Grund des Urteils Geleisteten zu verurteilen. Im U. erlassene Urteile sind auch ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu
erklären. Eine Unterart des bildet der Wechselprozeß (s. d. und Summarischer Prozeß). In der Österr. Civilprozeßordnung
heißt der Mandatsverfahren (§§. 548 fg.).
Wer eine Urkunde (s. d.), die ihm entweder überhaupt nicht oder
nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem andern Nachteile zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt
(z. B. den Wechselprotest, den er sich vom Gläubiger entliehen hat, um die Rechtzeitigkeit der Protestaufnahme zu prüfen,
diesem vorenthält), wird nach Deutschem Strafgesetzbuch §. 271 mit Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft (Strafkammer); daneben
kann auf Geld bis zu 3000 M. und auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§. 280) erkannt werden. Ist der Thäter Beamter,
die Urkunden ihm amtlich anvertraut oder zugänglich, ist die Strafe wie bei der intellektuellen Urkundenfälschung (s. d.).
Personen, welche vom Staate behufs Beurkundung der vor ihnen abgegebenen Erklärungen oder
sonst stattgehabten Vorgänge zu öffentlichem Glauben bestellt werden.
die Bewilligung der zeitweiligen Befreiung von Dienstgeschäften. Der wird den Beamten von der vorgesetzten
Dienstbehörde erteilt. Zum Eintritt in den DeutschenReichstag bedürfen Staatsbeamte keines ebenso wenig Landesbeamte nach
den meisten deutschen Verfassungen zum Eintritt in den Landtag ihres Landes. Anders in Sachsen,
[* 3] Schwarzburg-Sondershausen
und Neuß
[* 4] älterer Linie. Reichstags- und Landtagsmitglieder bedürfen des wenn sie den Sitzungen nicht beiwohnen, doch giebt
es keine Strafe für die Reichstagsmitglieder, die nicht erbitten. Beim Militär wird der auf Ansuchen bewilligt oder nach
gesetzlichen Bestimmungen einer gewissen Anzahl von Mannschaften jedes Truppenkörpers erteilt.
Ludw. von, Archäolog und Philolog, geb. zu Osnabrück,
[* 5] studierte in Bonn,
[* 6] war seit 1835 einige Jahre
Hauslehrer in der Familie des preuß. Gesandten Bunsen in Rom und
[* 7] als Mitarbeiter an der Platnerschen «BeschreibungRoms» thätig,
wurde 1840 Privatdocent in Bonn, 1841 daselbst außerord. Professor, 1847 ord. Professor in Greifswald,
[* 8] 1855 ord.
Professor der klassischen Philologie und Ästhetik in Würzburg,
[* 9] wo er auch das von Wagnersche Kunstinstitut leitete und starb.
Von 1848 bis 1852 war er Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses sowie des Erfurter Parlaments. Er veröffentlichte:
«Chrestomathia Pliniana» (Berl. 1857),
«Grundlegung und Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft» (in
Iw. Müllers «Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft», Nördl.
1886) u. a. m. Auch gab er den Agricola des Tacitus (Würzb. 1875) heraus und war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift «Eos»
[* 11] (ebd. 1854 fg.). -
die vom Vorsteher einer jeden Gemeinde alljährlich aufzustellende Liste der in der Gemeinde wohnhaften Personen,
welche zum Schöffen- oder Geschworenendienst berufen werden können.
Diluvialmenschen, Menschen aus vorgeschichtlicher Zeit, kennt man bisher aus verschiedenen
Stufen des diluvialen Schichtensystems und von sehr zahlreichen Lokalitäten Europas, wo entweder Skelettreste derselben fossil,
oder nur sonstige Beweise ihres einstigen Daseins, Geräte u. s. w. sich gefunden haben. Unter diesen Fundpunkten sind mitteldiluvial
die Süßwasserkalkbänke von Taubach bei Weimar,
[* 13] manche engl. Höhlenablagerungen u. a.; oberdiluvial,
aus der jüngern Eiszeit
[* 14] sind die Menschenreste und -Spuren unter anderm aus dem Löß von Předmost in
Mähren,
[* 15] aus dem Flußkies von St. Acheul bei Amiens,
[* 16] aus den Höhlen und Spalten von Spv inBelgien,
[* 17] Neanderthal bei Düsseldorf,
[* 18] Balve bei Iserlohn
[* 19] und aus den Schichten von Schussenried am Bodensee. (S. auch Dryopithecus,
[* 20] Fontani, Anthropologie und Urgeschichte.)
