Streik
(engl. strike, »Schlag, Streich«, franz. Grève, daher in Belgien [* 2] Grevist, der Anteilnehmer am S.), s. Arbeitseinstellung.
Streik
3 Seiten, 1'619 Wörter, 11'334 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Streik
(engl. strike, »Schlag, Streich«, franz. Grève, daher in Belgien [* 2] Grevist, der Anteilnehmer am S.), s. Arbeitseinstellung.
Im Das Lexikon des Zeitungslesers, 1951
Streik.
Niederlegung der Arbeit durch alle oder durch die Mehrheit der Arbeiter eines Betriebes oder eines ganzen Industriezweiges zur Erreichung besserer wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Streik
(engl. strike; frz. grève, von einem Platze dieses Namens in Paris, [* 3] auf dem die beschäftigungslosen Arbeiter sich versammelten, um sich nach neuer Thätigkeit umzusehen), Arbeitseinstellung, Ausstand, die gemeinsam erfolgte freiwillige Niederlegung der Arbeit seitens der in einem bestimmten Berufe beschäftigten unselbständigen Personen zur Durchführung günstigerer Arbeitsbedingungen. Sie kommt sowohl innerhalb einer einzigen Unternehmung als auch innerhalb ganzer Industrie-, Handels- und Verkehrszweige in einer Stadt oder einem Staate vor, während S. landwirtschaftlicher Arbeiter eine Seltenheit sind. Das Gegenstück zum S. bildet die Aussperrung (s. d.). Hauptsächlich werden S. unternommen, um höhern Lohn zu erzielen. Doch haben auch Verminderung der Arbeitszeit, Disciplinargewalt der Aufseher, Strafen, Lohnabzüge, Beschäftigung von Lehrlingen oder Kindern, Beschädigung des Materials, der Werkzeuge [* 4] u. s. w. Veranlassung zum S. geboten.
Soweit bis jetzt statist. Angaben darüber vorliegen, ist die Zahl der für die Arbeiter ungünstig verlaufenen S. größer
als die Zahl derjenigen, die eine Besserung gebracht haben. Im Deutschen Reiche waren von etwa 100 Arbeitseinstellungen
des J. 1891 nach Corvey nur 11 für die Arbeiter günstig verlaufen. In Italien
[* 5] nahmen von 206 S. in den J. 1872-76 nur 82 einen
für die Arbeiter günstigen Ausgang. In
England verliefen von 351 S. in den J. 1870-79 nur 71 günstig, von 568 S.
im J. 1892 nur 41,4 Proz., an denen nur 20,6 Proz. der Arbeiterzahl
beteiligt war. In Frankreich setzten 1893 von 634 S. nur 25 Proz., die 21 Proz. aller
Streik
enden umfaßten, ihre Forderungen vollständig durch; 43 Proz. erfuhren eine gänzliche
Niederlage.
In den Vereinigten Staaten [* 6] von Amerika [* 7] können von 3900 S. (1881-86) nur 46 als erfolgreich bezeichnet werden. Trotz alledem bleibt der S. ein höchst wirkungsvolles Mittel für den Arbeiterstand zur Wahrnehmung seiner Interessen. Daß ein S. die schädlichsten Rückwirkungen auf das gesamte Wirtschaftsleben ausübt, ist eine unbestrittene Thatsache. Natürlich läßt sich der indirekte Schaden, den er durch Verringerung der Konkurrenzkraft, Abgang von Aufträgen u. s. w. herbeiführt, nicht ziffernmäßig berechnen. Aber der direkte Schaden, den er den Arbeitern durch Lohnverlust (s. unten), den Unternehmern durch Entgang von Zinsen, Gewinn, durch Kapitalverlust bringt, ist schon groß genug, um den S. als ein sehr gewagtes Kampfmittel erscheinen zu lassen.
