Barcelōna,
span. Provinz, bildet das Zentrum Kataloniens, grenzt in NO. an die Provinz Gerona, im SO. an das Meer, im SW. an Tarragona, im NW. an Lerida und hat 7731 qkm (140 QM.) Areal. Die Provinz ist gebirgig und wird von Ausläufern der Ostpyrenäen durchzogen, worunter die ganz im N. der Provinz streichende Sierra de Cadi als die höchste Erhebung (2450 m), dann die Sierra de Monseny (1699 m) und der berühmte Montserrat (s. d.) hervorzuheben sind. Das Küstengebiet ist ein reizendes, fruchtbares Hügelland.
Außerdem ist der Boden, abgesehen von den fruchtbaren Flußthälern, steiniges Terrassenland. Hauptfluß ist der Llobregat. Die Bevölkerung, [* 2] 1878: 835,306 Einw., ist hier am dichtesten unter allen spanischen Provinzen (108 pro QKilometer) und in steter bedeutender Zunahme begriffen (1833 betrug sie erst 450,000 Einw.). Das Land ist selbst in den gebirgigen Gegenden gut angebaut und erzeugt Getreide, [* 3] Öl, Wein, Gartenfrüchte, Gemüse, Hanf, Seide. [* 4] Die Viehzucht [* 5] wird namentlich in den Gebirgstriften betrieben.
Der reiche Waldbestand enthält unter anderm die industriell vielverwertete Korkeiche, dann die zur Erzeugung von Faßdauben
und
Reifen verwendeten
Kastanien- u.
Walnußbäume, diese namentlich in dem klimatisch und geologisch begünstigten
Monsenygebirge. Der
Bergbau
[* 6] liefert
Metalle,
Kohle und
Salz
[* 7] (berühmtes Steinsalzbergwerk zu
Cardona).
Ihre Bedeutung und ihren
Wohlstand aber verdankt die
Provinz hauptsächlich der
Industrie und dem
Handel, welche in der Hauptstadt Barcelona
[* 8] ihren Zentralpunkt
haben. Die
Baumwoll-, Schafwoll- und Seidenindustrie, überhaupt die ganze der Bekleidung dienende Manufakturindustrie,
die Metallverarbeitung, die
Glas-,
Papier- und Korkindustrie, der Mühlenbetrieb etc. beschäftigen sowohl in der Hauptstadt
als in andern
Städten und
Orten der
Provinz zahlreiche große Fabriketablissements. In keinem andern Teil
Spaniens hat die
Industrie
eine
¶
mehr
solche Entwickelung und Bedeutung erlangt wie hier. Handel und Schiffahrt stehen mit dieser lebhaften Thätigkeit im Einklang.
Die Straßen sind in gutem Zustand, zahlreiche Eisenbahnlinien durchschneiden das Land, die Küste enthält mehrere gute Häfen.
Der Wohlstand der Provinz ist infolge der günstigen Erwerbsverhältnisse groß; daneben findet sich allerdings auch das
zahlreichste Proletariat. Die Provinz umfaßt zwölf Distrikte (Partidos): die Stadt Barcelona
, Arenys de Mar, Berga, Granollers, Igualada,
Manresa, Mataro, San Feliu de Llobregat, Tarrasa, Vich, Villafranca del Panadez, Villanueva y Geltru.
Die gleichnamige Hauptstadt liegt amphitheatralisch an einer tief eingeschnittenen Bucht des Mittelländischen Meers, unweit der Mündung des Llobregat, in einer von angenehmem Klima [* 10] begünstigten, fruchtbaren, von Bergen [* 11] umkränzten, mit Ortschaften u. Landhäusern (Torres genannt) übersäeten herrlichen Ebene (Huerta). Es ist die wichtigste Hafen-, Handels- und Fabrikstadt Spaniens, nach Madrid [* 12] und Cadiz [* 13] auch die am schönsten gebaute Stadt des Reichs, die sich namentlich in den letzten Jahren, seit der Abtragung der Festungswerke, sehr vergrößert und verschönert hat.
