forlaufend
453
In der wissenschaftlichen Psychiatrie konlnlt dcni Worte eine allgemein anerkannte Bedeutung nicht zu. Man bezeichnet hier als Währung bald heilbare, verhältnis- müßig rasck ablaufende Zustände von Verwirrtheit mit Sinnestäuschungen und Wahnideen, bald die ge- wöhnlich als Verrücktheit (s. d.) beschriebenen Krank- deitsbilder, bald die Erregungszustünde bei der Progressiven Paralyse der Irren (s. d.) mit Größen- wahn u. s. w. Auch bezeichnet man mit Währung im Gegensatz zu Blödsinn krankhafte Geisteszustände, die auf einer krankhaften Reizung des Gehirne, nicht aber auf einem dauernden Ausfall geistigen Vermögens beruben. Wahnvorstellungen, s. Wahnideen. Wahre Fische, [* 2] s. Uul Wahren, Dorf bei Leipzig, [* 3] s. Bd. 17. Wahrenbrück, Stadt im Kreis [* 4] Liebenwerda des preuß. Reg.-Bez. Merseburg, [* 5] links an der Schwarzen Elster, an der Linie Kohlfurt-Falkenberg der Preuß.
Staatsbahnen, [* 6] hat (1895) 635 evang. E., Postagentnr und Fernsprechverbindung.
Wahrendorff, Baron von, Geschützkonstrukteur, Wahrheitseid, s. Eid. ^s. Geschütz. Währing,nordwestl. Vorort von Wien, [* 7] seit 1890 zu Wien gehörig, bildet dessen 18. Bezirk (68 862 E.). Währung enthält die von Gärten umgebenen Villen des Wiener Cottagevereins, die neue k. k. Sternwarte [* 8] auf der Höbe der sog. Türkenschanze.
Die Geschichte des Ortes reickt bis ins 11. Jahrh, zurück. Wahrmund, Adolf, Orientalist, geb. zu Wiesbaden, [* 9] studierte in Göttingen [* 10] neben prot. Theologie auch klassische und orient.
Philologie, war dann zwei Jahre Hauslehrer zu Hohenems in Vorarlberg und ging 1850 nach Wien, wo er das Studium der orient.
Sprachen fortsetzte und durch acht Jahre (1853-61) an der Hofbibliothek ange- stellt war. 1862 habilitierte er sich an der Univer- sität für Arabisch, Persisch und Türkisch.
Seit 1871 bekleidet er die Lehrkanzel für arab. Sprache [* 11] an der orient.
Akademie und der öffentlichen Lehranstalt sür orient.
Sprachen und ist seit 1885 mit der Lei tung der letztern Ansto.lt betraut. Währung schrieb: «Prak- tisches Handbuch der neuarab. Sprache» (3. Aufl., 3 Tle., Gießen [* 12] 1886),
«Handwörterbuch der neu- arab. und deutschen Sprache» (3 Bde., ebd. 1874 - 77; 2. Ausg. 1887),
«Lesebuch in neuarab. Sprache» (2. Aufl., 2 Tle., ebd. 1880),
«Praktischem Handbuch der osman.-türk. Sprache» (2. Aufl., 3 Tle., ebd. 1885),
«Praktisches Handbuch der neu- pers. Sprache» (ebd. 1875; 2. Aufl. 1889),
«Mon- sieur Iourdan, der Pariser Botaniker im Karabag; neupers. Lustspiel» (Wien 1889);
außerdem: «Baby- loniertum, Judentum und Christentum» (Lpz. 1882), «Das Gesetz des Nomadentums» (Karlsr. 1887; 2. Ausg., Verl. 1892),
«Die christl. Schule und das Judentum» (Wien 1885),
«Der Kulturkampf zwischen Asien [* 13] und Europa» [* 14] (Berl. 1887);
«Dichtungen» (Wien 1880 und Lpz. 1892),
«Abbäsa, Trauerspiel» (Lpz. 1890),
«Das Reich der Zwecke» (Aristotelische Philosophie im Gegensatz zur orient. Anschauung; Bayreuth [* 15] 1895). Wahrnehmung, s. Vorstellung.