Seit der Bewilligung des Koalitionsrechts (s. d.) wird überall
der S. strafrechtlich nicht mehr verfolgt (vgl. §. 152 der Reichsgewerbeordnung). Dagegen
sind im §. 153 der Reichsgewerbeordnung Strafen vorgesehen für diejenigen, welche durch Anwendung körperlichen Zwanges,
durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder Verrufserklärung andere zur Niederlegung der Arbeit zu bestimmen suchen. In Preußen
[* 8] hat der Ministerialerlaß vom insofern eine Verschärfung bewirkt, als die Polizeibehörden nunmehr auch schon
diejenigen streik
enden Arbeiter zur Strafe heranziehen dürfen, welche andere durch Überredung zu bestimmen suchen, die Arbeit
niederzulegen.
Nach einem Urteil des Reichsgerichts vom ist übrigens öffentliche Aufforderung zum S. gleichfalls strafbar. Um ferner die Arbeitgeber vor der Schädigung durch S., die mit Kontraktbruch verbunden sind, zu schützen, sind in der Gewerbeordnung durch Novelle von 1891 neue Bestimmungen aufgenommen, die freilich erheblich milder sind, als der ursprüngliche Regierungsentwurf. Über die hier besonders in Betracht kommenden §§. 119a und 124b s. Dienstmiete.
Einen großen Einfluß auf die S. haben die Gewerkvereine (s. d.) gewonnen. Die deutsche Socialdemokratie und die «Internationale» haben auf ihren Versammlungen es wiederholt ausgesprochen, daß die S. nur als ultima ratio gegen ungerechte Forderungen anzuwenden seien. Aber trotz der Versicherungen der socialistischen Abgeordneten im Deutschen Reichstage, daß sie keine Freunde der S. seien, scheinen sie mit ihrer Ausbreitung einverstanden. Hauptstätten der S. sind Sachsen, [* 9] Westfalen, [* 10] Franken, Hessen [* 11] einer-, das Unterelbgebiet mit Berlin [* 12] andererseits. Frankfurt [* 13] a. M., Offenbach, [* 14] Leipzig, [* 15] Nürnberg, [* 16] München, [* 17] Berlin und Hamburg [* 18] sind die Brennpunkte. Als das beste Mittel, den S. vorzubeugen, erscheinen die Einigungsämter (s. Gewerbegerichte).
Die Geschichte der S. reicht bis ins 14. Jahrh. zurück. Indessen beruhen die ältern bekannt gewordenen Fälle, abgesehen von den S. in der Buchdruckerei und in den Bauhütten, nicht auf dem Gegensatz von Arbeit und Kapital, sondern waren durch gewisse Mißbildungen des patriarchalischen Verhältnisses, in welchem Meister und Gesellen ¶
zueinander standen, verschuldet. Eine große Streik
bewegung gab es 1848-49; doch blieb diese namentlich auf Eisenbahnarbeiter,
Buchdrucker und Maurer beschränkt. Häufiger wurden die S. in der ersten Hälfte der sechziger Jahre und besonders seit 1869. Viel
Aufsehen erregten der Leipziger Buchdruckerstreik
von 1865, bei dem 5-600 Setzer die Arbeit einstellten, und
der Waldenburger S. vom bei welchem von 7413 Bergleuten 6409 die Arbeit niederlegten. Der erstere schloß nach neunwöchiger
Dauer mit einem Kompromiß, der letztere schlug gänzlich fehl.
Nach dem franz. Kriege steigerten sich mit der Gründungsära die S. ungemein, und bis 1878 belief sich die Zahl der S. auf Tausende. Die J. 1878-82 waren ruhig, und erst 1882 brach die Bewegung wieder aus. S. von ungeahnten Ausdehnungen zeigten sich 1889. Namentlich das Baugewerbe (in Berlin, mit einem zweimonatigen S. von 20-25000 Maurern und Zimmerleuten), das Braugewerbe und die Bergarbeiter hatten die Arbeit niedergelegt. Der S. der letztern, der umfangreichste, der in Deutschland [* 20] jemals beobachtet ist, brach in Westfalen 8. Mai aus und wies 14. Mai etwa 100000 ohne Kündigung feiernde Arbeiter auf.
