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Dem Entstauben folgt das eigentliche Säubern, ! wofür besondere Waschmaschinen konstrniert sind. ^ Dieselben dienen hauptsächlich als Entfettungs- Maschinen, da in ihnen die Wolle durch Behand- lung mit schwachen Langen oder fettauslösenden Mit- teln, wie Schwefelkohlenstoff, Benzol u. s. w., von dem ihr anhaftenden Fett befreit und dann mit Wasser ausgewaschen und gespült wird. Neuerlich wendet man in Fabriken fast durchgängig koutinuierlich arbeitende Waschmaschinen, sog. Leviathans, an, welche meist ganz selbstthätig sind.
Dem langen wannenförmigen Bottich, in welchem sich die Lauge befindet, wird die Wolle aus einem Lattentuch zu- geführt. Hier wird sie in einzelnen Partien durch Rechen oder Gabeln, die eine greifende Bewegung ausführen, untergetaucht und gelockert, einem zweiten Rechen übergeben, der sie auf gleiche Weise durch die Lauge zieht und weiter befördert. Ein letzter Rechen hebt die Wolle auf ein Lattentuch, das sie nach einer Walzenprcsse befördert; von hier gelangt sie zur nächsten Waschmaschine [* 2] oder zur Spül- maschine, wo sie mit kaltem Wasser nachgespült wird.
Hierauf gelangt dieselbe zwischen die Walzen einer zweiten Wollquetschmaschine, die zum Aus- pressen des Wassers aus der Wolle dient. Da die gewaschene und gepreßte Wolle immerhin noch viel Wasser enthält, wird dieselbe mittels hierzu kon- struierter Centrifugcn und hierauf durch Wärme [* 3] m besondern Trockenräumen, häusiger mittels mechanisch bewegter Trockenmaschinen, wie sie bei der Appretur (s. d.) Verwendung finden, getrocknet. Die Wollschweiß Wässer werden eingedampft und auf Pottasche verarbeitet, während aus den Seifenwassern durch Zusatz von Säure oder von Kalk die Fettsäuren abgeschieden und wieder auf Seife oder zu Leuchtgas [* 4] verarbeitet werden.
Handelt es sich um die Erzeugung wollfarbiger Tuche, so wird die Wolle nach dem Trocknen mit echten Farben (Z. B. Indigo) [* 5] gefärbt. Die so weit vorbereitete Wolle wird, wenn sie zu Streichgarn verarbeitet werden soll, durch das Wölfen auf- gelockert und von fremden Bestandteilen, wie Staub, Stroh, Kletten u. s. w., befreit. Staubige, schmutzige und auch Abfallwolle wird zuerst einem Schlag- wols aufgegeben, dessen Konstruktion derjenigen eines Whlppers (s. Baumwollspinnerei) entspricht und in wclckem dieselbe durch mehrere auf zwei Wellen [* 6] sitzende Reiben Schläger bearbeitet wird. ^um Offnen und Klopfen der Wolle dient der Spiral-, Reiß- und Klopfwolf.
Die durch ein endloses Lattentuch zugeführte Wolle wird von den auf schraubenförmigen Flügelblechen sitzenden Zähnen einer Trommel ergriffen, weiterhin durch die in Spirallinien auf der Welle befestigten Zinken geklopft und nach der entgegengesetzten Seite trans- portiert, wobei eine starke Ventilation stattfindet, die den Wollstaub durch das unter der Zinkeilwelle liegende Sieb treibt und die Wolle selbst lockert. Es kommen auch Wölfe zur Verwendung, welche aus- schließlich zum Lockern der Wolle dienen; dieselben haben nur eine mit Zinken besetzte Trommel von großem Durchmesser und sichren den Namen Reiß- oder Droussetwölfe.
Als bessere Vorbereitunqs- maschine hat sich in den letzten Jahren der sog. Krempelwolf eingebürgert, welcher sich dein Reiß- wolf gcgelml'l'r dllrch cinc gute Schonung des Spinn- gutes und eine innige Durchmischuug desselben auszeichnet. Dies wird erreicht, indem bei diesem Wolf nach Art der Krempel über der Zabntrommel noch mehrere mit Zähnen besetzte Walzenpaare an- geordnet sind, an welchen die von der Zahntrommel mitgeführte Wolle zu einer wiederholten Zerteilung gelangt. Um die Wolle von den ihr anhaftenden Metten zu reinigen, bedient man sich des Kletten- wolfs, welcher entweder derartig arbeitet, daß die Kletten aus der Wolle gleichsam herausgeschnitten werden, oder, was vorteilhafter für die Wolle er- scheint, daß letztere von den Kletten abgezogen wird. In diesem Wols wird die Wolle gelockert, vom Farb- staub u. s. w. mit Hilfe eines Ventilators gereinigt und dann der Klettenwalze, einer großen Trom- mel, übergeben, auf der die Kletten durch Scklag- walzen gänzlich beseitigt werden, worauf die Wolle durch eme Abstreich-Bürstwalze von der Kletten- walze abgenommen wird.
Neuerdings werden die Kletten zuweilen auf cbem. Wege durch karbonisieren (Behandeln der Wolle mit verdünnter Schwefel- oder Salzsäure und nacb- folgendes Erhitzen und Schlagen) entfernt, wodurch die vegetabilischen Stoffe zerstört werden, wäbrend die Wollfaser nicht angegriffen wird. In der Streichwollspinnerei ist es zur wei- tern Verarbeitung erforderlich, die Wolle mit ctwac- Ol anzufeuchten. Dies geschieht entweder vor oder nach dem Wölfen, und zwar entweder von Hand [* 7] oder in einer Maschine, [* 8] dem Olwolf, welcber da^ Öl vor dem Wölfen in einem feinen Regen anf die Wolle ausfließen laßt. - Über die weitern Proze^e der Wolmirstedt s. Spinnerei.