Wahrsagung, s. Weissagung.
Währschaftsrecht, im Viehhandel, s. Empfang- barkeit der Ware, Gewährsmüngel, Wandlungsklage.
Wahrscheinliche Lebensdauer, s. Sterblich keitsstatistik.
Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Lehren [* 16] von der Bereckmung der matbem atisck enWabr- s ch einlicbteit, dem Verhältnis der Anzahl der einer bestimmten Erwartung günstigen Fälle zu der Anzahl sämtlicher möglichenFälle, vorausgesetzt, daß alle Fälle gleich möglich sind. So ist z. B. die Wahr- scheinlickkeit, mit einem Würfel eine bestimmte An- zahl von Augen zu werfen, ^ ^, da die Anzahl der diefem Ereignisse günstigen Fälle -^ 1, die Anzahl aller möglichen Fälle yingegen ^ 6 ist.
Bei der Be- rechnung der Wahrscheinlichkeit leistet die Lehre [* 17] von den Kombinationen (s. d.) wesentliche Dienste. [* 18]
Von der bier betrachteten Wahrscheinlichkeit, die, da nur ein Ereignis betrachtet wird, die einsache Wahr- scheinlichkeit heißt, ist die zusammengesetzte Wahr- scheinlichkeit zu unterscheiden, in der das Zusammen- treffen mehrerer Ereignisse in Betracht kommt.
Fragt man z. B.nach der Wahrscheinlichkeit, daß mit einem Würfel eine bestimmte Zahl geworfen werde, so ist dies die einfache Wahrscheinlichkeit;
will man aber die Wahrscheinlichkeit wissen, daß zu derselben Zeit mit einem zweiten Würfel dieselbe bestimmte Zabl, also ein Pasch geworfen werde, so ist dieses die zusammengesetzte Wahrscheinlichkeit, weil lüer zwei Ereignisse zusammentreffen müssen.
Die erste ist '/g, während die letztere viel kleiner und ^ ^a ist, d. h. man kann 1 gegen 6 wetten, daß mit einem Würfel eine bestimmte Zahl, aber bloß 1 gegen 36, daß mit zwei Würfeln ein bestimmter Pasch geworfen werde, über die Berechnung der wahrscheinlichen Fehler einer Beobachtung s. Me- thode der kleinsten Quadrate. -
Vgl. Wild, Grund- sätze der Währung (Münch. 1861);
Cournot, NxpoZition cl6 1a tkem'ie ci68 ckanc68 6t ä68 piodadilites (Par. 1843);
Venn, ^N6 lo^ic oktus ckllnce (Lond. 1866; 3. Aufl. 1888);
I. von Kries, Die Principien der Währung (Freib. i. Br. 1886);
Bertrand, 0a1eu1 cl68 pro- dM1it68 lPar. 1888);
Goldschmidt, Die Währung Ver- such einer Kritik (Hamb. 1897).
Wahrspruch, Verdikt, in der Österr.
