diejenige
Gattung der
Malerei, welche die Werke der
Baukunst an und für sich
zum Vorwurf ihrer
Darstellung wählt. Bei den Völkern des
Altertums und des
Mittelalters kann von einer Architekturmalerei nicht gesprochen
werden, indem die
Architektur hier einfach als
Hintergrund oder Umrahmung eines Gemäldes oder auch als bloße phantastische
Dekoration verwendet wird. Für
Ausbildung einer eigentlichen Architekturmalerei war vor allem das Auftreten der Gebrüder
van
Eyck (um 1426) entscheidend, die, mit tiefer Kenntnis der Linearperspektive und der
Gesetze der
Architektur ausgerüstet,
ihre
Figuren in reale Baulichkeiten hineinstellten.
Ihre Prinzipien verbreiteten sich über den ganzen
Norden
[* 2] und übten selbst auf die italienische
Kunst einen maßgebenden Einfluß
aus. Zur völligen
Emanzipation der von der kirchlichen
Malerei kam es freilich erst im 16. Jahrh. und
zwar vor allem in den
Niederlanden, wo die Anregung der van
Eyck in voller
Stärke
[* 3] fortgedauert hatte. Voran schritt hier Jan
Vredeman de
Vries (geb. 1527), der Hendrik van Steenwyck den
Ältern unterrichtete, dem wieder sein Sohn Hendrik van
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Steenwyck (lebte noch 1642) und PeterNeefs der Alte folgten. Sie liebten noch immer die Staffage aus der heiligen Geschichte.
Den größten Ruhm unter ihnen genießt Neefs, der die Linien- und Luftperspektive mit Meisterschaft beherrschte; Teniers, Franck,
Brueghel u. a. haben seine Gemälde staffiert. Doch hat er keineswegs den Höhepunkt der
Architekturmalerei erreicht, indem ihm noch immer die harte, scharfe Behandlung der ältern Meister anhing. Zur völligen Freiheit gelangte
die Architekturmalerei erst durch Männer wie S. van Ehrenberg, Gheringh, P. Neefs den Jüngern u. a. in Belgien,
[* 5] de l'Orme, van Delen, H. van
Vliet u. a. in Holland, namentlich aber durch Emanuelde Witte (1607-92, lebte zu Amsterdam),
[* 6] auf den Rembrandts
malerische Behandlung von größtem Einfluß war. Er malt ebenso weich wie bestimmt, sein Helldunkel ist von großer Kraft,
[* 7] und er versteht die malerische Wirkung der Architektur zu voller Geltung zu bringen.
Auch der große Landschafter J. ^[Jacob] van Ruisdael verstand sich meisterhaft auf die Architekturmalerei. Überhaupt ist
die ganze holländische Schule des 17. Jahrh. durch ihre Interieurs, ihre Stadt- und Straßenprospekte, in welch letztern sich
namentlich J. ^[Jan] van der Meer und J. ^[Jan] van der Heyden auszeichnen, der Architekturmalerei zugewendet. In Italien
[* 8] brachte es die Architekturmalerei nicht
zu einem besondern Zweig; hier betrachtete man Landschaft und Architektur als bloßen Hintergrund des Historienbilds.
Im Beginn der modernen Kunstentwickelung ist vor allen Schinkel zu nennen, der mit einer klassischen Richtung
den ausgezeichnetsten Sinn für dekorative Wirkung verband und neben eignen Schöpfungen, unter denen die Interieurs der Peterskirche
und des MailänderDoms sowie eine Anzahl von kulturgeschichtliche Epochen charakterisierenden architektonischen Kompositionen
hervorzuheben sind, auch die Anregung zu den mit wahrhaft künstlerischer Vollendung ausgeführten Theaterdekorationen gab.
In letzterm Fach leistete namentlich KarlGropius Ausgezeichnetes, wie z. B. seine Kathedrale in Reims
[* 9] zur
»Jungfrau von Orléans« beweist. Bekannt sind die Dioramen desselben Künstlers. Domenico Quaglio (gest. 1837) erhob die Staffelei-Architekturmalerei
wieder aus ihrem Verfall.
Ausgezeichnete Architekturmaler waren Hasenpflug in Halberstadt,
[* 10] welcher alte Klostergänge meist in winterlichem Prospekt zu
malen liebte, Ainmüller und Vermeersch in München.
[* 11] Pulian in Düsseldorf
[* 12] wählte vorzugsweise altertümliche
Straßen, alte, verfallene Kirchen etc. zur Darstellung. Noch verdienen genannt zu werden: Gärtner, Helfft, Dietrich, Konrad, v.