Wollstein, Kreisstadt im Kreis [* 9] Bomst des preuß. Reg.-Bez. Posen, [* 10] an der Doyca, zwischen dem W oll - steiner See und Nelker See, an der Nebenlinie Bentschcn-Wolmirstedt-Lissa der Preuß. Staatsbabnen, Sitz des Landratsamtes des Kreises Bomst und eineo Amtsgerichts (Landgericht Meseritz), hat (1895) 3236 E., darunter 1435 Evangelische und 330 Is- raeliten, Postamt zweiter Klasse, evang. und katb. Kirche, höhere Knaben- und Mädchenschule, evang. und kath. Waisenhaus, zwei Krankenhäuser, Vor- schuhverein, städtische Sparkasse; Obstweinsabrik, Branerei und Molterei. Wöllstein, Flecken im Kreis Alzey der bess. Provinz Rheinhessen, am Appelbach und der Neben- linie Sprendlingen-Wolmirstedt (5,9 km) der Süddeutschen Eisenbabngesellschast, Sitz eines Amtsgerichts (Land- gericht Mainz), [* 11] hat (1895) 1741 E., darunter etwa 620 Katholiken und 60 Israeliten, Simultankirche, Präparandenanstalt; Acker- und Weinbau., Wollstickerei, s. Stickerei. Wollwäsche, s. Schaf. [* 12] Wolmar.
1) Kreis im westl. Teil des russ. Gouvernements Livland, [* 13] am Nigaischen Meerbusen, hat 4959,6 116478E. (Letten); Ackerbau,Vieh- zucht, mehrere Fabriken. - 2) Wolmirstedt, lett. ^VlllinaiO, esthn. ^VoimHii-iin, Kreisstadt im Kreis Wolmirstedt, rechts an der Aa und an der Linie Petersburg-Riga der Balt. Eisenbahn, hat (1890) 2644 E., Post, Tele- graph, eine evang., eine russ. Kirche, Synagoge' Brauerei, Wollkämmerei, Flachs- und Viehmarkte. Wolmirstedt.
1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Magdeburg, [* 14] hat 695,74 cikm und (1895) 52415 (25484 mä'nnl., 26931 weibl.) E., 1 Stadt, 51 Land- gemeinden und 17 Gutsbezirke. - 2) Kreisstadt im Kreis Wolmirstedt, 14 kin nördlich von Magdeburg, an der Ohre und der Linie Magdeburg-Stendal-Ülzen- Bremen [* 15] der Preuß. Staatsbahnen, [* 16] Sitz eines Amts- gerichts (Landgericht Magdeburg), hat (1895) 4170 E., darunter 148 Katholiken und 20 Israeliten, ¶
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Postann zweiter Klasse, Telegraph, [* 18] Ruinen eines crzbifchöst. Schlosses und einer got. Schloßkirche, Magdalenenstift, Kreiskrankenhaus, Spar- uild Vorschußkasse: Lohgerberei, Brauerei, Ziegelei, Molkerei, Znckerfabrik und Landwirtschaft. Wow, Stadt in Tbessalien, s. Volos. Wowf, Negerstamm in Senegambien, s. Foloff. Wölogda.
1) Gouvernement inr nordöstl. Teil des europ. Rußlands ss. Karten: Europäisches R u ß land und M i t telr u ß land, beim Artikel Rußland), das größte nach dem Gouvernement Archangelsk, bat 402 732,7 hlim mit l1897 1365313 E., d. i. 3,4 auf 1 (iicin. Die Oberfläche ist im ganzen eben. An der Ostgrenze ziebt sich das Uralgedirge, von dem einige Abzweignngen nach Wolsey reicken; au der Südgreuze die sog. Üral-Alauniscke Hügelkette, die die Wasserscheide zwischen dem Eis- meer und dem Kaspischcn Meer bildet; von Wolsey ragen Ausläufer der finnisch-olonezkiscken Höhen und von N. die Timanschen Höben hinein. Hauptstrom ist die Dwina mit ihren Quellenströmen Suchona imd Fug und zablreicken Nebenflüssen ldarunter die Wvtscbegda); dann folgen nach O. zu der Mesen und die Peyckora.
Seen nehnien 606 ykm ein; der größte ist der See Kubenskoje. Im Norden [* 19] und Osten debnen sich gewaltige Moräste und Sandheiden ans. Kulturland ist fast nnr im Süden und Westen vor- handen. Etwa 95 Proz. des Landes sind mit Wald bedeckt. Das Mineralreich liefert Salz, [* 20] Eisen, [* 21] Bau-, Kalksteine', stelleuweise tritt Naphtha zu Tage. Das Klima [* 22] ist raub', die mittlere Jahrestemperatur in Ustsvßolsk 0,3, iu der Stadt Wolsey 2,4° 0., die Menge der Niederschlage 300-500 mm. Die Bevölkerung bestebt aus Großrusseu; nur im nordöstl.
