1) Der kleinste
Staat der Republik Mexiko
[* 2] (s. Karte: Mexiko), im
W. an den
Staat Mexiko, im N. an
Hidalgo grenzend, im
S., O.
und
NO. von Puebla umgeben, auf der Hochebene, ist durchschnittlich 2300 m hoch, erreicht in derSierra
Malinche 4110 m, hat auf 3898 qkm (1895) 166 803 E., fast nur Indianer. Diese zeichnen sich durch hohen Wuchs, Lebhaftigkeit
und
Mut vor andern aus; sie leben auf ihrem fruchtbaren
Boden vom
Ackerbau und fertigen grobe
Woll- und Baumwollzeuge, Gewebe
[* 3] aus Magueyfasern und gute
Töpferwaren. Eisenerz ist in Fülle vorhanden. - 2) Hauptstadt des
Staates, 37 km
nördlich von Puebla, an dem der
Südsee zufließenden Rio
[* 4] Atoyac,
Station (Sta.
Ana) der von der Hauptlinie
Mexiko-Veracruz
abzweigenden
BahnSan Luis-Apizago-Puebla, ist von ihrer ehemaligen
Größe sehr herabgesunken und zählt 2874 E. Sie hat außer
der Hauptkirche, dem
Stadthause, dem alten Bischofspalast das wahrscheinlich älteste Franziskanerkloster
Mexikos und in der Umgegend noch einige Reste altmexik.
Architektur und
Befestigungskunst sowie Eisensteingruben und Hochöfen.
Tlaxcala bildete in der altmexik. Zeit eine mächtige oligarchische Republik und war einer der ersten
Staaten, die sich an Cortez
anschlossen; dieser gab ihm eine Art Selbständigkeit unter span. Oberherrschaft.
von den
FranzosenTlemcen geschrieben, Hauptstadt des gleichnamigen
Arrondissements in der alger.
Provinz Oran, 44 km
vom
Meere, am Ende einer fruchtbaren Ebene, am Flüßchen Tlemsen oder
Wadi Bend, an der
Bahn nach Oran und Nemours, aus drei
Seiten von tiefen Schluchten, außerdem mit
Mauern umgeben und durch ein
Fort gedeckt, zählt (1896) 21 022,
als Gemeinde 34 866 E., darunter 3472
Franzosen und 22 193 Eingeborene, hat 32 Moscheen, eine kath.
Kirche, ein prot.
Bethaus, eine
Synagoge, neues Museum,
Kasernen, Achatbrüche, eine
Blei- und Kupfermine,
Teppich-,
Decken- und Wollzeugmanufakturen
und bedeutendenHandel, namentlich nach
Marokko.
[* 5] Um 1240 stiftete hier Jagmuraßenben-Zijan das mächtige
Reich der Zijaniden und machte seinen
Hof
[* 6] zum Sammelplatz von Gelehrten und Dichtern. Damals zählte an 100000 E. Seit 1518 begann
der
Verfall. Die Stadt wurde 1670 vom Dei Hassan zerstört, im Jan. 1836 vom franz. Marschall
Clausel erobert. 1842 und 1845 fanden hier Kämpfe mit
Abd el-Kader statt.
Sohn des Herakles
[* 7] und der Astyoche oder Astydameia, mußte,
weil er aus Versehen seinen Oheim Likymnios
in
Tiryns erschlagen hatte, fliehen und ging mit einer Schar
Argiver nach der
Insel Rhodus, wo er die
StädteLindos, Ialysos
und Kameiros erbaute.
1) Bezirkshauptmannschaft in Galizien, hat 872,88 qkm und (1890) 90 552 (45 257 männl., 45295 weibl.)
meist ruthen. E. in 59 Gemeinden mit 127 Ortschaften und 59 Gutsgebieten und umfaßt die Gerichtsbezirke
Tlumacz und
Tyśmienica. - 2) Stadt und Sitz der Bezirkshauptmannschaft sowie eines Bezirksgerichts (508,25
qkm, 52 394 E.), an der Linie
Stryj-Stanislau-Husiatyn der Österr. Staatsbahnen
[* 8]
(Station Tlumacz-Palahicze), hat (1890) 4713 E.,
darunter 2014 Israeliten, 3 Eskadrons des 8. Ulanenregiments
«Freiherr von
Ramberg»; eine der größten Zuckerfabriken Galiziens
und eine Liqueurfabrik.
die
Trennung eines zusammengesetzten Wortes durch etwas Zwischengeschobenes, z. B. im
Griechischen (bei
Homer) ἐν δ'αντὁς ἐδνσετο (en d'autos edyseto) «er zog aber
selbst an» für ἐνεδνσετο δ'αντὁς «enedyseto d'autos).
(engl., spr. tohst), eigentlich Bezeichnung für die
gerösteten Brotschnitte, welche in England zum
Thee gegeben werden, dann besonders für den Trinkspruch
auf die Gesundheit jemandes, weil es in England
Sitte war, demjenigen, der die Gesundheit ausbringen sollte, das
Glas
[* 9] mit einer
gerösteten Brotschnitte zu übergeben.
(auch Dobelbad,Doblbad), Wildbad und Kurort in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk
Graz in
[* 12]
Steiermark,
[* 13] zur Gemeinde Haseldorf gehörig, in 350 m Höhe, in einem engen Gebirgsthal, das sich in das Kainachthal
öffnet, an der Graz-Köflacher Eisenbahn
(Station Premstätten-Tobelbad), hat (1890) 72 E., zwei
Quellen (Ferdinands-
und
Ludwigsquelle) von 25 bis 28,7° C. mit Gehalt an
Kohlensäure und schwefelsauren
Salzen, deren Wasser gegen Nervenleiden
gebraucht wird, ein Kurhaus und mehrere Badeanstalten. Römerfunde in der Umgebung lassen vermuten, daß das Wildbad schon
den
Römern bekannt gewesen sei. Tobelbad, dessen warme
Quellen seit mehr als 600 Jahren benutzt werden, gehört
zu den ältesten
BädernÖsterreichs. Der allgemeinen Benutzung wurde es zugänglich durch die steiermärk.
