mehr
östlichen Teil von Afghanistan
[* 3] zu einem unwegsamen, leicht zu verteidigenden Gebirgsland. Von diesen
Ausläufern ist am wichtigsten
die Kwadscha Amran-Kette, der Gebirgswall
Afghanistans gegen
Belutschistan, an dessen
Fuß nach W. die Lora abfließt; östlich
setzt sie sich durch Verzweigungen in
Verbindung mit dem Suleimangebirge. Seit 1884 ist englischerseits vom Quettadistrikt
aus die
Anlage einer schmalspurigen Gebirgsbahn über diese
Kette geplant. Ungeachtet der Schwierigkeiten, welche dieses nur
von wenigen
Pässen durchschnittene Gebirgsland dem Vordringen bereitete, bot Afghanistan
doch bis zur
Entdeckung des Seewegs den einzigen
Weg nach
Indien;
Heere wandernder
Völker zogen durch Afghanistan
nach
Indien,
Missionen heraus,
Karawanen hin und her.
Die Hauptpässe sind gegen N.: der Chawak, 328 v. Chr. von Alexander d. Gr., im 14. Jahrh. von Timur durchzogen;
Bamian, durch welchen Dschengischan 1219, Nadir Schah 1731, Leutnant Sturt 1840 zur Probe mit Artillerie, die russische Gesandtschaft 1878 mit ihrer zahlreichen Eskorte zogen, und der Kutschân (Ghurband), über den Alexander d. Gr. 327 v. Chr. seinen Weg von Baktrien zurück nahm.
Gegen O. gewähren der Kabul, Kurum und Gomalstrom allein einen Ausweg nach Indien; der Chaiberpaß (984,8 m hoch) längs des Kabul ist der kürzeste und am meisten benutzte; nach S. gelangt man durch den Bolanpaß. Die vier Hauptstädte des Landes, Kabul, Ghasni, Kandahar und Herat, verdanken ihre Größe, einstigen Glanz und gegenwärtige Bedeutung den von Indien nach Persien [* 4] und Turkistan führenden großen Handelsstraßen. - Die Flüsse [* 5] sind nur für die Bewässerung des Landes wichtig.
Der bedeutendste ist der
Hilmend, welcher wie der Farud und Harud in den großen Hamunsumpf im S. sich
ergießt. Der
Kabul fließt in südöstlicher
Richtung zum
Indus.
Alle diese
Flüsse entspringen am Südabhang des
Hindukusch und
seiner westlichen Fortsetzungen. Erst westwärts, dann nordwärts ziehen der
Heri Rud, der in seinem Unterlauf die
Grenze gegen
Persien bildet, und der Murghab; beide verlieren sich im Turkmenengebiet. Der
Amu Darja bildet einen Teil
der Nordgrenze. - Das
Klima
[* 6] ist vorherrschend trocken mit wenig
Regen; die durchschnittliche
Wärme
[* 7] ist im
Gebirge infolge der
höhern
Lage niedriger als im benachbarten
Indien; strenger
Winter mit Schneestürmen herrscht in den nördlichen
Gebirgen, die
Tiefländer zeigen dagegen wieder
Extreme der
Hitze. Die Bodenschätze sind noch nicht ausgebeutet. In der
Pflanzenwelt sind die verschiedensten
Gewächse vertreten. Afghanistan
eigen und dem Nachbarland
Indien fremd sind
Trauben,
Aprikosen,
Äpfel,
Birnen, Walnüsse. In der Tierwelt begegnet man
Tigern,
Wölfen,
Hyänen,
Schakalen; im südlichen Afghanistan
dem
Kiang
(Equus
Onager),
einer besondern Art wilder
Esel, im
NO.
Affen;
[* 8] unter den
Haustieren sind berühmt die
Pferde,
[* 9] das fettschwänzige
Schaf
[* 10] und die
Kamele.
[* 11]
Die
Bevölkerung
[* 12] von Afghanistan
ist gemischt aus Afghanen, Pathan, Ghilzai,
Tadschik und
Hazara; an den
Grenzen
[* 13] wohnen im
NW.
