d'Aimone, lat. Histonium, Hauptstadt des Kreises Vasto d'Aimone (115659 E.) der ital. Provinz Chieti, 110 m hoch, a Adriatischen Meer, südlich der Punta della Penna gelegen, an der Eisenbahn Ancona-Bari, hat (1881) 13883 E., Gymnasium, technische Schule, ein Altertümermuseum im Stadthause;
Olivenbau, Fischerei. [* 2]
(spr. wáschwahr), ungar. Name der Klein-Gemeinde Eisenburg (s. d.).
(spr. wáßa-), Claudius, Franz, Kardinal-Erzbischof von Gran, [* 3] Primas von Ungarn, [* 4] geb. zu Keszthely als Sohn eines Kürschners, trat 1847 in den Benediktinerorden zu Martinsberg, wo er Theologie und Philosophie studierte. 1855 wurde er zum Priester geweiht. Nachdem er seit 1861 Professor der Geschichte am Obergymnasium in Gran, seit 1869 Direktor des Obergymnasiums in Raab [* 5] gewesen war, wurde er 1885 zum Erzabt des Benediktinerklosters Martinsberg mit einem Sitz im Oberhause gewählt, 1891 zum Erzbischof von Gran und Primas von Ungarn und 1893 zum kardinal ernannt. Gegen die kirchenpolit. Gesetzgebung (s. Ungarn, Geschichte) trat er im Oberhause sehr entschieden auf, dennoch wurde er von den Klerikalen angefeindet, weil er die Rechte der Kirche nicht kräftig genug gewahrt habe.
(«Faß»), [* 6]
holländ. Flüssigkeitsmaß, seit 1830 = 1 hl;
vorher in Niederland und noch jetzt in dessen Kolonien sowie in Südafrika [* 7] (altes amsterdamsches Vat) bei Branntwein = 225, bei Wein = 931,344 l.
Dukas, Kaiser von Nieäa und Titularkaiser von Byzanz, s. Johannes III.
der frommen Schulen, s. Piaristen. ^[= oder (lat. Patres piarum scholarum), in Polen Piaren, in Italien ...]
des Waldes, ein Riesenbaum aus der Gattung Sequoia (s. d.).
L., Pflanzengattung aus der Familie der Dipterocarpaceen (s. d.) mit 12 Arten im tropischen Asien, [* 8] hohe Bäume mit ganzrandigen lederartigen Blättern und weißen in Rispen stehenden Blüten. Die Stämme enthalten reichlich kopalartige Harze, die aus Einschnitten in die Rinde als zähe gelbe Massen von angenehmem Geruche ausfließen. Die bekannteste Art ist der Kopalbaum, Vateria indica L., in Ostindien, [* 9] von dem der ostindische oder Manilakopal gewonen wird. (S. Kopal.) Aus den stark fetthaltigen dicken Samen [* 10] stellt man durch Auskochen einen vegetabilischen Talg, das Vateriafett (Malabar- oder Pineytalg) dar, das an Härte und Zähigkeit dem Schaftalg nahesteht und besonders in der Kerzenfabrikation [* 11] und der Parfümerie benutzt wird.
s. Vateria. ^[= L., Pflanzengattung aus der Familie der Dipterocarpaceen (s. d.) mit 12 Arten im tropischen ...]
Frauenverein, zu den Vereinen des Roten Kreuzes (s. d.) zählender und dem Protektorat der Deutschen Kaiserin unterstellter Franenverein, der als preuß. Landesverein mit dem Sitze in Berlin [* 12] gegründet wurde. Er sieht seine Hauptaufgabe darin, im Kriegsfalle Verwundeten und kranken Beistand und Pflege zu gewähren und hierfür schon im Frieden alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Vor allem widmet er sich der Ausbilduug eines geschulten Pflegepersonals und entfaltet auch in Friedenszeiten eine umfassende Thätigkeit in Kranken- und Armenpflege. Darüber hinaus zieht er Wohlthätigkeitsbestrebungen aller Art in den Kreis [* 13] seiner Thätigkeit. Etwa 1800 Krankenpflegerinnen stehen ihm zur Verfügung. Er gliedert sich in fast 850 Zweigvereine
und umfaßt etwa 140000 Mitglieder. Über 1 ½ Mill. M. verwendet er jährlich für die verschiedenen Zwecke und er verfügt bereits über ein Vermögen von fast 8 Mill. M.
Evangelische, s. Schwedische Mission. ^[= Die S. M. war bereits im 16. Jahrh. unter den Lappen thätig und machte seit 1642 auch einen ...]
s. Christlicher Zeitschriftenverein (Bd. 17).
Gewalt (lat. patria potestas), die mit Pflichten verbundenen Rechte, welche dem Vater gegen die Person und an dem Vermögen der noch nicht selbständigen Kinder, nach früherm röm. Recht auch deren Ehefrauen und Kinder, der Enkel des Inhabers der zustehen. Das Deutsche [* 14] Bürgerl. Gesetzbuch kennt statt dessen eine elterliche Gewalt des Vaters (§§. 1627 fg.), wie eine solche der Mutter (§§. 1684 fg.). (S. Eltern.) Die wird nicht allein durch die Vaterschaft in gültiger Ehe, sondern auch durch Legitimation (s. d.) und durch Annahme (s. d.) an Kindesstatt, nach einigen Rechten sogar durch Einkindschaft (s. d.), begründet, nach Preuß.
Landrecht mit Einschränkung bezüglich des Kindesvermögens. Die giebt dem Vater auch ein Nutzungsrecht an dem Vermögen des Kindes. Die geltenden Rechte kennen überwiegend eine Beschränkung der in solchen Fällen, in welchen der Vater durch sein Verhalten das geistige oder leibliche Wohl des Kindes gefährdet. Viele Rechte geben die Befugnis hierzu nur dem ordentlichen (d. h. Prozeß-) Richter, das Preuß. Landr. II, 2, §. 91 und das Sächs. Bürgerl.