oder Urúmijah, im 9. und 10. Jahrh. auch Urmija, Stadt 20 km westlich vom Urmiasee (s. d.), die schönste in der
pers. ProvinzAserbeidschan, Sitz eines Gouverneurs, vom Schaher-tschai und künstlichen Wasseradern durchflossen und von Obstgärten
umgeben, hat eine Ringmauer von Backsteinen, reinliche Straßen und 33000 E., darunter 30000 meist schiitische
Mohammedaner, 2000 Juden und 600 nestorianische oder chaldäische Christen, die einen eigenen Bischof haben. Der Hauptsitz einer
nordamerik. Mission ist das 7 km südwestlich und 325 m über der Stadt gelegene Dorf Seïr. In alter Zeit hieß Thabarma
(auch Thebarmae).
auch Derja-Schahi (d. h. Königssee), See von Maragha oder See von Täbris genannt, See
in der pers. ProvinzAserbeidschan, 1230 m ü. d. M., südwestlich von Täbris gelegen, ist 126 km lang, 15-48 km breit und durch
gebirgige Halbinseln unregelmäßig gestaltet. Der See bedeckt 3676 qkm, umschließt sechs größere Inseln (im Süden), außerdem
an 50 Eilande und Klippen
[* 21] und hat nur geringe Tiefe. Wie der durch eine hohe Gebirgskette von ihm geschiedene,
nordwestlich in Türkisch-Armenien gelegene Wansee, zeichnet er sich durch Salzreichtum aus, und ist überhaupt ein echter
Steppensee. Abfluß hat er nicht, dagegen nimmt er auf allen Seiten Flüsse
[* 22] und Bäche auf, besonders den Fluß
von Täbris, Adschi-tschai, von NO. und den Dschaghatu von S. Viele Stellen seines Ufers überschwemmt er bei Hochwasser und
bildet dann namentlich am Ostufer salzige Sümpfe, die man ausbeutet. Der Wasserstand schwankt, geht aber augenscheinlich
zurück.
(lat.), Gefäße von gebranntem Thon, die in prähistor. Gräbern, gefüllt mit der Asche von Toten, gefunden werden.
(S. Prähistorische Thongefäße.) Sie sind teils noch mit der Hand
[* 23] gearbeitet, teils schon auf der Töpferscheibe gedreht und
gehören sonach, wie die Gräber, sehr verschiedenen Zeiten vor und nach der christl. Zeitrechnung an. Verziert
sind sie meist noch sehr roh mit Punkten, kleinen
¶
mehr
Kreisen, Wellen- und Zickzacklinien. Besonders beachtenswert sind die sog. Gesichtsurnen, auf denen am Halse primitiv ein menschliches
Gesicht
[* 25] mit Augen, Nase,
[* 26] Mund und Ohren dargestellt ist. (S. Tafel: Urgeschichte IV,
[* 24]
Fig. 11 u. 12.) Solche Gefäße, die als Graburnen
für die vom Leichenbrand herrührenden Knochenreste dienten, werden hauptsächlich in Westpreußen,
[* 27] Hinterpommern und Posen,
[* 28] dann auch in Schlesien
[* 29] gefunden; sie gehören der mittlern german. Zeit an, etwa den letzten Jahrhunderten
v. Chr.
Ähnliche Gesichtsurnen, wenn auch von anderm Typus, hat Schliemann in Troja
[* 30] gefunden; oft sehen die Gesichter hier einer Eule
ähnlicher als einem Menschen, so daß manche sie für Idole der AthenaGlaukopis (s. Athena) gehalten haben.
Dann werden Gesichtsurnen auch in Italien
[* 31] in altetrusk. Gräbern und im Rheinlande gefunden; die letztern sind röm. Arbeit
aus der Kaiserzeit. Ein Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen, sowohl in chronol. wie in geogr.
Hinsicht so weit voneinander stehenden Gruppen wird kaum zu entdecken sein, finden sich doch auch Gesichtsurnen
in den Kulturländern Centralamerikas.