Aimak und
Uzbeken, im
NO.
Kafir. Zur
Nation zusammengewachsen sind diese
Völker durch die
Religion
(Islam) und die politischen Erfolge im
vorigen
Jahrhundert unter
Führung des noch heute dort herrschenden Duranistamms der Afghanen. Die Afghanen bilden mit rund 1 Mill.
Köpfen die
Mehrzahl. Nach ihrer
Überlieferung sind sie Einwanderer aus
Syrien, wohnten zuerst im W., zogen im 7. Jahrh.
n. Chr.
ostwärts und haben heute
Kandahar und die hier einmündenden
Thäler zu Hauptsitzen. Im Äußern nähern
sie sich den
Radschputen des westlichen
Indien, dessen frühere Einwanderer in
Afghanistan
sie verdrängten.
Unter den zahllosen afghanischen
Stämmen spielen politisch die bedeutendste
Rolle die
Durani, deren
Stamm auch den
Landesherrn
gibt. Einflußreich und in den
Thälern südlich der Hauptstadt
Kabul tonangebend sind sodann die Ghilzai,
ein volkreicher
Stamm mit reichen
Überlieferungen. Pathan ist der einheimische
Name für die von Ethnographen »indische Abteilung
der Afghanen« genannte
Bevölkerung der nach
Indien sich abdachenden
Thäler. Jusufzai ist Gesamtname für die afghanischen
Stämme am rechten Kabulufer;
Afridi sind die Hauptvertreter der längs der indischen
Grenze wohnenden Afghanen, die sich
sowohl von Afghanistan
als
Britisch-Indien ihre Unabhängigkeit noch wahrten, seit 1880 aber durch reiche
Subsidien für englische
Interessen
gewonnen werden.
Khattak und Kakar sind rohe Stämme zwischen der Stadt Kandahar und dem Indusstrom, die 1879-80 zum erstenmal mit Europäern in Berührung kamen und 1884 wegen Raubeinfalls im britischen Distrikt eine Züchtigung durch eine angloindische Militärabteilung erfuhren; bei näherer Erforschung ihrer reichen Sagen und eigentümlichen Sitten versprechen dieselben wichtige Aufschlüsse über die ethnographischen Verhältnisse des Landes zu liefern. Reste der persischen, vorafghanischen Bevölkerung sind die zahlreichen Tadschik, der ruhigste und friedliebendste Teil der Bewohner (s. unten).
Dem zentralasiatischen Stock gehören die Hazara an, nordöstlich von Herat;
Reste einer uralten arischen Einwanderung sind die Kafir an den Seiten des Kabulflusses von N. her. Im Äußern ist die zur Nation der Afghanen zusammengewachsene Bevölkerung von stattlichem Körperbau und schlankem Wuchs;
das Auge [* 14] ist voll Leben, das schwarze, starke Haar [* 15] hängt in Locken an der Seite herunter;
ein dunkler Vollbart umrahmt das Gesicht. [* 16]
Ihr Aussehen hat aber doch meist etwas Abstoßendes: der Hals ist nicht lang und sitzt tief in den Schultern, die Haut [* 17] hat einen matten Glanz und ein schwärzliches Ansehen. Der Afghane ist ausdauernd und unerschrocken; kriegerische Beschäftigung gilt ihm als das Höchste. Die Kleidung ist nur darin von der indischen verschieden, daß die Männer weite Hosen [* 18] tragen; den Oberkörper deckt ein langer Überwurf, der bis an das Knie reicht; die Füße stecken in Schuhen oder Halbstiefeln, den Kopf schirmt ein Turban oder eine Mütze.
Die Stoffe sind Tuch oder Seide [* 19] und nach dem Vermögen der Besitzer verziert. Die Wohnungen sind Häuser, meist aus Backstein und einstöckig mit plattem Dach [* 20] und im Innern ohne Tische und Stühle; Zelte, deren Boden mit dickem Filz oder wollenen Decken belegt ist, führen die nomadisierenden Stämme. Die Speisen sind nicht mehr vorwiegend vegetabilisch wie in Indien; Schaffleisch in verschiedener Form gilt als Bedürfnis, Obst als angenehmer Nachtisch. Seinem Charakter nach ist der Afghane leicht erregt und heftig; Unbarmherzigkeit wie Streitsucht sind Folge hiervon.