Gesetzb. §. 1803, dem Vormundschaftsgericht. Den letztern folgt das Deutsche Bürgerl. Gesetzb. §§. 1666. Die Rechte des Vaters in Ansehung des Vermögens des Kindes läßt dasselbe Gesetzbuch beschränken im §. 1667, im Anschlusse an das Preuß. Landr. II, 2, §§. 179, 182, 267 und das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 1815 schon dann, wenn der Vater in Vermögensverfall gerät, aber auch im Anschluß an die bezeichneten und zahlreiche andere Rechte, wenn der Vater die in Ansehung des Vermögens ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt.
Wegen des Einflusses einer Wiederverheiratung s. Wiederheirat. Weiter kennt das geltende Recht ein Ruhen der für den Fall, daß der Vater an der Ausübung derselben thatsächlich oder rechtlich behindert ist; jedoch sind sowohl die Voraussetzungen als die Wirkungen nicht gleichmäßig geregelt (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 1676; u. 1677). Über Beendigung der s. Eltern. Die begründet in gewissem Umfange eine vermögensrechtliche Haftung des Vaters aus Handlungen des Hauskindes und für dessen Schulden:
1) nach Gemeinem Recht mit dem Pekulium (s. d.) für alle Verbindlichkeiten des Hauskindes, nur nicht für Delikte oder Schenkungen (actio de peculio);
2) ebenso mit der actio quod jussu für die infolge der Anstellung des Hauskindes zu einer bestimmten Beschäftignng vorgenommenen Handlungen;
3) mit der actio de in rem verso aus dem Gesichtspunkte einer zum Nutzen des Vaters erfolgten Verwendung. Das Preusi. Landr. II, 2, §. 126, das Sächs. und Deutsche Bürgerl. Gesetzbuch (§§. 278 u. 832) stellen in diesen Beziehungen (2 und 3) Kinder und Eltern unter denselben Gesichtspunkt wie freie Vertreter, nur sind im Preuß. Landrecht und sächs. Gesetz besondere Bestimmungen über die Haftung des Vaters gegeben, wenn ein Dritter dem Kinde den Unterhalt gegeben hat;
4) für unerlaubte Handlungen des Kindes lassen das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 1309 und Code civil Art. 1884 den Vater ¶
unter bestimmten Voraussetzungen haften, andere Rechte lassen nur das dem väterlichen Nießbrauch nicht unterworfene und subsidiär das demselben unterworfene Vermögen haften.
Vgl. Stölzel, Das Recht der in Preußen [* 16] (Berl. 1874): Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts, Bd. 4 (2. Aufl., ebd. 1874), §§ 252 fg.; Roth, System des deutschen Privatrechts, Bd. 2 (Tüb. 1880-81), §§ 146 fg.
Verwandte von väterlicher Seite, s. Mage. ^[= (Ventriculus, Stomachus), die sackartige Erweiterung des Verdauungskanals zwischen der Speiseröhre ...]
oder Paternität, das rechtliche Verbältnis des Vaters zu seinem Kinde. Unter Vater wird durchweg derjenige verstanden, welchem in gültiger Ehe von seiner Ehefrau ein Kind geboren wird. Möglich ist jedoch, daß auch dieser nicht Erzeuger des Kindes ist. (S. Illegitimitätsklage.) Auch denjenigen, welcher ein uneheliches Kind erzeugt hat, nennt das geltende Recht (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §. 1717) überwiegend den Vater, nur ganz vereinzelt wird von dem Erzeuger geredet. Dem entsprechend bedient man sich für die Klage gegen den Erzeuger des Ausdrucks Paternitätsklage (s.d.). Die Vaterschaft hat die väterliche (elterliche) Gewalt zur Folge und giebt dem Kinde Familienrechte und Erbrecht. (S. Eltern und Väterliche Gewalt.)
Körperchen, eigentümliche Endorgane der sensibeln Hautnerven (s. Haut), [* 17] benannt nach ihrem Entdecker, dem Anatomen Abraham Vater (geb. zu Wittenberg, [* 18] gest. daselbst 1751 als Professor der Anatomie).
(lat. Pater noster), bei den Reformierten Unser-Vater, auch Gebet des Herrn (Oratio dominica), nach seinen Anfangsworten das Matth. 6, 9-13. und Luk. 11, 2-4. enthaltene Gebet. Nach Matthäus hätte Jesus den Jüngern dieses Gebet unaufgefordert als Mustergebet mitgeteilt, im Unterschiede vom «Plappern» der Heiden, nach Lukas auf die Bitte der Jünger, sie beten zu lehren. Die kürzere Fassung bei Lukas ist schwerlich die ursprüngliche; doch ist die Doxologie am Schluß («Denn dein ist das Reich» u. s. w.) bei Matthäus erst später zum Zweck des kirchlichen Gebrauchs hinzugefügt.
Die in dem Gebete enthaltenen sog. Sieben Bitten sprechen in volkstümlichen Worten die Grundgedanken des Evangeliums Jesu Christi aus. Sehr früh kam die Sitte auf, dieses Gebet bei jedem Gottesdienste zu sprechen, seit dem 4. Jahrh. gebrauchte man es auch bei der Feier des Abendmahls und bei der Predigt, wie dies jetzt noch in der prot. Kirche der Fall ist. Katechumenen durften es, solange sie nicht getauft waren, nicht beten. In der griech. Kirche betete es die Gemeinde mit dem Priester, in der lateinischen der Priester allein.
Spätere Kirchengesetze geben den Priestern die Vorschrift, es täglich zu beten. Die Kapitularien Karls d. Gr. ordneten an, daß jeder Christ und jeder Priester das Vaterunser auswendig lernen müsse. Die abergläubische Meinung, daß durch das Hersagen dieses Gebets außerordentliche Wirkungen hervorgebracht würden, gab Anlaß zu seiner mißbräuchlichen Anwendung bei Heilungen und Gottesurteilen. Die kath. Kirche hat das Vaterunser mit dem Rosenkranze (s. d.) verbunden. Im luth. Katechismus bildet das Vaterunser das dritte Hauptstück. Der Heidelberger Katechismus hat es neben den Gebeten im 3. Teil («Der Christen Dankbarkeit»). Die Zählung der Bitten ist bei den Reformierten anders, da sie die 6. und 7. Bitte vermengen. Von Auslegungen des Vaterunser seien die von Tholuck («Die Bergrede Christi», 5. Aufl., Gotha [* 19] 1872) und von Kamphausen («Das Gebet des Herrn», Elberf. 1866) erwähnt.