Stände in der
ersten Hälfte des 16. Jahrh. Tobelbad ist Eigentum des
Landes. -
Robert, Bildhauer, geb. zu
Berlin,
[* 15] besuchte 1867-69 die
Berliner
[* 16] Kunstakademie,
studierte dann unter
Schilling in
Dresden,
[* 17] ging 1872 nach
Rom,
[* 18] wo er bis Herbst 1875 blieb. Nach
Berlin zurückgekehrt, erhielt
er 1870 den
Auftrag für einen monumentalen
Brunnen
[* 19] in
Görlitz
[* 20] und wurde zugleich zum Vorstand eines Meisterateliers für Bildhauer
inBreslau
[* 21] berufen. Nachdem Toberentz diese
Stelle 1884 wieder aufgegeben und ! 1885-89 in
Amerika
[* 22] gelebt hatte,
kehrte er über
Paris
[* 23] 1890 wieder nach
Berlin zurück. 1895 wurde er zum Professor ernannt. Er starb in Rostock.
[* 24] Toberentz hat sich durch meisterhafte, in Haltung und
Ausdruck wahre nackte
[* 1]
Figuren ausgezeichnet und auch Verdienste
um die Gußtechnik, die er selbst betrieb, ebenso wie um das Punktieren, für welches er eine eigene
Maschine
[* 25] erfand. Das
von
PaulOtto (gest. 1893) hinterlassene Lutherdenkmal für
Berlin wurde ihm zur Vollendung übergeben; er beendete die von
Otto begonnenen
StatuenLuthers und
Spalatins und führte die von
Jonas, Cruciger, Hütten
[* 26] und
Sickingen aus.
Die Bronzestatuette Ruhender Hirt
¶
in der griech. Bibel
[* 29] Tob, Name einer unter den Apokryphen des Alten Testaments erhaltenen Erzählung mit
moralischer, belehrender Tendenz. Derselbe behandelt die Geschichte eines frommen JudenNamens Tobiel vom Stamme Naphtali (in
LuthersÜbersetzung ebenfalls Tobias) und seines Sohnes Tobias. Der Vater ist unter Salmanassar deportiert worden, doch ist es ihm und
seinem Weibe Anna immer gelungen, streng nach den Bestimmungen des Gesetzes zu leben. Weil er von Sanherib
hingerichtete Landsleute begräbt, muß er fliehen.
Nach Sanheribs Tode trifft ihn das Unglück zu erblinden. Um eine alte Schuld von einem frühern Geschäftsfreunde einzufordern,
sendet er seinen Sohn Tobias unter allerlei frommen Ratschlägen nach Rhages in Medien, wohin sich diesem der Engel
Raphael als Begleiter anbietet. Unterwegs badet sich Tobias im Tigris, wobei er einen Fisch fängt. Auf Raphaels
Geheiß schneidet er diesem Herz, Leber und Galle heraus und nimmt sie mit. Sie kommen nach Ekbatana und übernachten bei Raguel,
der in Tobias einen Verwandten erkennt.
Raguels Tochter Sara ist ebenfalls von unverschuldetem Unglück betroffen worden. Sieben ihrer Männer
sind nacheinander in der Brautnacht von dem bösen GeisteAsmodi (s. d.) getötet worden, und die Rede geht, Sara selbst sei
die Mörderin. Da wird der junge Tobias mit Hilfe des Engels Raphael zum Retter der Jungfrau und seines Vaters. Er nimmt Sara zum
Weibe und vertreibt den bösen Geist in der Brautnacht durch den Rauch des auf glühende Kohlen gelegten
Herzens des Fisches.
Den Auftrag des Vaters führt an seiner Stelle der Engel Raphael aus. Nach der glänzenden Hochzeitsfeier kehrt Tobias, mit der
Hälfte der Habe seines Schwiegervaters beschenkt, nach Ninive zurück und heilt die Blindheit des Vaters
mit der Galle des Fisches. Sein Begleiter giebt sich, als er belohnt werden soll, als ein Engel zu erkennen und verschwindet.
Die Erzählung von Tobias gehört zweifellos in die spätjüd. Zeit, wie schon die ausgebildeten Vorstellungen von Engeln und
Dämonen, aber auch die überall durchblickende gesteigerte gesetzliche Strenge zeigt, die an pharisäische
Anschauungen erinnert. Doch dürfte sie noch vor Erbauung des Tempels des Herodes geschrieben sein. Eine geschichtliche Grundlage
ist nicht anzunehmen. Es ist auch ein chaldäischer Text erhalten, doch ist er nicht die Grundlage des griechischen. Kommentare
lieferten Fritzsche (Lpz. 1853) und Zoeckler (Münch. 1891). -
Vgl. Schürer, Geschichte des jüd. Volks
im Zeitalter Jesu Christi, Bd. 2 (Lpz.
1886): Rosenmann, Studien zum BucheTobit (Berl. 1894).
slaw. Tovačov, Stadt im Gerichtsbezirk Kojetein der österr.
Bezirkshauptmannschaft Prerau in Mähren,
[* 30] an der March, hat (1890) 2632 meist czech.
E., zwei kath. Kirchen, Synagoge, ein ehemals befestigtes Schloß,
Sitz des Geschlechts der Herren von Cimburg.