C32H40N4O7, ein rotbrauner Farbstoff, der die braune Farbe des menschlichen
Darminhaltes bedingt und in geringer Menge auch im normalen Harn, reichlicher bei Fieber auftritt (Harnfarbstoff).
Er entsteht
durch Reduktion (Wasserstoffanlagerung) aus Bilirubin und kann so auch künstlich erhalten werden. ist charakterisiert durch
sein Absorptionsspektrum und durch die grüne Fluorescenz, die seine ammoniakalische Lösung, besonders
nach Zusatz von Chlorzink, annimmt.
Schwanzlurche
[* 35] (s. d.), werden eingeteilt in zwei Unterordnungen: I. Kiemenlurche
(s. d.) mit zwei Gruppen: a. Perennibranchiata
(s. d.) mit den Familien:
1) der Armmolche (Sirenidae), zu denen der nordamerik. Armmolch (s. d., Siren lacertinaL., s. Tafel: Urodelen,
[* 24]
Fig. 4) gehört, 2) die Olme, mit dem Grottenolm (s. Olm, Proteusanguinus Laur.,
[* 24]
Fig. 6), 3) die Furchenmolche (Menobranchidae), langgestreckt, mit breitem Kopf, jederseits mit 4 Kiemenspalten; hierher gehört
der Axolotl (s. d., Amblystoma mexicanum Cope,
[* 24]
Fig. 3a, nebst seiner unter dem NamenSiredonpisciformis
Shaw als selbständiges Tier beschriebenen Larve,
[* 24]
Fig. 3b); b. Cryptobranchiata (s. d.) mit den Familien 4) der Aalmolche (s. d.,
Amphiumidae), zu denen der dreizehige Aalmolch (Amphiuma tridactylum Cur.,
[* 24]
Fig. 2) gehört und 5) der Fischmolch (menopomidae),
molchförmig, mit 4 Vorder- und 5 Hinterzehen. Zu ihnen zählt der Riesensalamander (s. d.,
Cryptobranchus japonicus v. d. Hoev.,
[* 24]
Fig. 1). II. Molche (s. d.) mit den
Familien:
6) der Wassersalanrander (Tritonidae) und der Landsalamander (Salamandridae) mit dem gemeinen Landsalamander
(s. d.)
oder Feuersalamander (Salamandramaculata Laur.,
[* 24]
Fig. 5).
(Urfehde), im frühern Strafverfahren ein vom Verbrecher bei seiner Haftentlassung dem Richter oder vom freigesprochenen
Angeklagten dem Ankläger geleisteter Eid, sich weder am Richter noch sonst an jemandem zu rächen;
auch
das eidliche Versprechen, das jemand der Obrigkeit abgab, sich innerhalb einer bestimmten Zeit von den ihm untersagten Orten
entfernt zu halten, oder im Falle der Landesverweisung nicht zurückzukehren.
(spr. örkwěrt),David, engl. Schriftsteller und Politiker, geb. 1805 zu Braclangwell
(Schottland), studierte in Oxford
[* 37] Mineralogie, Nationalökonomie und die Sprachen und Geschichte des Orients. 1827 begleitete
er Lord Cochrane nach Griechenland,
[* 38] besuchte Konstantinopel
[* 39] und kehrte 1831 zurück. Die Ergebnisse dieser Reise legte er in
den «Observations on European Turkey» (1831) und «Turkey
and its resources» (1833) nieder. Die Schriften machten, nebst den beiden Broschüren «England, France, Russia and Turkey» (1835)
und «The Sultan Mahmoud and Mehemed-Ali-Pasha» (1844) das größte Aufsehen. 1834 von einer zweiten Reise in den Orient nach
England zurückgekehrt, deckte in dem mysteriösen «Portfolio» angeblich
die geheimsten Pläne Rußlands auf.
Lord Palmerston ernannte ihn im Aug. 1835 zum Gesandtschaftssekretär in Konstantinopel, doch kehrte er schon im nächsten
Jahre nach England zurück und eröffnete nun eine rastlose Agitation gegen das polit. System Palmerstons, dem er russ. Tendenzen
und Verrat des brit. Interesses vorwarf. Viel Aufsehen machte «La
crise, ou la France devant les quatre puissances» (Par. 1840). 1847 wurde er für Stafford ins Unterhaus
gewählt. Eine Reise nach Spanien
[* 40] und Nordafrika, die er 1848 unternahm und in «Pillars of Hercules,
a narrative of travels in Spain and Morocco» (2 Bde.,
Lond. 1850) schilderte, bestärkte ihn in seiner Vorliebe für das Orientalische. Bei Gelegenheit der
Wirren zwischen den Drusen
[* 41] und Maroniten veröffentlichte er noch «The Lebanon, a history and a diary»
(Lond. 1860). Er starb in Neapel.