Teil finden sick Svrjanen. Ackerbau, Viehzucht, [* 23] Jagd, Fischerei, [* 24] Scbiffabrt und Waldiudnstrie bilden die Hanptbe- schäftiguug. Von 249 Fabriken und industriellen Anlagen mit 2,?6 Mill. Prodliktion sind zu nennen Branntweinbrennereien, Flachsbrechercien, Säge- inüblen, Borstenzurichtereien, Eisenhütten; der Er- trag der einst bedeutenden Salzsiedereien ist zurück- gegangen. VonderEiscnbalnvIaroslawl-Archangelvt liegen in Wolsey etwa 300 km. Es giebt 638 Schulen, darunter sieben Mittelschulen für Knaben, fünf für Mädchen. Das Gouvernement zerfällt in 10 Kreise: [* 25] Grjasowez, Iarensk, Kadnikow, Nikolsk, Solwytsche- godsk, Totma, Ustjug (Welikij), Ustsvßolsk, Welsk und Wolsey. Das Land, ursprünglich von sinn. Stämmen bcwobnt, wurde scbou im 11. und 12. Iabrb. von deu Nowgorodern in Besitz genommen und kam mit dem Fall Nowgorods zu Moskau. [* 26] - 2) Kreis im südwestl. Teil des Gouvernements Wolsey, am Ober- lauf der Suchona, bat 6266,2 qkm, 146 143 E. - 3) Hauptstadt des Gouvernements und des Kreises Wolsey, zu beiden Seiten der Wolsey l 140 km lang; zur Suchona), an der Mündung der Solo- tucha und an der Eisenbahn Iaroslawl-Archangelst, Sitz des Gouverneurs und des Bischofs dcr Eparckie Wolsey und Ustjug, bat (1897) 27 855 E., 47 Kirchen, 1 Möncks-, 1 Nonnenkloster, 1 kath., 1 evang.Kircbe, 1 Knaben-, 1 Müdckengymnasium, Realschule, Geist- liches Seminar, Museum, drei Zeitungen, Stadt- bank, Filiale der Russischen Rcichsbank; 19 Fabriken, besonders Branntweinbrennereien und 1 Wachs- lichterfabrik, Flußbafen, Handel mit Archangelsk, Petersburg [* 27] und Moskau.
Über Wolsey ging lange Zeit der Handelsweg von Moskau nach Sibirien und vor der Gründung Petersburgs auch der Weg für den europ. Handel über Archangelsk lind das Weiße ! Meer, wobei Wolsey der Hauptstapelplatz war. Vorder ! Eroberung Sibiriens war es Verbaunungsort. z Wöloft (russ. volust, Gebiet), in der ältesten Zeit das Gebiet eines Stammes, eine selbständige Land schaft, dann Fürstentum, daun das Landgebiet im Gegensatz zur Stadt, später ein Verwaltungsbezirk, jetzt die aus mcbrern Torfgemeinden bestehende Ge samtgemcinde und deren Bezirk.
Wolotschisk, poln. Vct0c/.M, Flecken im Kreis Starokonstantinow des rnss. Gouvernements Vol- bynien, am Zbrncz und an der galiz. Grenze, bat (1897 3407 E., 2 russ.^ 1 katb. Kirche, 1 Svua- goge; 4 I davon die Station Wolsey der Eisenbabu Odessa-Birsula-Wolsey, die hier bei dcmgegenüberliegen- denPodwoloczyska andieGaliz. Karl-Ludwigs-Bahn anschließt, Zollamt erster Klasse. Wolseley (spr. wulls'le), Sir Garnet, Lord Wolsey of Cairo, brit. Feldmarschall, geb. zu Golden Bridgehouse bei Dubliu, trat im März 1852 in die brit. Armee, diente 1852-53 in dem Kriege gegen Birma, dann als Ingenieur, 1854-55 inl Krimkricge, 1857-60 in den Kriegen in Indien llnd China [* 28] und stieg schon 1865 zum Oberst auf. 1867 ging er nach Canada, wo die erfolgreiche Erpedition gegen die Red-River-Indianer ihm 1870 die Er- debnng zum Generalmajor und die Nitterwürdc ein- trug. 1871 wurde Wolsey stellvertretender Generaladju- tant im Kriegsministerium und erhielt 1873 den Ober- befehl über die Erpeditiou gegen die Aschanti, die er 1874 glücklich beendete. (S. Goldküste.) 1875 wurde er Gouverneur von Natal, 1876 Mitglied des Rates von Indien, dem er bis 1878 angehörte, worauf er als Oberkommissar und Oberbefehlshaber die Ver- waltung Cyperns überuabm. 1879 wurde er zum Gouvernenr von Natal und Transvaal ernannt. Er beendigte den Zulukrieg, nahm den König Ketsch- wavo (s. d.) gefangen, unterdrückte den Aufstand im Basutolande und kehrte im März 1880 als General- quartiermcister uach England zurück. Im April 1882 wurde Wolsey Generaladjutant im Kriegsministerinm uud erbielt im Juli den Oberbefehl über das nach Ägypten [* 29] entfendete Erpeditionskorps, wo er durck den Sieg bei Tel cl-Kebir 113. Sept.) und die Ge- fangennabme Arabi Paschas (s. d.) den Aufstand schnell unterdrückte. 1884 leitete er den Zug zur Rettuug Gordons (s. Sudan), nach dessen Mißlingen er nach England zurückkebrte, 1885 wurde er Viscount und trat die Stellung als Generaladjutant im Mili- tärdepartement wieder an. 1890 wurde er zum Ober- befchlsbaber der brit. Truppen in Irland, 1894 zum Feldmarschall und 1895 zum Oberbefehlshaber des brit. Heers ernannt. Wolsey fchrieb den Roman «Nai- Ikv ('a8tl»" (2 Bde., 1877),