Auf Grund eines in Berlin 19. Mai geschlossenen Übereinkommens nahm der größte Teil der streik
enden die Arbeit wieder auf. Der
Erfolg war nur ein geteilter. Umfassender als seit vielen Jahren war die Streik
bewegung von 1896. Namentlich
sind zu nennen der Konfektionsarbeiterstreik
in Berlin, der sich nicht nur auf Lohnerhöhung, sondern auch auf Hinderung der
Betriebsweise und gegen das Sweatingsystem (s. d.) richtete und mit einem partiellen Erfolg der Arbeiter endigte, und der große
Hafenarbeiterstreik
in Hamburg, der 11 Wochen bis dauerte und eine völlige Niederlage
der Arbeiter zur Folge hatte.
Eine amtliche Statistik der S. fehlt im Deutschen Reiche. Dagegen veranstaltet die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands [* 21] seit Jahren eine Statistik, die folgendes Bild liefert:
Jahre | Anzahl der Gewerbe, in denen gestreiktwurde |
Anzahl der Streiks |
Zahl der beteiligten Personen | Dauer der Streiksin Wochen |
Gesamtausgabe | |
---|---|---|---|---|---|---|
1890/91 | 27 | 226 | 38536 | 1368 | 2094922 | |
1892 | 21 | 73 | 3022 | 507 | 84638 | |
1893 | 26 | 116 | 9356 | 568 | 172001 | |
1894 | 27 | 131 | 7378 | 879 | 354297 | |
1895 | 29 | 204 | 14032 | 1030 | 424231 | |
1890/95 | 130 | 750 | 72324 | 4352 | 3130089 |
Über die Zahl der S. in Österreich [* 22] während der J. 1891-95 giebt folgende Tabelle Auskunft:
Jahre | Streiks |
Beteiligte Firmen | StreikendeArbeiter überhaupt |
StreikendeArbeiter in Proz. der Beschäftigten |
Versäumte Arbeitstage |
---|---|---|---|---|---|
1891 | 104 | 1917 | 14025 | 34,64 | 247086 |
1892 | 101 | 1519 | 14123 | 57,36 | 150992 |
1893 | 172 | 1207 | 28120 | 61,75 | 518511 |
1894 | 159 | 2468 | 44075 | 72,58 | 566463 |
1895 | 205 | 869 | 23026 | 60,88 | 297845 |
Nach den Mitteilungen des Pariser Arbeitsamtes wurden in Frankreich von den 405 S. des J. 1895 1258 Etablissements betroffen. 104 Ausstände dauerten nur einen Tag und weniger, 276 nur eine Woche und weniger. Die Zahl der Beteiligten betrug 45 801 (1894: 54 576), die der verlorenen Arbeitstage 617 469 (1894: 1 062 480).
In England wiesen die S. im J. 1895, verglichen mit 1894, sowohl was Zahl oder Dauer anlangt, eine wesentliche Abnahme auf. Es kamen 876 S. vor, an denen 263 758 Arbeiter beteiligt waren, gegenüber 1061 S. und 324 245 Arbeitern im J. 1894. Die Zahl der verlorenen Arbeitstage betrug 5 542000 gegen 9 322000 im J. 1894. Erfolgreich waren 24 Proz. der beteiligten Arbeiter (gegenüber 22 Proz. im Vorjahre), 47 Proz. erzielten teilweisen Erfolg (gegen 34,2 Proz. im Vorjahre), 28 Proz. waren erfolglos (gegen 42 Proz.).
Nach einer Statistik des Arbeiterkommissars in Washington [* 23] sind 1881-94 in den Vereinigten Staaten von Amerika 14 389 S. und Lockouts zu verzeichnen, an denen 69 167 Betriebe mit 3 714 231 Arbeitern und 6067 Betriebe mit 366 670 Personen beteiligt waren. Die Lohnverluste durch S. betrugen 190 493 382 Doll.
Vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 1 (Jena [* 24] 1890), S. 607-666 (daselbst Litteraturangabe);
Der Arbeiterfreund, seit 1873 in allen Jahrgängen; G. Natorp, Der Ausstand der Bergarbeiter (Essen [* 25] 1889);
Bevan, The strikes of the past ten years, 1870-1880);
Schwiedland, Die Arbeitseinstellung in Amerika (in den «Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik», Neue Folge, Bd. 19, Jena 1889);
von Heckel, Zur Statistik der Arbeitseinstellungen in Frankreich (ebd., 3. Folge, Bd. 9, 1895);
Schönlank, Sociale Kämpfe vor 300 Jahren (Lpz. 1894);
die Zeitschrift «Sociale Praxis», früher «Socialpolit. Centralblatt» (Berl. 1892 fg.).
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
*. Deutschland. Anzahl der S. nach der Statistik der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften:
Jahre | Anzahl der Gewerbe, in denen gestreikt wurde | Anzahl der Streiks | Zahl der beteiligten Personen | Dauer der Streiks in Wochen | Gesamtausgabe |
---|---|---|---|---|---|
1890/91 | 27 | 226 | 38536 | 1363 | 2094922 |
1892 | 21 | 73 | 3022 | 507 | 84638 |
1893 | 26 | 116 | 9356 | 568 | 172001 |
1894 | 27 | 131 | 7378 | 879 | 354297 |
1895 | 29 | 204 | 14032 | 1030 | 424231 |
1890/95: | 130 | 750 | 72324 | 4352 | 3130089 |
Die Abwehrstreiks sind seit 1890 in der Zunahme, die Angriffsstreiks, die infolge der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse in starker Abnahme begriffen waren, sind in neuester Zeit wieder sehr viel zahlreicher geworden. Die meisten Ausstände, je 22, hatten die Holz- und die Metallarbeiter zu verzeichnen. Dann folgen die Tabakarbeiter, Zimmerer, Töpfer, Maurer und Lederarbeiter mit je 8 (7) S. Die größte Gesamtausgabe hatten die Brauer mit 165148 M. für 6 S., die Lithographen und Steindrucker mit 30000 M. für 3 S. u. s. w. Bei den Abwehrstreiks (91) war in der Mehrzahl der Fälle (46) Lohnherabsetzung die Ursache - erfolglos verliefen 40. Bei den Angriffsstreiks (38) war die erstrebte Lohnerhöhung in der Mehrzahl der Fälle (21) die Ursache; erfolglos waren 11. Von besonders großer Ausdehnung [* 26] war der Brauerstreik, der von 203 Böttchergesellen (davon 131 in Brauereien beschäftigt) im Mai 1894 in Berlin begonnen wurde, als ihnen wegen der Maifeier, an der sie ohne ¶
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laubnis teilgenommen hatten, eine Strafe auferlegt wurde; die Arbeiter forderten 30 M. statt 27 M. Wochenlohn bei 9- statt 9^ stündiger Arbeit; ver- stärkt wurde der S. noch durch den Boycott, den die socialdemokratische Partei über sieben, später über alle dem Verein der Brauereien Berlins an- gehörigen Brauereien verhängte. Bei dem Friedens- schlüsse wurde von den Brauereien versprochen, einen Arbeitsnachweis einzurichten; es gelang den Arbeitern aber nicht, die sichere Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiter zu er- langen.
Die Opfer für die Streikenden waren sehr bedeutende. (S. Boycotten.) Umfassender als seit vielen Jahren ist die Streik- bewegung von 1896 gewesen. Die Zahl der Ar- beiter, die in diesem Jahre ausständig waren, wird auf 200000 geschätzt. Namentlich ist der große S. der Konfektionsarbeiter in Berlin zu verzeichnen. Die Forderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen der Konfektionsbranche richteten sich nicht so sehr auf Lohnerhöhung und Lohntarisierung, als vielmehr auf Änderung der Betriebsweise, d. b. sie waren gegen das sog. Sweatingsystem ls. d., Bd. 15) und gegen die Zwischenmeister (s. d.) gerichtet. An Stelle des Zwischenmeistersystems und an Stelle der Hausarbeit sollten Betriebswerkstätten gesetzt wer- den, um die Anwendung mungen zu ermöglichen. Am fanden mehrere Versammlungen statt, in denen beschlossen wurde, diese Forderungen den Unternehmern zu übersenden; als die Forderungen bis zum bestimm- ten Termin nicht bewilligt waren, wurde 10. Febr. in 14 großen Versammlungen der S. proklamiert; auch 1500 Zwischenmeister hatten sich für den S. erklärt.