Bayer, Neher, Gerhardt, Mayer und der treffliche Aquarellist R. Alt. Der berühmteste deutsche Architekturmaler der Gegenwart
war K. Graeb (gest. 1884) in
Berlin,
[* 13] meisterhaft in der Perspektive und der sorgfältigen, aber immer malerischen
Ausführung. Neben ihm sind der 1882 verstorbene Chr. Wilberg (Berlin), Seel (Düsseldorf), Körner (Berlin) und Lor. Ritter (Nürnberg)
[* 14] zu nennen. In Frankreich war Granet (gest. 1849) der gefeiertste Architekturmaler der Neuzeit, der seine Gegenstände
immer von der originellsten und charaktervollsten Seite aufzufassen und mit sehr wirkungsvoller Staffage
auszustatten verstand. In Frankreich wandten viele Künstler auch die Aquarellmalerei mit Erfolg zu architektonischen Darstellungen
an, so Ouvrié, Garnerey, Rochebrune, Villeret.
Dasselbe geschah in England von Haghe, Chase, Howse u. a. Andre in England gerühmte Architekturmaler sind: Prout mit seinen italienischen,
deutschen und andern Prospekten;
Roberts, der spanische und orientalische Bauwerke mit seltener Genauigkeit
und Wahrheit zur Anschauung zu bringen weiß;
der Zweig der Malerei, der die Darstellung von Baulichkeiten im künstlerischen Sinne, d. h. also
im Gegensatz zu deren Aufnahme im technischen Sinne, zur Aufgabe hat. Sie giebt teils die äußere Ansicht der Bauwerke, teils
ihre innern Räume wieder (sog. Interieurs). Schon Vitruv erwähnt die und in Pompeji
[* 15] finden sich Beispiele
einer Architekturwandmalerei, die jedoch nur dekorative Zwecke verfolgt. - In den italienischen Schulen des Mittelalters wurde
bei der Darstellung der Heiligengeschichte erst sehr allmählich das Beiwerk sorgfältiger behandelt und neben der Landschaft
auch die Darstellung von Architekturen als Hintergrund der histor.
Scenen gebräuchlich. Hierzu liegen die ersten bedeutenden Anfänge in der Schule Giottos. Im 15. Jahrh.
zeigt Benozzo Gozzoli da, wo die dargestellte Handlung im Innern der Städte oder der Wohnungen vorfällt, die reichste Phantasie
für architektonische Gegenstände, indem er mannigfaltige, nach außen durch Säulenstellungen geöffnete Hallen, zierliche
Galerien u. s. w. in schönem ital.-got. Stile darstellt. Weniger phantastisch brachte Ghirlandajo städtische
Architektur zugleich in ausgebildeter Perspektive an. Die ital. Schulen ahmten gelegentlich
die Architektur der Kirchen oder Kapellen, für die ihre Gemälde bestimmt waren, im Bilde perspektivisch verkürzt nach.
Die bedeutendsten Fortschritte aber verdankt die Perspektive den Bemühungen von experimentierenden Malern, wie Paolo
Uccello,
Piero della Francesca, Melozzo da Forli, Andrea Mantegna und den eifrigen geometr. Studien eines Alberti,
da Vinci, Fra Bacciolo, worauf die Architekturmalerei eines Perugino, Botticelli, Lippi und anderer Quattrocentisten beruhten. Die höchste
Entfaltung zu selbständigen architektonischen Schöpfungen erhielt dieser Kunstzweig in Raffaels Fresken und in den Bildern
der Venetianer (Tizian, Paolo Veronese, Tiepolo). Eine besondere Richtung der spätern ital. Kunst war die
Ruinenmalerei, in der namentlich Giovanni Paolo Panini (gest. 1768) glänzte. Im Norden ist es die Eycksche Schule, die biblische
Scenen (Beschneidung, Darbringung im Tempel
[* 16] u. dgl.) gern in got. Kirchen geschehen darstellt. Den Pinturicchio ließ Papst Innocenz
VIII. eine Reihe von Städteansichten malen. Indes blieben die mit miniaturartiger Sauberkeit behandelten
profanen Gegenstände noch immer ein an die kirchlichen Stoffe gebundenes Nebenelement, bis sie sich im 16. Jahrh. in den
niederländ. Schulen selbständig loslösten. - Die deutsche Schule des 16. Jahrh.