ferner «'liio Zoläikr'^ poV'^t-dook t'oi-n'6iä'86i'vic6» (1869; 3. Aufl. 1882", c ok tlik V!N' in CkiilH 1860" (1862),
tt'1'1^ 8)'8t6M ok N'6lä'ManwNV168" s1872),
«»IK6 lilß ot' .lolin ('^ulonill, I)nii6 cf Nai idoi ttu^ii to tiis a (^8"ion ot' (^uc"n ^nne" (2 Bde., Lond. 1894). Wolsey engl. Staatsmann, geb. im März 1471 zu Ipswich, wurde Erzieber beim Marquis von Dorset, wo ih:n seine glänzenden äußern und innern Gaben bald ! höbe Gönner erwarben. Der Bischof von Winchester ! brachte ibn als Kaplan an den Hof, [* 30] und noch unter Heinrick VIl. vollfübrte er nlit Glück eine diplomat. ! Sendung. Vor allem wurde er der Günstling Hein- ! richs Vtil. und stieg scknell zu den höchsten Würden, ^ 1514 voln Bischof von Lincoln zuin Erzbifckwf vo// i Z)ork und 1515 zum Kardinal und zum ^ordkanzler ¶
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von England. Seme fast unbeschränkte Staats- leitung hielt sich in den von .Heinrich VII. vorge- zeichneten Bahnen, eine grundsätzliche Friedenspoli- tik schuf dem Handel Frecheit zur Entwicklung, und zugleich gab er England eine europ. Großmacht- Heilung durch seine meisterhafte Diplomatie. Im Innern arbeitete er an dem Ausbau des von Hein- rich VII. begründeten königl. Absolutismus im Ver- fassungsstaat, und um die Einsprache der Parla- mente zu meiden, führte er trotz der Verschwendung des Königs die Finanzverwaltung so vorzüglich, daß unter seiner Staatsleitung nur ein einziges Mal (1523) ein Parlament berufen wurde und zwar wegen des gegen Franz I. von Frankreich begonnenen Krie- ges, in den Heinrich VIII. gegen W.s Willen den Staat gestürzt hatte.
Der Krieg verlief für England gänzlich unfruchtbar; doch gelang es Woltmann, wenigstens einen finanziell günstigen Fricdensabschluß herbei- zuführen (1525). Inzwischen war W.s Gegnern, an deren Spitze der Herzog von Norfolk stand, das Glück widerfahren, daß Heinrich sein Auge [* 32] auf eine Nichte Norfolls, Anna Voleyn (s. d.), warf, mit deren Hilfe sie ihn völlig umgarnen und ihn sogar zum Plan einer Ehe mit Anna bringen konn- ten. Woltmann arbeitete dagegen, aus persönlichen Grün- den und weil die Scheidung Heinrichs von seiner Gemahlin Katharina (s. d.) von Aragonien un- fehlbar England zu einem gefährlichen Zerwürf- nis mit deren Neffen Karl V. bringen mußte.
Aber Heinrich forderte die Scheidung^ Woltmann suchte wenigstens die Durchführung so gefahrlos wie mög- lich zu machen, indem er die Löfung der Ehe an das Urteil des Papstes band. Aber dieser stand damals ganz unter kayerl. Einfluß, das Fehlschlagen aller Versuche W.s, dagegen anzukommen, ermöglichte seinen Gegnern, ihn bei Heinrich zu verdächtigen uud ihn schließlich zu stürzen (1529). Woltmann wurde auf fein Erzbistum Uork beschränkt, vom Hofe verbannt und schließlich wegen Hochverrats verhaftet.
Ein ge- brochener Mann, erlag er auf der Reise uach Lon- don zu Lcicester einem Ruhranfall Von je ein Gegner der Reformation, trat Woltmann ihr entschieden entgegen, suchte sie aber mit ihren eige- nen Waffen [* 33] des Geistes zu überwinden und grün- dete zum Teil aus eigeuen Mitteln zwei Universi- tätskollegicn zu Ipswich und Oxford. [* 34] Als Staats- mann war Woltmann der größte Förderer einer neuen Zeit, als Kirchenfürst einer der letzten Verteidiger der alten. -
Vgl. Cavendish, 1li6 1it'6 and lloiitii ok (^räiuai ^V. (Lond. 1041; neue Ausg., ebd. 1885); Creighton, (^äwai^V. (ebd. 1888);
Brewer, Ueißu 0k H6ni'7 VIII., bis 1530 reichend (2 Bde., ebd. 1884);
Busch, Drei Jahre engl. Vermittelungs- politik 1518-21 (Bonn [* 35] 1884);
ders., Kardinal Woltmann und die engl.-kaiserl. Allianz 1522-25 (ebd. 1886); ders., DerUrsprnng der Ehescheidung Heinrichs VIII. (im «Histor. Taschenbuch», Lpz. 1889);
ders., Der Sturz des Kardinals Woltmann (ebd. 1890).
Wolsk.
1) Kreis im nordöstl. Teil des russ. Gouvernements Saratow, westlich an der Wolga, hat 5620,8 hkm, 170182 E., darunter Mordwinen (5000), Tschuwaschen (2000) und Tataren (2500); Ackerbau, Schiffahrt, viele Mühlen. [* 36] - 2) Woltmann, auch Wolshsk und Wolgsk, Kreisstadt im Kreis Woltmann, rechts an der Wolga, hat (1897) 27 039 E., neun Kirchen, Realschule, Mädchengymnasium, Lehrer- seminar; Mühlen,Brantweinbrennereienu.a., wich- tigen Fluhhafen (Getreide [* 37] für Ausfuhr, Holz [* 38] für Zufuhr); in der Nähe Alabasterbrüche.