Der S. wurde durch Vermittelung des als Einigungsamt fungierenden Berliner [* 28] Schiedsge- richts beigelegt. Der Vergleich vom 19. Febr. brachte für die Herrenkonfektion das Resultat, das; die Kon- fektionäre einen 12^prozentigen Lohnzuschlag auf alle vor dem S. gezahlten Lohnsätze bewilligten; außerdem wurde auch ein Minimallohntarif festge- stellt. Für die Damenkonfektion ist durch Vergleich zwischen der Vertretung der Konfektionäre und der Lohnkommission verabredet worden: auf die bisher gezahlten Löhne bis zu 1M. 75 Pf. follen sowohl die Zwischenmeistcr als die Arbeiterinnen einen Zuschlag von 30 Proz. erhalten, von 1 M. 80 Pf. bis 4 M. 20 Proz., von 4 M. 10 Pf. bis 8 M. 15 Proz., von 8 bis 10 M. 10 Proz. Zuschlag.
Wochenlobnarbeiter erhalten 10 Proz. Zuschlag. Die Aufstellung eines Minimallohntarifs wurde jedoch abgelehnt, und nach der Beendigung der Saisonarbeiten hielten sich eine grohe Anzahl von Arbeitgebern nicht mehr an den Vergleich gebunden. Im April 1896 wurde der große Tertilarbeiter- ftreik, der lange Zeit in dem Mittelpunkte der Lau- sitzer Textilindustrie, in Cottbus, [* 29] geherrscht hatte, beendet: etwa 5-6000 Arbeiter waren beteiligt. Die Einigung beruhte auf einem Kompromiß zwischen den Fabrikanten und Arbeitern, deren Forderungen teilweise erfüllt wurden.
Seit hatten die städtischen Hafen- arbeiter in Frankfurt a. M. einen S. begonnen; er wurde zu Ungunsten der Arbeiter beendigt. Am brach in Hamburg ein Hafen- arbeiterstreik aus, einer der größten und heftigsten, die seit langer Zeit in Deutschland vorgekommen sind. In der ersten Woche belief sich die Zahl der streikenden Arbeiter bereits auf über 10000, wovon 6000 Verheiratete; es waren Schauerleute, Ewer- führer, Speicher-, Quai-, Kohlenarbeiter, Schiffs- mate u. s. f. Die Ursache des S. lag namentlich in Lohnforderungen, die von feiten der Arbeiter gestellt und von den Arbeitgebern nicht bewilligt wurden.
Die Schauerleute, die bisher einen Tage- lohn von 4,20 M. hatten, verlangten 5 M. pro Tag; für Nachtarbeit forderten sie 6 M., während sie bis- her 5,40 M. erhalten hatten. Hierbei ist zu be- merken, dah die Schauerleute keine regelmäßige Arbeit haben, also einen Teil des Jahres arbeitslos sind. Ferner verlangten sie eine andere Berech- nung der Arbeitszeit; diese wird jetzt gerechnet von 6 Uhr [* 30] morgens bis 6 Uhr abends mit halbstündiger Frühstücks- und anderthalbstündiger Mittagspause; in Zukunft fordern sie, daß diese Arbeitszeit ge- rechnet werde von Stadt zu Stadt, d. h. daß ihnen eine Fahrgelegenheit gegeben werde, mit der sie vom Lande abgeholt und wieder nach dem Lande gefahren werden sollen.
Anßerdem beanspruchten sie eine andere Art von Lohnauszahlung, nämlich das sog. Ticketsystem, d. h. daß ihnen, sobald die Arbeit beendigt ist, wofür sie angenommen wurden, auf Grund einer Lohnanweisung ihr Geld sofort aus- gezahlt werden follte. Die Ewerführer verlangten Verkürzung ihrer Arbeitszeit, die bisher von 5^ Uhr morgens bis 7 Uhr abends dauerte oder, wenn dies nicht möglich, höhere Bezahlung für die überstunden; sie erhielten 4 M. Tagelohn; sie forderten 4,50 M. Für überstunden, die mit 35 Pf. für die erste, mit 45 Pf. für die folgenden bezahlt wurden, verlangten sie 50 Pf. Als den Arbeitern die Forderungen nicht bewilligt wurden, brach der S. aus. Am 1. Dez. mach- ten hochgestellte Hamburger Bürger den Vorschlag auf Einsetzung eines Schiedsgerichts zur Beilegung der Differenzen.