Die mittlere Temperatur beträgt 17°, das Maximum 31°, das Minimum 2° C. Barcelona
besteht aus der eigentlichen Stadt, die wieder
in eine Ober- und eine Unterstadt zerfällt, und der Hafenvorstadt Barceloneta, die an der Südostseite auf einer schmalen,
in das Meer vortretenden Erdzunge erst im vorigen Jahrhundert zu Warenniederlagen erbaut ward und ein regelmäßiges,
von geraden Straßen durchschnittenes Viereck
[* 14] bildet. Dicht dabei beginnt ein sehr langer Molo, der als Verlängerung
[* 15] der Erdzunge
zum Schutz des Hafens in neuerer Zeit aufgeführt ward. Am West- und Nordwestende der Stadt erheben sich an Stelle der demolierten
Festungswerke neue Stadtteile, zusammen el Ensanche (d. h. Stadterweiterung) genannt.
Unter den Straßen sind die 1120 m lange, 25 m breite, mit Akazien und Sykomoren bepflanzte prächtige Rambla, welche die Stadt von NW. nach SO. durchschneidet, und an deren Südende das Fort Atarazanas steht, sowie La Riera ampla, die Straße des Conde del Asalto und die neue Ferdinandstraße mit reichen Gewölben hervorzuheben. Unter den öffentlichen Plätzen zeichnen sich besonders der Seeplatz und die Plaza del Palacio aus. hat alte (maurische, gotische), mittlere und neue Teile; in erstern sind die Straßen eng und verwickelt, in letztern breit und gerade.
Die Häuser haben jedoch in jenen wie in diesen möglichste Kühle der Zimmer bezweckende Bauart. Die schönsten
Spaziergänge außer der Rambla sind: die Muralla del Mar am Hafen, der Paseo nuevo San Juan, Paseo de Barceloneta, der Jardin del
General und die Alameda im N. der Stadt mit der von derselben ausgehenden neuen Ringstraße an Stelle der
rasierten Wälle. Eine prächtige Promenade führt nordöstlich nach Gracia, einem der schönsten neuen Vororte von Barcelona.
Unter
den 84 Kirchen Barcelonas
ist zunächst die 1298-1448 erbaute Kathedrale hervorzuheben, ein imposantes gotisches Bauwerk mit
reichem Chorumgang und Kapellenkranz, einem 13 m breiten Mittelschiff mit zwei Seitenschiffen, welche
durch Kapellenreihen erweitert werden. In einer Kapelle unter dem Hochaltar befindet sich das Mausoleum der heil. Eulalia, der
Schutzheiligen Barcelonas.
Kleiner, aber der Kathedrale an Schönheit nicht nachstehend und noch kühner gewölbt ist die ebenfalls gotische Kirche Santa Maria del Mar (1328-83 erbaut). Außer diesen beiden Hauptkirchen verdienen noch die Parroquia de Belen und die Kirche Santa Monica, beide in der Rambla gelegen, die uralte einschiffige Benediktinerkirche San Pablo del Campo (um 1120 erbaut), mit Tonnengewölbe und Kuppel, die originelle Kollegiatkirche Santa Anna, endlich die Kirche von Santiago mit einem schönen Portikus und die von San Miguel (einst ein Neptunstempel mit herrlichem Mosaikpflaster) Erwähnung.
Unter den Klöstern (ehemals 44, wovon jedoch beinahe die Hälfte teils niedergerissen, teils zu Kasernen, Spitälern etc.
umgewandelt ist) ist das schönste das der Barmherzigen Brüder, das umfangreichste das der Dominikaner zur heil. Katharina,
mit einer großen öffentlichen Bibliothek, und das modernste das der heil. Klara in einem Teil des ehemaligen
Palastes der Grafen von Barcelona.
Unter den weltlichen Gebäuden zeichnen sich aus: der eben erwähnte Palast der Grafen von in welchem
das 1820 aufgehobene Inquisitionsgericht seine Sitzungen hielt und jetzt eine Armen- und Blindenschule eingerichtet ist;
der Palast des Generalkapitäns;
der bischöfliche Palast;
der Palast der Audienz, in welchem das berühmte Archiv von Aragonien und die Porträte [* 16] der Könige von Aragonien verwahrt werden;
der alte Palast des Hauses Alba; [* 17]
die alte Casa Consistorial (1369-79 erbaut) und die Casa de la Disputacion;
das Rathaus;
das Zollhaus;
das Teatro del Liceo, welches 4000 Zuschauer faßt, das größte und schönste Schauspielhaus in Spanien; [* 18]
die neue Börse (Lonja) am Platz del Palacio, im griechischen Stil gebaut, ein prächtiges Gebäude, in dem sich auch die Handelsschule befindet;
das neue Universitätsgebäude.
