radialen Längskammerscheidewände (Septen) nach der Grundzahl Vier (einem Hauptseptum, einem Gegenseptum und zwei Seitensepten)
angeordnet sind. Viele Tausende von
Arten sind schon aufgefunden, besonders den Geschlechtern Zaphrentis, Cyathophyllum, Streptelasma,
Omphyma u. a. angehörig, teils Einzelbecher, teils
Stöcke, aber keine eigentlichen
Riffe bildend, darunter die seltsame,
mit Deckel versehene Pantoffelkoralle
(Calceola sandalina, s. d.),
Goniophyllum, Cystiphyllum u. s. w.
Es giebt zwei Hauptgruppen der Tetrakorallier: 1) die weit größere der Expleten, bei denen die Radialfächer
des
Bechers u. s. w. noch durch Querböden, kreisförmige Scheidewände, blasige Gebilde
u. s. w. abgeteilt sind, und 2) die einfachen Inexpleten (s.
Tafel: Petrefakten
[* 2] der
Paläozoischen Formationsgruppe I,
[* 1]
Fig. 9; II,
[* 1]
Fig. 1, 8
u. 10; III,
[* 1]
Fig. 12, beim
ArtikelPaläozoische Formationsgruppe). -
Vgl. Milne-Edwards und Haime, Histoire naturelle des coralliaires (Par. 1857-60).
(grch.), bei den Griechen eine zusammenhängende Folge von vier
Dramen, drei
Tragödien, die ihrerseits als
Trilogie zusammengefaßt wurden, und einem
Satyrspiel (s. d.). Der sachliche Zusammenhang der behandelten
Stoffe oder die Einheitlichkeit der allen zu
Grunde liegenden Idee verband die vier
Stücke zu einem größeren Ganzen, doch
scheint es schon während der klassischen Zeit eine Menge von Tetralogie ohne nähern stofflichen oder ideellen Zusammenhang
gegeben zu haben.
Der Schöpfer oder wenigstens der bedeutendsteMeister dieser trilogischen und tetralogischen
Kompositionen
ist
Äschylus (s. d.), von dem allein auch eine vollständige
Trilogie erhalten ist, die sog. «Orestie»;
das dazugehörige
Satyrspiel«Proteus» ist verloren. Tetralogie nennt man bisweilen auch eine
Verbindung von je vier Werken anderer
Litteraturgattungen zu einer Gruppe, wie z. B. ein gewisser Thrasyllus (Zeitgenosse desAugustus und
Tiberius)
die Dialoge des
Plato nach Tetralogie geordnet und
Antiphon (s. d.) Reden in der Form von Tetralogie verfaßt hat.
(grch.), ein
Vers, der aus vier Füßen besteht, und zwar im trochäischen, iambischen und anapästischen
Rhythmus, wo man zwei Trochäen oder
Iamben als einen Doppelfuß oder eine
Dipodie (s. d.) zählt, aus
vier solchen
Dipodien, in den daktylischen und andern Versen aber aus vier einfachen Füßen. Die deutschen Dichter haben
seit Gryphius besonders den iambischen Tetrameter (Oktonarius) häufig angewendet. In katalektischen (s.
Katalexis) ist Dingelstedts «Althess. Sage» verfaßt:
Im Scharfenstein gen Mitternacht erwacht ein heimlich Leben,
Wie Hufschlag und wie Schwerterklang hörst du's tief drinnen beben, u. s. w.
Ein
Beispiel von akatalektischen Tetrameter giebt Platens «Harmosan»:
tetrandrisch (grch.) oder viermännig, jede
Blüte
[* 5] mit vier gleichlangen, nicht miteinander verwachsenen
Staubgefäßen. Im Linnéschen
System
trägt die 4.
Klasse den
NamenTetrandria, sie umfaßt alle
Pflanzen mit zwitterigen tetrandrischcnBlüten.
(lat.), der
Auerhahn (s. d. undTafel: Hühnervögel
[* 6] I; Tetrao cupido, s. Prairiehuhn und Taf.
I,
[* 1]
Fig. 4; Tetrao tetrix, s.