Bei Tobitschau wurde die Avantgardenbrigade des 8. österr.
Korps von der
preuß. Brigade Malotki, welche der KavalleriedivisionHartmann zu einer Rekognoszierung die
Defilés öffnen sollte, angegriffen
und zurückgedrängt, wobei drei Eskadrons des Kürassierregiments Nr. 5 18 feuernde
Geschütze
[* 31] nahmen.
Rechtsbuch (czech. Kniha Tovačovská), eine Beschreibung der Rechtsgebräuche in Mähren, die 1481 von
Ctibor von Cimburg und Tobitschau verfaßt und 1186-89 verbessert wurde. (S. Czechisches Recht.) Das Tobitschauer R. wurde zuerst herausgegeben
von Demuth (Brünn
[* 32] 1858), kritisch von VincenzBrandt (ebd. 1868).
Bezirkshauptmannschaft Bruneck in Tirol,
[* 33] auf dem Toblacher Felde,
der Wasserscheide zwischen Rienz und Drau, an der Linie Villach-Franzensfeste der Österr.
Südbahn, hat (1890) 1035, als Gemeinde 1626 E.,
ein großes Hotel der Südbahn und wird als Ausgangspunkt für den Besuch des Thals von Ampezzo benutzt.
Adolf, Romanist, geb. in dem Dorfe Hirzel (Kanton
[* 34] Zürich),
[* 35] wo sein Vater, Salomon Tobler (geb. 1794, gest. 1875 zu
Zürich),
besonders durch die epischen Dichtungen «Die Enkel Winkelrieds» (Zur. 1837) und «Columbus»
(ebd. 1816) litterarisch bekannt, damals Pfarrer war. Tobler studierte in Zürich
und Bonn
[* 36] und lebte seit 1857 meist
zu Rom, in Toscana und zu Paris, bis er 1861 die Stelle eines Lehrers an der Kantonsschule zu Solothurn
[* 37] erhielt. 1866 siedelte er als Gymnasiallehrer
nach Bern
[* 38] über, wo er sich im Frühjahr 1867 an der Universität habilitierte.
Bereits im Herbst desselben Jahres folgte er einem Rufe als Professor der roman. Sprachen nach Berlin. Seit 1881 ist er Mitglied
der BerlinerAkademie der Wissenschaften. Tobler ist einer der gründlichsten Forscher auf dem Gebiete der roman.
Sprachen. Unter seinen Arbeiten sind hervorzuheben: die Ausgabe der altfranz. Dichtungen des Jehan de Condet
(Stuttg. 1860), «Bruchstück aus dem Chevalier au
Lyon»
[* 39] (Soloth. 1862),
«Mitteilungen aus altfranz. Handschriften» (Lpz.
1870),
«Die Parabel
[* 40] von dem echten Ringe» (ebd. 1871; 2. Aufl. 1884),
«Vom franz. Versbau alter und neuer Zeit»
(ebd. 1880; 3. Aufl. 1894; in franz. Übersetzung, Par. 1885),
«Vermischte Beiträge zur franz.
Grammatik» (Lpz. 1886 u. 1894),
die Ausgabe des altfranz. Gedichtes «Li proverbe au vilain» (ebd. 1895),
«Denkblätter aus Jerusalem» (ebd. 1852). Das Hauptwerk aber ist die «Topographie von Jerusalem und seinen Umgebungen» (2 Bde.,
Berl. 1853-54),
welchem sich die «Planographie von Jerusalem» (Karte im Maßstab
[* 48] 1:4843, Gotha
[* 49] 1858) und
der «Beitrag zur mediz. Topographie von Jerusalem» (Berl. 1855) anschlossen. Ferner erschienen: «Dritte Wanderung nach Palästina»
[* 50] (Gotha 1859),
«Bilbiographia geographica Palaestinae» (Lpz.
1867) und eine Monographie über Nazareth (Berl. 1868). -
Vgl. Heim, Titus Tobler, der Palästinafahrer (Zür. 1879).
linker Nebenfluß des Irtysch, entspringt am Südostabhange des südl. Ural im russ.-centralasiat.
Gebiet Turgaj,
bildet zeitweilig die Grenze des Gouvernements Orenburg und mündet nach einem nordöstl.
Lauf von 1290,8 km im Gouvernement
Tobolsk. Er ist von der Stadt Kurgan an auf 620 km schiffbar (auch gehen Dampfschiffe), mit Eis
[* 51] bedeckt
von Anfang November bis Ende April.
Hauptnebenflüsse sind: der Uj, Isset mit Mijaß, Tura (schiffbar), Tawda, alle von links.
1) Russ. Gouvernement im nordwestl. TeilSibiriens, zu Westsibirien gehörig (s. Karte: Sibirien. I. Übersichtskarte), grenzt
im N. ans Eismeer, im O. an die Gouvernements Jenisseisk und Tomsk, im S. an die Gebiete Semipalatinsk,
Akmolinsk und Turgaj, im W. an die europ. Gouvernements Orenburg, Perm, Wologda und Archangelsk und hat 1397 692 qkm (d. i. etwas
mehr als Deutschland
[* 52] und Osterreich-Ungarn zusammengenommen) mit (1897) 1 438 655 E., d. i. 1 E. auf 1 qkm. Die
Oberfläche bildet zum größten Teil eine Niederung, die sich zum Eismeer senkt. Im NW. etwa bis zum 62.° nördl. Br., südlich
bildet das Uralgebirge die Grenze, weiter südlich entfernt sich die Grenze vom Uralgebirge nach O. Die östl.
Ausläufer des Gebirges werden sehr bald niedrig und reichen nicht bis zum Flußbett des Ob und des Irtysch.