Die Zahl der Einwohner belief sich 1878 auf 249,106 Köpfe, wobei die 33,766 Bewohner des Vororts Gracia nicht eingerechnet sind.
Die Hauptnahrungsquellen sind Industrie und Handel. Barcelona
ist der Mittelpunkt aller in der Provinz betriebenen Industriezweige und
überhaupt die gewerbthätigste Stadt in Spanien. Die hervorragendsten Fabrikationszweige sind die Baumwollspinnerei, -Weberei
und -Druckerei. Barcelona
verarbeitet jährlich 3400,000 metr. Ztr.
Baumwolle,
[* 19] zählt einschließlich der Umgebung ca. 1½ Mill. Spindeln und 48,000 Webstühle
[* 20] und versieht
mit gewebten und bedruckten Stoffen (Indiennes) fast alle spanischen Kolonien.
Daneben sind wichtige Industriezweige: die Seidenweberei, die Erzeugung von Tuch, Shawls und Möbelstoffen, Leinenwaren, Spitzen,
Wäsche, Wirk- und Weißwaren, die Maschinenfabrikation und Eisengießerei
[* 21] (4 große Werkstätten, 1700 Arbeiter), die Fabrikation
von Waffen,
[* 22] Bronzewaren, Klavieren, Papier, Glas,
[* 23] Steingut und feuerfester Thonware, wissenschaftlichen Instrumenten,
chemischen Produkten, Seife, Leder, Tischlerwaren, Schokolade, Mehl,
[* 24] die Kolonialzuckerraffinerie u. a. Berühmt sind auch die
Schuhmacher- und Schneiderzunft Barcelonas
sowie seine Schiffswerften und die Kanonengießerei. Noch wichtiger als die Industrie
ist der Handel Barcelonas
, welcher die Stadt zum ersten Seehandelsplatz Spaniens macht. Der Hafen hat die
Vorzüge einer großen Wassertiefe (von 7-30 Faden),
[* 25] einer leichten Verteidigung seiner Zugänge und einer bequemen unmittelbaren
Einfahrt aus der
[* 8]
^[Abb.: Wappen
[* 26] von Barcelona.]
¶
mehr
offenen See (1,95 km weit bei 2,34 km größter Länge), jedoch den Nachteil, daß das sturmbewegte Meer auch ihn beunruhigt und die Schiffe [* 28] zuweilen in Gefahr bringt. Auch wird er durch die Versandungen der in ihn mündenden Flüsse [* 29] Llobregat und des kleinern Besos nach und nach unzugänglicher, und eine dem Hafeneingang vorliegende Sandbank bewirkt, daß nur mittlere Schiffe von 3-4 m Tiefgang einlaufen können, während größere außerhalb des Molo ankern müssen.
Der Handel mit dem Ausland wird außerdem noch durch die Unzulänglichkeit der Zollamtsanlagen sehr erschwert. Schon im Mittelalter
nahm die Stadt wegen ihrer Schiffahrt im Mittelländischen Meer und nach der Levante einen ausgezeichneten
Rang ein; ihr wird mit Wahrscheinlichkeit auch die Abfassung des berühmten Gesetzbuches über Seerecht zugeschrieben, das unter
dem Namen Consolato del mar schon im 13. Jahrh. im Mittelmeer als allgemein geltend anerkannt wurde, und die frühsten Nachrichten
über den Gebrauch der Versicherung gegen Seegefahr und der Wechsel finden sich in ihren Annalen. Im J. 1883 liefen
in Barcelona
4308 Schiffe (darunter 1557 Dampfer) mit 1,476,694 Ton. ein, und 4263 Schiffe (darunter 1559 Dampfer) mit 1,726,555 T. liefen
aus; Im Ballast kamen 216 Schiffe mit 53,820 T. und gingen 1140 Schiffe mit 466,037 T. (es fehlt eben häufig
an Rückfracht in Barcelona
). 1883 liefen 1006 fremde Schiffe von 624,964 T. und 3302 spanische Schiffe von 851,730 T. beladen ein.