Birkhuhn und Taf. I,
[* 1]
Fig. 6; Tetrao umbellus s. Kragenwaldhuhn;
Tetrao urogallus, s.
Auerhahn und Taf. I,
[* 1]
Fig. 1).
Name eines besondern roten Farbstoffs, der sich in einer bei den männlichen Waldhühnern oberhalb
derAugen gelegenen, nackten, warzigen und roten Hautverdickung findet.
s.
Schnurwürmer^[= Nemertinen (Nemertini, Rhynchocoela), eine in mehrfacher Hinsicht interessante Ordnung der Plattwür ...] und
Tafel:
Würmer,
[* 7] Fig. 8.
Diäthylsulfondiäthylmethan, tafelförmige
Krystalle oder Blättchen, die bei 85° schmelzen, in Wasser
schwer, in
Alkohol leicht löslich sind und einen kampferartigen und zugleich bittern
Geschmack besitzen. Tetronal wird in derMedizin
in Gaben von 1 bis 2 g als Schlafmittel benutzt.
1) Bezirkshauptmannschaft in
Böhmen,
[* 8] hat 602,90 qkm und (1890) 97 818 (47 020 mannl., 50 798 weibl.) deutsche E. in 80 Gemeinden
mit 159 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke
Bensen,
Böhmisch-Kamnitz und Tetschen. - 2) Stadt und Sitz
der Bezirkshauptmannschaft, eines Bezirksgerichts (281,97 qkm, 47 528 E.) und Hauptzollamtes, gegenüber von
Bodenbach (s. d.),
nahe der sächs. Grenze, am rechten Ufer der
Elbe, oberhalb der Einmündung der Pölzen oder Pulsnitz, an den Linien
Bodenbach-Warnsdorf
und
Bodenbach-Böhmisch-Leipa der
Böhm.
Nordbahn,
Wien-Prag-Tetschen (458 km) der Österr. Nordwestbahn und
Dresden-Tetschen (61,9 km) der Sächs. Staatsbahnen,
[* 9] liegt an der Nord- und Ostseite des Schloßbergs und hat (1890) 6701, als Gemeinde 7299 deutsche E., zwei Eisenbahnbrücken,
eine Kettenbrücke (1854), eine sehenswerte
Pfarrkirche (1687), die 1749 gegründete, 1877 vollendete Wenzelskirche,
Stadthaus,
schönen Nordwestbahnhof, Staats-Handwerksschule, Gewerbliche Zeichenschule, Schifferschule; Fabrikation von Steinnußknöpfen,
Chemikalien, Seife,
Cellulose, Blechemballagen, Kartonnagen, Fischkonserven, Bunt- und Glacépapier,
Baumwollspinnerei,
Gipsmühle,
Brauerei,
Handel mit Getreide,
[* 10] Holz
[* 11] und Obst. Tetschen ist Hauptstapelplatz für die Elbschiffahrt und bildet mit seinen
schönen, zum
Teil wildromantischen Umgebungen den
End- und Glanzpunkt des zur Sächsisch-Böhmischen
Schweiz
[* 12] gerechneten
Teils
des Elbthals. Auf einem 47 m hohen Sandsteinfelsen das prächtige gräfl. Thunsche Schloß Tetschen, 1667-73
erbaut und 1788 erneuert. Es hat einen 50 m hohen
Turm,
[* 13] eine
Bibliothek (40000
Bände), ein
Archiv, große Münzen- und Waffensammlung
und
¶
mehr
728 eine Kapelle, ferner einen schönen Park und Garten
[* 15] mit bedeutender Kamelien-, Rosen-, Azaleen- und Orchideenzucht. – Tetschen, das
früher an der Südseite des Burgfelsens lag, wurde 1059 an der Nordseite erbaut, nachdem die Elbe die Stadt vernichtet hatte.