Im O. erreicht die Wasserscheide zwischen Ob und Irtysch bei der Stadt Tara 134 m Seehöhe.
Der Süden hat Steppencharakter (die Ischimsche und ein Teil der Barabinschen Steppe), dann folgt ein breiter Raum mit Wäldern
und Sümpfen (am größten die Wassjuganischen Sümpfe östlich am Irtysch und Ob), wo allmählich der Ackerbau
aufhört, und im N. stellt sich die waldlose Tundra ein. Hauptflüsse sind der Ob mit seinem großen Nebenfluß Irtysch sowie
dessen Zuflüssen Tobol (mit Tura und Tawda); sie sind alle schiffbar und Dampfschiffe gehen nördlich bis Beresow, südlich
bis Kurgan, Semipalatinsk, Biisk, Kusnezk.
Das Eismeer bespült die Nordküste von der Mündung der Kara (im W.) bis zum Südende der Tasbucht, die eine östl. Abzweigung
des Obischen Meerbusens ist. Zwischen diesem und der Karischen Bucht ragt die Halbinsel Jalmal ins Meer hinein. An ihrem Nordende
liegt die
Bjelyj-(Weiße) Insel, die nebst einigen andern zu Tobolsk gehörigen Inseln 3257 qkm umfaßt. Seen,
zum Teil Salzseen, finden sich besonders im südl. Teil und nehmen im ganzen 10 270 qkm ein. An Mineralien
[* 53] ist Tobolsk sehr arm,
es fehlen sogar Bausteine und Kalk. Das Klima ist sehr verschieden.
Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Beresow -4,3°, im Sommer 14,5°, im Winter-21,4° C.;
in Ischim 6,3°, 17,5°, -17° C. In Beresow haben jährlich eine Temperatur
von über 0° C. 153, unter 0° C. 212 Tage, in Tobolsk 192 und 173, in Tara und Ischim 194 und 171, in Kurgan 204 und 161. Die Bevölkerung,
am dichtesten im S., besteht zumeist aus Russen (92,8 Proz.), dann Tataren (47000), Ostjaken (29 500), Samojeden (6580), Wogulen
(5880).
Polen, Juden und andere europ. Nationalitäten sind nur spärlich vertreten. Der Religion nach sind 91 Proz. russisch-orthodox, 4 Proz.
Mohammedaner, 0,6 Proz. Heiden u. a. Die Beschäftigung besteht im E. aus Ackerbau und Viehzucht,
[* 54] im N.
aus Fischerei
[* 55] und Jagd. Der Ackerbau ist südlich von 57¼° nördl. Breite
[* 56] sehr ergiebig; geerntet wurden 1894 an Roggen 1 947 364,
Weizen 1,77 Mill., Hafer
[* 57] 2,98 Mill., Gerste
[* 58] 399 786, Kartoffeln 753 470 Tschetwert. Gebaut werden auch Flachs
und Hanf.
Gezüchtet werden im S. Pferde
[* 59] und Rinder,
[* 60] im N. Renntiere (Bestand etwa 130000 Stück) und Hunde.
[* 61] Die Wälder geben Material
zur Herstellung von Holzwaren, zu Schiffbau, Teersiederei, Handel mit Zirbelnüssen und Beeren. Andere Beschäftigungen sind
Fuhrwesen (besonders im S. mit Salz),
[* 62] Seilerei, Kürschnerei, Sattlerei, Teppichweberei (bei Tjumen) u. a.
Fabriken giebt es besonders im südwestl. Teil, 1894 im ganzen 2307 mit 4,15 Mill. Rubel Produktion, darunter 299 Gerbereien, 988 Mahlmühlen, 94 Talgsiedereien, 3 Tuch-, 1 Papierfabrik.
Ausgeführt werden Getreide,
[* 63] Produkte der Viehzucht, Spiritus,
[* 64] Rauchwaren, Fische
[* 65] eingeführt Kolonialwaren, Manufakturen,
Metallwaren, Weine u. a. An Eisenbahnen sind vorhanden 77 km der Uralbahn (Linie
Jekaterinburg-Tjumen) und 280 km der Sibir. Eisenbahn (Linie Tscheljabinsk-Omsk), die im SW. das Gouvernement durchschneidet.
Es giebt 5 Mittelschulen, 2 Fachschulen und 598 niedere und Elementarschulen. Das Gouvernement zerfällt in 10 Bezirke: Beresow,
Ischim, Jalutorowsk, Kurgan, Surgut, Tara, Turinsk, Tjukalinsk, Tjumen und Tobolsk. - Über die Erwerbung des Landes
durch die Russen s. Sibirien. Ein Gouvernement Tobolsk wurde 1796 errichtet; es umfaßte zugleich das heutige Gouvernement Tomsk,
das 1804 zu einem besondern Gouvernement abgetrennt wurde, und bildete mit diesem 1822-82 das Generalgouvernement Westsibirien. 1868 kamen
die StädteOmsk und Petropawlowsk zum Gebiet Akmolinsk und 1876 erhielt der BezirkOmsk den NamenBezirk Tjukalinsk.
- 2) Bezirk im mittlern Teil des Gouvernements Tobolsk, durchflossen vom Ob (im N.), Irtysch mit Tobol, hat 124 457,7 qkm, 126 717 E.,
darunter Tataren (20), Ostjaken (3,6), Wogulen (2,2 Proz.); viele Wälder, Sümpfe, Seen (1212 qkm), nicht ausreichenden Ackerbau,
wenig Viehzucht, Waldindustrie. - 3) Hauptstadt des Gouvernements und des Bezirks Tobolsk unter 58° 12' nördl.