Straf- prozeßordnung der Ausspruch (nach der Deutschen Strafprozeßordnung «Spruch») der Geschworenen. (S. Schwurgericht.) Währung (ital. v^ut^; frz. öwlon; engl. «wn- ä^i-cl, 10^1 tenäsr), ursprünglich die obrigkeitliche Gewährleistung des Gewichts und Feingehalts der Münzen. [* 19] Späterhin verstand man darunter die Geldart, die als gesetzliches Zahlungsmittel (Cou- rant- oder Währungsgeld) anerkannt ist, also im Gegensatz zu Scheidemünzen (s. d.) bei Zahlungen von jeder Höhe angenommen werden muß. In den: besprochenen zweiten Sinne erscheint das Wort Währung z. B. in Thalerwährung, Guldenwährung u. s. w. In dem Wort Barrenwährung (auch Rech- nungswährnng genannt) bedeutet Währung nicht eine geprägte Münze, sondern eine Nechnungseinheit, eine bestimmte Menge Edelmetall, die in Barren bei der Bank (daher auch Vankwährung) hinterlegt wurde. (S. Banco.) Diese ältern Bedeutungen des Wortes Währung sind heute fast ganz verdrängt durch eine dritte, bei welcher es nur auf das Metall der Courantmünzen bezogen wird, ohne Rücksicht auf Münzfuß, Münzeinheit u. s. w. In diesem, jetzt maßgebenden Sinne ist Währung die gesetzliche Bestim- mung des Edelmetalls, aus dem die Courantmünze hergestellt werden soll. Bei der Währung in diesem Sinne sind verschiedene Systeme möglich: 1) Die einfache Währung; bei ihr sind nur die Münzen des einen Metalls als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt, also entweder nur die Silbermünzen: Silberwäbrung ss. d.j, oder nur ¶
forlaufend
454
die Goldmünzen: Goldwährung (s. d.).
2) Die Doppelwährung (s. d.), d.h. sowohl Gold- als auch Silbermünzen sind unter gesetzlicher Festsetzung eines Wertverhältnisses zwischen Gold [* 21] und Silber als Courantmünzen anerkannt.
Die Doppelwährung wird auch wohl als Alternativ Währung be- zeichnet, weil bei ihr je nach den Marktverhältnissen bald das eine, bald das andere Metall in den Vor- dergrund tritt.
Nicht zu verwechseln damit ist die Parallel [* 22] Währung, bei der Gold- und Silber- münzen gleichberechtigt umlaufen, ohne festes ge- setzliches Wertverhältnis zwischen beiden Metallen. Die Metallwährung wird zu einer Papierwäh- rung, wenn das Papiergeld (s. d. und Banknoten) zeitweilig mit Zwangskurs ausgegeben und dessen Einlösung in dem Währungsmetall suspendiert wird; der von dem Metall losgelöste Wert solchen Kredit- geldes spricht sich dann in einem mehr oder weniger bohen Agio (s. d.) des Goldes, bei sehr entwerteter Valuta auch des Silbers aus. Vollständig ist der Begriff der Währung erst erfüllt, wenn den Privaten das Recht zusteht, sich aus dein Währungsmetall bei den staatlichen Münzanstalten, event, gegen Entrichtung einer Prägegebühr ldes Schlagschatzes), Münzen prägen zu lassen.
Man nennt diese Befugnis der Privaten die Präge- freiheit.
Wird diese eingeschränkt oder ganz aufge- hoben, so spricht man von geschlossen er oder, was häusiger ist, von Hinkender Wäbrung (s. d.). Dieser Ausdruck wird bisweilen auch in weiterm Sinne gebraucht für den Fall, das;
die Courant- münzen oder ein Teil davon, zwar gesetzlich voll- wertig, aber thatsächlich unterwertig sind.
Über die Verbreitung der Gold-, der Silber- und der Doppel- [* 23] währung s. die Artikel Goldwährung, Eilberwährung und die Tabelle «Münzen und Münzsysteme» zum Artikel Münze.
Die thatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf die Währung haben sich in den letzten Jahr- zehnten mehr und mehr zu Gunsten der Goldwäh- rung verschoben.
Die Frage, welche Art der Währung zu wählen sei, bildet den allgemeinen Inhalt der Währungsfrage.