(lat.), Seher, gottbegeisterter Dichter.
preuß. Dorf, s. Bd. 17.
1) Hauptstadt der Insel Samos (s. d.);
2) Hauptstadt von Ithaka (s. d.);
mittelalterlicher Ort, s. Batum. ^[= 1) Bezirk im SW. des russ.-transkaukas. Gouvernements Kutais, hat 3045,1 qkm mit (1894) 47 116 ...] [* 20]
Lehninense (lat.), Lehninsche Weissagung, s. Lehnin. ^[= Marktflecken im Kreis Zauch-Belzig des preuß. Reg.-Bez. Potsdam, an mehrern Seen, die durch ...]
[* 21] päpstl. Palast in Rom [* 22] (s. Plan: Rom). Die dem Campus Martius gegenüberliegende Ebene rechts vom Tiber (jetzt eingenommen von den Stadtteilen Borgo und Prati di Castello) heißt im Altertum campus oder ager Vaticanus (ob von einer uralten untergegangenen Etruskerstadt Vaticum?), die sie umgebenden Hügel, vom Monte-Mario bis zum Gianicolo, colles Vaticani. Einen besondern «mons Vaticanus» kennt das Altertum nicht, auch ist die physische Abgrenzung des heute so genannten Hügels nicht scharf nachzuweisen.
Die Ebene war in der Kaiserzeit meist eingenommen durch Gärten, unter andern durch die der Domitier, in welchen die Christen unter Nero (64) ihren Martertod fanden. Der Leichnam des Apostels Petrus wurde unweit davon zwischen dem Cirkus [* 23] des Caligula und einem viel verehrten Heiligtum der Kybele, [* 24] das den Namen «Vaticanun» führte (Reste beim Bau der Façade von St. Peter 1609 gefunden), bestattet. Als sich dann über dem Grabe des Apostels eine Kirche erhob, erhielt sie den Beinamen S. Petrus in Vaticano.
Die alte Peterskirche, deren Gründung von der Tradition dem Konstantin zugeschrieben wird, war ein imposanter fünfschiffiger Bau mit quadratischem Vorhof und zahlreichen Nebenkapellen (Grundriß s. Tafel: Altchristliche Kunst II, [* 15] Fig. 5), reich mit Marmor, Mosaiken und Malereien geschmückt, aber eilfertig und unter Benutzung vielfach zusammengeraffter Materialien errichtet. Im 5. Jahrh. veranlaßte ihr baufälliger Zustand Nikolaus Vatikan zum Gedanken eines Neubaues.
Bernardino Rosselino entwarf die Pläne und begann eine große Tribuna (hinter der alten) zu errichten, doch stockte der Bau nach dem Tode des Papstes. Erst Julius II. nahm den Plan wieder auf und entschied sich, nach einer Konkurrenz zahlreicher Architekten, für den Plan des Lombarden Bramante (s. d.). Dieser entwarf einen großartigen Centralbau in Form eines gleicharmigen (griech.) Kreuzes, mit riesiger, an den Ecken von vier kleinern flankierten Centralkuppel. Der Grundstein zum neuen St. Peter wurde gelegt und der Bau in den ersten Jahren schnell gefördert. Die erforderlichen ungeheuern Geldmittel wurden zum Teil durch den schwunghaft betriebenen Ablaßhandel beschafft. Aber mit dem Tode Aramantes (1514) verlangsamte das Tempo des Baues, dessen Leitung nach- und nebeneinander Giuliano da Sangallo, Raffael (gest. 1520), Fra Giocondo da Verona [* 25] (gest. 1515) und Baldassarre Peruzzi hatten.
Nach der Belagerung und Plünderung Roms (1527) geriet er fast ganz ins Stocken. Erst unter Paul III. (1534-49) beginnt eine neue Periode der Thätigkeit. Antonio da Sangallo der Jüngere, der zunächst die Oberleitung führte, wollte ein großes Langhaus errichten und dadurch der Kirche die Form eines lat. Kreuzes geben; auch konstruierte er ein großes Holzmodell für die Dekoration der Außenfaçaden, welches noch in St. Peter aufbewahrt wird. Aber der nach seinem Tode (1546) zum Oberarchitekten berufene ¶
Michelangelo griff auf den Grundriß Bramantes zurück, verstärkte die Kuppelpfeiler, führte die Außenfaçaden der Querschiffe und den Tambour der Kuppel auf und hinterließ für die Kuppel selbst Zeichnungen, nach welchen sie Giacomo della Porta und Domenico Fontana unter Sixtus Vatikan (1585-90) ausführten. Seit 1604 leitete Carlo Maderna den Bau, ließ sich aber durch Paul Vatikan bestimmen, das Mittelschiff zu verlängern; dadurch erhielt der Grundriß die Form des lat. Kreuzes; die Wirkung der Kuppel ist sehr beeinträchtigt. 1612 wurde die Façade (s. Tafel: Rom I, [* 21] Fig. 5) vollendet, 1626 die Kirche von Urban VIII. geweiht.
Doch dauerte die Vollendung der Innendekoration, bei der namentlich Bernini thätig war, noch Jahrzehnte lang. Bernini entwarf (1629) auch zwei Glockentürme zu den Seiten der Façade, von denen der eine ausgeführte bald wegen des unsichern Baugrundes wieder abgetragen werden mußte, der andere nie in Angriff genommen ist. Unter Alexander VII. (1655-67) führte Bernini die großartigen vierfachen Kolonnaden um den elliptischen Vorplatz der Kirche auf, welche den Eindruck der Front wesentlich heben. Pius VI. baute 1776-84 den Palazzo della Sagrestia an der Südseite nach Carlo Marchionnes’ Entwurf hinzu. Die Kosten des Baues betrugen bis Ende des 17. Jahrh. über 200 Mill. M., die der Unterhaltung und Ausbesserung belaufen sich auf etwa 150000 M. jährlich.