Br. und 68° 14' östl. L. von Greenwich, in 109 m Seehöhe, rechts am Irtysch, unweit der Mündung des Tobol, besteht aus einer
obern Stadt mit Festungswerken, um die sich im Bogen
[* 66] die
¶
mehr
untere, Überschwemmungen ausgesetzte Stadt zieht, ist Sitz des Gouverneurs und Bischofs von Tobolsk und Sibirien und hat (1897) 20 427 E., 20 Kirchen,
darunter die Kathedrale der heil. Sophia, Mönchskloster, DenkmalJermaks (1839 errichtet), Gymnasium, geistliches Seminar, 4 Zeitungen, 2 Buchdruckereien, 1 Buchhandlung,
Stadtgarten, Staatsgefängnis, Filiale der Russischen Reichsbank, 2 Stadtbanken, Flußhafen mit Dampfschiffahrt.
Betrieben werden Fischerei, Fuhrwesen, Schiffbau, Gerbereien, Talg- und Seifensiedereien, Ziegeleien u. a. Die Handwerke werden
meistens von den Verbannten (mit ihren Familienangehörigen etwa 3000) betrieben. Der frühere bedeutende Handel ist zurückgegangen.
Bezeichnung für ein gewisses äußeres Verhalten geistig Gestörter ohne strenge wissenschaftliche
Bedeutung. Tobsucht kann im Verlauf der meisten Formen von Geistesstörung gelegentlich auftreten; bei einzelnen Formen bildet sie
eine regelmäßige, das Gesamtbild bestimmende Erscheinung. Die Erscheinungsweise der Tobsucht wechselt vielfach je
nach der Art der zu Grunde liegenden Hirnkrankheit; insbesondere kommen in Betracht die Manie, die progressive
Paralyse der Irren, die Verrücktheit, die Epilepsie u. s. w. Bei der maniakalischen Tobsucht tritt oft anfangs nur eine
mäßige Aufregung hervor, die sich in nutzloser Geschäftigkeit, Schwatzhaftigkeit, ruhelosem Umherirren u. dgl. kundgiebt.
Bei höhern Graden der Erregung kommt es zu anhaltendem Gehen und Laufen, Singen und Schreien, Lachen oder Weinen,
zu gewaltthätigen Handlungen, erhöhtem Geschlechtstrieb, unsittlichen und rücksichtslosen Reden und Handlungen, zu Angriffen
auf Personen, Zerstörungen, Sammeln nutzloser Dinge, Zerreißen der Kleider, groben Verstößen gegen Anstand und Sitte. Der
Gedankenablauf ist beschleunigt, macht sich in stundenlangem, überstürztem, unzusammenhängendem Reden, Reimen, Singen und
Lärmen Luft, während der Kranke äußern Einflüssen, Zureden, völlig unzugänglich ist.
Die Stimmungen wechseln; von Lustigkeit und Übermut fällt er in mutloses, verzagtes Treiben, förmlich triebartig treten
Genußsucht, Begehrlichkeit und geschlechtliche Empfindungen auf, schließlich kann es zu sinnlosem blinden Wüten und zur
Raserei kommen. Während so die maniakalische Tobsucht im wesentlichen einem excessiv gesteigerten Triebleben entspricht,
wird die Tobsucht der sog. Verrückten bedingt durch Wahnvorstellungen
und Sinnestäuschungen aufregenden, schrecklichen Inhalts.
Hier suchen sich die Kranken vermeintlicher Gefahren zu erwehren, dringen in blinder Wut auf die Umgebung ein oder äußern
laut ihre Verzweiflung u. dgl. m. Ähnliche Zustände von großer unbewußter
Aufregung treten in heftigen Fiebern, z. B. im Typhus, vorübergehend auf. Besonders starke Tobsuchtszustände,
die ganz plötzlich und vorübergehend eintreten, und in denen oft die schwersten Gewaltthätigkeiten, Mord und Selbstmord,
begangen werden, die sog. transitorische Manie, die von Stunden bis zu Tagen dauern, entstehen meist auf epileptischer Grundlage.
Diese Art der Tobsucht ist besonders in gerichtlich-mediz. Beziehung von großer Wichtigkeit.
(spr. -kangtíngs), einer der großen StrömeBrasiliens, entsteht unter 4° 40' südl. Br. und 49° westl.
L. (von Greenwich) bei dem FortSão João de Araguaya aus der Vereinigung des
Araguaya (s. d.) und des obern Tocantins. Der obere Tocantins bildet
sich im Staate Goyaz aus dem Kleinen Tocantins oder Tocantins-Pequeno und dem Rio Maranha. Der vereinigte Strom
fließt nach N., zuletzt die Grenze gegen Maranhão bildend. Dann tritt er in Para ein. Etwa 300 km unterhalb der Vereinigung
mit den Fluten des stärkern Araguaya erweitert er sich zu einem Ästuar, welches unterhalb Cameta oder Villa Vicoza den Namen
Rio Para annimmt.
Dieses 222 km lange und an der Mündung in den Atlantischen Ocean 63,8 km breite Ästuar wird häufig als ein Nebenfluß
des Amazonenstroms betrachtet, kann aber nicht einmal als ein Zwillingsstrom desselben angesehen werden, da ihre Wassermassen
durch die InselMarajo geschieden bleiben und nur durch einige schmale, aber tiefe Kanäle miteinander in
Verbindung stehen. Die Stromlänge des Tocantins wird zu 2040 km, die schiffbare Strecke zu 1800 km, das ganze Flußgebiet zu 979000
qkm angegeben. Das letztere wird hauptsächlich durch den Araguay erweitert. Die regelmäßige Benutzung als Wasserstraße
fängt erst bei Porto-Imperial unter 10° südl. Br. an. Doch bereiten Riffe, Stromschnellen und Untiefen
vielfache Hindernisse, so daß der Tocantins noch schlechter als der Araguaya zu befahren ist.