Der Wert des Imports betrug 240, der des Exports 230 Mill. Pesetas. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Baumwollgewebe, Leinengewebe, Schafwoll- und gemischte Gewebe, [* 30] Baumwollgarn und Zwirn, Wein, Schuhwaren, Leder, Mehl und Papier. Die Manufakturwaren werden hauptsächlich nach dem spanischen Westindien [* 31] verladen. Der meiste Wein und Branntwein geht ebenfalls nach Cuba und Südamerika, [* 32] neuerdings auch nach Frankreich, weniger nach dem Norden [* 33] Europas. Die Haupteinfuhrartikel sind dagegen: rohe Baumwolle, Chemikalien und Farbstoffe, Getreide, Spiritus, [* 34] Leinengarn, Holz [* 35] und Binderwaren, Zucker, [* 36] Kohle, Felle und Häute, Maschinen.
Dampfschiffsverbindungen bestehen mit den spanischen Küstenstädten, mit Marseille [* 37] und Genua, [* 38] mit Cadiz, Lissabon [* 39] und Liverpool, [* 40] Rio de Janeiro [* 41] und Buenos-Ayres. Eisenbahnlinien führen nach Gerona und Frankreich, Pamplona, Saragossa, [* 42] Bilbao, [* 43] Madrid, Valencia [* 44] und Andalusien. Eisenbahnen lokalen Charakters sind die Linie über Granollers zum Anschluß an die nach Frankreich führende Bahn, mit Zweigbahnen nach Ripoll und Caldas de Mombuy, und dann die 5 km lange Eisenbahn nach Sarria.
Eine Pferdebahn führt von Gracia über die Rambla zum Hafen von Barcelona.
Die Stadt besitzt eine Sukkursale der Nationalbank und mehrere
andre Bank- und Kreditinstitute, einige Seeassekuranzgesellschaften und viele auswärtige Konsulate (darunter
auch ein deutsches Berufskonsulat). Besonders wichtig für die Entfaltung der kommerziellen Blüte
[* 45] der Stadt wurde das noch
jetzt bestehende Oberhandelskollegium von Barcelona (Junta del comercio), eine alte Institution, die aus der eigentümlichen Munizipalverfassung
Barcelonas, dem sogen. Rate der Hundert (Consejo de ciento), hervorging, welche König Jayme I. von Aragonien 1274 der
Stadt erteilte. Die Junta besteht gegenwärtig aus 14 stimmfähigen Mitgliedern von zweijähriger Amtsdauer und einem von der
Regierung ernannten Sekretär.
[* 46] Der Intendant der Provinz ist als solcher Präsident der Junta. Unter den Wohlthätigkeitsanstalten
sind 6 Hospitäler, darunter das allgemeine Hospital
(für 3000 Kranke) und das des heil. Lazarus, ein Waisenhaus.
Eine großartige, wohleingerichtete Anstalt ist auch das Zucht- und Korrektionshaus.
Nächst Madrid hat Barcelona die meisten wissenschaftlichen Anstalten. Es besitzt eine Universität mit 5 Fakultäten (1430 gestiftet) und Notariatsschule, einen botanischen Garten, [* 47] eine Kunstschule, stark besuchte Handelsschule, eine Industrie- und eine Schifffahrtsschule, eine Real- und eine lateinische Schule, ein theologisches Seminar, mehrere Colegios, dazu hinlängliche Elementarschulen, 4 Akademien (namentlich für Naturwissenschaften und Künste), ein anatomisches und naturhistorisches Museum, verschiedene Bibliotheken (die Bibliothek San Juan mit 40,000, die bischöfliche mit 15,000 Bänden) und reichhaltige Archive, unter denen das erwähnte sogen. aragonische Archiv das größte und interessanteste ist. Barcelona ist der Sitz eines Bischofs, eines Generalkapitäns, Gouverneurs, eines Appellationsgerichts, eines Handelskollegiums, Handelsgerichts und Seekonsulats.
