die Gegenwart hinein in der Litteratur erhalten. Erst als man gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch topographische Kartierungen und geologische Aufnahmen mit dem Bau des Gebirges näher bekannt wurde, brach sich die Erkenntnis Bahn, daß die Begrenzung der Gebirgsgruppen den dieselben trennenden Thälern und tiefsten Paßeinsenkungen folgen müsse. Von diesem Gesichtspunkt aus hat vor allem Karl v. Sonklar versucht, das Gebirge nach dem Verlauf der tiefsten Flußläufe zu zergliedern.
Die Alpeneinteilung v. Sonklars wurde in neuerer Zeit mit mehr oder weniger bedeutenden Veränderungen von verschiedenen Seiten angenommen und verbreitet. Neben der Aufstellung von zahlreichen Gebirgsgruppen hat man aber auch die Alpen wie in longitudinaler Beziehung auch in große transversale Hauptabschnitte zerlegt, deren man bald zwei, bald drei angesetzt hat, und über deren gegenseitige Begrenzung man nicht minder uneinig ist, als über jene der einzelnen Gebirgsgruppen, aus denen sie sich zusammensetzen.
Die Zweiteilung in östliche und westliche Alpen ist die ältere und überdies diejenige, welche den geologischen Verhältnissen der am besten entspricht. Nach ihrer Entstehungsgeschichte, Struktur und Zusammensetzung zerfallen die in zwei große Abschnitte, welche in der Gegend des Adulagebirges aneinander stoßen. Bei einer Dreiteilung sind die Ansichten nicht bloß über die Abgrenzung der West- und Mittelalpen geteilt, sondern ebenso und noch mehr über diejenige der Mittel- und Ostalpen.
Überdies gibt die Bezeichnung des mittlern transversalen Hauptabschnittes als Mittelalpen Anlaß zu Mißverständnissen, indem von einer Seite auch die kristallinische Zentralzone mit demselben Namen belegt wird. Bei der Zweiteilung fällt diese Zweideutigkeit des Ausdrucks zwar weg, doch ist es immerhin besser, für Zentralalpen die Bezeichnung Gneisalpen zu setzen. Die bisherigen Einteilungsversuche der Alpen gingen fast ausschließlich von den plastischen Verhältnissen des Gebirges aus, indem man den Verlauf des Flußnetzes zu Grunde legte und den geologischen Aufbau vollkommen vernachlässigte. Bei einer naturgemäßen Einteilung müssen aber beide Momente, das oroplastische und geologische, gleichmäßig berücksichtigt werden; beide zusammen bedingen die Physiognomie eines Gebirges, die den besten Anhaltspunkt zur Beurteilung von orographischer Gleichartigkeit und Verschiedenheit liefert.
Kärtchen: Einteilung der Ostalpen, nach Alpen. Böhm. Von diesem Grundsatz ausgehend hat Alpen. Böhm eine neue »natürliche« Einteilung für die Ostalpen durchgeführt (s. obige Kartenskizze). Das Alpensystem setzt sich aus zwei gegen NW. gerichteten Bogenstücken zusammen; dort, wo der westliche Bogen [* 5] auf den östlichen stößt, tritt eine auffallende Unterbrechung in dem Höhenzug ein, in ¶
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die man am besten die Grenze zwischen West- und Ostalpen verlegt. Diese verläuft demnach als eine fast gerade Linie vom Bodensee durch das Rheinthal, über den Splügenpaß zum Comersee und über den Luganer See zum Lago Maggiore. Entsprechend dem scharfen Unterschied, der in physiognomischer und geologischer Hinsicht zwischen der kristallinischen Zentralzone und den diese auf beiden Seiten begleitenden Kalkgebirgen besteht, teilt man die Ostalpen in Gneisalpen und Nördliche und Südliche Kalkalpen.