Vielweiberei ist durch den Koran sanktioniert; die Frau ist aber hier, wie in Indien, als Lebensgefährtin und Erwerberin in der Hauswirtschaft mehr geachtet als in den westlichen Gegenden mohammedanischen Glaubens. Die Tadschik (»Kronenträger«, so genannt von der Kopfbedeckung der Parsen, dann überhaupt s. v. w. Persischredende) bilden rund ein Zehntel der Gesamtbevölkerung; sie sind gewöhnlich groß, haben schwarze Augen und Haare [* 21] und einen länglichen Kopf. Durch die jahrhundertelange Bedrückung haben diese Afghanen viele schlechte Eigenschaften angenommen, und in ihrer gegenwärtigen Vermischung sind sie ¶
mehr
wohl zum verworfensten Volk der indogermanischen Sprachengruppe herabgesunken. Ihr niedriger Sinn äußert sich hauptsächlich in Treubruch, in Betrügereien und Diebstählen. In Sachen der Religion affektieren die Tadschik die größte Verehrung vor den Geboten des Korans, doch nur, solange sie sich in Gegenwart Strenggläubiger befinden. Kriechend im Umgang, vergessen sie doch nie, für sich zu sorgen. Sie leben hauptsächlich in den Städten oder in ihrer Nähe und sind gewandte Kaufleute mit Verbindungen bis weit nach Innerasien hinein.
Sitz der Reichsregierung, des Emirs (aus Amir verderbt), ist Kabul im NO. des Landes. Zum Zweck der Verwaltung ist das Reich in Provinzen, diese in Kreise [* 23] abgeteilt. Ein Ziviloberbeamter sorgt für die Steuereinhebung, für öffentliche Ruhe und ist Vorsitzender der Appellhöfe; Befehlshaber des Heers ist ein General, dem zugleich die Ausführung der Befehle des Ziviloberbeamten obliegt; oft sind beide Ämter vereinigt. Neben dem allgemeinen mohammedanischen Gesetz des Korans gilt ein altes rohes Gewohnheitsrecht (Puschtunwalle); Selbsthilfe ist zwar verboten, aber der Hang hierzu noch nicht ausgerottet.
Die Strafrechtspflege ist willkürlich, wie in allen mohammedanischen Staaten; doch ist unter den Afghanenstämmen das althergebrachte Recht auf Mitwirkung des Volks in der Rechtsprechung noch nicht erloschen, sondern wird bis zur Stunde geübt. Das Heer besteht schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts aus einem besoldeten Stamm als Kern, an den sich im Krieg das Aufgebot der waffenfähigen Mannschaft anschließt. Organisation wie Bewaffnung wurden unter dem jetzigen Emir europäisch; die englischen Bezeichnungen Colonel (Oberst), Major und Adjutant sind als Kernel, Medgir und Adjodan Titel der entsprechenden Chargen. Alle Regimenter führen Musketen, nur wenige Tausende sind darunter Vorderlader oder gar Luntenflinten. Die Armee zählt rund etwa 50,000 Mann mit 123 Feldgeschützen. Doch fehlte es im Krieg von 1878 bis 1880 noch an gebildeten Offizieren.
Hauptbeschäftigung der Einwohner bilden Ackerbau und Viehzucht. [* 24] Die Ackerbauer stehen in verschiedenem Verhältnis zu dem von ihnen bebauten Boden. Manche sind Grundeigentümer; vielfach ist das Besitztum klein, da nach mohammedanischem Gesetz beim Absterben des Vaters das Grundvermögen unter alle Söhne geteilt wird. Das erbliche Recht am Boden hat seinen Grund teils in der ursprünglichen Verteilung innerhalb der Familienverbände bei der Besitzergreifung, teils in Urbarmachung, teils in Ankauf oder in Schenkungen von seiten der Fürsten.