Wolter, Charlotte, Schauspielerin, geb. zu Köln, [* 39] genoß in Wien [* 40] den Unterricht der Burgschauspielerin Frau Gottdank, die ihr ein En- gagement in Pest vermittelte. Von da kam sie zu einer reisenden Truppe und über Stuhlweißenburg [* 41] ans Carltheater in Wien. Auf Laubes Veranlassung ging sie dann nach Brunn, erhielt 1859 eine An- stellung am Victoriatheater zu Berlin, [* 42] 1861 am Thaliatheater in Hamburg, [* 43] 1862 am Wiener Burg- theater. Charlotte Woltmann war seit 1874 mit dem Gra- fen O'Sullivan (gest. 1887) vermählt.
Sie starb in Hietzing. Die wesentlichsten Mittel, durch die sie in der Darstellung hochtragischerFrauen- gestalten ihre großen Erfolge erreichte, waren ein klangvolles und für den Ausdruck des tiefsten Affekts geeignetes Stimmorgan und ausgebildete Mimik. [* 44] Den Aufschrei der Leidenschaft traf sie wie wenige. Zu ihren besten Leistungen gehörten: Sappho,Iphi- genie, Kriemhild (in Friedrich Hevbels «Nibelun- gen»),
Medea, Maria Stuart, Lady Milford, Gräfin Orsina, Lady Macbeth u. s. w. -
Vgl. Hirschfeld, Charlotte Woltmann. Ein Erinnerungsblatt (Wien 1897); Charlotte Woltmann in ihren Glanzrollen (ebd. 1897).
Woltmann, Alfr., Kunsthistoriker, Enkel des folgenden, geb. zu Charlottenburg, [* 45] studierte in Berlin und München, [* 46] wirkte im Sommer 1867 an der Universität in Berlin als Privatdocent und folgte 1868 einem Rufe als ord. Professor der Kunstgeschichte an das Polytechnikum in Karlsruhe. [* 47] In gleicher Eigenschaft ging er 1874 an die Uni- versität Prag [* 48] und 1878 an die.Universität Straß- burg. Er starb zu Mentone. Sein Hauptwerk ist «Holbein [* 49] und seine Zeit» (2 Bde., Lpz. 1866-68; 2. Aufl. 1874-76). Andere Arbeiten W.s sind: «Die deutsche Kunst und die Reforma- tion» (Berl. 1867),
«Fürstl. Fürstenbergische Samm- lungen zu Douaueschingen» (Karlsr. 1870),
«Die Baüqeschichte Berlius» (Berl. 1872),
«Geschichte der deutschen Knust im Elsaß» (Lpz. 1876) und die kunst- geschichtliche Einleitung zu dem von M. Pangerl her- ausgegebenen «Buch der Malerzeche in Prag» (in den «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 13, Wien 1878). Den fünften Band [* 50] von Schnaascs «Ge- schichte der bildenden Künste» bearbeitete er für die zweite Auflage gemeinschaftlich mit dem Verfasser (Düsseld. 1872). In den «Publikationen des 'All- gemeinen Vereins für deutsche Litteratur» (Berlin) erschien 1878 die Sammlung von Studien «Auo vier Jahrhunderten niederländ. -
deutscher Kunst geschichte". Auch begann Woltmann mit Woermann eine «Geschichte der Malerei» (Lpz. 1879), die nach seinein Tod Woermann allein vollendete. Woltmann, Karl Ludw. von, Geschichtschreiber, geb. zu Oldenburg, [* 51] studierte in Göttin gen die Rechte und Sprachen, dann ausschließlich Geschichte, habilitierte sich später daselbst und folgte 1795 einem Ruf als außerord. Professor der Philo- sophie uach Jena. [* 52] 1799 ging er nach Berlin und begann die Zeitschrift «Geschichte und Politik» (Berl. 1800-5). 1800 wurde er Resident des Landgrafen von Hessen-Homburg, 1804 Geschäftsträger des Kurerzkanzlers und 1806, nachdem er in den Adel- stand erhoben worden war, Geschäftsträger für die Städte Bremen, Hamburg und Nürnberg. [* 53] Nach der Schlacht bei Lützen [* 54] 1813 floh er, um der Rache Napoleons auszuweichen, nach Prag, wo er starb. Von seinen Schriften sind zu nennen: «Geschichte der Deutschen in der süchs. Periode» (Tl. 1, ! Gott. 1794, die unvollendete «Geschichte ¶
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Groß-833 Woltmmanscher Flügel - Wolzogen (Ernst, Freiherr von) britanmcns" (Bd. 1, Verl. 1799),
sein bestes Werk: «Geschichte des Westsälischen Friedens» (2 Bde., Lpz. 1809), «Geschichte der Reformation» (3 Bde., Mona 1800-2),
«Geschichte Frankreichs» (Berl. 1797), «Geschichte Böhmens» (2 Bde., Prag 1815),
Meine histor. Schriften" (2 Bde., Jena 1797). Eine Aus- gabe seiner «Sämtlichen Werke» veranstaltete seine Witwe (14 Bde., Bcrl. 1818-27). «Die Memoiren des Freiherrn von S-a» (3 Bde., Prag 1815), die er anonym heransgab, verraten in vieler Hinsicht seine schlecht verhüllte Eigenliebe. Seine Gattin Karoline von Wolzogen, geb. Tochter des prenß. Geheimrats und Arztes Stosch, 1799-1804 mit dem Kriegsrat Karl Müchler, dann seit 1805 mit Wolzogen verheiratet, nahn: vielfachen Anteil an seinen Arbeiten.