[* 42]
Teil des russ. Gouvernements Wjatka, größtenteils im Gebiet der Wjatka, hat 11433,4 qkm, 298630
E., darunter Tscheremissen (25,6 Proz.), Tataren und Wotjaken;
(spr. ürsäng),Anne Marie de la Trémouille, Princesse des, geb. 1635, heiratete 1659 Adrien
Blaise de Talleyrand, Prinz von Chalais, dem sie 1663 in die Verbannung nach Spanien und Italien folgte. 1670 verwitwet, vermählte
sie sich 1675 in Rom mit dem Herzog von Bracciano, Flavio Orsini, den sie 1695 ebenfalls verlor. Schon damals war sie die Seele
der franz. Partei an der Kurie, und so konnte Ludwig XIV. nach der Thronbesteigung Philipps V. keinen
fähigern Berater seines Enkels am Hofe von Madrid
[* 50] finden als die Prinzessin, die als Oberhofmeisterin die junge Königin Marie
Luise von Savoyen 1701 nach Spanien begleitete.
Aber ihr Ziel wurde alsbald die Befestigung der neuen bourbonischen Dynastie auf span.
Boden; daher stützte sie sich auf die span. Nationalpartei selbst und suchte Philipp V.
von seinem Großvater unabhängig zu machen. Anfänglich allmächtig, sah sie sich bald von einer span.
Fraktion und ebenso vom franz. Gesandten d’Estrées bedrängt, der ihre Abberufung 1704 durchsetzte. Sie ging nach Paris,
[* 51] rechtfertigte sich glänzend und kehrte 1705 nach Madrid zurück, wo sie ihre Stellung mit Energie und
Einsicht bis an den Tod Marie Luisens (1714) behauptete. Als Elisabeth von Parma
[* 52] die Gemahlin des unselbständigen Königs
geworden war, wurde die Prinzessin im Dez. 1714 mit schimpflicher Härte entlassen. Sie lebte dann mit einem
franz. Jahrgehalt in Holland, Genua
[* 53] und seit 1719 in Rom, wo sie, mit dem Madrider Hofe seit AlberonisSturz wieder ausgesöhnt,
noch einmal bis an ihren Tod Ansehen und Einfluß behauptete. Ihre Korrespondenz (Lettres inédites) mit Villeroi
und Frau von Maintenon erschien Paris 1806,1826 (4 Bde.) und 1859. –
Vgl. Combes, La princesse des 1697–1722 (Par. 1858);
von Noorden, Europ. Geschichte im 18. Jahrh., Bd.
1–3 (Düsseld. und Lpz. 1870–82);
Nach dem Tode des Liberius (24. Sept. 365) kam es in Rom zu einer
zwiespältigen Bischofswahl zwischen Damasus (s. d.) und dem Diakon Die weltliche
Macht entschied zu Gunsten des Damasus;
wurde verbannt, durfte zwar wieder zurückkehren, mußte indessen
noch zweimal, zuletzt 378 nach
Köln
[* 54] in die Verbannung gehen und trat nach dem Tode des Damasus erfolglos als Kandidat für den päpstl.
Zacharias, eigentlich Beer, reform. Theolog, geb. zu Breslau,
[* 56] studierte in Wittenberg
[* 57] und Paris,
wurde 1554 Lehrer in Breslau und 1561 Professor der Theologie in Heidelberg,
[* 58] wo er mit Olevianus den HeidelbergerKatechismus
(s. d.) abfaßte. Auch nahm er an den Beratungen über die Pfälzer Kirchenordnung und an verschiedenen Religionsgesprächen
Anteil. Seit 1578 bekleidete er eine Lehrstelle zu Neustadt
[* 59] an der Hardt und starb hier Eine Gesamtausgabe seiner
Werke lieferte sein Schüler Reuter (3 Bde., Heidelb. 1612 fg.).
–
Vgl. Sudhoff, Olevianus und (in «Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reform.