Bei größerm Grundbesitz geschieht das Austhun entweder gegen Geld oder gegen einen Teil des Ertrags; auch kommt ein Meierverhältnis vor, wobei der Eigentümer Saatkorn, Vieh und Ackergeräte gegen einen ausbedungenen Teil des Ertrags stellt. Die Gewerbe liefern Waffen, [* 25] deren Güte und Mannigfaltigkeit sich durch Errichtung einer Artilleriewerkstätte in Kabul steigerten, grobe Tücher aus Schafwolle und Kamelhaaren und dauerhafte Baumwollstoffe. Seidenstoffe und alle bessern Gegenstände im Haushalt wie für den Anzug bringt der Handel ins Land, der sich fast ganz in den Händen der Tadschik und der Fremden (Hindu und Armenier) befindet. Es treten hierin Rußland von Turkistan aus und England von Indien aus in Mitbewerbung.
Man trifft auf den Märkten viele russische Waren, aber Zahlen fehlen noch über die Höhe des Umsatzes mit Turkistan; mit Indien wertete dagegen der Handel 1877 vor Ausbruch des englisch-afghanischen Kriegs 32 Mill. Mk., ging zwar unter den Kriegswirren auf die Hälfte herunter, hob sich aber dann wieder und ward lebhafter als früher, da der Emir für die Sicherheit der Karawanen sorgt und eine Postverbindung mit Indien eingerichtet hat. Die Hauptabgabe an den Emir besteht in einer Grundsteuer; dazu kommen Stadt- und andre Zölle, besonders Durchgangszölle, der Ertrag der Krongüter, Überschuß der Münze, Geldstrafen und Tribute. Leider greifen Fürst wie Beamte auch zu Erpressungen zur Füllung ihrer Kassen.
Die afghanische Sprache, [* 26] welche sich selbst als Paschtu oder Puschtu bezeichnet, ist nach Trumpp und Spiegel [* 27] eine selbständige Sprache, welche an den Flexionsgesetzen und dem Wortschatz der indischen wie iranischen Sprachengruppe teilnimmt, jedoch vorwiegend indisches Gepräge zeigt und am nächsten an die neuindischen Sprachen angeschlossen wird.
Vgl. Dorn in den »Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg 1850«; dann die umfassendern grammatischen wie lexikalischen Arbeiten Ravertys (»Grammar of the Pushto«, 3. Aufl., Lond. 1867; »Dictionary«. 2. Aufl., das. 1867, und »Pushto manual«, das. 1880);
Bellews Grammatik und Lexikon (beides das. 1867) und vor allem des Deutschen Trumpp »Grammar of the Pashtu, or language of the Afghans« (das. 1873).
Die Sprache zerfällt in verschiedene, in manchen lautlichen Dingen sehr abweichende Dialekte. Die Litteratur ist weder sehr umfangreich noch selbständig, sondern in ihrem Geiste durch den Islam, in ihren Formen durchweg durch persische Vorbilder bestimmt. Ein Bild derselben geben die Sammelwerke von Dorn (»Chrestomathy of the Pushtu«, Petersb. 1847),
von Raverty (»The Gulshan-i-Roh, being selections prose and poetical«, 2. Aufl., Lond. 1867; »Selections«, das. 1867) und Trumpp in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft« (Bd. 21 u. 23).
Früher bildete jeder Stamm innerhalb des von ihm bewohnten Gebiets ein Gemeinwesen für sich, das seine Angelegenheiten in
republikanischen Formen durch Älteste und Ausschüsse verwaltete. Es gab dem Namen nach ein gemeinsames Oberhaupt mit der Residenz
in Kabul; aber wenn nicht die Aussicht auf einen glücklichen Raubzug in das benachbarte Indien winkte,
konnte der Herrscher auf Gehorsam und Heeresfolge nicht zählen. Dies änderte sich mit dem Übergang der indischen Grenzprovinz
Pandschab von den Sikhs in die starke Hand
[* 28] Englands (1845). Die Zeit der Einfälle großen Stils nach Indien ist von nun an vorüber,
die alte volkstümliche Verwaltung gefallen. Afghanistan
ist ein despotisch regierter Staat und zerfällt in folgende
Provinzen.