Sie siedelte nach W.s Tode nach Berlin über und starb daselbst Unter ihren Schrifteil find hervorzuheben: «Volkssagen der Böhmen» [* 56] (2 Bde., Prag 1815) und «Neue Volkssagen» (Kalberst. 1821),
der Roman «Marie und Walpurgis» (2 Bde., Prag 1817),
«Die Bildbauer» (2 Bde., Berl. 1829),
«Der Ultra und der Liberale, und die weiße Frau» (Hamb. 1832), «Menschen und Gegenden» (2 Bde., Vrcsl. 1835). Ihres Gatten und ihre Erzählungen und Gedichte erschienen als «Schriften» (5 Bde., Berl. 1806-7). Woltmannscher Flügel, ein zur Bestimmung der Geschwindigkeit fließenden Wassers dienendes Instrument. Wie die Achse der Windmühle durch den Druck des Windes, so wird die Achse des kleinen, meist aus Messing gefertigten, mit windschiefen Flügeln versebenen Rades je nach dem Drucke de5 Wassers schneller oder langsamer gedrebt.
Aus der Zahl der in einer gewissen Zeiteinheit erfolgten Umdrehungen, welche durch einen Zählapparat ge- messen werden, macht man einen Rückschluß auf die Geschwindigkeit des Wassers. Der Apparat wird an einer lotrechten Stange unter Wasser gehalten und stellt sich durch eine kleine Vlechplatte so, daß die Achse sich der Strömung entgegenstellt. Woltmershaufen, Ort bei Bremen ls. d.). Wolverene, s. Vielfraß. Wolverhampton (fpr.willlwerhämmt'n), Muni- cipal-, Parlaments- (drei Abgeordnete) und Countv- borollgh,dervolk-undgewerbreichsteOrtindemsüdl.
Industriegebiet der engl. Grafschaft Stafford (f. d. nebst Karte) und mit ihrer Umgebung ein Hauptsitz der engl. Eisenfabrikation, liegt im Nordwesten von Birmingham [* 57] an drei Bahnlinien, inmitten von Kanälen, Steinkohlengrnben und Eisenhütten iMllc1 ^0niiti^), Hat (1891) 82620, als Parlamcnt5- borough 174365 E. 1896 wurden 86530 E. be- rechnet. Von den Kirchen zeichnet sich die got. Kol- legiatkirche zu St. Peter wegen ihrer steinernen Kanzel aus dem 15. Jahrh., ihrer Orgel, ibrer Grabdenkmäler, ihres Taufbeckens und Glockenfpielo aus.
Andere Bauten sind die große Town-Hall im Renaissancestil, Freibibliothek, Gemäldegalerie, Ge- bäude für landwirtschaftliche Ausstellungen, Waifen- baus, Denkmäler für den Freihändler Villiers und Prinz Albert. Hergestellt werden Schlösser, Schrau- ben, Gewehre, verzinnte Teller und lackierte Waren, auck Messersckmicdewaren, Mefsingwarcn, Papier- mache, Chemikalien, Seilerwaren, Leder und Ziegel. Wolyn, der russ. Name von Volhynien (s. d.). Wolhnskij Nolvograd, s. Nowograd Wolyn- Wölzer Alpen, [* 58] f. Ostalpcn. Iskij.
Wolzogen, adliges Geschlecht, das aus Ober- österreich stammt, sich dann abcr nach Niederöster- Vrockhaus' Konversations-Lexikon. 14. Aufl.. XVI. reich und Ungarn [* 59] verbreitete. Schon um 1500 blühte es in zwei Linien, die beide 1628 wegen ihres prot. Bekenntnisses aus Österreich [* 60] verbannt wur- den. Die ältere oder Missingdorfer Linie ver- breitete sich nach Schlesien, [* 61] der Rhcinpfalz, Olden- burg, Polen, Schweden, [* 62] Frankreich und Holland, er- losch aber um 1700. Ihr gehörten Matthias von Wolzogen (geb. 1588, gest. 1665) au, der 1657 Gebeim- ratspräsident (Premierminister) des Grafen Anton Günther von Oldenburg wurde und Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft war, und Ludwig von Wolzogen, geb. 1635, gest. 1690, der als Professor der Kirchengeschichte zu Utrecht [* 63] zu den Arminianern zählte und von Leibniz indessen «Thcodicec» der erste Rationalist genannt wnrde.
Der jüngcrn oder Neu- h aus er Linie, die 1607 den Frciherrenstand er- langte, gehörte an: der dnrch viele theol. Schriften (im 6. Bande der «ilidliotliLc^^'i'^ti unikolonorum»)be- kannte Socinianer Johann Ludwig Freiherr von Wolzogen (1600-61) und der kaiserl. Rcichshofrat Hans Christoph Freiherr von Wolzogen, geb. 1666, gest. 1734 als Premierminister des Herzogs zuSach- sen-Weißcnsels sowie der Herzöge Bernhard I. und Ernst Ludwig I. zu Sachsen-Meiningen. Durch Er- werbung der Rittergüter Mühlfeld und Bauerbach wurden um jene ,eit die Freiherren von Wolzogen Mitglieder der frank. Reichsritterschaft des Kantons Rhön und Werra. Die Söhne Hans Christophs gründeten 1734 zwei Linien, von denen die ältere oder Mühlfelder zu Anfang des 19. Jahrh, erlofch, während die jüngere oder Bauerbacher noch fortblüht. Der letztern gehör- ten die Brüder Wilhelm Freiherr von Wolzogen und Lud- wig Freiherr von Wolzogen (s. d.) an. -
Vgl. A. von Wolzogen, Geschichte des reichsfreiherrl. von Wolzogenschcn Geschlechts (2 Bde., Lpz. 1859).