Kirche», Tl. 8, Elberf. 1857).
die Heilige. und die elftausend Jungfrauen werden seit Jahrhunderten in Köln verehrt als eine heilige Schar,
die daselbst durch ein heidn. Heer ihren Untergang fand. Nach der Legende war eine schöne brit. Königstochter, die von dem
Sohne eines mächtigen Heidenfürsten zur Ehe begehrt wurde. Da sie sich aber schon Christus verlobt, erbat
sie sich einen dreijährigen Aufschub und zu einer Wallfahrtsreise 10 edle Gefährtinnen, deren jede, wie sie selbst, 1000 Jungfrauen
zu Begleiterinnen hatte, und 11 Dreiruderer.
Rheinaufwärts kamen sie nach Köln, dann nach Basel,
[* 61] von wo sie zu Fuß nach Rom pilgerten. Auf der Rückreise trafen
sie vor Köln ein hunn. Belagerungsheer, von dem sie bei der Landung niedergemetzelt wurden. die zuletzt übrig war, wies
den Heiratsantrag des Hunnenfürsten zurück und starb von Pfeilen durchbohrt. Dies ist die älteste Form der Legende, wie
sie zu Anfang des 12. Jahrh. zuerst Sigebert (s. d.)
von Gembloux kurz erzählt. Mit diesem Jahrhundert beginnt auch die Auffindung der heiligen Gebeine,
zuerst einzelner, dann seit der Aufgrabung des sog. AgerUrsulanus (seit 1155) vieler Tausende von Gerippen, die von der gleichzeitig
lebenden Nonne Elisabetha in Schönau bei Oberwesel infolge von Visionen mit der heiligen und ihren Genossinnen in Zusammenhang
gebracht wurden. Nach den Erklärungen von Schade («Die Sage von der heiligen
und den elftausend Jungfrauen», 3. Aufl., Hannov. 1854) ist eine uralte Göttin
des german. Heidentums; doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Legende die Ermordung einiger Jungfrauen bei einem Rheinübergange
der Hunnen bei Köln zu Grunde liegt, und daß eine Grabschrift falsch gedeutet wurde (Xl M virgines,
gelesen Xl milia, statt XI martyres). –
Vgl. La légende deSainte (24 Tafeln, nebst Text von Dutron; hg. von Kellerhoven,
Par. 1866);
Merici (geb. 1170 zu Desenzano, gest. 1540 zu Brescia, 1807 von Pius VII. heilig gesprochen) stiftete 1535 eine solche Genossenschaft
unter dem Schutze der heil. Ursula (s. d.), die von Paul III. 1544 bestätigt wurde. Diese Genossenschaft hatte keine Gelübde
und keine strenge Organisation, erhielt aber eine solche namentlich durch den heil.
Carlo Borromeo. Sie verbreitete sich bald, namentlich in Italien und Frankreich, teilte sich aber mit der Zeit in etwa 20 Zweige,
von denen einige eine klösterliche Organisation, andere mehr den Charakter von Bruderschaften haben. Namentlich zwei Kongregationen
der erstern Art, die 1618 zu Bordeaux
[* 68] und die 1619 zu Dijon
[* 69] errichtete, grüudeten auch in Deutschland
und Österreich
[* 70] Klöster mit Mädchenschulen und Pensionaten. Das älteste ist das 1639 zu Köln errichtete. Die 18 Klöster
in Preußen
[* 71] wurden 1875 aufgehoben, sind aber seit 1888 wenigstens teilweise wieder hergestellt. -
Vgl. Sainte-Foi, Annales
de l'ordre de Sainte Ursule (2 Bde., Clermont 1858).
in der Logik die Verknüpfung zweier Begriffe unter dem Gesichtspunkt der Identität oder Nichtidentität. Subjekt
des ist derjenige Begriff, von dem geurteilt wird, Prädikat derjenige, welcher den Gesichtspunkt bestimmt, von dem aus geurteilt
wird. Aufechtbar ist an dieser traditionellen Auffassung des zwar, daß die in demselben in Beziehung gesetzten
Begriffe schon als gegebene angenommen werden und auch die Beziebung keine andere als die der begrifflichen Identität sein
soll; daraus würde folgen, daß ein niemals den Gewinn einer Erkenntnis, sondern nur den Ausspruch derjenigen, die man
schon besaß, bedeute, und doch betrachtet mau das als die Grundform des Erkennens.