Die Peterskirche ist mit einem Flächeninhalt von 15160 qm die größte der Welt; die Länge beträgt mit Einschluß der Vorhalle 211,5 m, die Breite [* 27] der Façade 112,6 m. Die Façade ist 44,3, das Mittelschiff 46,2, die Kuppel innen 123,4, außen bis zur Höhe des Kreuzes 132,5 m hoch; der Durchmesser der Kuppel ist 42 m, 1,5 m weniger als der des Pantheons. Die fünf Eingänge der Front führen in die 71 m breite, 13,5 m tiefe und 20 m hohe Vorhalle, mit prachtvoller Stuckdecke und anderm Schmuck; in der Eingangswand ein Mosaik nach Giotto (1298): La navicella (das «Schifflein» Petri). Über der Vorhalle liegt die sog. Loggia della Benedizione, ein mächtiger saalartiger Raum (Höhe 22 m), der früher öfter zur Abhaltung des Konklaves für die Papstwahl diente; vom Mittelbalkon dieses Saales wurde der Neuerwählte dem Volke gezeigt, und spendete (bis 1870) am Osterfeste den Segen urbi et orbi.
Von der Vorhalle führen fünf Thüren ins Innere der Kirche (s. Tafel: Italienische Kunst III, [* 21] Fig. 2), die mittelste mit schönen Bronzereliefs von Antonio Filarete (1439-45). Die Kirche hat 3 Schiffe, [* 28] 10 Kapellen (je 3 neben dem Langhaus, 4 um die Kuppelpfeiler) und außer dem Hauptaltar 29 Altäre. Der Hochaltar unter der Kuppel wird von dem ungeheuern barocken Tabernakel Berninis (29 m hoch; s.Tafel: Altäre II, [* 21] Fig. 5) überragt; darunter das von 89 ewigen Lampen [* 29] umgebene Grab des Petrus. Unter den Kunstwerken sind hervorzuheben: die sitzende Bronzestatue des Petrus, wohl ein Werk des 13. Jahrh., mit Unrecht für altchristlich gehalten (s. Tafel: Altchristliche Kunst I);
die herrliche Pietà Michelangelos (s. Tafel: Italienische Kunst V, [* 21] Fig. 4) und zahlreiche Papstgräber (besonders das Sixtus’ IV. von Antonio Pollajuolo, Innocenz’ VIII. von Antonio und Pietro Pollajuolo, Pauls III. von Guglielmo della Porta, Urbans VIII. und Alexanders VII. von Bernini, Clemens’ XIII. von Canova, Pius’ VII. von Thorwaldsen [* 21] [Figur davon s. Tafel: Thorwaldsen, [* 21] Fig. 2]).
In der Tribuna die kostbare, aber geschmacklose Cathedra Petri von Bernini, ein Bronzegehäuse, das den alten hölzernen Bischofsstuhl des Petrus umschließt, mit den Kolossalfiguren der vier großen Kirchenlehrer. Gemälde enthält die Peterskirche sehr wenige; die großen Altarbilder (u. a. Raffaels Transfiguration, Guercinos Beisetzung der heil. Petronella, Domenichinos Kommunion des heil. Hieronymus, Guido Renis Erzengel Michael) sind seit dem vorigen Jahrhundert durch meisterhafte Mosaikkopien (von Cristofani) ersetzt, da die Originale durch Feuchtigkeit zu leiden begannen. - Die Krypten (sog. Grotte Vaticane) unter der Kuppel und dem Langhause enthalten zahlreiche Kunstwerke aus der alten Kirche, Papst- und Fürstengräber (u. a. des deutschen Kaisers Otto II., gest. 983, und Gregors Vatikan, des Vetters Ottos III., gest. 999). - Der Palazzo della Sagrestia, ein sechsstöckiger Prachtbau, enthält außer den Sakristeiräumen die Wohnungen der Domherren, das Archiv und den Schatz der Basilika [* 30] (in letzterm schöne Kandelaber, [* 31] angeblich von Michelangelo und Benvenuto Cellini, eine kostbare Dalmatica, die Karl d. Gr. getragen haben soll, u. a.).
[* 21] ^[Abb.]Peterskirche (Grundriß).
1. Statue des Petrus. 2. Statue Pius’ VI. 3. Grabmal Pauls III. 4. Pietà von Michelangelo. 5. Kapelle des heiligen Sakramentes. 6. Grabmal Sixtus’ IV. 7. Gregorianische Kapelle. 8. Madonna del Soccorso. 9. Denkmal Clemens’ XIII. 10. Kapelle des Erzengels Michael. 11. Cappella della Colonna. 12. Clementinische Kapelle. 13. Grabmal Pius’ VII. 14. Chorkapelle. 15. Grabmal Innocenz’ VIII. 16. Sagrestia comune. 17. Sagrestia dei canonici. 18. Stanza capitolare. 19. Sagrestia de’ beneficiati. 20. Kirchenschatz. ¶
Zu den Nebengebäuden der Basilika gehörten schon im frühen Mittelalter Wohnungen für den Bischof von Rom (episcopia, zuerst erwähnt unter Papst Symmachus, 498-514), die aber mehr den Charakter eines Absteigequartiers hatten. Erst unter Eugen III. (1145-53) und Nikolaus III. (1277-81) werden größere Bauten erwähnt. Da der lateranische Palast durch die große Feuersbrunst von 1308 zerstört war, verlegten die Päpste nach der Rückkehr aus Avignon ihre Residenz nach dem Vatikan Johann XXIII. verband (etwa 1410) den Vatikan durch einen bedeckten Gang [* 33] mit der Engelsburg.