Wölzogen, Ernst, Freiherr von, Schriftsteller, Sohn von Karl Aug. Alfr., Freiherrn von Wolzogen, geb. in Breslau, [* 64] studierte in Straßburg [* 65] und Leipzig [* 66] Philosophie, nenere Philologie und Kunstgeschichte, lebte 1880-82 in Weimar, [* 67] dann in Berlin und wohnt jetzt in München. Wolzogen ist ein durch- aus selbständiger Anhänger der modernen natura- listischen Bewegung, von deren pessimistischen und erotischen Verkehrtheiten ihn sein überall durchdrin- gender Humor fern gehalten hat; ein scharfer Be- obachter der Wirklichkeit und gewandter Schilderer, weiß er Charaktere lebensvoll zu gestalten und ist ein tragikomischer Dichter in: besten Sinne des Wor- tes. Er schrieb: «Um 13 Uhr [* 68] in der Christnacht», eine Wcihnachtsgeschichte (Lpz. 1880 u. ö.),
«Im- maculata», Erzählung (ebd. 1881),
«Heiteres und Weiteres», Novellen (darin «Die Gloriahose»,Stuttg. 1886-, 2. Aufl. 1896),
«Basilla», Roman (ebd. 1887), die Romanreihe «Blau Blut» (Bd. 1: «Die Kinder der Excellenz», auch dramatisiert; Bd. 2 bis 3: «Die tolle Comtcß»; Bd. 4 bis 5: «Der Thronfolger», ebd. 1888 -91 u. ö.),
«Die kühle Blonde», Ro- man (2 Bde., ebd. 1890),
die Skizzen- und Novellen- sammlung «Erlebtes, Erlauschtes und Erlogenes» (Berl. 1892 u. ö.),
«Die Entgleisten», Roman (ebd. 1894 u. ö.),
«Das gute Krokodil und andere Geschichten aus Italien» [* 69] (ebd. 1893),
«Fahnenflucht», Novelle (ebd. 1894 u. ö.),
«Ncc^ e^o!», Roman (ebd. 1895),
«Die Erbschlcicherinncn», Roman (Stuttg. 1895),
«Geschichte vonliebcn süßen Mädeln», Novellen (Berl. 1897) und mehrere dramat. Werke, darunter: «Das Lumpengesindel» (ebd. 1892), «Daniela Wccrt» (ebd. 1894) und «Unjamwcwe» (ebd. 1897). Außerdem veröffentlichte Wolzogen eine Schrift 53 ¶
forlaufend
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über «George Eliot» (Lpz. 1885),
eine Flugschrift «Linksumkehrt, schwenkt, Trab!» (1.bis8. Aufl.. ebd. 1894), übersetzte mehreres aus dem Englischen und bearbeitete die 4. Auflage der Doreschen Prachtaus- gabe des «Don Quijote» (Berl. 1883-85) und die «Lebensbeschreibung des Ritters Hans von Echwei- nichen» (Lpz. 1884). Wolzogen, Hans, Freiherr von, Schriftsteller, Sohn des folgendcn, geb. 13. Nov. 1848zu Potsdam, [* 71] widmete sich philos. und linguistischen Studien und verfaßte «Der Nibelungcnmythos in Sage und Litte- ratur» (Berl. 1870),
«Poet. Lautsymbolik» (Lpz. 1870) und erläuternde Schriften zu Richard Wagners (s.d.) Werken. Seit 1878 lebt Wongrowitz in Bayreuth [* 72] als Leiter der «Bayreuther Blätter», der Hauptzeltschrift für die Wagnersache. Spätere Schriften W.s sind: «Die Verrottung und Errettung der deutschen Sprache» [* 73] (Lpz. 1880),
«Unsere Zeit und unsere Kunst» (ebd. issO),
«Die Religion des Mitleidens» (Bayreutb 1883),
«Die Idealisierung des Theaters» (Münch. 1887),
«Kleine Schriften» (Bd. 1: «über Sprache und Schrift», Lpz. 1886; Bd. 2: «Wagueriana», ebd. 1890),
«Großmeister deutscher Mu'sit», Bd. 1 (tzannov. 1897). Ins Neuhochdeutsche übersetzte Wongrowitz fürNeclams «Universalbibliothek»: .Hartmanns Ge- dickt «Der arme Heinrich» (1872),
«Beovulf» (1873), «Die Edda» (1877) und «Aschylos' Tragödien» (7 Hefte). Wongrowitz ist auch Verfechter der (christlich-socialen) antisemit. sowie der Antivivisektionsbewegung. Wolzogen, Karl Aug. Alfr., Freiherr' von, Schriftsteller, geb. zu Frankfurt [* 74] a. M., der älteste Sodn des Generals Ludwig von Wongrowitz, stu- dierte seit 1841 zu Berlin und Heidelberg [* 75] die Rechte, fand als Regierungsassessor im Ministerium des Innern Verwendung, bis er Ende 1854 an die Re- gierung nach Breslau versetzt wurde, wo er 1803 zum Regierungsrat aufrückte.