Zur Verteidigung der Stadt dienen außer einigen Batterien bei der Vorstadt Barceloneta das als unbezwinglich geltende Fort Monjuich im SW. auf der Spitze des gleichnamigen, 240 m hohen schroffen Kegelbergs (im Altertum Mons [* 48] Jovis, später Mons Judaicus, woraus der jetzige Name entstanden ist) und das stark befestigte Gebäude der Atarazanas (des ehemaligen Arsenals) im S. Die eigentliche Citadelle, am nordöstlichen Ende der Stadt, die 1715 auf Befehl Philipps V. aus Mißtrauen gegen die freiheitliebenden Barcelonesen erbaut wurde und sehr stark befestigt war, aber zu tief lag, um die Stadt hinlänglich verteidigen zu können, ward, wie oben erwähnt, nebst den alten Wällen und Bastionen in neuester Zeit geschleift. Seit neuerer Zeit wird die Stadt durch Wasserleitung [* 49] aus den Bergen mit gutem, reichlichem Trinkwasser versehen. Schöne Punkte in der Umgegend sind die Orte Gracia, San Gervasio, Sarria, Sans, San Martin de Provensals, Horta, zum Teil industrielle, zum Teil Villenvororte von Barcelona mit schönen Garten- und Parkanlagen, und der 532 m hohe Berg Tibidabo, der eine herrliche Aussicht auf die Ebene von und auf das Meer gewährt.
Geschichte. Barcelona, angeblich von Hamilkar Barkas gegründet, war Hauptstadt der Lacetaner im tarraconensischen Spanien, dann römische Kolonie mit dem Beinamen Faventia. Die jetzige Stadt steht, da das Meer zurückgewichen ist, zum Teil auf neuem Grund. 415 eroberte Athaulf, König der Goten, und wurde daselbst erschlagen und begraben. 713 wurde Barcelona von den Arabern unter Musa erobert, 801 aber von Ludwig, dem Sohn Karls d. Gr., wieder genommen und zur Hauptstadt der spanischen Mark gemacht, zwar 752 von den Arabern aufs neue erobert, aber schon im 10. Jahrh. wieder von selbständigen Markgrafen regiert. In Barcelona wurden in den Jahren 540, 599, 906 und 1064 Kirchenversammlungen gehalten. 1137 wurde Barcelona infolge der Vermählung des Grafen Raimund Berengar IV. mit Petronella, des Königs Ramiro von Aragonien Tochter, mit letzterm Königreich vereinigt. Nach mehreren mißlungenen Versuchen, sich der aragonischen Herrschaft zu entziehen, war Barcelona 1640 Mittelpunkt des Aufstandes gegen Philipp IV. und unterwarf sich Frankreich, wurde aber 1652 nach 15monatlicher Belagerung der spanischen Herrschaft wieder unterworfen. Im spanischen Erbfolgekrieg stand es auf seiten des habsburgischen Prätendenten Karl und wurde daher 1714 von dem Herzog von Berwick ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Barcelona.
[* 8]
1) Provinz im Königreich Spanien in Catalonien, grenzt im N. an die Provinz Gerona, im W. an Lerida, im SW. an Tarragona, im W. und O. an das Meer, hat 7690 qkm, (1887) 902970 (442718 männl., 460252 weibl.) E., d. i. 117 auf 1 qkm, darunter 7408 Ausländer; von den Bewohnern können 515165 nicht lesen. Barcelona ist die bevölkertste, bestangebaute, gewerbthätigste und wohlhabendste Provinz des Staates, mit vielen blühenden Industriezweigen, namentlich Baumwollspinnereien und Webereien, Tuch- und Papierfabriken, Eisengießereien u. a. Metallindustrien. Die Provinz hat viele Mineralquellen, Steinsalz, Kohlen u. a. wertvolle Mineralien, [* 50] erzeugt Wein, Öl, Obst und sonstige landwirtschaftliche Produkte, zum Teil im Überfluß. Die Ausläufer der Pyrenäen erreichen hier noch 12-1600 m Höhe; doch ist ihr vom Llobregat durchflossenes Gebiet vorwiegend Hügelland. Die Provinz zerfällt in 14 Gerichtsbezirke.