Nikolaus Vatikan (1447-55) faßte den Plan eines großartigen Neubaues, der die Wohnungen sämtlicher Kardinäle und die Geschäftsräume aller päpstl. Behörden in sich begreifen sollte; doch kam in seiner kurzen Regierungszeit wenig davon zur Ausführung. Sixtus IV. baute dann (1473) die Sixtinische Kapelle, daneben Alexander VI. ein festes Wohnhaus [* 34] (Torre di Borgia: im Mittelgeschoß die Appartementi Borgia, mit reichem Freskenschmuck, namentlich von Pinturicchio, im Oberstock die Wohnzimmer, stanze, Julius II. mit den berühmten Fresken Raffaels). Auf einem 300 m nördlich von diesen Bauten gelegenen Hügel ließ Innocenz VIII. nach den Plänen Antonio Pollajuolos eine Gartenvilla (il Belvedere) anlegen.
Julius II. hat das Verdienst, wie für die Peterskirche so auch für den Palast großartige Neuschöpfungen geplant und die Ausführung in die Hand [* 35] Bramantes gelegt zu haben. Dieser verband das Belvedere mit den Bauten Alexanders VI. durch zwei riesige Langbauten, die einen in Terrassen aufsteigenden Garten [* 36] einschließen sollten; ferner baute er, östlich an die Torre Borgia anschließend, die Hallen (loggie), welche den sog. Hof [* 37] des heil. Damasus einschließen und deren oberstes Geschoß [* 38] Raffael und seine Schüler mit reizenden, ornamentalen Wand- und Deckenfresken schmückten.
Durch Bramantes Bauten war Form und Ausdehnung [* 39] des Palastes im wesentlichen gegeben, doch bauten die meisten folgenden Päpste weiter daran. Sixtus Vatikan durchschnitt den großen Garten Bramantes durch den Bibliotheksflügel und erbaute an der Ostseite des Damasushofs den großen, den Petersplatz beherrschenden Palast, in dem noch jetzt der Papst residiert; für das Antikenmuseum erbaute Pius VI., anschließend ans Belvedere, die Sala delle Muse, Sala Rotonda und Sala a croce greca, später Pius VII. den Braccio nuovo (parallel der Bibliothek). So ist der Vatikan mit einer bebauten Fläche von etwa 28000 qm (ausschließlich der großen Höfe und Gärten) der größte Palast der Welt, wenn auch die oft wiederholte Angabe, daß er 11000 Räume enthalte, eine Fabel ist (in Wahrheit dürfte die Zahl 1000 kaum erreicht werden). -
Vgl. Fontana, Templum Vaticanum (Rom 1694);
Platner und Bunsen, Beschreibung Roms, Bd. 2 (Stuttg. 1832);
Geymüller, Les projets primitifs pour la basilique de S. Pierre (Par. 1875);
Letarouilly und Simil, Le [* 40] Vatican (2 Bde., ebd. 1882).
Das Vatikanische Museum gehört, was den Antikenbesitz anlangt, zu den ersten Sammlungen der Welt. Schon Julius II., Leo X. und Paul III. hatten im Belvedere und im Garten des Vatikan antike Skulpturen aufgestellt; dieselben waren aber in den Zeiten der Gegenreformation, unter Paul IV. und Pius Vatikan, bis auf einzelne hervorragende Stücke (Laokoon, Apollon, [* 41] schlafende Ariadne u. dgl.) zerstreut und verschenkt worden. Erst Clemens XIV. und Pius VI. gründeten 1770-80 die jetzige Antikensammlung (Museo Pio-Clementino), welche rasch wuchs und durch den berühmten Archäologen E. Q. Visconti geordnet wurde.
Dieselben begründeten auch die Galleria lapidaria, die größte existierende Sammlung antiker, besonders röm. Inschriftsteine. Pius VII. fügte das Museo Chiaramonti und den Braccio nuovo hinzu, Gregor XVI. das ägypt. und etrusk. Museum, Pius IX. das christl. Museum unter Leitung G. B. de Rossis; die Bildung einer Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke und kunstgewerblichen Arbeiten ist zur Zeit im Werke. Die Sammlungen nehmen die mittlern Geschosse der großen Bramanteschen Korridore, ferner den Braccio nuovo, das Belvedere und mehrere anschließende, eigens dafür erbaute Säle ein. Beschrieben sind die vatikanischen Sammlungen von E. Q. Visconti (s. d.) in den Prachtwerken Museo Pio-Clementino und Museo Chiaramonti; von Platner, Bunsen und Gerhard im 2. Bande der «Beschreibung Roms»; vgl. auch Michaelis im «Jahrbuch» des Archäologischen Instituts (1890) und Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom (Bd. 1, Lpz. 1891).
Die von Pius VII. gegründete Gemäldegalerie bereichert durch die 1816 von den Franzosen zurückgegebenen Bilder, die diese aus allen Kirchen Roms zusammengebracht hatten, ist neben der Galerie Borghese die wichtigste Roms.
Das zuerst unter Damasus I. erwähnte päpstl. Archiv wurde aus dem Lateran in den Vatikan verbracht, wo es 11 Zimmer einnimmt. Seine 2016 Bände Register, Urkunden und Akten bilden eine unvergleichliche Fundgrube für die Geschichte der ganzen Welt, namentlich seit 1198; ihre Benutzung wurde durch Leo XIII. auf Veranlassung des Kardinals Hergenröther in rühmlichster Weise freigegeben.
Bibliothek, die von Papst Nikolaus Vatikanische im 15 Jahrh. begründete und im Vatikan (s. d.) aufgestellte öffentliche Bibliothek von 9000 Bänden. Seine Nachfolger vernachlässigten und zerstreuten dieselbe;
an ihre Stelle trat die von Sixtus IV. gesammelte, welche sich zuerst unter der Sixtinischen Kapelle befand und unter Sixtus Vatikanische in das von Domenico Fontana aufgeführte Gebäude verbracht wurde (1588);
sie nahm durch Schenkung und Kauf eine Reihe anderer Bibliotheken in sich auf, die Palatina (s. d.) von Heidelberg, [* 42] die von der Königin Christine von Schweden [* 43] überwiesene Reginensis (1690), die von Alexander VII. angekaufte Ottoboniana (1746);
sie hat 26000 Handschriften, darunter etwa 19000 lat., 4000 griech. und 2000 orient., und etwa 200000 gedruckte Bände. -
Vgl. I. ^[Isidoro] Casini ^[korrekt: Carini], La Biblioteca vaticana (Rom 1892);
Franc. Ehrle, Historia bibliothecae Romanorum pontificum (Bd. 1, Rom 1890);
M. Fancon, La librairie des papes d’Avignon (2 Bde., Par. 1884-87).
Codex (Codex Vaticanus), s. Bibel ^[= (vom griech. ta biblia, d. h. die Bücher, gleichsam das Buch der Bücher, das vornehmste Buch ...] [* 44] II, B.