Südlich des Hindukusch liegen: a) Kabul, das Quellgebiet des Flusses gleichen Namens, die Ausläufer des Hindukusch, umfassend; b) Ghasni, wozu die Hochthäler südlich von Kabul, westlich bis Indien gehören; c) Kandahar, der Südosten, d) Seïstan, der Südwesten des Landes; e) Herat oder das Thal [* 29] des Heri Rud. Nördlich des Hindukusch liegen (von W. nach O.) Maimana (erobert 1883), Turkistan, Badachschan und Wakhan. Jeder Provinz steht ein Zivilgouverneur vor mit einem Stab [* 30] von Beamten und Generalen.
Geschichte. Afghanistan
, im Altertum nur Durchzugsland der verschiedensten Völker auf ihren Wanderungen und Kriegsunternehmungen
gegen Indien, war von arischen Stämmen bevölkert. Zur Zeit der Blüte
[* 31] des Ormuzd-Glaubens Zoroasters (Zarathustras), der altpersischen
Religion, waren die Hauptsitze dieser
¶
mehr
Religion der Westen und im Norden
[* 33] das heutige Balch. Die Stadt Kophene (d. h. Kabul) wurde von den unter König Salmanassar (695-667)
bis an den Indus vordringenden Assyrern gegründet. Kabulistan oder Nordafghanistan
leistete diesen, dann den Medern, dann
Kyros (548) Tribut. Im 4. Jahrh. waren die von Ariern bewohnten Länder östlich von Kandahar in zehn Staaten
gespalten; im 1. Jahrh. vor bis 100 n. Chr. hatten hier die griechisch-indischen Könige wie die Indoskythen ein gefürchtetes
Reich gebildet; in Kandahar waren Parther, d. h. Völker vom iranischen Stamm.
Der Buddhismus war hier die herrschende Religion. Die Afghanen, das jetzt herrschende Volk, drangen von Südwesten
nach Norden vor, vertrieben die Arier und führten die jetzt noch existierende Stammesverfassung ein: das Volk teilt sich in
Stämme mit einem Chan als Oberhaupt, diese in Geschlechter und diese in Unterabteilungen, mit Maliks, Muschirs und Spinzeprah
(Weißbart) an der Spitze. Der Stamm wie die einzelnen Abteilungen heißen Uluß. Die Dirgha, die Gesamtheit
der Familienhäupter, gleichzeitig auch das Gericht, steht über den Chanen. In neuerer Zeit haben letztere sich aber häufig
unabhängig gemacht. Im J. 664 wurden Belutschistan und das südliche von den Arabern erobert, 683 Kabul ihnen tributpflichtig.
Im J. 812 erfolgte die erste Auflehnung der arabisch-indischen Statthalter gegen die Kalifen; es bildeten
sich dann, freilich nur auf kurze Zeit, selbständige Reiche. Im J. 1001 stand ganz Afghanistan
unter der Herrschaft von Mahmud, aus
der 961 zu Ghasni gegründeten Dynastie. Im J. 1140 zerfiel das Reich der Ghasnawiden.
Noch einmal nahmen die Afghanen Besitz vom Thron [* 34] zu Dehli, bis ihnen die Schlacht von Panipat 1525 für immer die Herrschaft über Hindostan entriß. Gegen Persien wie gegen den Großmogul von Dehli sich behauptend, herrschte sogar 1722 eine Afghanendynastie über ersteres Land. Nadir Schah und Chorasan besiegte sie 1731. Im J. 1747 gründete Achmed Schah Abdalli nach der Ermordung Nadirs ein Afghanenreich, von Chorasan im Westen bis Serhind im Osten vom Pandschab, vom Oxus im Norden bis zum Meer im Süden reichend.