Die Fideïkommißherrschaft Tetschen (10799 ha) ist seit 1628 im Besitz der GrafenThun. In der Nähe von Tetschen liegt
die höhere landwirtschaftliche Landeslehranstalt Liebwerd (105 E.), flußabwärts die stark besuchte Sommerfrische Obergrund
(472 E.) mit schön gelegenen Villen, Hotels und Pensionen und der Mineralquelle Josephsbad (eisenhaltig-indifferenter Säuerling
nebst Dampf- und Douchebad für Rheumatismus- und Gichtleidende). In neuester Zeit ist auch der auf dem
rechten Elbufer gelegene, an Tetschen anstoßende, durch eine Schleppbahn mit der Österr. Nordwestbahn verbundene Elbumschlagplatz
Laube (Dorf mit 450 E.) zu hoher Bedeutung gelangt. Der Schiffsverkehr betrug (1894) 3376 Frachtschiffe mit 40000 t Gütern.
In der Schlacht bei Wagram
[* 20] 1809 zeichnete er sich so aus, daß er zum Major ernannt wurde. Vor dem Ausbruch des Krieges mit Rußland
nahm er 1812 seinen Abschied und trat als Oberstlieutenant in russ. Dienste. Er führte die Vorhut Kutusows und bewies bei Verfolgung
der Franzosen auf ihrem Rückzuge von Moskau
[* 21] große Kühnheit. Mit leichter Reiterei setzte er, zum Oberst befördert, über
die Weichsel und Oder, vereinigte sich bei Landsberg
[* 22] a. d. Warthe mit Tschernitschew und rückte in Berlin
[* 23] ein, wurde hierauf
gegen Hamburg
[* 24] gesendet und besetzte diese Stadt mußte sie jedoch 30. Mai wieder räumen.
Nach dem Waffenstillstand kämpfte Tettenborn unter Wallmodens Oberbefehl gegen Davout, dann gegen Pecheux, an dessen Niederlage an der
Göhrde(16. Sept.) er wesentlichen Anteil hatte, und zwang 15. Okt.Bremen
[* 25] zur Übergabe. Hierauf folgte er dem Kronprinzen von Schweden
[* 26] auf dessen Zuge bis nach Jütland und brach, als dort die Feindseligkeiten beendigt waren, im Jan. 1814 nach
dem Rhein auf. In Frankreich leistete er mit seinem Korps leichter Reiterei dadurch, daß er die Verbindung zwischen den einzelnen
Teilen der Heere unterhielt, wesentliche Dienste. Nach dem Frieden erhielt er Urlaub; 1818 trat er aus dem russ. Dienst
in den badischen über. 1819 ging er, zum Generallieutenant ernannt, als Gesandter an den Hof
[* 27] zu Wien,
[* 28] wo er starb.
–
1) Oberamt im württemb. Donaukreis, hat 273,54 qkm und (1895) 24171 (12145 männl., 12026 weibl.)
meist kath. E., 2 Städte und 20 Landgemeinden. –
2) Oberamtsstadt im Oberamt Tettnang, 8 km im NO. von Friedrichshafen, an der Meckenbeuren-Tettnanger Eisenbahn (s. d., Bd. 17),
Sitz des Oberamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Ravensburg) und Kameralamtes, hat
(1895) 2545 E.,
darunter etwa 190 Evangelische, Post, Telegraph, kath. und evang. Kirche, großes Schloß, ehemals den Grafen von Montfort gehörig,
Latein- und Realschule, weibliche Fortbildungs- und gewerbliche Schule, Bezirkskrankenhaus, Oberamtssparkasse, Kreditbank,
Wasserleitung; ein Elektricitätswerk für Bahnbetrieb, Beleuchtung und Motorenbetrieb, Sägewerk und
Holzbearbeitungsanstalt, Hopfen- und Obstbau, bedeutenden Hopfenhandel, Jahr-, Vieh- und Obstmärkte.
Stadt
im nördlichsten TeileMarokkos, liegt 37 km südöstlich von Ceuta,
[* 29] links am Flusse Martil oder Hanesch, 7 km
von der Küste des Mittelländischen Meers, im Hintergrunde einer rings umschlossenen Thalebene inmitten herrlicher Gärten.