Konzil, das letzte vom bis zu Rom abgehaltene ökumenische Konzil (s. d.), von dem die Unfehlbarkeit (s. Infallibilität) des Papstes proklamiert wurde. Diese Kirchenversammlung wurde durch die Bulle «Aeterni Patris» vom Papst Pius IX. berufen und auch die griech. Bischöfe, die Protestanten und andere Nichtkatholiken dazu geladen. Versammlungsort war der Vatikan; daher der Name. Als Zweck wurde angegeben: Reinigung der ^ehre von Irrtümern, ¶
Wiederherstellung der Kirchenordnung und Rettung der bürgerlichen Gesellschaft von den sie bedrohenden Übeln. In der Hauptsache jedoch handelte es sich um die Verwirklichung des Lieblingsgedankens Pius’ IX., die Proklamation des Unfehlbarkeitsdogmas. Von 1037 Stimmberechtigten waren 764 anwesend, die große Mehrzahl den päpstl. Wünschen geneigt. Eine Bittschrift an den Papst im Sinn des neuen Dogmas trug 410 Unterschriften, die Gegenadresse nur 137. Diese Minorität vertrat aber die größten Kulturländer der Erde; zu ihr standen die angesehensten und gelehrtesten Bischöfe, unter ihnen auch die deutschen.
Die deutschen Bischöfe hatten bereits im Herbst zuvor auf einer Bischofskonferenz zu Fulda [* 46] sich gegen die Unfehlbarkeit erklärt, unterstützt von dem bayr. Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe, der sich vergeblich bemüht hatte, die Regierungen zu diplomat. Schritten zu bewegen. Bevor aber die Opposition in Rom sich organisiert hatte, waren schon die Kommissionen gewählt, und die Jesuiten siegten auch hier. Ebenso schloß die dem Konzil auferlegte Geschäftsordnung die freie Beratung aus. Es war verboten, in Rom etwas drucken zu lassen; Abänderungsvorschläge ließen die Kommissionen unberücksichtigt; schließlich durfte nur ohne Debatte mit Ja und Nein (placet oder non placet) gestimmt werden. Die neue Verkündigungsformel lautete: «Der Papst verordnet unter Zustimmung des Konzils.»
Das Konzil hatte nur vier öffentliche Sitzungen, davon waren zwei rein äußerlicher Natur; in der dritten, wurden die neuen Glaubensgesetze angenommen und in der vierten, 18. Juli, feierlich verkündet. Es handelte sich um vier Punkte: um die Verdammung des modernen Unglaubens als Rationalismus, Pantheïsmus, Materialismus und Atheïsmus;
ferner um die kirchliche Disciplin, weiter um den päpstl.
Primat, und erst zuletzt, 6. März, wurde die Vorlage wegen der Unfehlbarkeit eingeschoben. Bei der Abstimmung, 13. Juli, erschienen nur 601 Väter zur Abstimmung, sieben Kardinäle, unter denen Hohenlohe und Antonelli, fehlten; 88 stimmten mit Nein, 62 mit bedingtem Ja. Zwei Tage später beschwor eine Deputation den Papst fußfällig um Zurückziehung der Vorlage. Am 17. Juli verließ sodann die Minorität Rom unter Zurücklassung eines Protestes; 18. Juli hörte man nur 2 non placet, dagegen 533 placet.
Zwei Monate später besetzten die Italiener Rom, womit die weltliche Herrschaft des Papstes aufhörte. Am wurde das Konzil vertagt. Am erklärten die meisten deutschen Bischöfe auf einer Konferenz in Fulda in einem Hirtenbrief dem Volke, daß die neuen Glaubensgesetze stets geglaubt worden seien; als der letzte der Oppositionsbischöfe unterwarf sich Hefele (s. d.) in Rottenburg. Nach Annahme des Dogmas erhob sich die altkath. Bewegung (s. Altkatholicismus), und es folgte der sog. Kulturkampf (s. d.). -
Vgl. Janus [* 47] (J. ^[Johann Joseph Ignaz] von Döllinger), Der Papst und das Konzil (Lpz. 1869; neu bearbeitet von J. ^[Johannes] Friedrich, Münch. 1892);
Röm. Briefe vom Konzil (von Quirinus [Döllinger], Münch. 1870);
Friedberg, [* 48] Sammlung der Aktenstücke u. s. w. (Tüb. 1871 fg.);
Friedrich, Documenta ad illustrandum concilium Vaticanum (Nördl. 1871);
ders., Tagebuch. Während des Vatikanisches Konzil geführt (ebd. 1871; 2. Aufl. 1873);
ders., Geschichte des Vatikanisches Konzil (2 Bde., Bonn [* 49] 1877-83);
Frommann, Geschichte und Kritik des Vatikanisches Konzil (Gotha 1873);
Gladstone, The Vatican decrees (Lond. 1874);
ders., Vaticanism (ebd. 1875);
Manning, True story of the Vatican council (ebd. 1877; deutsch Berl. 1877).
(frz., spr. wa tu), bei Hasardspielen: «es gilt alles» (auf das Spiel gesetzte Geld).