Innere Streitigkeiten führten aber bald zu Teilungen und zu Einmischungen der benachbarten persischen und indischen Reiche. Schah Sudschah, ein Nachkomme von Achmed Schah, welcher sich nur in Herat gegen die Söhne des Ministers Fateh Chan, die Kabul und Kandahar in Besitz hatten, behaupten konnte, erbat die Hilfe der Engländer gegen letztere. Diese gewährten solche: erging von der indischen Regierung ein Manifest gegen Dost Mohammed, einen Sohn Fateh Chans, in welchem demselben Treubruch gegen einen indischen Verbündeten sowie ein Bündnis mit Persien gegen England vorgeworfen wurden.
Englische [* 35] Truppen (9000 Mann) besetzten Kandahar, 23. Juli Ghasni; Sudschah wurde 7. Aug. in seine Rechte eingesetzt. Am ergab sich Dost Mohammed den Engländern nach einer neuen Niederlage. Schah Sudschah wußte jedoch nicht seine Unterthanen zufriedenzustellen, und die Engländer zogen sich deren Haß durch ihren Übermut in so hohem Maße zu, daß einige hervorragende Engländer und dann in Kabul alle Europäer ermordet wurden. Nur 6000 Mann behaupteten sich in einem befestigten Lager, [* 36] welche aber auch infolge der Schwäche des kommandierenden Generals und des durch den Sohn Dost Mohammeds, Akbar, bethörten u. später ermordeten Residenten den Rückzug antraten.
Nur 270 Soldaten mit 2000 Mann Train etc. kamen glücklich nach Indien. Durch die Besetzung von Kabul wurde die soldatische Ehre wiederhergestellt, aber nach vierwöchentlichem Aufenthalt kehrten die Engländer nach Indien zurück. Dost Mohammed bestieg den Thron in Kabul wieder. Neben ihm war Kohandil Chan zu Kandahar der mächtigste Fürst in er unterlag jedoch im Kampf mit Dost Mohammed, welcher sich zum Herrn von Kandahar machte und 1862 auch Herat, das sich unabhängig (1823) gemacht hatte, sich unterwarf.
Nachdem er so alle Teile Afghanistans auf dem rechten Indusufer wieder unter seine Botmäßigkeit gebracht
hatte, starb er in Herat. Schon 1855 war zwischen ihm und den Engländern ein Vertrag zu stande gekommen »zu ewigem
Frieden mit Dost Mohammed und seinen Erben«; 1857 war derselbe erneuert. Dessenungeachtet zögerten die
Engländer mit der Anerkennung des von Dost Mohammed zum Nachfolger bestimmten Schir Ali Chan. Die Brüder desselben, Azim und
Afzul, lehnten sich infolgedessen gegen ihn auf, und nachdem beide Kabul eingenommen und Schir Ali geschlagen hatten,
ließ sich Afzul 21. Mai als Emir von Afghanistan
ausrufen und erhielt die englische Anerkennung.
Nach seinem Tod (Oktober 1867) folgte ihm Azim in der Regierung von Kabul. Den ganzen Süden und Westen von Afghanistan
hatte indessen noch
Schir Ali inne; er sammelte ein neues Heer, wurde aber bei Kelat geschlagen, verlor infolgedessen den Süden seines
Reichs und floh nach Herat. Mit Hilfe von Balch gelang es ihm aber, im September 1868 Kabul zu nehmen und im
Dezember Azim bei Ghasni zu schlagen. Hiermit endete der 4½jährige Bürgerkrieg, hauptsächlich dadurch veranlaßt, daß die
Engländer den von Dost Mohammed bestimmten Thronerben nicht sofort anerkannten. 1869 begab sich Schir Ali nach
Ambana (im Pandschab) zur Begrüßung des Vizekönigs Lord Mayo. Es wurden ihm »auf die Dauer guten Verhaltens« Subsidien zugesichert.