Die weißen Häuser mit platten Dächern reihen sich terrassenförmig aneinander und bilden ein Gewirr
enger Straßen. Das Ganze ist von einer schlecht unterhaltenen, betürmten Mauer umgeben und mit einem kleinen Kastell gekrönt.
Die Einwohnerzahl schätzt man auf 25000, darunter 6000 Juden, die den Handel in Händen haben. Sie bewohnen ein abgeschlossenes
Viertel, Mellah genannt. Gegenstände der Industrie sind Lederwaren, Mützen (Tarbusch) und Schußwaffen.
Zur Ausfuhr, meist nach Spanien,
[* 30] gelangen Wolle, Getreide, Seide,
[* 31] Schlachtvieh und Lederwaren. An der Mündung des Martil liegen
zwei Forts. Auf dem rechten Ufer des Martil lag im AltertumTamuda in Mauritania Tingitana. Tetuan war der Mittelpunkt der Kämpfe
im span.-marokk. Krieg von 1860.
B. G., Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei in Leipzig,
[* 32] hervorgegangen aus der Weinedelschen Buchdruckerei,
die 1811 Benediktus Gotthelf Teubner (geb. in Groß-Kraußnigk in der Niederlausitz,
gest. auf eigenen Namen übernahm und mit der er 1824 eine Verlagsbuchhandlung verband. Teilhaber
wurden seine Schwiegersöhne Eduard Koch (1842–53; gest. und (1853) ChristianAdolf Roßbach.
[* 33] Dieser und ein dritter
Schwiegersohn, AlbinAckermann wurden nach dem Tode Teubners alleinige Besitzer. Ihnen traten als Teilhaber bei ihre SöhneArthur
Roßbach (1875; gest. und AlfredAckermann (1882), sowie 1893 ein Enkel Roßbachs, Dr. Alfred
Giesecke.
Außerdem war 1872–92 noch Teilhaber der Verlagsbuchhandlung Dr. August Schmitt, seit 1847 als Gehilfe, später als Prokurist
thätig und von der UniversitätJena zum Ehrendoktor der Philosophie ernannt. Der reichhaltige Verlag umfaßt vorzugsweise
Philologie und Altertumskunde, darunter die «Biblioteca scriptorum graecorum et romanorum»
(1849 fg.),
ferner Mathematik, Unterrichtsbücher für höhere Lehranstalten, die «Neuen Jahrbücher für
Philologie und Pädagogik» (1826 fg.),
«Zeitschrift für Mathematik und Physik» (1856 fg.),
«Byzant. Zeitschrift» (1892 fg.),
«Geogr. Zeitschrift» (1895 fg.) u.a. Die Buchdruckerei hat Dampfbetrieb
(45 Pferdestärken), 46 Pressen, 4 Stereotypapparate, 9 Schriftgießmaschinen, Galvanoplastik
[* 34] und 365 beschäftigte Personen.
Daneben besteht eine Zweigbuchdruckerei in Dresden
[* 35] unter gleicher Firma (1833 errichtet) mit Dampfbetrieb
und 11 Pressen.
Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Naumburg),
[* 40] hat
(1895) 5351 E., darunter 37 Katholiken, Post, Telegraph,
[* 41] ein ehemals festes Schloß;
Töpferei und in der Umgegend 26 Braunkohlengruben,
deren Kohlen in 12 Fabriken zu Teer, Paraffin
[* 42] und Solaröl verarbeitet werden.
linker Nebenfluß des Rio
[* 43] Bermejo, Nebenflusses des Paraguay,
[* 44] zweigt sich vom Rio Bermejo
(s. d.) ab, fließt ihm im NO. parallel und vereinigt sich wieder mit ihm am Fort Presidencia Roca etwas nördlich von 26°
südl. Br. Der Teuco kann vom Dezember bis April mit Dampfern befahren werden. Er erhält neuerdings mehr Wasser als
der Bermejo.