Emerich von, Publizist, geb. zu Couvet im Fürstentun Neuchâtel, studierte zu Basel [* 50] und Genf [* 51] Philosophie nach Leibniz und Wolf, kam 1742 nach Berlin, 1743 nach Dresden [* 52] und wurde 1749 sächs. Gesandter in Bern. [* 53] 1758 als Geheimrat nach Dresden zurückberufen, starb er auf einer Reise zu Neuchâtel Vattel ist berühmt geworden durch sein Werk «Droits des gens, ou principes de la loi naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des nations et des souverains» (zuerst 2 Bde., Neuchâtel 1758; vermehrt und mit einer biogr. Notiz über Vattel, 2 Bde., Amsterd. 1775; deutsch von Schulin, Nürnb. 1760; Mitau [* 54] 1771 u. s. w.; neue Ausg., 3 Bde., Par. 1863),
worin er die Aufklärung gegen die Politik des Patrimonialstaates vertritt. Ferner schrieb er «Questions de droit naturel et observations sur le traité du droit de la nature par Wolf» (Bern 1762),
«Mélanges de morale, de littérature et de politique» (Neuchâtel 1770),
«Loisir philosophique» (Dresd. 1747),
«La poliergie» (Amsterd. 1757).
(spr. wobáng), Sébastien le Prêtre de, franz. Marschall und Verbesserer des Ingenieurwesens, geb. zu St. Léger de Foucherets bei Avallon in Burgund, trat in seinem 17. Jahre bei der span. Armee im Regiment Condé als Kadett ein und wurde von Condé, dem er durch seine mathem. Kenntnisse auffiel, als Ingenieur benutzt. 1653 gefangen, wurde Vauban als Offizier im franz. Ingenieurkorps angestellt. Er zeichnete sich bei mehrern Festungsangriffen aus und leitete schon 1658 als General die Belagerungen von Gravelingen, Ypern und Oudenaarde selbständig.
Nach dem Frieden begann er 1662 die Anlagen zur Neubefestigung von Dünkirchen. [* 55] Im ersten Kriege Ludwigs XIV. zwang er 1667 mehrere belg. Festungen zur Kapitulation. 1669 wurde er Generalinspektor sämtlicher franz. Festungen und bald der berühmteste Kriegsbaumeister seiner Zeit; er hat 33 feste Plätze neu erbaut und 300 alte verbessert, hat 53 Belagerungen geleitet, 140 Gefechten beigewohnt, aber nie Gelegenheit gehabt, eine Festung [* 56] zu verteidigen. Der Angriff machte durch ihn große Fortschritte und überflügelte die Verteidigung.
Dies bewirkte Vauban vorzüglich durch die systematisch angeordneten Parallelen (s. Förmlicher Angriff), die er 1673 vor Maastricht, [* 57] und den Rikoschettschuß (s. d.), den er 1697 vor Ath zuerst anwandte. Im Festungsbau verstand es Vauban meisterhaft, die Befestigungen dem Gelände anzupassen; nirgends findet man bei ihm ein peinliches Streben nach regelmäßigen Formen. Im Grundriß ist den Forderungen des Défilements, im Profil der Örtlichkeit aufs scharfsinnigste Rechnung getragen.
Nach V.s Tode hat man aus seinen Bauten drei sog. Vaubansche Manieren abgeleitet, die sämtlich dem von den Italienern überkommenen Bastionärsystem angehören (s. Französische Befestigungsmanier). Die Befestigungsweife V.s und seiner Nachfolger blieb über ein Jahrhundert in Europa [* 58] maßgebend und ist es in Frankreich bis 1870 gewesen. Auch in andern Bauten zeichnete sich Vauban aus, wie die Schleuse von Gravelingen und der Hafen von Toulon [* 59] beweisen. Der Vaubansche Festungsangriff hat durch die Ausbildung der gezogenen ¶
Geschütze [* 61] in artilleristischer Hinsicht wesentliche Änderungen erlitten, liegt aber dem Ingenieurangriff auch gegenwärtig noch in gewisser Hinsicht zu Grunde.
V.s Einfluß im Heerwesen bewirkte 1703 die Abschaffung der Piken und die allgemeine Einführung des Steinschloßbajonettgewehrs bei der franz. Infanterie. 1699 wurde Vauban Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften, und 1703 erhielt er den Marschallsstab. Doch zog ihm seine Denkschrift «Projet d'une dime royale» (1707; neue Aufl., Par. 1877), worin er auf die enorme Steuerlast, durch die das franz. Volk bedrückt wurde, hinwies und alle die vielfachen Abgaben durch eine einzige Steuer zu ersetzen vorschlug, die Ungnade des Königs zu, so daß er in Ruhestand versetzt wurde. Er starb und hinterließ nur Handschriften, von denen ein Teil später u. d. T. «Oisivetés de M. de Vauban» (3 Bde., Par. 1842-43) herausgegeben wurde. Auch ist seine Wirksamkeit in den «Œvres militaires», hg. von Foissac (3 Bde., Par. 1793),
in dem «Traité de l'attaque des places» von Augovat (ebd. 1829: deutsch von Zastrow u.d. T. «Angriff und Belagerung fester Plätze», Berl. 1841) und in dem «Traité de la defense des places», nach einer von ihm selbst durchgesehenen Handschrift, mit einer Vorrede des Generals Valazé (Par. 1829),
und in mehrern andern Werken niedergelegt. Ferner wurden nach seinen Handschriften bearbeitet «Mémoires pour servir d'instruction dans la conduite des sièges et dans la défense des places» (Leid. 1740; deutsch Berl. 1744). Seine «Mémoires militaires» wurden von Favé herausgegeben (Par. 1847); auch erschienen «Mémoires inédits du maréchal Vauban sur Landau, [* 62] Luxembourg etc.» (ebd. 1841). Die unter seiner Leitung verfertigten Modelle der franz. Festungen wurden von den Verbündeten 1815 mit fortgenommen und befinden sich zum Teil in der Ruhmeshalle (Zeughaus) zu Berlin. -
Vgl. Chambray, Notice historique sur Vauban (Par. 1845);
G. Michel, Histoire de Vauban (ebd. 1879);
Lohmann, Vauban, seine Stellung in der Geschichte der Nationalökonomie und sein Reformplan (Lpz. 1895).
oder Neubreisacher Kanal, [* 63] vom Marschall Vauban zum Transport von Materialien zum Bau der Festung Neubreisach angeordnet und 1699 vollendet, führt, bei Ensisheim aus dem Quatelbach, einem Ill-Arm, in 214 m Seehöhe abgehend, in der obern, 20,6 km langen Strecke nach Neubreisach, und in der untern, 5,5 km langen, auch Widensoler Kanal genannten Strecke von dort auf etwa 189 m Seehöhe in den Blindbach, einen Zufluß der Ill. Von Schiffen wird er wegen seines geringen Querschnitts, 7 m Wasserspiegelbreite, 1 m Tiefe, nicht mehr benutzt, dient vielmehr nur noch zur Bewässerung und Entwässerung.
