Tag
(lat. Diës), entweder die Dauer eines scheinbaren Umlaufs des Fixsternhimmels oder der Sonne [* 2] um die Erde, oder im gewöhnlichen Sinn: die Zeit des Verweilens der Sonne über dem Horizont, [* 3] im Gegensatz zur Nacht, während welcher sie sich unter dem Horizont befindet. Bestimmter nennt man Sterntag die Dauer eines scheinbaren Umlaufs des Fixsternhimmels oder einer Rotation der Erde um ihre Achse. Die Dauer des Sterntags ist so gut wie unveränderlich, wenn auch gewisse Unregelmäßigkeiten der Mondbewegung eine geringe Veränderung andeuten, während zugleich in der Wirkung der Flutwelle (wie schon Kant bemerkt hat) und in den durch allmähliche Erkaltung der Erde, durch Einstürze u. dgl. in ihrem Innern bedingten Massenumsetzungen Ursachen für eine Veränderung gegeben sind.
Der Sterntag beginnt im Augenblick der obern Kulmination des Frühlingspunktes. Er wird in 24 gleich lange Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden geteilt; Zeitangaben in diesem Maß nennt man Sternzeit. Obwohl uns nun die Natur in der Rotation der Erde um ihre Achse das gleichförmigste Zeitmaß darbietet, so ist doch der Auf- und Untergang der Sonne von so überwiegender Wichtigkeit für das bürgerliche Leben, daß man in diesem nicht nach Sterntagen, sondern nach Sonnentagen rechnet.
Wahrer
Sonnentag ist die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden mittägigen
Kulminationen der
Sonne.
Da aber
dieser Zeitraum infolge der Ungleichförmigkeit der
Bewegung der
Sonne am Fixsternhimmel im
Lauf des
Jahrs nicht unbeträchtlichen
Veränderungen seiner Dauer unterliegt (vgl.
Sonnenzeit), so benutzt man den jährlichen Mittelwert desselben unter dem
Namen
mittler Tag
(bürgerlicher Tag). Derselbe beträgt 24
Stunden 3
Min. 56,6 Sek.
Sternzeit und wird ebenfalls
in 24 gleiche
Stunden zu 60
Minuten zu 60
Sekunden eingeteilt.
Die in diesem
Maß ausgedrückte Zeit heißt
mittlere Zeit; sie wird von unsern mechanischen
Uhren
[* 4] angegeben und sowohl im bürgerlichen
Leben als auch in der
Wissenschaft angewandt. Die christlichen
Völker beginnen den Tag
mit
Mitternacht und
zählen während desselben ziemlich allgemein zweimal 12
Stunden. Die Astronomen aber fangen den Tag
erst mit dem
Mittag an
und zählen die
Stunden bis 24. Es bedeutet also die astronomische Angabe »Juli 23, 19h
12m« so viel wie »7
Uhr
[* 5] 12
Min. vormittags
am 24. Juli" (h=hora,
Uhr; m=Minuten). Man bezeichnet den
Zeitraum von 24
Stunden auch als künstlichen im
Gegensatz zum natürlichen Tag
, worunter man die Zeit des Verweilens der
Sonne
über dem
Horizont versteht. Am
Äquator beträgt der letztere jahraus jahrein 12
Stunden; an andern
Punkten der
Erde ist dies
nur im
Frühlings- und im Herbstanfang, wenn die
Sonne im
Äquator steht, der
Fall. Sobald die
Sonne sich
nördlich über den
Äquator erhebt, werden auf der nördlichen
Hemisphäre der
Erde die Tage
immer länger, und für die
Orte
zwischen
Äquator und
Polarkreis (66½°
Br.) erreicht der Tag
seine größte Dauer, wenn die
Sonne im
Wendekreis
des
Krebses steht
(Sommersolstitium). Von da nimmt die Tag
eslänge wieder ab, erreicht den Wert von 12
Stunden im Herbstanfang
und den kleinsten Wert (24
Stunden weniger des längsten Tags
), wenn die
Sonne im
Wendekreis des
Steinbocks steht
(Wintersolstitium),
worauf er wieder wächst. Für die südliche Erdhalbkugel dagegen tritt der längste Tag
ein,
wenn die
Sonne im
Wendekreis des
Steinbocks, der kürzeste,
wenn sie im
Wendekreis des
Krebses steht. Die
Größe t des halben
Tagbogens für den längsten Tag in der
Breite
[* 6] φ erhält man aus der
Formel cos t=-tan φ.tan 23½°; je 15 Bogengrade entsprechen
einer
Stunde. Es ergeben sich auf diese
Weise folgende
Werte:
Breite φ | Tagbogen 2 t | Längster Tag |
---|---|---|
0° | 180° 0,0' | 12 Stunden 0 Minuten |
5° | 184° 21,0' | 12 Stunden 18 Minuten |
10° | 188° 50,5' | 12 Stunden 35 Minuten |
15° | 193° 21,2' | 12 Stunden 53 Minuten |
20° | 198° 10,3' | 13 Stunden 13 Minuten |
23½° | 201° 42,1' | 13 Stunden 27 Minuten |
25° | 203° 20,8' | 13 Stunden 33 Minuten |
30° | 209° 0,7' | 13 Stunden 56 Minuten |
35° | 215° 22,5' | 14 Stunden 21 Minuten |
40° | 222° 42,0' | 14 Stunden 51 Minuten |
45° | 231° 25,7' | 15 Stunden 26 Minuten |
50° | 242° 16,3' | 16 Stunden 9 Minuten |
55° | 256° 34,8' | 17 Stunden 6 Minuten |
60° | 277° 26,7' | 18 Stunden 30 Minuten |
65° | 317° 0,8' | 21 Stunden 8 Minuten |
66½° | 360° 0,0' | 24 Stunden 0 Minuten |
Für den Polarkreis beträgt der längste Tag 24 Stunden; für die dem Pol noch näher liegenden Orte aber geht schon vor der Sommersonnenwende die Sonne nicht mehr unter, es ist dann immerwährender Tag, dessen Dauer mit der Annäherung an den Pol zunimmt und für diesen selbst ein halbes Jahr beträgt. Dem immerwährenden Tag entspricht ein halbes Jahr später die gleich lange immerwährende Nacht. Der immerwährende Tag währt so lange, als die Poldistanz (90° weniger der Deklination) der Sonne kleiner ist als die geographische Breite; seine Dauer ist
Bei verschiedenen orientalischen Völkern, auch den Israeliten, ferner bei Griechen und Römern wurde im Altertum der natürliche Tag und ebenso die Nacht in 12 gleich lange Stunden geteilt, deren Dauer in den verschiedenen Jahreszeiten [* 7] verschieden war (horae temporales bei den Römern, während die immer gleich langen horae aequinoctiales hießen).
Vgl. Bilfinger, Der bürgerliche Tag (Stuttg. 1888). -
Tag heißt auch eine im voraus bestimmte Versammlung, z. B. Landtag, Reichstag, Fürstentag etc.