Der russisch-englische Depeschenwechsel vom bis teilte alle Länder südlich des Amu Darja bis Chodscha
Saba, dann die Städte westlich zwischen Balch und Herat, südlich der Turkmenenwüste, Afghanistan
zu. Schir Alis Sohn
Jakub Chan, der seit 1871 unabhängige Herrscher von Herat, folgte 1874 der Aufforderung seines Vaters, zur Regelung der Thronfolge
nach Kabul zu kommen. Abdullah Chan wurde als Thronerbe anerkannt, Jakub Chan aber gefangen genommen und Herat von
Truppen des Emirs besetzt.
Ein Aufstand im Kabulthal bis nach Indien hin zu gunsten des gefangenen Jakub unter Führung von Nauroz Chan führte zu keinem Resultat; Anfang 1877 war die Bewegung ins Stocken geraten. Der Emir beschäftigte sich nun eifrig mit Reorganisation seiner Armee: er verfügte über 48 Infanterieregimenter, 4 schwere, 5 reitende und 17 Maultierbatterien. Aus Furcht vor den in Zentralasien [* 37] vordringenden Russen bewarb sich Schir Ali bei den Engländern um ein Schutz- und Trutzbündnis gegen jene. Der Vizekönig Northbrook und der Minister für Indien, Argyll, lehnten die Bitte ab im Vertrauen auf die Zusage Rußlands, daß Afghanistan außerhalb seiner Interessen liege. Der Emir wandte sich nun an die Russen und knüpfte mit dem Generalgouverneur von Turkistan, General Kaufmann, vertrauliche Unterhandlungen an. Lord Lytton, 1876 an die Stelle Northbrooks getreten, forderte daraufhin die Zulassung europäischer Vertreter in Afghanistan (nach dem ¶
Zum Duden
Nr. | Ergebnis | Afghanistan |
---|---|---|
1 | ****** | Af|gha|nis|tan; -s: Staat in Vorderasien. |
Quellen, Literatur
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
---|---|---|---|---|
1.148 | Afghanistan | Spiegel | Eranische Altertumskunde | (das. 1871) |
1.148 | Afghanistan | Malleson | History of A. | (2. Aufl., Lond. 1879) |
51.176 | Afghanistan | Roskoschny | A. und seine Nachbarländer | (Lpz. 1885) |
1.148 | Afghanistan | Bellew | A. and the Afghans | (Lond. 1879) |
1.148 | Afghanistan | Bellew ^[Derselbe] | The races of A. | (das. 1880) |
51.176 | Afghanistan | Raverty | Notes of A. and part of Baluchistan | (Lond. 1881) |
51.176 | Afghanistan | Kaye | History of the war in A. | (3 Bde., 4. Aufl., Lond. 1890) |
1.148 | Afghanistan | Hensman | The Afghan war of 1879-1880 | (das. 1881) |
51.176 | Afghanistan | Rodenbough | A. and the Anglo-Russian dispute | (Lond. 1885) |
1.148 | Afghanistan | Kaye | History of the war in A. | (4. Aufl., Lond. 1878, 3 Bde.) |
52.953 | Bhotan | . | Journals of travels in Assam, Burma, B., Afghanistanetc. | (Kalkutta 1847) |
51.176 | Afghanistan | Forbes | The Afghan wars 1839 - 42 and 1878 - 80 | (ebd. 1891) |
51.176 | Afghanistan | Walker | A., its history and our dealings with it | (2 Bde., ebd. 1883 - 85) |
64.37 | Russisch-Centralasien | Jaworskij | In Afghanistan und dem Chanat Buchara | (deutsch, Jena 1885) |
53.651 | Buchara | Jaworskij | Reise der russ. Gesandtschaft in Afghanistan und B. | (deutsch, 2 Bde., Jena 1885) |
1.148 | Afghanistan | Langlois, Hérat | Dost Mohammed et les influences politiques de la Russie et de l'Angleterre dans l'Asie centrale | (Par. 1864) |
3.973 | Chavanne | "Afghanistan. Land und Leute" | (das. 1878) | |
51.176 | Afghanistan | Hué | Les Russes et les Anglais dans l' A. | (Par. 1885) |