2) Hauptstadt (Ciudad) von Catalonien sowie von der Provinz Barcelona, eine der größten und nach Madrid die volkreichste Stadt Spaniens, Waffen-, Hafen-, Handels- und Fabrikstadt ersten Ranges.
[* 51] ^[Abb.]
Lage, Bauten und Anstalten. Die Stadt liegt 41° 22' nördl. Br. Und 2° 11' östl. L. von Greenwich, an den Eisenbahnlinien Barcelona-Franz. Grenze (166 km), Tarragona-Martorell-Barcelona (101,7 km), Barcelona-Lerida (183 km), Sarria-Barcelona (5 km) und Valls-Villanueva y Geltru (Barcelona) (97 km), zwischen der Mündung des Llobregat und Besos an der Mittelmeerküste, die hier mit einer vorspringenden Halbinsel eine geräumige Hafenbucht bildet, in einer gut angebauten, mit Landhäusern (Torres) dicht besäten, von einer mit Wein und Wald bedeckten Hügelkette umschlossenen Ebene, am nördl. Fuße eines 191 m hohen, schroffen Felsenbergs.
Das diesen krönende, für uneinnehmbar geltende Fort Monjuich (Mons Jovis) und die befestigte Atarazanas (ehemals Arsenal) beherrschen Stadt und Hafen. Die mittlere Temperatur ist 17° C., das Maximum 31, das Minimum 2° C. Die Wasserleitungen führen aus den Bergen eine Fülle von Wasser herzu. Barcelona zählte (1887) 272481 E. und (1888) mit ihren Vorstädten (Gracia, San Martin de Provoncals, San Andrés, del Palomar, Hostafranchs, Barceloneta u. s. w.) gegen 450000 E. Nach Madrid und Cadiz ist Barcelona die schönste Stadt Spaniens und hat ein modernes Ansehen.
Die innere Stadt ist ziemlich regelmäßig gebaut, hat Häuser von vier bis fünf Stockwerken mit zahlreichen Balkons, gut gepflasterte Straßen und Gasbeleuchtung. Sie zerfällt in 10 Barrios. Die 1120 m lange Rambla, der große Boulevard von Barcelona, die schönste, breiteste und belebteste Verkehrsader bei Tag und Nacht, teilt sie von Süd nach Nord in zwei ungleiche Teile, La Ribera zur Rechten gegen das Meer und Arrabal zur Linken; sie beginnt an der Plaza de la Paz mit dem Columbusdenkmal an: Hafen und steigt allmählich zu ihrem andern Ende, der Plaza de Cataluña, empor. Hier ¶
mehr
schließen sich der prächtige 2 km lange Paseo de Gracia (nach der 45042 E. zählenden Vorstadt Gracia) u. a. von Platanenreihen beschattete neuere Straßen an. Zu den Sehenswürdigkeiten gehört ferner der herrliche Stadtpark auf der Ostseite und an Stelle des ehemaligen Kastells, wo auch 1888 die große Industrieausstellung stattfand, sodann die zwar enge, aber mit prächtigen Läden geschmückte Calle de Fernando, welche von der Rambla an die Ribera in östl. Richtung durchzieht.
Die wichtigsten Gebäude B.s sind die got. Kathedrale (La Seu) aus dem 13. Jahrh., mit drei Schiffen und vielen Kunstwerken; die noch ältere, mit Mohrenköpfen verzierte, got. Kirche Sta. Maria del Mar mit 3 von 5 Reihen schlanker Säulen [* 53] getragenen Schiffen, der Palast der alten Grafen von Barcelona, die Börse (Lonja), das Columbusdenkmal am Hafen u. s. w. In der Nähe von Barcelona das berühmte Benediktinerkloster Montserrat (s. d.). Die 1752 unter dem Marquis Mina angelegte Vorstadt Barceloneta, mit schnurgeraden, sich rechtwinklig schneidenden Straßen, zwei großen Kasernen, vielen Magazinen und schöner Kirche, liegt auf der den Hafen bildenden Halbinsel und wird von Schiffswerkleuten, Matrosen und Fischern bewohnt. Barcelona ist Sitz des Generalkapitäns von Katalonien, eines Bischofs und eines Obergerichts und hat 1 Dom-, 1 Kollegiat-, 82 Pfarr- u. a. Kirchen, 18 Nonnenklöster.