Die Grenze zwischen den einzelnen Zügen ist im N. viel einfacher und deutlicher als im S. Da die Alpen durch einen von S. nach N. gerichteten Druck in Falten gelegt sind, der Steilabfall der Gebirgsglieder also immer nach S. gerichtet ist, so kehren die Nördlichen Kalkalpen der Zentralzone ihren Steilrand zu, der vom Rhein bis Wiener-Neustadt sich ununterbrochen verfolgen läßt. Zwischen die Nördlichen Kalkalpen und die Gneiszone schiebt sich ein verschieden breiter Streifen paläozoischer Schiefergesteine, so daß also die nördliche Grenze der Gneisalpen nicht mit der südlichen Grenze der Nördlichen Kalkalpen zusammenfällt. Im S. fehlt eine entsprechende Zone von Schiefern; eine besondere Stellung nimmt hier das Becken von Klagenfurt [* 7] ein. Für die Einteilung der Ostalpen läßt sich folgendes Schema aufstellen:
A. Gneisalpen.
1) Rätische Alpen. Nördlicher Zug: a) Oberhalbsteiner Alpen; b) Silvretta-Alpen.
Mittlerer Zug: a) Bernina-Alpen; b) Spöl-Alpen; c) Ötzthaler Alpen.
Südlicher Zug: a) Adamello-Alpen; b) Ortler Alpen; c) Pensergebirge
2) Die Tauern: a) Hohe Tauern; b) Niedere Tauern.
3) Norische Alpen: a) Gurkthaler Alpen; b) Lavanthaler Alpen; c) Bacher- und Posruckgebirge.
4) Cetische Alpen: a) Floning-Zug; b) Gleinalpen-Zug; c) Fischbacher Alpen; d) Grazer Bucht.
B. Schieferalpen.
1) Plessur-Alpen. 2) Salzburger Schieferalpen. 3) Eisenerzer Alpen.
C. Nördliche Kalkalpen.
l) Algäuer Alpen: a) Rätikon; b) Lechthaler Alpen; c) Bregenzer Wald.
2) Nordtiroler Kalkalpen. Hochgebirgszug: a) Wettersteingruppe; b) Karwendelgruppe; c) Brandenberger Gruppe; d) Kaisergebirge. - Voralpenzug: a) Vilser Gebirge; b)Ammergauer Alpen; c) Altbayrische Alpen.
3) Salzburger Kalkalpen. Hochgebirgszug: a) Waidringer Alpen; b) Berchtesgadener Alpen; e) Ausseer Alpen. Voralpenzug: a) Wolfganger Alpen; b) Grünauer Alpen; c) Oberösterreichischer Seehügel.
4) Österreich. [* 8] Alpen. Hochalpenzug: a) Ennsthaler Alpen; b) Hochschwab-; c) Schneeberg-Gruppe; d) Lassing Alpen. Voralpenzug: a) Mollner Alpen; b) Höllensteiner Alpen; c) Thermen-Gruppe; d) Wiener Wald.
D. Südliche Kalkalpen.
1) Lombardische Alpen. a) Luganer Alpen; b) Vergamasker Alpen.
2) Etschbucht-Gebirge. a) Brescianer Alpen; b) Brenta-Gruppe; c) Monte Baldo; d) Sarca-Gruppe; e) Nonsberger Alpen; f) Vicentinische Alpen.
3) Südtirolisches Hochland. a) Cima d'Asta-Gruppe; b) Porphyrplateau von Bozen; [* 9] c) Pfannhorn-Gruppe; d) Südtiroler Dolomite.
4) Venetianer Alpen. a) Belluneser Hochalpen; b) Becken von Belluno; c) Belluneser Hügel; d) Premaggiore-Gruppe; e) Sappada-Gruppe.
5) Karnische Alpen. a) Gailthaler Alpen; b)Karnische Hauptkette; c) Karawanken.
6) Julische Alpen. a) Raibler Alpen; b) Steiner Alpen; c) Maggiore-Gruppe.
E. Becken von Klagenfurt.
Vgl. Alpen. Böhm, Einteilung der Ostalpen (»Geographische Abhandlungen«, hrsg. von Alpen Penck, Bd. 1, Wien [* 10] 1887).