Seit Sept. 1807 wirkte er als Hoftheaterintendant zu Schwerin [* 76] und ward 1868 großherzogl. Kannnerherr. Er starb zu San Remo. Wongrowitz veröffentlichte: «Fr. von Schillers Beziehungen zu Eltern, Geschwistern und der Familie von Wongrowitz» (anonym, Stuttg. 1859),
" Aus Schinkels Nachlaß» (4Bde.,Verl. 1802-04),
«Preu- ßens Staatsverwaltung mit Rücksicht auf seine Ver- fassung» (ebd. 1854),
«Geschichte des Reichsfreiherr- lich von Wolzogenschen Geschlechts» (2 Bde., Lpz. 1859) u. s. w. Auch schrieb er die Lustspiele «Nur kein Ridicnl» (Berl. 1804) und «Die glückliche Braut» (ebd. 1870),
das Schauspiel «Sakuntala» (Schwer. 1869),
mehrere Schriften zur Reform des Textes und der Inscenierung von Mozarts «Don Giovanni», und bearbeitete eine Reihe von dramat. Werken für die Bühne. Wolzogen, Karoline von, geborene von Lengefeld, Dichterin, Schwester von Schillers Gattin, geb. in Rudolstadt, [* 77] genoß eine treffliche Erziehung, verheiratete sich 1784 mit dem rudolstädtischen Geheimrat von Beulwitz und nach Trennung dieser Ehe im Sept. 1794 mit ihrem Oheim, dem nachmaligen Weimar. Oberhofmeister Wilhelm Freiherrn von Wongrowitz (geb. 1762, gest. 1809). Ihre spätern Lebensjahre brachte sie in Jena zu, wo sie starb. Für ihre geistige Richtung entscheidend war die nahe Freundschaft, die sie Herbst 1787 im Hause der Mutter mit ihrem spätern Schwager Schiller schloß. Als Dichterin trat sie, nach einigen kleinen Versuchen, zuerst ohne Nennung ihres Namens mit dem Roman «Agnes von Lilien» [* 78] (2 Bde., Verl. 1798; neu hg. von Vop berger und Ealomon, Stuttg. 1884) auf, den manche für ein Werk Goethes hielten.
Außer «Erzählungen» (2 Bde., Stuttg. 1826 - 27) verfaßte sie erst nach langem Zwischenraume wieder ein größeres Werk: «Cordelia» (2 Bde., Lpz. 1840). Von weit größerer Bedeutsamkeit ist «Schillers Leben, verfaßt aus den Erinnerungen der Familie, seinen eigenen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner» (2 Bde., Etuttg. 1830; 5. Aufl. 1876). Durchweg auf eigene Anschauung gestützt, hat sie hier ein Bild Schillers gezeichnet, das sich durch Treue und liebevolle Wärme der Darstellung auszeichnet.
Ihr «Litterar. Nachlaß» ersckien in 2 Bänden (Lpz. 1848-49; 2. Aufl. 1867). Wolzogen, Ludw., Freiherr von, preuß. Gene- ral der Infanterie, geb. 4. Febr. 1774 zu Meiningen, [* 79] trat 1792 als Lieutenant in die württemb. Garde- legion, ging 1794 in preuß. Dienste, [* 80] wurde 1802 Erzieher des Prinzen Eugen von Württemberg [* 81] und trat 1804 wieder in württemb. Dienste zurück. 1807 nahm er den Abschied und wurde in Rußland Major im Generalquartiermeisterstabe. Durch militür.Dent- schriften machte er sich dem Kaiser bcmerklich, der ihn 1810 zu seiuem Flügeladjutanten nud 1811 zum Oberstlieuteuant ernannte. Im Feldzuge von 1812 war er als Oberst dem Generalstabe des Generals Barclay de Tolly, später Kutusows beigegeben, 1813 war er im Stäbe des Kaisers und wurde dann, nachdem er zum Generalmajor befördert war, zum Generalstabschef des Herzogs Karl August von Sach- sen-Weimar ernannt. Er machte unter diesem den Feldzug von 1814 in den Niederlanden mit und be- gleitete ihn später zum Kongreß nach Wien; 1815 trat er als Generalmajor wieder in die preusi. Ar- mee. Der König ernannte ihn 1818 zum Bevoll- mächtigten bei der Militärkommission des Deutschen Bundes, in welcher Stellung er, seit 1820 General- lieutenant, blieb, bis er 1836 als General der In- fanterie in den Ruhestand versetzt wurde. Er starb 4. Iuui 1845 zu Berlin. Die aus seinem Nachlaß von seinem Sohne veröffentlichten «Memoiren» (Lpz. 1851) bieten interessante Aufschlüsse.
Wombat (1^a8col0M)'3), eine in Neusüdwalev und Tasmanien einheimische Beuteltiergattung von plumpem Körperbau und schweinsähnlichem Au- sehen, die sich durch ihre Bezahnung auszeichnet, die der der Nager ähnelt. Die drei Arten sind mehr nächtliche Tiere, leben in Erdhöhlen, nähren sicb von Pflanzen und lassen sich leicht erhalten, so daß man sie oft in zoolog. Gärten sieht. Preis etwa 300 M. das Stück. In neuester Zeit hat man in Tasmanien fossile Überreste einer riesigen Art ge- funden. Die häufigste Art (ri^colom^ lo^oi- ^' s. Tafel: BenteltiereII, [* 70] Fig. 1) wird 90 cm lang, ist graubraun und bewohnt Tasmanien und einige benachbarte Inselchen der Vaßstraße. Wombwell (spr. wummbel), Stadt in der engl. Grafschaft Mrkshire im West-Riding, im Südosteu von Barnsley, hat (1891) 10942 E.; Steinkoblen- gruben und Eisenindustrie. Wongrowitz.
1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Vromber'g, hat 1037,06 !21189 männl., 22 781 weibl.) E., 4 Städte, 130 Landgemeinden und 84 Gutsbezirke. - 2) Kreis- stadt im Kreis an der links zur Warthe gehen- den Welna, Sitz des Landratsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht Gnesen), hat (1895) 5260 meist poln. E., darunter 1062 Evangelische und 543 Israeliten, Postamt erster Klasse, zwei kath. Kirchen, darunter die 1747 nach dem Brande ¶
mehr
im roman. Stil wieder aufgebaute Kirche des 1836 aufgehobenen Cistercienserklosters mit prächtigen Holzschnitzereien, eine evang. Kirche, königliches kath. Gymnasium; Handel mit Spiritus, [* 83] Getreide, Wolle, Fischen und Krebsen.