Diese, in den letzten Jahren lebhaft, besonders auch mit Bezug auf Deutschland [* 24] erörterte Frage erhält aber ihr eigentümliches Gepräge durch die Thatsache, daß seit Anfang der siebziger Jahre der Silberpreis auf dem Weltmarkt erst langsam, später aber immer schneller und unter heftigen Schwankungen gesunken ist (s. Silber). Die Ursache der Wertverminderung des Silbers ist in letzter Linie ein Mißverhältnis zwischen Pro- duktion und Bedarf, wie es sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im Durchschnitt von 1866 bis 1870 war die Produktion von Gold rund 195000 K3, von Silber rund 13390001^, dagegen Jahre Gold Silber in Mill. Kg Jahre Gold Silber in Mill. kg 1892 1893 1894 208 909 236 974 273197 4,730 5,147 5,121 1895 1896 1897 299 885 305 379 350000 5,204 5.136 5,250 Die Goldproduktion war von 1871 bis 1891 kleiner als im Durchschnitt von 1866 bis 1870, während die Silberproduktion in dieser Zeit fast unausgesetzt start gewachsen war.
Der Bedarf an Gold ist für Münz- und gewerbliche Zwecke stärker gestiegen als die Produktion, bei Silber dagegen langsamer.
Ein Irrtum ist es, vou einer Verminderung de5 Silber- bedarfs für Münzzwecke in den siebziger und acht- ziger Jahren zu reden.
Dem Minderbedarf einzelner Länder stehen so viel stärkere Silberausmünzungen in andern Ländern gegenüber, daß im ganzen die Periode von 1873 bis 1893 einen wesentlich höhern Silberbedarf für Münzzwecke aufweist.
Die Eilber- ausprägung der Periode 1853 - 72 betrug 3629 Mill. M., die der Periode 1873-92 dagegen 5782 Mill. M., also 62 Proz. mehr als in derZeit vor dem Silbersturz;
aber schneller als dieser Bedarf stieg immer wieder die Silberproduktion, und das mußte sich im Silberpreise äußern.
Die Goldankäufe, die Deutschland infolge des Übergangs zur Goldwäh- rung vornehmen mußte, sind nicht allein für die Silberentwertung verantwortlich zu machen, da auch Skandinavien, Holland, Italien, [* 25] Dsterreich, Nuß- laud, Indien und die Vereinigten Staaten [* 26] von Amerika [* 27] sehr viel Gold an sich zogen.
Auch die Ver- käufe des überflüssig gewordenen deutschen Silbers waren nicht entscheidend.
Bis waren im ganzen 3 552000 k^ Silber von Deutschland verkauft;
alsdann wurden die Verkäufe eingestellt und nur 1886 noch 50000 kF an Ägypten [* 28] abgegeben. Der Silberpreis sank nach 1879 aber viel schneller als vorher. Er war 1880 um 13^. Proz. geringer als 1871, dagegen 1894 um über 45 Proz. und 1897 zeitweise gar 55 Proz. niedriger als 1880. Verhängnisvoll wurde dem Silber die Thatsache, daß die Lateinische Münzkonvention die Silber- courantprägung von 1874 bis 1877 einschränkte und 1878 einstellte.
Den wichtigsten halt für das Silber boten nach 1878 das Silberwährungsland Indien und Nordamerika, [* 29] letzteres wegen der starken jähr- lichen Silberankäufe, die auf Grund der Blandbill ls. d.) vom und der Sherman- oder Windombill (s. d.) vom erfolgten.
Die Windombill wurde aber aufgehoben, und Indien stellte laut Gesetz vom die Silberprägung für Privatrechnung ein.
Infolge- dessen entbehrt jetzt das Silber auf dem Weltmarkt eiues ausreichenden Rückhaltes an der Münzpolitik der Kulturstaaten, und das Verhältnis der Pro- duktion zum Bedarf kann fast uneingeschränkt zur Geltung kommen.
Dabei ist nicht zu übersehen, daß diese Maßnahmen der Erkenntnis entsprangen, daß die einzelnen Länder nicht genügend Silber aufneh- men konnten, um bei der stetig wachsenden Pro- duktion den Preis auf dem Weltmarkt zu halten. Die Folgen der Silbcrentwertung werden in Deutschland, als einem kreditfähigen Lande, mit einem durch Gold gefestigten Währungssystem im innern Verkehr nicht empfunden, da die sehr unter- wertigen Eilbercourantmünzen (Thaler) und Silber- sckeidemünzen zum Nennwert umlaufen.