Die meisten der 28 Mönchsklöster sind teils niedergerissen, teils zu Unterrichtsanstalten, Spitälern, Kasernen u. s. w. verwendet worden. Außer einer großen Anzahl Humanitätsanstalten hat die Stadt 1 Zucht- und Korrektionshaus, mehrere kleine und 2 Haupttheater, darunter das schöne 4000 Personen fassende Opernhaus und einen Stiergefechtcirkus. Die Universität wurde vom Magistrat gegründet und von Alfons V. von Aragonien bestätigt, 1544 ein neues Gebäude eröffnet; seit 1576 lehrten die Jesuiten Grammatik und Rhetorik. 1714 wurde sie nach Cervera verlegt bis auf die mediz.
Fächer, [* 54] 1837 wieder in Barcelona eröffnet und 1857 neu organisiert. Sie hat eine philos., jurist., mathem.-naturwissenschaftliche, mediz. und pharmaceut. Fakultät, 50 Docenten und (1893) 1887 Hörer. Ferner bestehen ein botan. Garten, eine von der Junta de Comercio unterhaltene Handelsschule (2000 Schüler), Gelehrtenschule, Notariats- und Schiffahrtsschule, 1 Priesterseminar, 4 Akademien, die Provinzial- und Universitätsbibliothek (52000 Bände) und das große königl. Archiv der Krone Aragonien (15000 Bände, 80000 Briefe).
Industrie, Handel und Verkehr. Barcelona ist der Mittelpunkt der Industrie Kataloniens. Der Hauptzweig ist die Verarbeitung von Baumwolle (jährlich 250000 Ballen). Außerdem bestehen 1400 Webstühle für Seide, etwa 2000 für Schafwolle, große Maschinenfabriken, Eisengießereien, Fabriken für Papier, Glas, Steingut, Seifen, chem. Präparate u. s. w., Mahl- und Schneidemühlen, Färbereien, Druckereien und Gerbereien. - Schon im Mittelalter war ein Hauptplatz für den Handel im Mittelmeere.
Hier wurde 1258 das älteste Handels- und Seegesetzbuch verfaßt. (Vgl. Capmany, Memorias historicas sobre la marina, comercio y artes de Barcelona, 4 Bde., Madr. 1779-92, und Codigo de las costumbres maritimas de Barcelona, 2 Bde., ebd. 1791.) Jetzt ist es der wichtigste Hafen und Handelsplatz von ganz Spanien und steht in Dampfschiffverbindung mit Genua, Marseille, Cadiz, Marokko, [* 55] Lissabon, Liverpool, Hamburg, [* 56] Rio de Janeiro, Cuba und Buenos-Aires. 1888 verkehrten im Hafen 2760 Schiffe mit einem Gehalte von 2321288 t. Der Küstenhandel beschäftigt 3900 Schiffe von 1621642 t. Die Ausfuhr besteht, außer den Manufakturartikeln aller Art, vor allem in catalon.
Rotwein, besonders nach Südamerika, Südfrüchten und Branntwein; die Einfuhr in franz., engl. und ital. Fabrikwaren, Getreide aus Rußland, den Vereinigten Staaten [* 57] von Amerika [* 58] und der Türkei, [* 59] Bauholz aus der Ostsee, schwed. Eisen, [* 60] Hanf aus Riga, [* 61] Petersburg [* 62] und Marokko, Leinen, Kupfer- und Eisendraht aus Deutschland, [* 63] aus transatlantischen Häfen besonders Rohstoffe, Baumwolle, Häute, Reis, Kaffee und Kakao, Steinkohlen aus England und Frankreich, Gaskohlen aus Australien. [* 64]
Der Wert der Einfuhr 1887 betrug 284504906 Pesetas, der der Ausfuhr 239879966 Pesetas. Barcelona besitzt nach Madrid die wichtigste Bank Spaniens und 14 Assekuranzgesellschaften. In Barcelona sind vertreten, durch Generalkonsuln: Argentinien, Columbia, [* 65] das Deutsche Reich, [* 66] Frankreich, Hawaii, Italien, [* 67] Mexiko, [* 68] Österreich-Ungarn, [* 69] Salvador, [* 70] Schweden [* 71] und Norwegen, die Türkei und Venezuela; [* 72]
durch Konsuln: Belgien, [* 73] Bolivia, [* 74] Brasilien, [* 75] Dänemark, [* 76] die Dominikanische Republik, Griechenland, [* 77] Großbritannien, [* 78] Guatemala, [* 79] Honduras, [* 80] Liberia, [* 81] Monaco, [* 82] Niederlande, [* 83] Nicaragua, [* 84] Paraguay, Portugal, Rußland, die Schweiz, [* 85] Uruguay und die Vereinigten Staaten.