Anf dem Gefühl dieses Mangeln beruhte Kants Unterscheidung des synthetischen vom analytischen, indem sie im synthetischen
die Beziebung zwischen den gegebenen Begriffen, die in letzter Linie allerdings Identität sein muß, nicht schon in und
mit den Begriffen selbst gegeben, sondern durch das erst geknüpft werden ließ, das analytische aber überhaupt nicht als
gleich ursprünglich mit dem synthetischen, sondern als von diesem erst abgeleitet ansah. Leicht lassen übrigens aus dieser
einfachen Grundform alle zusammengesetzten Formen des sich ableiten. So begreift sich der sog.
Qualitätsunterschied des d. h. der Unterschied des bejahenden und verneinenden eben darans,
daß das Grundgesetz aller Eynthesis das Gesetz der Einheit des Bewußtseins oder der Identität ist; Bejahung und Verneinung
sind nur andere Ausdrücke der Identität und Nichtidentität. A ist B heißt: A ist, unter irgend einem Gesichtspunkt, mit
B identisch;
A ist nicht B heißt: A ist von B verschieden.
Ebenso läßt der Unterschied der Quantität nach (zwischen dem
singulären, partikularen, besser pluralen, und universalen sich ableiten aus der notwendigen Beziehung der Einheit der Svnthesis
auf ein Mannigfaltiges, das in dieser Einheit aufgefasst wird. Weitere Unterschiede der sind die der
Relation (s. d.) und Modalität (s. d.).
Man spricht von übrigens nicht ausschließlich im Gebiete der Theorie, sondern auch im Gebiete des Wollens und des Schönheitsgefühls;
die bezüglichen heißen praktische und ästhetische, oder Geschmacksurteile; sie sind von den theoretischen dadurch deutlich
unterschieden,
daß sie nicht bloß über Sein und Nichtsein, Wahrheit und Falschheit eine Entscheidung
treffen, sondern, nach Maßgabe eigentümlicher Gesetze des Willens oder des Geschmacks, billigend oder mißbilligend Partei
nehmen. Auf diese Art die Werturteile, bezieht sich gewöhnlich der Ausdruck Beurteilung.
Über (Urtel) im Rechtswesen s. Entscheidung. Die teilen sich nach Deutscher und Österr. Civilprozeßordnung
in Endurteile und Zwischenurteile. Eine Unterart der erstern bilden die Teilurteile. (S. diese drei Artikel.) Endurteile wie
Zwischenurteile können kontradiktorische oder Versäumnisurteile (s. d.) sein.
Das civilprozessuale hat zu enthalten die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter (nach Namen, Stand oder
Gewerbe, Wohnort und Parteistellung), die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, welche bei
der Entscheidung mitgewirkt baben, den Thatbestand (s. d.), die Entscheidungsgründe und die Urteilsformel (Tenor), d. h. den
Rechtsspruch, welcher allein der Rechtskraft fähig ist und dieser Bedeutung entsprechend auch von Thatbestand und Gründen
äußerlich zu sondern ist. (S. auch Rechtskraft und Zwangsvollstreckung.)
In Strafsachen schließt die Hauptverhandlung mit der Erlassuug des Dasselbe kann nach §. 259 der Deutschen Strafprozeßordnung
nur auf Freisprechung (s. d.), Verurteilung (s. Strafurteil) oder Einstellung (s. d.) des Verfahrens lauten. Nach §. 259 der
Osterr. Strafprozeßordnung wird auch in den Fällen des fehlenden Strafantrags, des Rücktritts von der Anklage
oder des Mangels anderer Prozeßvoranssetzungen nicht auf Einstellung, sondern auf Freisprechung erkannt.
Das wird auf Grund der Hauptverhandlung in freier Würdigung des Beweisergebnisses gefunden. Gegenstand desselben ist die
in der Anklage bezeichnete That, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt, ohne daß das Gericht an die rechtlichen
Gesichtspunkte der Anklage gebunden ist. Das Gericht kann also z. B., wenn die Anklage in der dem Angeklagten zur Last gelegten
Handlung einen Diebstahl gefunden bat, in demselben Vorgange eine Unterschlagung finden und den Angeklagten wegen dieser bestrafen.