Bei etwaiger Erschütterung des Kredits des Reichs würden kder bald die Goldmünzen ein Aufgeld (Agio) über den Nennwert hinaus erbalten, so daß alsdann die Sil- berentwertung auch im innern Verkehr fühlbar wer- den müßte.
Immerhin hat Deutschland, da es nur etwa 403 Mill. M. Silbercourantmünze besitzt, we- niger zu befürchten als die Länder, die noch^viel Silberconrant haben, wie Österreich, [* 30] Holland, Spa- nien, besonders aber die Vereinigten Staaten von Amerika und die Länder der Lateinischen Münz- konventiou. Da die Silbcrmünzen im internatio- nalen Verkebr, wenn überhaupt, nur zum wirtlichen Metallwert angenommen werden, so werden diese Länder mehr und mehr genötigt, mit Gold auf dem Weltmarkt zu bezahlen^ während das Silber sich ¶
forlaufend
455
in ihvem innern Verkehr in den Vordergrund schiebt. Für diese Staaten ist auch noch mehr als für Neutschland die Gefahr vorhanden, daß ihre Silber- münzen im In- und Anslande genan nach den gesetzlichen Vorschriften ans Silber nachgeprägt werden, weil dabei angesichts des großen Unter- schiedes zwischen dem Marktpreis des Silbers und dem Nennwert der Eilbermünzen ein großer Ge- winn in Ailssicht steht. Wegen der Silberentwertnng sind alle Kapital- anlagen in Papieren, die in Silber zahlbar sind, stark «entwertet, was große Verlnste für die betreffen- den Besitzer bedeutet. Nene Kapitalanlagen in Sil- berländern sind erschwert. Die Schwankungen der Wechselkurse und Silberpreise verstärken die unge- snnde Spekulation. Die Ausfuhr nach Silberländern wird weniger lohnend und kann unter Umständen auch eingeschränkt werden, wenngleich die Statistik bis jetzt Anhaltspunkte für eine allgemeine der- artige Wirkung nicht ergeben hat. Weiterhin besteht die Gefahr einer verstärkten Konkurrenz aus den Silberländern. Der Kaufmann des Eilberlandes kann billiger liefern, weil er auf den: Weltmarkt für dieselbe Menge Gold viel mehr Silber als früher erhält, während im innern Verkehr seines Landes das Silber noch annähernd im alten Ver- hältnis zu den übrigen Warenpreisen steht. Die deutschen Landwirte fürchten namentlich aus diesem Grunde eine stärkere Konknrrenz des ind. Weizens, haben aber thatsächlich mehr durch die Konkurrenz aus Argentinien zu leiden, das ein stark entwertetes Papierwährnngsland ist und von der Silberent- wertung ganz und gar nicht betroffen wird. Besonders wichtig ist die Gefahr, daß bei fort- dauerndem Sinken des Silbcrpreises allenthalben die Nachfrage nach Gold zunehmen und das Gold schließlich knapp werden, d. h. an Kaufkraft gewinnen würde. Das müßte sich in einem allgemeinen Lohn- und Preisrückgang äußern. Daß schon jetzt diese Gefahr verwirklicht sei, wird vielfach behauptet, hat aber noch nicht statistisch erwiesen werden können; denn die Löhne und ein Teil der Preise halten eine steigende Richtung inne, und bei den Preisen, die gesunken sind, ist die Bewegung ungleickmäftig; vor allem ist es nicht möglick gewesen, festzustellen, welchen Anteil an dem Preisabfall die Verminde- rung der Produktionskosten (durch Verbesserung und Verbilligung des Verkehrs, Fortschritte der Techuik und Ausdehnung [* 32] der Massenproduktion u. s. w.) und die Verschärfung der Konkurrenz gehabt baben. Auch die deutsche Silberkommission (s. d.) hat einen zwin- genden Beweis für das Vorhandensein einer Gold- tnappdeit nicht erbringen können, wobl aber