bekundet bereits ansehnliche Bestrebungen, die Architekturmalerei selbständig zu machen; allerdings erscheint dabei
die Darstellung von Gebäuden mehr Sache der graphischen als der malerischen Kunst. Der NürnbergerPaul
Juvenel (1579-1643) zeichnet sich durch seine Interieurs aus. - Dann erscheint zu Ende des Jahrhunderts in den Niederlanden
P. Neefs als eigentlicher Architekturmaler.
In der Mitte des 17. Jahrh. blühte Steenwyck der Jüngere. Ganz der Darstellung profaner Baulichkeiten,
auch ohne heilige Staffage, widmete sich van der Heijde. Andere Künstler, die bald das Innere kirchlicher Gebäude in prächtig
ital. Stile, bald säulengetragene Paläste oder freundliche Wohnzimmer darstellten, sind Vliet, Vlieck, van Deelen, E. de Ville,
Johann Ghering u. a. Auch von Ruisdael rührt ein vortreffliches Architekturgemälde, eine
innere Ansicht der Kirche zu Amsterdam, her. - Im 18. Jahrh. zeichneten sich der VenetianerCanale und dessen
Neffe Bellotto (genannt Canaletto) durch ihre Stadtprospekte, besonders von venet. Kanälen, aus; auch der PragerJoseph Platzer
(1752-1807) verdient erwähnt zu werden.
Aus der neuern Zeit ist vor allen Schinkel zu nennen, der mit einer entschieden klassischen Richtung einen
feinen Sinn für dekorative Wirkung verband und neben eigenen Schöpfungen auch zahlreiche Entwürfe zu Theaterdekorationen
lieferte, welche Gerst (gest. 1854) und später Paul Gropius mit künstlerischer Vollendung ausführten. Aus Gersts tüchtiger
Schule ging Graeb, aus Gropius' Schule Hasenpflug hervor, Vertreter der Staffelei-Architekturmalerei.
Vor ihnen hatte diese schon Domenico Quaglio in München wieder auf eine bedeutende Höhe erhoben, auf
welcher sie durch Ainmüller,Mich. Neher, der im Sinne Quaglios mittelalterliche Bauwerke malte, ferner durch den ArchitektenKlenze, Wilh. Gail, welcher Innenräume, von Bayer (in Karlsruhe),
[* 17] der Kreuzgänge und Klöster darstellte, Vermersch, E. Gerhardt,
der seine ArchitekturenSpanien
[* 18] entlehnte, K. Mecklenburg
[* 19] und Kirchner erhalten wurde. Aus der Düsseldorfer
Schule sind hervorzuheben: der Architekt Wiegmann, Conrad, Pulian, der malerische Partien aus alten rhein. und belg.
Städten liebt, und Ludw. Tacke. Von Architekturmalern
der Gegenwart sind noch zu nennen: Gärtner, Helfft, Graeb der Jüngere, Possart in Berlin, H. Gemmel in
Königsberg,
[* 20] ferner Grefe, Fischbach und Sellény in Wien,
[* 21] Nerly in Venedig,
[* 22] Hauschild in Rom,
[* 23]
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Choulant in Dresden.
[* 25] Eine besondere Stellung als geschickte Architekturmaler nehmenRud. Alt inWien und Karl Werner in Leipzig
[* 26] ein. Im allgemeinen ist das Interesse für den Kunstzweig zurückgegangen. - Dagegen hat die Ausstattung architektonischer
Entwürfe sich zu hoher Kunst entwickelt, die namentlich durch die zahlreichen Wettbewerbungen zur Blüte
[* 27] gebracht
wurde. Unter den Architektengaben Ludw. Bohnstedt, Martin Gropius, Paul Wallot, Friedr. Thiersch u. a. die Anregung zu gesteigerter
malerischer Behandlung der Pläne. Architekturzeichner, wie Theuerkauf, Mansfeld, Lambert und Stahl, Baldinger sind hier noch
zu nennen. - Unter den Franzosen galt Granet (gest. 1849) als der beste Architekturmaler neuerer Zeit. Bei
der Beliebtheit der Aquarellmalerei (s. d.) stellten in Frankreich viele Künstler auch Architekturen in Wasserfarben dar, namentlich
Ouvrié, Garnerey, Rochebrune, Villeret. - In England glänzen als Architekturmaler: Prout (gest. 1852) mit Ansichten aus
Italien, Deutschland
[* 28] u. s. w.;
Roberts, der span. und orient.
Architekturen mit großer Wahrheit zur Anschauung bringt; Mackenzie,
Goodall, Williams. Auch der vielseitige Turner gehört hierher sowie Haghe, Callcott, Callow, Bonington,
Robson, Edridge, Davidson und viele andere. - Unter den Italienern zeichnet sich neben andern Migliara aus; von den Holländern
und Belgiern verdienen besonders Erwähnung: Waldorp, Larsen, Bosboom, Haanen, ten Kate, Springer, BossuetvanYpern, Stroobant,
van Moer;