Wegen einer andern That kann das Gericht den Angeklagten nur mit dessen Zustimmung aburteilen; nach §. 263 der
Österr. Strafprozeßordnung bedarf es dieser Zustimmung nur dann, wenn der Angeklagte bei seiner Verurteilung wegen dieser
That unter ein strengeres Strafgesetz fällt, und muß bei verweigerter Zustimmung dem Ankläger die Verfolgung wegen der
hinzugekommenen That vorbehalten werden. Wie die abzufassen und zu begründen, darüber enthalten §. 266 der
Deutschen und §§. 260, 270 der Österr.
Strafprozeßordnung die nähern Anweisungen. Im Schwurgerichtsverfahren wird das in Anlehnung an den vorher besonders verlesenen
Spruch der Geschworenen abgefaßt. Das in Anwesenheit des Angeklagten erlassene wird wirksam mit der Verkündung (s. d.),
das in Abwesenheit erlassene mit der Zustellung (s. d.). Das
soll binnen 3 Tagen nach der Verkündung schriftlich zu den Akten gebracht und nach der Deutschen Strafprozeßordnung von den
bei der Entscheidung mitwirkenden Richtern, nach der Österreichischen von dem Vorsitzenden und dem Schriftführer unterschrieben
werden. Wegen Rechtskraft und Vollstreckung der s. die Artikel Rechtstraft und Strafvollzug. Vgl. Deutsche
[* 72]
¶
L., Nessel, Pflanzengattung aus der Familie de Urticaceen (s. d.) mit 30 in den
gemäßigten Zonen weit verbreiteten Arten, einjährige oder ausdauernde Kräuter mit ein- oder zweihäusigen,
unansehnlichen grünlichen Blüten. Die gegenständigen Blätter sowie die Zweige und Blüten sind mit Brennhaaren besetzt, die
bei der Berührung an der Spitze abbrechen, die Haut
[* 75] ritzen, einen brennendscharfen Saft in die kleine Wunde fließen lassen
und dadurch Brennen und Entzündung erregen (Brennnesseln).
Das von deutschen Nesseln verursachte Brennen ist zwar lästig, aber nur sehr unbedeutend im Vergleich mit dem einiger südasiat.
Nesseln. Unter diesen erregt die in Bengalen einheimische feingekerbte Nesselcrenulata Roxb.)
bei nur leiser Berührung mit einem Finger ein anfangs schwaches Brennen, das sich jedoch binnen einer Stunde
zu einem wütenden Scbmerze steigert, ohne daß Geschwulst oder Röte erscheint. Der Schmerz verbreitet sich bald über das
Glied,
[* 76] z. B. den ganzen Arm, erregt fast Kinnbackenkrampf und dauert in gleicher Heftigkeit an 24 Stunden.
Derselbe läßt die folgenden Tage zwar nach, verschwindet aber erst am achten oder neunten Tage, kehrt
indes in dieser Zeit bei Benetzung mit kaltem Wasser sogleich in voller Heftigkeit wieder. Überhaupt werden alle durch Nesseln
verursachten Entzündungen durch hinzugebrachte Nasse nur verlängert; noch stärker wirkt die urentissimaBl. der Sunda-Inseln,
deren Brennhaare sehr starke, jahrelang andauernde Schmerzen hervorrufen. Von der in Deutschland überall gemeinen ausdauernden
zweihäusigen oder grossen NesseldioicaL.) und der einhäusigen kleinen Nessel(U.urensL.) waren sonst Kraut und Samen
[* 77] als
Heilmittel gebräuchlich.
Die jungen! Triebe der erstern werden hier und da als Salat und die jungen Pflanzen wie Spinat oder Kohl als Gemüse gegessen.
Die festen Fasern des Stengels können von allen etwas stärkern Arten zu Gespinsten und Geweben verwendet
werden, und zwar nennt man das aus den Bastfasern der Nesselstengel produzierte zarte Gespinst Nesselgarn, das Gewebe
[* 78] Nesseltuch.
Vor Einführung der Baumwolle
[* 79] wurden in Deutschland und in der Picardie diese Fabrikate regelmäßig hergestellt; auch ist
seit 1875 eine Agitation zur Wiederaufnahme der Nesselfaserindustrie von Berlin
[* 80] aus in Gang
[* 81] gekommen, doch
bisher ohne Erfolg geblieben. Dagegen werden mehrere Arten der verwandten Gattung Boehmeria (s. d.) in China
[* 82] und andern Ländern
als wichtige Gespinstfaserpflanzen im großen angebaut.