haben die Vermehrung der Goldausbeute am Witwaters- raud im Transvaal und in Colorado und die Aus- schließung großer Goldstätten in Westaustralien, Alaska, Britisch-Columbia die Befürchtung einer Goldknappheit voraussichtlich dauernd beseitigt. Dagegen sind die Nachteile für die Silberproduttiou nicht zu überseheu. Die deutsche Silberprodultion bat gegenüber dem Preise von 180 M. für 1 k^ fein Silber im ganzen von 1873 bis 1893 einen Minder- erlös von etwa 235 Mill. M. zu verzeichuen. Für die Silberproduzenten in Mexiko [* 33] war der Minder- erlös 1892 etwa 116 Mill. M., für die der Vereinig- ten Staaten von Amerika etwa 1-18 Mill. M. Daß alle diese mittelbaren und unmittelbaren Nachteile der Eilberentwertung sehr ernster Art sind, ist nicht zu bezweifeln. Das Ziel aller Erörterungen über die Währuugsfrage richtet sich deshalb erklär- licherweise darauf, ob es möglich ist, die Silber- entwertung zu hemmen. Unter den zahlreichen Vor- schlägen, die dieserhalb gemacht sind, sehen einige von grundsätzlicher Umgestaltnng der Währungs- verhältnisse ab. In der deutschen'Silberkommission wurde in dieser Hinsicht unter anderm die Ver- staatlickung der ganzen Silberproduktion auf Grund internationaler Verständigung und die Schaffung einer »Hauptsilbermünze» nach dem Wertverhältnio 1: 21 mit Zahlungskraft bis zu 1000 M., also einer Courantmünze zweiter Klasse an Stelle der bisheri- gen Reichssilbermünzen erörtert (Vorschlag von Pro- fessor Leris).
Ein ähnliches Ziel verfolgten der frühere Reichsbankpräsident von Dechend und andere mit dem Vorschlag, an Stelle der kleinern Gold- und Papiergeldzeichen vollwertige Silbermünzen mit Zahlungskraft bis zu bestimmter Grenze ausZugebeu.
Diese und ähnliche Vorschläge sind entweder nicht durchführbar oder gegenüber der starken Silberpro- duktion nicht wirksam genug. Das.Hauptinteresse bieten deshalb nach wie vor die Vorschläge, die eine Umgestaltung der Währungs- verbältnisse bezwecken. In Wahrheit kommt hier nur die Einführung der Doppelwährnng in einem Lande, oder in mehrern oder in allen Kulturstaaten in Frage als ein Mittel, dnrch Steigerung des Münzbedarfö an Silber den Silberpreis zu heben. Dem Ziele des Vimetallismus, der auf Grund eines internationalen Vertrages die Doppelwährung in allen oder wenigstens den wichtigsten Kultur- staaten eiuführen will, stehen nicht die Bedenken ent- gegen, die gegen den Plan erhoben werden müssen, die Doppelwährung in einem einzelnen Lande ein- zuführen. (Über die Entwicklung des Bimetallismus s. Doppelwährung.) Die Gefahr, daß einem Lande sein Gold entzogen würde, besteht bei Durchführung dieses Gedankens nicht.
Auch würde der Bedarf an Silber dadnrch sehr wesentlich gesteigert werden, so daß nur bei größeru Verschiebungen in den Produk- tionsverhältnissen der Marktpreis des Silbers sich von dem international vereinbarten Wertverhältnis entfernen würde.
Ganz ist indes diese Möglichkeit nicht auszuschließen, weil man die Produktion des Silbers nicht in der Hand [* 34] hat.
Die Silberproduk- tion würde bei der internationalen Doppelwährung ohne Frage einen starken Antrieb erhalten und leicht über den Bedarf hinauswachsen.
Geschiebt das in erheblichem Maße, so wird sich auf dem Weltmarkt das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber zu Ungunsten des letztern verschieben, was sich in einem Goldagio äußern würde.