L., Gamander, Pflanzengattung aus der Familie der Labiaten (s. d.), mit nahezu 100 in
den gemäßigten Zonen, besonders reichlich in den Mediterranländern verbreiteten Arten, kraut- oder strauchartige Gewächse
mit wirtelständig oder verzweigt angeordneten Blüten, denen die Oberlippe der Blumenkrone vollständig fehlt; an Stelle derselben
ist ein Spalt vorhanden, durch welchen die Staubgefäße
[* 45] und der Griffel nach außen vorragen. Mehrere
Arten wachsen in Deutschland,
[* 46] besonders auf trocknen Kalkbergen, z. B. Teucrium botrysL. und Teucrium chamaedrysL. Von dem auf Sumpfwässern
wachsenden Knoblauchgamander, Teucrium scordiumL., war früher das Kraut (Herba scordis) als Wurmmittel offizinell.
Am bekanntesten ist der vielfach kultivierte Katzengamander, Katzenkraut, Teucrium marumL. (gewöhnlich Marum
verum); er wächst in Südeuropa wild und hat in allen Teilen einen starken Kampfergeruch. Die Katzen
[* 47] werden von diesem Geruch
angelockt und wälzen sich sehr gern auf dem Kraute herum. Die Pflanze war als Herba mari veri offizinell, das getrocknete
Kraut wirkt niesenerregend und bildet deshalb gewöhnlich einen Bestandteil der als Niespulver verkäuflichen
Schnupfmittel.
und Teuerungspolitik. Teuerung nennt man den wirtschaftlichen Zustand, in welchem die Gegenstände des notwendigsten
Lebensbedarfs, namentlich die Nahrungsmittel,
[* 48] einen, mit dem Preise anderer Orte und Zeiten verglichen, hohen Preis besitzen.
Eine Teuerung kann zwar bei jeder Warengattung eintreten; von bedeutender nationalökonomischer und selbst polit. Wichtigkeit
ist aber vorzugsweise die Getreideteuerung. Sie kann bei längerer Dauer, namentlich in vom Verkehr abgeschiedenen Ländern
zur Hungersnot führen.
Die Summe der wirtschaftlichen Maßregeln, die eine Regierung ergreift, um das Entstehen von Teuerungen zu verhindern
oder wenigstens ihre Folgen zu mildern, nennt man Teuerungspolitik. Schon im alten Rom
[* 49] schritt früh die Regierung der Republik
bei drohenden Teuerungen durch rechtzeitigen Einkauf im Auslande ein. Später wurde überdies das dem Staat aus den Provinzialzehnten
in wachsenden Mengen zufließende Getreide zu billigen Preisen an die Bürgerschaft abgegeben.
Seit der gracchischen Zeit sorgten sogar Getreidegesetze aus polit. Gründen dafür, daß das hauptstädtische
Proletariat jederzeit unmittelbar durch die Regierung mit einer ausreichenden Menge Getreide zu festgesetzten billigen Preisen
versorgt wurde. Im Mittelalter gab es einen freien Kornhandel nicht, vielmehr bewegte er sich in fest vorgezeichneten Bahnen.
Die städtischen Behörden leiteten ihn nach dem Gesichtspunkte, die Bevölkerung möglichst reichlich und
gleichmäßig und zu billigen Preisen mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen. Um dies zu erreichen, wurde der Verkehr
der Verkäufer und Käufer auf dem Markte bis in alle Einzelheiten hinein durch strenge Vorschriften geregelt und im einzelnen
kontrolliert, das Interesse des platten Landes den städtischen Lokalinteressen völlig untergeordnet.
Die städtische Getreidemarktpolizei wurde von den ausgebildeten Territorialstaaten zum großen Teil aus dem Mittelalter übernommen
und fortgesetzt. Auch in ihren übrigen Maßnahmen wurde die spätere staatliche Getreidehandelspolitik, ähnlich wie die
städtische Politik des Mittelalters, lange Zeit hindurch von dem Gesichtspunkt geleitet, die Ernährung derBevölkerung
[* 50] sicherzustellen und eine vermeintlich künstliche Preissteigerung durch den von vornherein allzusehr als
Kornwucher betrachteten Getreidehandel zu verhindern.