(spr. -délji), richtiger Toccategli (ital., d. i. berühret sie) geschrieben, in span. Namensform Toccadille,
ein seit dem 16. Jahrh. sehr beliebtes, jetzt fast vergessenes Spiel, das auf dem Puffbrett von zwei Personen
gespielt wird und dessen Regeln von denen des Trictrac nur wenig abweichen.
(ital., von toccare, d. i. berühren), ein früher sehr gebräuchlicher Tonsatz für Tasteninstrumente (Klavier,
Orgel), der ohne festes Form- und Melodiegefüge war und mit dem Präludium und der Etüde, der Phantasie und dem
Capriccio ziemlich identisch ist, auch historisch den Ausgangspunkt dieser Formen bildet. Die Toccata blühte
im 16., sowie zu Anfang des 17. Jahrh., doch haben noch neuere KomponistenStücke freiern Charakters zuweilen Toccata genannt.
S. Bach hat eine Reihe von solchen großen und effektvollen Orgelsätzen Toccaten genannt, die aus einem oder
zwei kurzen Motiven entwickelt sind.
derheiligenDreifaltigkeit, s. Trinitarierorden. ^[= oder Dreifaltigkeitsorden, zwei religiöse Genossenschaften, in Frankreich gestiftet, um christl. ...]
(spr. tock'wil),Alexis Clérel de, franz. Publizist und Staatsmann, geb. zu
Verneuil (Seine-et-Oise), wurde nach Beendigung seiner jurist. Studien 1826 zum Instruktionsrichter in
Versailles
[* 70] ernannt und 1831 von der Regierung beauftragt, das Strafsystem in den
¶
mehr
Vereinigten
[* 72] Staaten von Amerika zu studieren. Tocqueville brachte von da sein Hauptwerk zurück: «La démocratie en Amérique» (2 Bde.,
Par. 1835 u. d.),
das man Montesquieus «Espit des lois» an die Seite gestellt hat. Das Buch erhielt 1836 den Preis Montyon
von der Akademie, deren Mitglied Tocqueville 1841 wurde. 1839 wurde Tocqueville Deputierter
und gehörte bis 1848 zur gemäßigten Opposition. Nach der Februarrevolution in die Konstituierende Nationalversammlung
abgeordnet, bekämpfte er den Socialismus und stimmte mit der monarchischen Rechten. Als Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung
übernahm er 1849 das Portefeuille des Auswärtigen, trat aber aus dem Ministerium, als Ludwig Napoleon in der Botschaft
vom 31. Okt. sein eigenes Regierungssystem schärfer betonte.
Als einfacher Volksrepräsentant opponierte er seitdem gegen die persönliche Politik des Präsidenten der Republik und erwies
sich als einen der letzten Verteidiger des parlamentarischen Regiments. BeimStaatsstreich wurde er verhaftet, aber
bald wieder in Freiheit gesetzt, zog sich dann ins Privatleben zurück und starb zu Cannes.
Außer dem genannten Hauptwerk T.s sind noch zu nennen seine «Histoire philosophique
du règne de Louis XV» (2 Bde., Par.
1846; 2. Aufl. 1847, deutsch von Boscowitz, Lpz. 1857),
sein «Coup d'œil sur le règne de Louis XVI» (1850)
und «L'ancien régime et la révolution» (1856). Von diesem Buch sind die spätern Taineschen Arbeiten stark beeinflußt. Seine
«Œvres complétes» erschienen in 9 Bänden (Par. 1860-66). -
Stadt im StaatLara der Republik Venezuela,
[* 73] in einem schönen Thale der Cordillere von Merida,
rechts an dem in das Karibische Meer mündenden Flusse Tocuyo, 655 m ü.
(lat. Mors), das endgültige Aufhören des Stoffwechsels und der übrigen Lebensfähigkeiten. Die Lebensdauer des
Menschen reicht beim natürlichen Verlauf des Lebens gewöhnlich bis in die siebziger oder achtziger Jahre, bisweilen auch
noch etwas weiter, und der Tod erfolgt hier ohne vorhergegangene Krankheit, ohne nachweisbare specielle
Ursache, sanft und allmählich, oder rasch, merklich und mit Bewußtsein, oder unvermerkt im Schlafe, durch sog. Altersschwäche
(Marasmus).
Dieser Tod ist der natürliche, normale, notwendige. Jede Todesart, die von einer andern Veranlassung als der naturgemäßen
Beendigung des Lebensprozesses (Stoffwechsels), herrührt, ist unnatürlich (abnorm, zufällig, frühzeitig)
und erfolgt entweder durch Krankheit (d. i. falsches Vorsichgehen des Stoffwechsels), oder gewaltsam, durch äußere mechan.
und chem. Einflüsse. Wohl zu unterscheiden von diesem Tod im allgemeinen Sinne ist der örtliche Tod, das Absterben einzelner
Organe. (S. Brand.)
Gewöhnlich fällt beim Sterben (d. i. der Übergang vom Leben zum Tod) eine der hauptsächlichsten
Lebensthätigkeiten etwas früher als die übrigen weg, nämlich entweder die des Herzens, oder die der Lungen, oder die des
Gehirns, weshalb diese Organe von
alters her auch Ausgangsstellen des Tod (atria mortis) genannt werden. Den Tod bezeichnet
man deshalb als einen durch Ohnmacht (Synkope, Aufhebung der Herzthätigkeit), durch Stickfluß (Erstickung,
Asphyxie, Aufhebung der Lungenthätigkeit) oder durch Schlagfluß (Apoplexie, Gehirnlähmung) hervorgerufenen.