1.144 | Afghanistan | "Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft" | (Bd. 21 u. 23) | |
1.148 | Afghanistan | Burnes | Cabool | (das. 1843; deutsch, Leipz. 1843) |
1.147 | Afghanistan | Stein | A. in seiner gegenwärtigen Gestalt | (in "Petermanns Mitteilungen", 1878-79) |
1.136 | Adye | "Sitana, a mountain campaign on the borders of Afghanistan in 1863" | (das. 1867) | |
3.98 | Bochara | Petermanns | "Geographische Mitteilungen" | 1880; Jaworskij, In Afghanistan und dem Chanat Buchara. |
11.162 | Malleson | "History of Afghanistan" | (1879) | |
14.166 | Safed Koh | Koh | Gebirgszug in Afghanistan | (s. d., S. 142) |
14.489 | Schir Ali | Ali | Emir von Afghanistan, geb. 1825, Sohn Dost Mohammeds, gelangte nach dessen Tod | (9. 1863) |
8.62 | Hamun | Karte | "Afghanistan". | |
51.171 | Afghanistan | Maimene, Balch, Chulm, Kundus | Badachschan und Wachan, über welch letztern nur eine lose Oberhoheit ausgeübt wird | (insgesamt das afghan. Turkestan) |
1.146 | Afghanistan | "In allen äußern Angelegenheiten wird der Emir durch die britische Regierung beraten und gegen jeden auswärtigen Angriff geschützt"; | ||
1.144 | Afghanistan | Deutschen Trumpp | "Grammar of the Pashtu, or language of the Afghans" | (das. 1873) |
18.362 | Geographische Litteratur 1885-90 | "Reise der russischen Gesandtschaft in Afghanistan etc." | (deutsch von Petri, Jena 1885) | |
18.362 | Geographische Litteratur 1885-90 | Roskoschny | "Afghanistan" | (Leipz. 1885) |
53.532 | Briefporto | Abessinien | Afghanistan | (Kabul), Arabien, Belutschistan, China, Kaschmir, Korea, Ladach (Tibet), Madagaskar, Marokko, Samoa-Inseln (mit Ausnahme von Apia), Serawak (nördl. Teil von Borneo) |
51.174 | Afghanistan | Bruder | Afsal Chan, aus dem Gefängnisse geholt, in Kabul zum Emir erhoben und Februar 1867 von der brit.-ind. Regierung anerkannt. Nach seinem Tode | (Okt. 1867) |
65.949 | Transkaspien | Oblastj | Gebiet im westl. Teil von Russisch-Centralasien | (s. d., nebst Karte), grenzt im N. an das Gebiet Uralsk und an das Chanat Chiwa, im NO. an Buchara, im SW. und S. an Afghanistan und Persien und im W. an das Kaspische Meer, dessen Inseln an der Ostküste (Kulaly, Tscheleken, Ogurtschinsk u. a.) |
1.146 | Afghanistan | "Für Kabul wird ein britischer Resident ernannt mit der nötigen Eskorte und Vollmachten. Die Kuram-, Pischin- und Sibithäler treten unter indische Verwaltung. Den britischen Behörden steht die Kontrolle der nach dem Kabulthal führenden Pässe sowie über die Grenzstämme zu. 2,400,000 | ||
1.144 | Afghanistan | Dorn in den | "Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg 1850" | ; dann die umfassendern grammatischen wie lexikalischen Arbeiten Ravertys ("Grammar of the Pushto", 3. Aufl., Lond. 1867; "Dictionary". 2. Aufl., das. 1867, und "Pushto manual", das. 1880) |
65.531 | Swat | Suwat oder Sewad | Fluß in der Landschaft Kafiristan in Innerasien, zwischen der nördl. und der südl. Kette des Hindukusch, ergießt sich bei Pischawar links in den Kabulfluß. An seinem mittlern Laufe liegt ein kleiner Bergstaat, der schon bei Ptolemäus vorkommt | (als Suastos, sanskrit. Suvastu), unter eigenem Fürsten, über den der Maharadscha von Kaschmir, der Emir von Afghanistan und die Engländer die Oberherrschaft zu erreichen suchen. |
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