Als Hauptmittel dienten ihr neben den marktpolizeilichen Beschränkungen anfangs vorzugsweise Ausfuhrverbote (s. d.) oder anderweitige
Ausfuhrbeschränkungen, besonders Ausfuhrzölle (s. d.), die sowohl im Verkehr von Provinz zu Provinz als auch im Verkehr der
einzelnen Provinzen und später des ganzen Staatsgebietes mit dem Auslande gehandhabt wurden. Später kamen zwar diese Beschränkungen
im Verkehr zwischen den einzelnen Provinzen und Landesteilen desselben Staates der Hauptsache nach in Wegfall, im auswärtigen
Verkehr blieben sie indessen lange Zeit hindurch bestehen.
Soweit Einfuhrzölle zur Erhebung gelangten, was meistens erst in späterer Zeit der Fall war, suchte
man dem Steigen der Preise bei ungünstigen Ernteverhältnissen durch vorübergehende Aufhebung dieser Zölle oder gar durch
Gewährung von Einfuhrprämien zu begegnen. Vielfach richtete sich die Höhe der Ausfuhr- wie der Einfuhrzölle
gesetzlich nach dem Stande der binnenländischen Marktpreise. Während in England seit dem 15. und 16. Jahrh.
die Getreidehandelspolitik die Hochhaltung der Getreidepreise
[* 51] als Ziel verfolgte, nicht nur im Interesse des Landbaues und
des Grundbesitzes, sondern auch im Interesse der Industrie, deren Vorteil man mehr durch hohe als durch niedrige Getreidepreise
zu wahren glaubte, wurde in Frankreich, nachdem unter Sully vorübergehend behufs Förderung und Hebung
[* 52] des Landbaues die Ausfuhr unter Beibehaltung nur mäßiger Zölle allgemein freigegeben worden war, unter Colberts Regiment
diese Freiheit wieder aufgehoben und die landwirtschaftlichen Interessen völlig den industriellen untergeordnet.
Nur bei besonders reichen Ernten wurde die Getreideausfuhr und dann nur gegen hohe Zölle erlaubt. Durch billige Kornpreise
suchte Colbert die Löhne niedrig zu halten, um den Absatz der gewerblichen Produkte im Auslande nach Möglichkeit
zu fördern, eine Politik, die von seinen Nachfolgern mechanisch fortgesetzt wurde, um in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
unter dem Einfluß des Kampfes der die Landbauinteressen fördernden physiokratischen Schule mit dem die industriellen Interessen
begünstigenden Merkantilismus schwankenden Grundsätzen Platz zu machen.
In Deutschland wie auch in andern Staaten wurde vielfach, um die Teuerung zu bekämpfen, das System staatlicher Kornmagazine
entwickelt, die sich teilweise bis in das 19. Jahrh. hinein erhalten haben. Solcher Magazine bediente sich unter anderm Friedrich
d. Gr. Neben den staatlichen bestanden in einzelnen deutschen Staaten obligatorische Getreidemagazine,
¶
mehr
halboffizielle Niederlagen, oder auch Vorschriften, welche die Landwirte zum Halten bestimmter Vorräte zwangen. Ähnliche
Einrichtungen bestehen noch heute in Rußland. Der franz. Konvent nötigte noch durch ein Gesetz vom J. 1793 alle Getreidehändler
und Landwirte, ihre Vorräte zu deklarieren und zu einem festen Preise zu verkaufen. Vorübergehend sind Ausfuhrverbote in
Teuerungszeiten mehrfach auch noch im Laufe dieses Jahrhunderts in verschiedenen Staaten erlassen worden. Auch die Ausfuhrzölle
haben sich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts teilweise in Europa
[* 54] erhalten. Ein weiteres Mittel, das behufs Bekämpfung der
Teuerung Anwendung fand, war die Suspension der Luxusgewerbe, die Korn als Rohstoff verarbeiten, der Branntwein-, Bier-,
Stärke-, Puderfabrikation u. s. w. Auch diesem begegnet man noch im Laufe dieses Jahrhunderts;
so noch in dem Notjahre 1846/47.
Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich mehr und mehr die Anschauung, daß das geeignetste Mittel,
um Teuerungen vorzubeugen, in der freien Entwicklung eines selbständigen Kornhandels zu erblicken sei.