Die das Sterben begleitenden und bezeichnenden Erscheinungen (die Sterbeerscheinungen), die stets die Folgen von Störungen
wichtiger Lebensverrichtungen sind, stellen sich nach der Verschiedenheit dieser Störungen verschieden dar; auch treten sie
schneller oder langsamer auf und sind mehr oder weniger deutlich wahrnehmbar in ihrem Beginn und Fortschreiten.
Auf dieser Mannigfaltigkeit der beim Sterben auftretenden Erscheinungen beruht die Bezeichnung folgender Todesarten: einfacher
Erschöpfungstod, bei dem sich die Sterbeerscheinungen ganz allmählich aus schon vorhandenen krankhaften Zuständen entwickeln,
so daß die Zeit ihres Beginns mit Bestimmtheit nicht ermittelt werden kann, und sich dann in mehr oder
minder stetiger Aufeinanderfolge bis zum endlichen Erlöschen des Daseins steigern;
langsamer und rascher Tod, je nachdem die Sterbeerscheinungen längere oder kürzere Zeit währen;
plötzlicher
Tod, wenn diese Erscheinungen nur auf einen äußerst kurzen Zeitraum (auf einige Sekunden bis Minuten) sich beschränken.
Der plötzliche Tod kann auch noch ein unvermuteter sein, wenn ihm kein oder doch nur ein geringes Kranksein vorherging.
Die Sterbe- und Agonieerscheinungen bestehen in Zeichen beginnender und vorschreitender Lähmung des Nerven-
und Muskelsystems, vermischt mit den derKrankheit eigentümlichen Symptomen. Meist sterben die verschiedenen Apparate in einer
bestimmten, ziemlich regelmäßigen Folge nacheinander. Der Verlust des Muskeltonus erzeugt das hängende, lange, eingefallene
Hippokratische Gesicht
[* 74] (s. d.), zitternde, kraftlose Bewegungen (zitternde schwache Sprache,
[* 75] Sehnenhüpfen), Herab- und Zusammensinken
des ganzen Körpers, oberflächliche, schwache, langsame und mühevolle, endlich aussetzende Respiration
(mit Röcheln, Sterberasseln), Lähmung der Speiseröhre (Getränk fällt mit kollerndem Geräusch in den Magen,
[* 76] feste Stoffe
bleiben stecken); die Herzkontraktionen werden immer schwächer und undeutlicher, der Puls wird leer, anfangs sehr häufig,
dann aussetzend, fadenförmig, die Schließmuskeln an den natürlichen Öffnungen erschlaffen (Stuhl und
Urin gehen unwillkürlich ab); Kälte und bisweilen kühler, klebriger Schweiß zieht sich von den entfernten Körperteilen
gegen den Stamm, der Gesichts- und Gehörsinn schwindet, Bewußtsein, Respiration und Cirkulation hören ganz auf und das Leben
erlischt. Über das Verhalten einem Sterbenden gegenüber s. Euthanasie. Nach dem Eintritt des Tod lasse
man den Toten noch einige Zeit (etwa 12-18 Stunden) in seinem Bett
[* 77] liegen, worauf er zu entkleiden, zu waschen, in einem kühlen
Zimmer in einer Bettstelle auf einem mit einem Leintuch bedeckten Strohsack zu lagern und mit einem Leintuch zuzudecken ist.
Veränderungenein. die alle nach rein physik. und chem. Gesetzen vor sich gehen.
Die hauptsächlichsten und hervortretendsten Erscheinungen nach dem Tod sind die der Fäulnis (s. d.),
durch welche die organischen Substanzen des menschlichen Körpers in unorganische Stoffe (vorzüglich in Kohlensäure. Wasser
und Ammoniak) umgewandelt werden. Es beharrt nun aber der Leichnam vor seiner Zersetzung noch eine Zeit
lang in einem Zustande, den man Leichenzustand im engern Sinne des Wortes nennt und der sich durch ganz bestimmte, bald schneller,
bald langsamer eintretende Erscheinungen (Leichenerscheinungen) auszeichnet. Zu diesen gehören: die Leichenblässe, die Totenkälte
und die Totenstarre (Zusammenziehung der Muskeln
[* 79] durch Gerinnen des Muskeleiweißes), die Totenflecke und
das Abplatten der Körperstellen, wo die Leiche aufliegt.
Trotz dieser Leichenerscheinungen ist es manchmal doch schwierig, den Tod durch das bloße Besichtigen des Körpers mit Sicherheit
anzugeben und vom Scheintod (s. d.) zu unterscheiden. Die beste Auskunft giebt
hier das Behorchen des Herzens, da Unhörbarkeit der Herztöne am sichersten den Tod andeutet. Wahrscheinlichkeit
für den Tod gewähren: das gebrochene, getrübte und trockne Äuge;
das Nichtdurchscheinen der gegen das Licht
[* 80] gehaltenen
Finger;
die völlig erweiterte und gegen das Licht unempfindliche Pupille, das Nichtfließen von Blut aus geöffneten Blut-
und Pulsadern;
das pergamentartige Eintrocknen der durch starkes Reiben mit kaustischem Salmiakgeist
von Oberhaut entblößten Haut.
[* 81]
Beim Scheintoten bleibt die elektrische Erregbarkeit der Muskeln erhalten, während sie bei einer
Leiche 1½-3 Stunden nach dem eingetretenen Tod erlischt. Das untrüglichste Zeichen des Tod ist aber die nach dem Schwinden
der Todesstarre eintretende Fäulnis mit blaugrüner Färbung und blasiger Austreibung der Haut, üblem
Geruch, Ausfließen mißfarbiger, stinkender Flüssigkeit aus Mund und Nase.