Geschichtliches. Die Stadt Barcino, eine phöniz. Gründung, als röm. Kolonie Colonia Faventia Julia Augusta Pia Barcino genannt, kommt schon im 4. Jahrh. n. Chr. unter dem Namen Barcelona vor, hieß aber im Mittelalter gewöhnlich Barcinona (Barchinona), bei den Arabern Barschaluna. Barcelona wurde 415 von den Westgoten unter Athaulf erobert, fiel im 8. Jahrh, in arab. Hände, denen sie 801 Ludwig der Fromme wieder entriß, der sie zur Hauptstadt der Fränkischen Mark machte. Dann gelangte sie 874 in die Hände franz. Grafen, unter deren Herrschaft sie aufblühte, bis sie 985 von Anhängern Almansors, des gefürchteten Ministers von Hischâm II. in Cordoba [* 86] erobert und zerstört wurde.
Nach ihrer Rückeroberung durch Graf de Borrell I. blühte sie bald unter dem Einfluß guter Gesetze und wertvoller Privilegien wieder auf. Durch die Vermählung des Grafen Raimund Berengar IV. mit der Erbtochter Ramiros II. von Aragonien wurde 1137 und ganz Catalonien mit diesem Königreich vereinigt. Der span. Herrschaft müde, unterwarf sich die Stadt mit Catalonien 1640 dem König von Frankreich. Gezwungen kehrte sie 1652 zum Gehorsam gegen Spanien zurück, ward indes 1697 von den Franzosen wiedererobert, jedoch im Ryswijker Frieden an Spanien zurückgegeben. Im spanischen Erbfolgekriege schlug sich Barcelona auf die Seite des Erzherzogs Karl.
Von Philipps V. Truppen unter dem Herzog von Berwick 1714 belagert, mußte es sich indes nach hartnäckigem Widerstände ergeben. Am ward es von den Franzosen unter dem General Duhesme durch Überrumpelung genommen und blieb im Besitz derselben bis 1814. Große Verheerungen richtete 1821 in Barcelona das Gelbe Fieber an. Nach Unterdrückung des karlistischen Aufstandes der Agraviados hatte es gleich Catalonien seit 1827 die blutige Strenge des Grafen d'España zu erdulden. Der span. Bürgerkrieg der folgenden Zeit zog auch in seine Greuel durch Volksaufstände und Empörungen; namentlich 1835 und 1836, wobei eine republikanische Richtung ¶
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hervortrat. Auch 1840 war die Stadt der Schauplatz einer bedeutenden Krisis, die mit der Regentschaftsübernahme durch Espartero endete; 1841 und 1842 kam es zu neuen Aufständen, teilweise wegen Einführung der Konskription (Quinta). In letztern wurden die Truppen vorübergehend auf das Fort Monjuich beschränkt, und erst ein Bombardement konnte die Insurgenten zur Übergabe zwingen. Denselben Verlauf nahm der Aufstand von 1843. Im J. 1854 wurde die Revolution O'Donnells in Madrid durch eine gleichzeitige Bewegung in Barcelona unterstützt, die aber ohne Blutvergießen verlief, da sich Truppen und Behörden derselben anschlossen. Dagegen mußte ein Progressistenaufstand, der infolge des O'Donnellschen Staatsstreichs ausbrach, 1856 blutig niedergeworfen werden. Seitdem wurde die Ruhe B.s nicht mehr dauernd gestört; bei den neuern Bewegungen in Spanien stand die Bevölkerung durchweg auf liberaler Seite. Im Jan. 1874 traten föderalistische Neigungen stark hervor und veranlaßten Unruhen, die aber sehr bald unterdrückt wurden.