Bandkette, s. Kette. ^[= # eine zur Aufnahme von Zugkräften geeignete Aneinanderreihung gegenseitig beweglicher, ringartiger ...]
(spr. woscháng), franz. Dorf bei Montmirail, an der Straße nach Epernay (Depart. Marne), hat 300 E. und ist bekannt durch die Kämpfe bei Etoges (s. d.) 1814.
sessilis, s. Chlorophyceen. ^[= Chlorosporeen oder Chlorospermeen, eine Gruppe der Algen (s. d.), deren einziges gemeinsames ...]
(spr.woklühs'), franz. Departement in der Provence, besteht aus den ehemaligen provençal. Grafschaften Avignon und Venaissin und dem Fürstentum Orange, liegt zwischen den Depart. Drôme (im N.), Niederalpen (im O.), Rhônemündungen (im S.) und Gard (im W.), hat auf 3544,29 (nach Berechnung 3578) qkm (1896) 236 313 E. (902 mehr als 1891), darunter 2458 fremde, also auf 1 qkm 67 E., zerfällt in 4 Arrondissements (Avignon, Orange, Apt, Carpentras), 22 Kantone mit 150 Gemeinden und hat zur Hauptstadt Avignon.
Das im Rhônethal gelegene Viertel des Departements ist eben, das andere von Ausläufern der Alpen [* 64] (Drôme-Alpen) erfüllt, von denen im N. der Mont-Ventoux 1912 m und im SO. der Lubéron 1125 m emporsteigen. Das Land wird im W. von der Rhône und im S. von der Durance begrenzt, im westl. Teile noch von Eygues und Sorgues mit Ouvèze, die zur Rhône gehen, und im östl. Teil von den zur Durance fließenden Lèze und Coulon bewässert; außerdem sind noch viele Kanäle vorhanden.
Das Klima ist mild und gesund und der Boden im allgemeinen fruchtbar. In den warmen Thälern wachsen die köstlichsten Weine (1895: 283 279 hl, 1885-94 im Durchschnitt 223 952 hl), Feigen, Oliven, Südfrüchte, vortreffliche Obstarten, Gartengewächse und gewürzhafte Kräuter; ausgedehnte Maulbeerpflanzungen dienen der Seidenkultur. Die höher gelegenen Gegenden tragen Weizen (1895: 872 514 h1), Roggen (11 858 hl), Gerste [* 65] (31 239 hl), Hafer [* 66] (205 385 hl), Hirse, [* 67] Krapp, Kardendisteln, Zuckerrüben und Kartoffeln (46000 t). Die Gebirge sind mit Wäldern und Alpenweiden bedeckt.
Wild (Hasen, Kaninchen, [* 68] Vögel) [* 69] ist in Menge vorhanden und im Gebirge auch Raubwild. Die Viehzucht [* 70] erstreckt sich besonders auf Schafe [* 71] (1895: 206 336 Stück), Schweine [* 72] (44 511), Ziegen (13 929) und Maulesel (16 021 Stück). Das Departement ist reich an Schwefel und Braunkohlen (1890: 3834 t), und die bedeutendsten Industriezweige sind Seidenweberei, Maschinenbau, Gerberei, Brauerei, Brennerei und Herstellung von Papier, Tuch und Lederwaren. Die Thäler der Rhône, Durance und de5 Coulon durchziehen Linien der Mittelmeerbahn, im ganzen 229,8 km, und an Nationalstraßen sind (1895) 157,7 km vorhanden. Von höhern Unterrichtsanstalten giebt es ein Lyceum und vier Colleges. -
Vgl. Compte rendu de la commission metéorologique du departement de Vaucluse (Avignon 1888).
(spr. woklühs', lat. Vallis clausa), Dorf mit 702 E. im franz. Departement Vaucluse, Arrondissement Avignon, Kanton [* 73] l'Isle, in einem wildromantischen Felsenthale, 24 km von Avignon, ist berühmt als Aufenthaltsort Petrarcas in den J. 1337-53. Nur 1 km von dem Ort entspringt zwischen 200 m hohen Felsen, am Ende eines vegetationslosen Thals, die Sorgues, die, 40 km lang, etwa 7 km oberhalb Avignon in die Rhône fällt.
(spr.wokulöhr), Stadt im Süden des franz. Depart. Meuse, Arrondissement Commmercy, links an der Maas, an der Eisenbahn Pagny-sur-Meuse-Neuschâteau der Ostbahn, hat (1896) 2752, als Gemeinde 3051 E. und Baumwollweberei.
Von hier aus trat Jeanne d'Arc 1429 ihre Laufbahn an.
Pays de (spr. peïh dě woh), franz. Name des schweiz. Kantons Waadt (s. d.).
(spr. wod'wíl), ursprünglich (und noch bis ins 18. Jahrh.) in Frankreich ein auf Gassen und Märkten gesungenes Spottlied (Gassenhauer), das mit der Gelegenheit, die es hervorgerufen hat, auftaucht und verschwindet. Entstanden ist das Wort aus «Val de Vire» (s. Basselin). Gegenwärtig versteht man unter Vaudeville ein Theaterstück, in welchem der Dialog mit Liedern (nach bekannten Vaudevillemelodien) abwechselt (Liederspiel), eine dramat. Gattung, die zwischen 1710 und 1720 zuerst auf den Pariser Jahrmarktsbühnen entstanden ist ¶