Damit aber wäre die Ka- lamität der eilberentwertung, wenn auch vielleicht in weniger scharfer Weise als jetzt,' wiederhergestellt.
Diese Gefahr ist um so größer, je mehr das ver- eiubarte Wertverhältnis sich von den jetzigen Markt- verhältnissen entfernt. Am stärksten ist die Gefahr, wenn man das frühere Verhältnis 1:15^ wieder- herstellt.
Die Vertreter des Vimetallismus sind über die Frage des Wertverhältnisses, die übrigens nicht grundsätzlicher, sondern rein praktischer Art ist, nicht einig.
Auch in der deutschen Eilbertommission zeigte sich das, da die einen das Verhältnis 1:15^/.2, andere dagegen 1: 24 empfahlen, während es in der That im Sept. 189? auf 1: 40 gesunken war. Daß, abgesehen von diesen Bedenken, das Zu- standekommen und die Dauer des bimetallistischen Vertrags bei den zum Teil auseinandergebenden Interessen der einzelnen Länder sehr schwierig, ¶
mehr
456 wenn auch nicht unmöglich sein wird, ist schon unter Doppelwährung (s. d.) dargelegt.
Besonders wichtig ist das Verhalten Englands, das bei seiner großen Bedeutung im internationalen Handel durch sein Fernbleiben den Anlaß zu empfindlichen Störungen für die Währungsverhältnisse einer bimetallistischen Union geben würde.
England hat zwar ein großes Interesse an der Hebung [* 36] des Silberwertes sowohl wegen Indien als auch wegen seiner vielfachen Kapitalanlagen in Silberländern;
es besteht auch schon eine bimetallistische Bewegung in England, indes scheint diese nicht sehr tief zu gehen, und das offizielle England hat auch neuerdings unzweideutig zu erkennen gegeben, daß es nach wie vor seine Goldwährung nicht antasten wolle.
Wollten die übrigen Staaten ohne England vorgehen, wie oft, auch in der deutschen Silberkommission, befürwortet wurde, so würden damit die Interessen Englands gut besorgt, weil es die etwaigen Vorteile mitgenießen, aber an dem damit verbundenen Risiko in keiner Weise mittragen würde.
Die Währungsfrage ist eben in der That international, und soweit staatliche Maßnahmen hier dauernd helfen können, müssen sie auch auf internationalen, alle wichtigen Kulturstaaten umfassenden Verträgen beruhen. (S. Doppelwährung, Edelmetalle, Geld, Gold, Goldwährung, Silber, Silberwährung, sowie Währung nebst Karte und Tabellen, Bd. 17.) Außer der unter obigen Stichworten genannten Litteratur vgl. noch: Otto Arendt, Leitfaden der Währungsfrage (Berl. 1893; 17. Aufl. 1895);
ders., Die Silberenquete (ebd. 1894);
Boissevain, Le [* 37] problème monétaire et sa solution (Par. und Amsterd. 1891);
van der Borght, Geld, Kredit und Wahnsinn (Aachen [* 38] 1894);
Cohnstädt, Goldwährung und Bimetallismus (2. Aufl., Berl. 1893);
Lehr, Die Währungsfrage (ebd. 1893);
Launhardt, Mark, Rubel, Rupie (ebd. 1894);
Ad. Wagner, Die neueste Silberkrisis und unser Münzwesen [* 39] (2. Aufl., ebd. 1894);
Wissenschaftliche Gutachten über die Währungsfrage (von Lexis, Scharling, Kleinwächter, Conrad, Schäffle, Herm. Schmidt; ebd. 1893);
Ichenhaeuser, Finis argenti (Zittau [* 40] 1894);
Währungs-Bibliothek (hg. vom Verein zum Schutze der deutschen Goldwährung, Stuttg. 1895 fg.);
Théry, Die internationale Währungskrise (Wien 1895);
Tritton, The assault of the Standard (Lond. 1895).