[* 82] -
Vgl. Hasselt, Die Lehre
[* 83] vom Tod und Scheintod
(Braunschw. 1862): Götte, Über den Ursprung des Tod (Hamb. 1883);
F. dell'Acqua, La
morte vera et la morte apparente (Mail. 1897).
Die gewaltige Macht des Tod fand auch in Dichtung und Kunst den ergreifendsten und vielgestaltigsten, je
nach der verschiedenen Empfindungsweise der einzelnen Zeiten und Völker verschiedenen Ausdruck. Die Alten haben die Gestalt
des Tod nicht ausdrücklich personifiziert, sondern nur die Wirkungen des Tod, den Abschied vom Leben (besonders auf griech.
Stelen), das Totengericht u. s. f. dargestellt, oder sie beschränken sich auf mytholog. Parallelen (Raub
der Proserpina, des Hylas, des Ganymed) oder sie führen den mildern Bruder des Tod, den Schlaf, vor oder einen Genius (Eros)
[* 85] mit gesenkter verlöschender Fackel.
Vgl. die Abhandlungen Lessings und Herders «Wie die Alten den Tod gebildet».
Den Hebräern (Hiob 5, 2"; Jer. 9,22) ist der Tod ein Ackersmann, der den Garten
[* 86] des Lebens jätet und einen
Baum nach dem andern bricht.
Erst im 17. Jahrh. wird die Darstellung des Totengerippes als Symbol des Tod gebräuchlich; das
Gerippe führt in der Hand
[* 87] die Sense.
Die ital. Renaissance machte nach dem Vorgang von Petrarcas Trionfo
della Morte, gestützt auf das Femininum Mors (La Morte), aus dem Sensenmann eine schreckhafte, die Sense schwingende, unheimlich
gespenstig aus den Himmelshöhen herabfliegende Megäre; die ergreifende Ausgestaltung
dieser Idee ist das berühmte Bild
des Trionfo della Morte (Triumph des Tod) im Campo santo zu Pisa,
[* 88] das in die Mitte des 14. Jahrh. fällt
und früher Orcagna zugeschrieben wurde.
Daneben begegnete wiederholt die allegorische Darstellung der"Drei Lebenden und drei
Toten», welche auf ind.-buddhist. Legenden zurückzuführen ist. Am reichsten ausgestattet findet sie sich auf einem
Fresko des Campo santo zu Pisa, wo drei Könige auf der Jagd auf drei Särge mit Toten stoßen und von Eremiten
über die Vergänglichkeit belehrt werden. In dieser Zeit bildete sich auch namentlich im Norden
[* 89] eine eigentümliche Allegorie
auf die unentfliehbare Macht des Tod und die Vergänglichkeit alles Irdischen aus, der sog.
Totentanz (s. d.).
ein Dravidastamm (s. Drâvida und Dekanische Sprachen). In den Nilgiri in Südindien haben
sich drei Bergvölker von der Hindukultur unberührt erhalten: die Badagar (Burgher, ausgewanderte Kanaresen), das Schmiedevolk
der Kotar und das Hirtenvolk der Toda. Die Toda stellen den reinsten Typus der Dravidarasse dar. (S. Tafel: Asiatische Völkertypen,
[* 78]
Fig. 16, beim ArtikelAsien.)
[* 90] Sie halten Rinderherden (Buffalo), von denen ein Stamm hochverehrt wird und
deren Erhaltung und religiöser Dienst ihren ganzen Vorstellungskreis ausfüllt.
Ihre Priester (Pâl-âl, «Milchmann») stehen in derselben göttlichen
Achtung; sie müssen sich durch achttägiges Leben im Walde unter allerlei Ceremonien für ihr Amt vorbereiten und vollziehen
den Kult dadurch, daß sie alte Kuhglocken, Beileisen und Waldmesser mit Milch betupfen. Sie bedienen
die heilige Herde und melken die Kühe. Die Toda haben die Sitte der Polyandrie, mehrere Brüder heiraten eine Frau. (S. auch
Indische Ethnographie, Bd. 17.) -
Vgl. Metz,
[* 91] The tribes inhabiting the Neilgherry hills (Mangalur 1861);
Marshall, A phrenologist
amongst the Todas (Lond. 1873).
oder Todaustragen, ein eigentümlicher Brauch, der sich als Rest eines uralten Volksfestes im östl.
und südl. Deutschland, in der Lausitz, in Böhmen, Mähren und Schlesien,
[* 92] in Bayern
[* 93] u. s. w., bei der deutschen wie bei der slaw.
ländlichen Bevölkerung erhalten hat und im wesentlichen darin besteht, daß Kinder und junge Leute am
Sonntage Laetere (s. d.), der davon auch Todsonntag (stellenweise Rosensonntag) heißt, eine den Tod vorstellende Puppe aus Stroh
unter Absingung darauf bezüglicher Liedchen im Orte herumtragen und endlich ins Wasser werfen, oder zerreißen, oder verbrennen.
Ganz ähnliche und an denselben Tag geknüpfte Bräuche, die in Meißen,
[* 94] Thüringen und Franken teils ehemals
üblich waren, teils noch bestehen, beweisen, daß die alte Festfeier nicht ursprünglich slaw.
Herkunft und erst allmählich auf die Deutschen übergegangen, sondern daß sie von jeher beiden Völkern gemeinsam gewesen
ist.
(engl., verderbt aus dem ind. Tari), im engern Sinne der Palmwein (s. d.), der eine Gärung
durchgemacht hat;
im weitern Sinne wird aber jeder Palmwein, auch der frische Most, Toddy genannt. - Toddy heißt auch ein grogähnliches
Getränk aus Branntwein, Wasser, Zucker
[* 95] und Eis, manchmal auch noch mit Muskatnuß (dann Sling).