Das Schiedsgericht sollte bestehen aus den Herren, die ihre Vermittelung angeboten hatten, aus einem Vertreter der Arbeitgeber und vier seitens der Arbeiter zu wählenden Personen. Der Vorschlag wurde von den Streikenden in zwei großen Versammlungen einstimmig angenommen, dagegen vom Arbcitgebcroerband abgelehnt. Als Antwort auf den Beschluß dcr Arbeitgeber hatten die Arbeiter den Generalstreik sämtlicher am Hafen beschäftigten Personen proklamiert. Am 4. Dez. stellten deshalb auch die am ^taatsquai beschäftigten Arbeiter (etwa 1700) fast sämtlich die Arbeit ein.
Weitere Vermit- telungsversuche verliefen ebenfalls refultatlos. Da aber die Witterungsverhältnisse für die Schiffahrt ungünstig waren und genügender Zuzug von Ersatz- leuten stattfand, fo endigte der S. mit einer völligen Niederlage der Arbeiter. Er hatte 11 Wochen gedauert und etwa 1^ Mill. M. ge- kostet. Die Verluste der Arbeitgeber werden an- nähernd auf 50-60 Mill. M. berechnet. Eine Prü- fung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse wurde sofort nach Beendigung des S. in Angriff genommen und eine Lohnerhöhung zunächst für die Seeleute be- schlossen. Im Gegensatz zum Hamburger S. wurde der fast gleichzeitig begonnene S. der Hasenarbeiter in Bremen [* 31] einer Woche beendigt mit Hilfe des als Einigungs- amt fungierenden Gcwerbegerichts. Von feiten der Arbeitgeber wurde eine Lohnerhöhung und Ver- sprechungen betreffs Wiedereinstellung der streiken- den Arbeiter gewährt. Ost erreich. Über die Zahl der S. in Osterreich während der Jahre 1891-95 giebt folgende Tabelle Auskunft: 61* ¶
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Jahre ende Arbeiter ^ ... ^ . ?, Versäumte 'nProz. Arbeits- der Be- > ^ae schäftigteu '°^ über- haupt 1891 1892 1393 1894 1395 104 101 172 159 205 1917 ! 14 025 1519 1207 2468 869 14 123 28 120 44 075 28 026 34,64 57,36 61,75 72,58 60,88 247 086 150 992 518 511 566 463 297 845 74 Proz. der S. erzielten vollen oder teilweisen Er- folg der Ausständigen. Besonders ist der grosie Bergarbeitcrstreik erwähnenswert, der im mähr.-schles. Kohlenbezirke ausbrach, und an dem sich zeitweilig 30000 Menschen beteiligten.
