(franz.), ein
Begriff der modernen Musiktheorie, der sich nicht völlig mit
»Tonart«
deckt, sondern in seiner Bedeutung weit über die
Grenzen
[* 2] der letztern hinausreicht. Tonalität ist die eigentümliche Bedeutung,
welche die
Akkorde dadurch erhalten, daß sie auf einen Hauptklang, die
Tonika, bezogen werden. Während die ältere
Harmonielehre,
welche im wesentlichen von der
Tonleiter ausgeht, unter
»Tonika« den dieselbe beginnenden und schließenden
Ton versteht, muß die neuere
Harmonielehre, welche nichts andres ist als die
Lehre
[* 3] von der Auffassung der
Akkorde im
Sinn von
Klängen, einen
Klang
(Dur- oder
Mollakkord) als
Tonika aufstellen. So ist die C dur-Tonalität herrschend, wenn die
Harmonien in ihrer
Beziehung zum C
dur-Akkord verstanden werden; z. B. die
Folge:
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ist im
Sinn einer
Tonart der ältern
Harmonielehre gar nicht zu begreifen, obgleich niemand behaupten kann, daß sie fürs
Ohr
[* 4] unverständlich ist. Im
Sinn der C dur-Tonalität ist sie:
Tonika - Gegenterzklang -
Tonika - schlichter Terzklang -
Tonika, d. h. es
sind der
Tonika nur nahe verwandte
Klänge gegenübergestellt (vgl.
Klangfolge). Ein
Klang wird als Hauptklang
aufgestellt: entweder durch direkte Setzung, wiederholten
Anschlag, breite Darlegung (z. B. der F
moll-Akkord zu Anfang der
Sonata appassionata von
Beethoven), oder auf indirektem Weg, indem ein
Schluß zu ihm gemacht wird;
das letztere geschieht,
indem einem seiner verwandten
Klänge der Untertonseite einer der Obertonseite folgt oder umgekehrt (s.
Tonverwandtschaft).
Bei derartigen
Folgen, z. B. F
dur-Akkord - G
dur-Akkord || oder
Asdur-Akkord - G
dur-Akkord || oder G
dur-Akkord
- F
moll-Akkord ||, ist der übersprungene
C dur- oder C
moll-Akkord das Verständnis der beiden
Akkorde vermittelnd
und tritt deshalb gern danach als schließender
Akkord auf. Diese Ausprägung der Tonalität durch eine Art Schlußfolgerung kann
ein Tonstück beginnen, wird aber noch viel häufiger im weitern Verlauf zur Anwendung gebracht, wenn die Tonikabedeutung
auf
einen andern
Klang übergehen soll (s.
Modulation).
Die eigentümliche
Thatsache, daß konsonante
Akkorde unter Umständen ganz dieselbe
Wirkung und Bedeutung
für die harmonische Satzbildung haben wie dissonante, daß z. B. in
C dur der
Unterdominante (fac) meist ohne Änderung des
Effekts die
Sexte (d) beigegeben werden kann und der
Oberdominante (ghd) ebenso die
Septime (f), findet ihre
Erklärung nur im
Prinzip der Tonalität. Denn im strengsten
Sinn konsonant, d. h. schlußfähig, keine Fortsetzung
(Auflösung) verlangend,
ist eigentlich immer nur ein einziger
Klang, die
Tonika; die Bedeutung der übrigen ist durch ihre
Verwandtschaft mit dieser
bedingt.
in der Musik das Verhältnis, in welchem die Harmonie eines Tonsatzes zu der vorgezeichneten Haupttonart
steht. Die Tonalität kann streng oder frei, eng oder weit sein. In den erstern Fällen beschränkt sich die Accordbildung im wesentlichen
auf das in der Tonleiter der betreffenden Tonart gebotene Material und hält sich bei Ausweichungen im Verwandtschaftsgebiet.
In den zweiten Fällen nimmt die Modulation im kleinen und großen auf die Schranken der
Tonart keine Rücksicht.
Die Tonalität ist ein stilistisches Unterscheidungsmittel ersten Ranges, sie läßt Zeiten, Völker, Schulen und Individuen erkennen.
Lassus hat eine reichere Tonalität als Palestrina, die deutsche Musik im allgemeinen ist in der Tonalität freier und beweglicher als die
italienische. Innerhalb der Musik wieder ist die neuere Zeit von der ältern durch die Tonalität unterschieden und diese Unterschiede
kehren innerhalb einer und derselben Gruppe wieder, FranzSchubert z. B. hat eine reichere Tonalität als alle
die andern Vertreter der Wiener Schule.