Absatzkrisen
nennt man jene umfangreichern Stockungen des
Absatzes einzelner oder vieler Handelsartikel, welche auf
dem Weltmarkt fühlbare Gleichgewichtsstörungen hervorrufen. Dieselben beruhen stets auf einem unvorhergesehenen oder durch
die
Spekulation absichtlich verschleierten Mißverhältnis zwischen
Produktion und
Konsumtion, Gütervorräten
und wirklichem
Bedarf; sie bilden daher eine Teilerscheinung der großen
Erschütterungen und
Krankheiten der
Volkswirtschaft,
die unter dem
Namen von Handelskrisen und Spekulationskrisen in neuerer Zeit immer häufiger wiederzukehren pflegen. Im engern
Sinn sind also Absatzkrisen
und Handelskrisen (s. d.) als identisch
anzusehen. Im weitern, uneigentlichen
Sinn des
Worts spricht man bisweilen von Absatzkrisen
schon in denjenigen
Fällen,
wenn entweder 1) einzelne
Artikel in solchem Übermaß auf den
Markt gebracht werden, daß die
Nachfrage dem
Angebot nicht folgen
kann und der Überfluß der betreffenden
Ware einen
Sturz oder Rückgang des
Preises derselben sowie eine Beeinträchtigung
der bezüglichen
Produktions- und Handelszweige veranlaßt, ohne weiter reichende
Folgen in der
Volks- oder
Weltwirtschaft nach sich zu ziehen, sogen. speziale oder partikulare Absatzkrisen;
oder
2) wenn einzelne Wirtschaftsgebiete oder Marktplätze infolge von Verkehrsstörungen an dem normalen
Absatz ihrer
Produkte
und Warenvorräte gehindert sind, und wenn sich innerhalb ihrer
Grenzen
[* 2] eine Aufstauung von
Gütern vollzieht, welche
rein örtliche Preissenkungen und Geschäftsstockungen hervorruft: lokale Absatzkrisen
(Verkehrskrisen). In beiden
Fällen ist eine Verbreitung auf mehrere
Produktions-,
Absatz- und Bedarfsgebiete zwar möglich und auch wahrscheinlich; solange
eine solche aber hintangehalten wird und eine individuelle, partikulare oder lokale Begrenzung gelingt, ist auch der
Ausdruck
Krise, der immer eine allgemeine wirtschaftliche Gleichgewichtsstörung bedeutet, nicht recht am
Platz.
Beispiele für die Möglichkeit begrenzter spezialer und partikularer Absatzstockungen liefern: die Baumwollkrise (total
unrentabler Betrieb der Baumwollmanufakturen bei niedrigsten
Preisen) in
Lancashire 1878, die Theekrise (Rückgang des gesamten
Theehandels) 1881-83, die Ölkrise (Überspekulation eines
Konsortiums) in
Paris
[* 3] 1883 etc.
Belege für lokale Absatzkrisen
finden
sich im
Gefolge jedes
Kriegs, bei plötzlich eintretenden Prohibitiv-,
Schutz- oder Finanzzollmaßregeln, bei
Unterbrechungen
der Kommunikationsanstalten nach gewissen Elementarereignissen, wie
Überschwemmungen,
Erdbeben
[* 4] etc.; hier liegt in der
Ursache
selbst die Gewähr der Lokalisierung.