Die Forderungen der Arbeiter waren namentlich:
1) es sollten alle wegen Teilnahme an der Agitation oder an Arbeiterorganisationen gemaßregelten Ar- beiter wieder aufgenommen werden;
2) es sollten gewisse unbeliebte Arbeiter entlassen werden;
3) es wurde eine 25prozcntige Lohnerhöhung gefordert;
4) der Lohn sollte wöchentlich, nicht monatlich ge- zahlt werden. Dieser S. wurde nach vicrwöchiger Dauer beendet; die Arbeiter gaben ihre übrigen Forderungen auf, setzten aber die vicrzehntägige lstatt monatliche) Lohnzahlung durch und erlangten das Versprechen, daß keine weitern Maßregelungen wegen Teilnahme am S. u. s. w. erfolgen sollten. Im ganzen wurden 97 Arbeiter entlassen. Die Kosten des S. wurden auf 1,35 Mill. Fl. geschätzt, davon «2 Mill. Fl. für ausgefallene Löhne. Der 1894 be- reits einmal ausgebrochene S., der zu blutigen Zu- sammenstößen mit der Polizei geführt hatte, endete damals mit einem vollen Mißerfolg der Arbeiter. Aus neuester Zeit (Sept. 1896) ist der S. der Werk- stättenarbcitcr der Staatsbahnen [* 33] in Prag [* 34] und Wien [* 35] und der Bergarbeiterstreik im Brürer Kohlenrevier zu verzeichnen. Frankreich. Von den nach den Mitteilungen des Pariser Arbeitsamtes 1894 stattgehabten 391S. bezweckten 179 mit 30700 Streikenden eine Lohn- aufbesserung (davon37 erfolgreich); 80 S. mit9261 Streikenden erfolgten wegen Lohnherabsetzung (18 erfolgreich); bei 30 handelte es sich um eine Ver- ringerung der Arbeitszeit mit Beibehaltung oder Erhöhung der bisherigen Löhne; bei 33 um die Reglementierung der Arbeit; bei 28 um die Wieder- aufnahme entlassener Arbeiter; bei 50 um die Ent- lassung von Arbeitern, Werkführern und Direktoren u.s.w. Von den S. kamen auf die Textilbranche 112, das Baugewerbe 75, die Metallurgie 54, Berg- werke 20. Von den 405 S. des I. 1895 wurden 1258 Etablissements betroffen. 104 Ausstände dauerten nur einen Tag und weniger, 276 nur eine Woche und weniger. Die Zahl der Beteiligten betrug 45 801 (1894: 54576), die der verlorenen Arbeitstage 617 469 (1894:1062480). Die Forderungen einer Lohnerhöhung oder Widerstand gegen Lohnherab- setzung sind die Hauptmotive zu den S. gewesen, nämlich bei 253 S., 32 070 Streikenden und 421951 Streiktagcn; dann kommen die Personenfragen (Wiederanstellung der Entlassenen u. s. w.) bei 85 S.; wegen Verkürzung der Arbeitszeit wurde in 49 Fällen gestreikt. England. Nach amtlicher Statistik betrug die Zahl der S. 1394: 1061 mit 324245 Streikenden. 23 Proz. der S. und 66 Proz. der Arbeiter kommen davon auf die Minenindustrie. Dann folgen die S. in der Tcrtilbranche und in der Maschinenindustrie. 564 S. waren durch Lohnstreitigkeiten (Lohnerhöhung oder Widerstand gegen Lohnherabsetzung) veranlaßt. Die Zahl der verlorenen Arbeitstage wird auf 9322000, 29^ Tag pro Arbeiter, der Lohnverlust auf 2 Mill. Pfd. St. angegeben. Im 1.1895 weisen die S., verglichen mit 1894, sowohl was Zahl oder Dauer anlangt, eine wesentliche Abnahme auf. Es kamen 876 S. vor, an denen 263 758 Arbeiter be- teiligt waren, gegenüber 1061 S. und 324245 Ar- beitern im I. 1894. Die Zahl der verlorenen Ar- beitstage betrug 5542000 gegen 9322000 im I. 1894. Erfolgreich waren 24 Proz. der beteiligten Arbeiter (gegenüber 22 Proz. im Vorjabre), 47 Proz. erzielten teilweifen Erfolg (gegen 34,2 Proz. im Vor- Jahrc), 28 Proz. waren erfolglos (gegen 42 Proz.). Besondern Umfang nahmen an: der Massenstreik in der Schuhindustrie, die S. in der Textilindustrie und der ^chissbauerstreik. Italien. Nach dem Berichte der ital. General- direktion für Statistik über die industriellen und landwirtschaftlichen S. des I. 1894 zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren eine merkliche Ab- nahme an S. Die einschlägigen Zahlen sind: 1889 1890 1891 1892 1893 1894 Streiks 125 133 128 117 127 104 Streikende 23 322 38402 34733 30800 32109 27595 Die Zahl der günstig verlaufenen S. hat sich stetig vermehrt und zwar von 16 Proz. im Zeit- raum von 1878/91 auf 34 Proz. im I. 1894. Ob- gleich Zahl und Umfang der S. abgenommen haben, haben sich die verlorenen Arbeitstage stärker ver- mehrt. Ihre Zahl betrug: 1889 1890 1391 1892 1893 1894 116000 168000 213000 217000 234000 323261 Schweiz. [* 36] Nach eiuer neuerdings vom schweiz. Gewerkschaftsbund aufgestellten Statistik haben die Schweizer Gewerkschaften 1887-95 89 S. zu ver- zeichnen, davon 58 mit vollem, 14 mit teilweisem Erfolg, 17 mit Mißerfolg. Von sämtlichen Lohn- bewegungen endete nur ein Drittel durchschnittlich mit einem S. Nach dem Berichte des schweiz. Ar- beitersekretariats für 1895 sind in diesem Jahre 33 S. zu verzeichnen und zwar 17 Angriffs- und 16 Ab- wehrstreiks. Von den 33 S. gingen 16 günstig und 5 teilweise günstig aus. Die große Lohnbewegung der Schweizer Eisen- bahnangestellten 1896 hat nicht zu einem S. geführt, sondern ist durch Vergleich erledigt worden. Vereinigte Staaten von Ameivka. Nach einer Statistik des Arbeiterkommissars in Washing- ton, C. D. Wright, sind von 1881 bis 1894: 14389 S. und I^ck-outg zu verzeichnen, an denen 69167 Betriebe mit 3 714 231 Arbeitern und 6067 Betriebe mit 366 670 Personen beteiligt waren. Die Lohnverluste durch S. betrugen 190493 382 Doll.; für den beteiligten Arbeiter ein Durchschnittsverlust von 47 Doll. Die den Streikenden im Laufe dieser Zeit gewährtenUnterstützungenbetragen 10914406 Doll., und die Ausgesperrten erhielten 2524298 Doll., d. h. 7,05 Proz. der Lohnverlustsumme. Die Verluste der Arbeitgeber werden auf 94835 837 Doll. beziffert. Von größern S. in Amerika ist besonders der all- gemeine Kohlengräberausstand im Sommer 1894 zu erwähnen, der sich über 16 Monate erstreckte und etwa 180000 Mann umfaßte. Der S. wurde durch Kompromisse zwischen den einzelnen Unternehmern und Arbeitern geschlossen; ferner der S. der Eisen- bahnarbeiter im Sommer 1894. ¶
Nr. | Ergebnis | Streik |
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1 | ****** | Streik, der; -[e]s, -s, selten: -e [engl. strike, zu: to strike, →streiken]: gemeinsame, meist ... |
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
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65.435 | Streik | Handwörterbuch der Staatswissenschaften | Bd. 1 | (Jena 1890) |
65.435 | Streik | Schönlank | Sociale Kämpfe vor 300 Jahren | (Lpz. 1894) |
65.435 | Streik | von Heckel | Zur Statistik der Arbeitseinstellungen in Frankreich | (ebd., 3. Folge, Bd. 9, 1895) |
65.435 | Streik | Bevan | The strikes of the past ten years, 1870-1880); | |
65.435 | Streik | Schwiedland | Die Arbeitseinstellung in Amerika | (in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik", Neue Folge, Bd. 19, Jena 1889) |
65.435 | Streik | Der Arbeiterfreund | 1873 in allen Jahrgängen; G. Natorp, Der Ausstand der Bergarbeiter | (Essen 1889) |
65.435 | Streik | Zeitschrift | "Sociale Praxis", früher "Socialpolit. Centralblatt" | (Berl. 1892 fg.) |
4.266 | Coppée | "Der Streikder Schmiede" | bekannt) | |
53.138 | Block | "Les suites d’une grève" | (ebd. 1891; deutsch von Schwarz: "Ein Streikund seine Folgen", Berl. 1891) | |
55.50 | Deutscher Buchdrucker-Verein | "Deutschen Buchdruckerverband", seit 1878 "Unterstützungsverein Deutscher Buchdrucker" | (s. d.) umfassenden Streik(8000-10000 Personen) |
10 Quellen wurden gefunden. Anzahl Quellen auf 30 begrenzen.