Urticacēen (Urticacĕae), Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Urticinen (s. d.) mit gegen 1400 über die
ganze Erde verbreiteten Arten,
Bäume, Sträucher oder krautartige Gewächse von sehr verschiedenem Habitus.
Die Blüten sind eingeschlechtig und regelmäßig gebaut, bestehen aus einem einfachen, kelchartig entwickelten Perianth
mit mehrern Lappen, meist vier Staubgefäßen in der männlichen und einem einfächerigen Fruchtknoten in den weiblichen Blüten.
Die Früchte sind in der Regel Nüßchen, seltener mit fleischiger Fruchthülle versehen, in einigen Fällen
zu Scheinfrüchten (s. beistehende Abbildung) vereinigt. Viele Arten enthalten reichlich Milchsaft, der technische Verwendung
findet, so der Gummibaum (s. d.); andere dienen zur Gewinnung von Fasern, wie einige Böhmeria-Arten
und der Hanf, oder liefern wichtige Früchte, wie der Brotfruchtbaum (Artocarpus, s. d.) und die Feige (s. d.).
Neuerdings rechnet man unter die U. mehrere früher besonders betrachtete Familien, die Moreen, Artocarpeen, Cannabineen.
Pflanzenordnung aus der Gruppe der Dikotyledonen, Abteilung der Choripetalen, charakterisiert durch eingeschlechtige
Blüten, die meist nur eine rudimentäre aus Schüppchen bestehende Hülle besitzen. Die Anzahl der Staubgefäße
[* 83] ist verschieden. Der Fruchtknoten ist einfächerig und einsamig, die Frucht in der Regel ein Nüßchen. Die Blüten sind meist
zu dicht gedrängten, selten kätzchenartigen Blütenständen vereinigt. Die Ordnung umfaßt die Familien der Urticaceen
(s. d.) und Ulmaceen (s. d.). Hierzu Tafeln: Urticinen I, II; zur Erklärung vgl. die ArtikelArtocarpus, Feige, Morus,
Hanf, Hopfen, Boehmeria.
(Protozoa), jene niedersten und einfachsten Organismen, die in ihrem Körper keinerlei Gewebe und Organe besitzen,
vielmehr ihr Leben lang niemals über die Stufe der einzelnen Zelle
[* 84] (s. d., II.), die alle Funktionen des Lebens besorgen
muß, sich entwickeln, und sich nicht selten nicht einmal bis zu dieser Stufe erheben (einige Wurzelfüßer,
s.d.). Solche niedrigst stehende Wesen, Cytoden genannt, sind dann in der That nichts als Klümpchen nackten Eiweißes, aber
begabt mit denselben Fähigkeiten, die auch die höchsten Organismen besitzen und die als die Merkmale des Organismus gelten:
Nahrung aufzunehmen und sie in Körpersubstanz umzusetzen (zu assimilieren), zu wachsen und sich fortzupflanzen.
Diese Fortpflanzung geschieht in den meisten Fällen durch einfache Teilung, die unter denselben innern Veränderungen zustande
kommt, wie es bei den Gewebezellen der höhern Tiere der Fall ist. (S. Zelle.) Das bis zu einer gewissen Größe herangewachsene
Tier bekommt, nachdem der Kern bereits vorher unter Bildung sog. Kernfiguren in zwei Hälften zerfallen
ist, eine Einschnürung, die sich vertieft und schließlich zum völligen Zerfall in zwei Teilstücke führt.
Nach öfter wiederholter Teilung muß eine Konjugation stattfinden, ein Prozeß, der jedenfalls dem der Befruchtung
[* 85] bei den
geschlechtlich unterschiedenen Tieren entspricht. Zwei Individuen legen sich mit ihren Flächen aneinander,
wobei ein Austausch von Stoffen stattfindet; nach geschehener Konjugation gehen die Tiere wieder auseinander, oder sie verschmelzen
vollkommen, und eine neue Periode reger Teilung beginnt. Viele scheiden zuweilen feste Kapseln
[* 86] um sich herum ab, unter deren
Schutze die gesamte Körpermasse in eine größere oder geringere
¶