Als aber seit den sechziger Jahren des 19. Jahrh. die überseeische Getreideproduktion
sich immer stärker entwickelte und mit ihren billigen Produkten dem europ. Getreide auf seinen
alten Märkten eine immer empfindlichere Konkurrenz bereitete, entwickelte sich allmählich in den Staaten, die nicht, wie
England, in der Lage und gewillt waren, die Interessen der Landwirtschaft denen der Industrie und des Handels
zu opfern, eine Politik, die bezweckte, eine übermäßige Verbilligung des Getreides und anderer wichtiger landwirtschaftlicher
Produkte zu verhüten. In Deutschland wurden zu diesem Zwecke die bereits abgeschafften Getreide-, Mehl- und Viehzölle 1879 wiederum
eingeführt und in den folgenden Jahren allmählich erhöht.
Ähnlich verfuhren die übrigen Staaten. Da aber der getreidereiche OstenDeutschlands,
[* 55] um den Vorteil der
durch den Zoll erhöhten Preise sich nutzbar zu machen, genötigt war, seinen Überschuß anstatt wie früher überseeisch
ins Ausland, nunmehr zu Lande nach Mittel-, West- und Süddeutschland abzusetzen, so daß ihm auf dem teuern Landwege der
größte Teil des Vorteils aus den Zöllen wieder verloren ging, wurde durch Gesetz vom nachdem zuvor durch die
Handelsverträge (s. d.) der J. 1891-94 die Getreidezölle um etwas ermäßigt
waren, der Identitätsnachweis (s. d.) bei der Ausfuhr von Getreide aufgehoben
und dadurch für den Getreideexport eine Art von Ausfuhrprämie geschaffen. Der tiefgreifendste Versuch,
ein weiteres Sinken der Getreidepreise zu verhindern und die gesunkenen Preise wieder zu heben, liegt in dem zuerst 1894,
dann noch zweimal im J. 1895 in modifizierter Gestalt im Reichstage eingebrachten Antrag Kanitz (s. Getreidehandel und Kanitz).
Ewige Teufe oder unendliche Teufe nennt der Bergmann die unbestimmte, unbegrenzte, noch nicht erforschte Tiefe der Flöze und
Gänge nach dem Mittelpunkte der Erde hin.
die aus dem Alten in das Neue Testament und aus letzterm in die christl.
Dogmatik übergegangene Vorstellung von einem bösen Geist, der an der Spitze
eines Reichs böser Geister und in beständigem
und rastlos thätigem Gegensatz gegen Gott und das Reich Gottes gedacht wurde. Dem hebr. Monotheismus ist die Satanslehre
von Haus aus fremd. Wohl aber kannte schon der althebr. Volksglaube allerlei übermenschliche Unholde
und Dämonen (s. d.), deren Verehrung von dem Bundesgotte Israels abziehe.
Die Gestalt des Satans erscheint zuerst im Prolog des BuchesHiob, aber nicht als der spätere Höllenfürst, sondern unter
den SöhnenGottes, nicht als ein gottfeindliches, sondern als ein Gott dienstbares Wesen, das seine Freude
daran hat, die Frömmigkeit der Menschen auf die Probe zu stellen, und hierzu von Gott Erlaubnis erhält. Ähnlich
1Kön.
22, 19-23,. wo einer unter den Engeln, die GottesThron umstehen, sich erbietet, als Lügengeist durch den Mund falscher Propheten
zu reden.
Schärfer ausgeprägt ist diese Vorstellung in den nachexilischen Büchern. Da ist es Satan, der 1 Chron.
21,1 den David dazu reizt, das Volk zu zählen, während der entsprechende ältere Bericht (2 Sam. 24,1). diese Anreizung von
dem Zorne Gottes ausgehen läßt; ebenso tritt Satan
Zach. 3, 1. dem Engel Gottes gegenüber als Ankläger
des Hohenpriesters Josua vor dem Throne Jahwes. Satan erscheint hier überall als die Personifikation des göttlichen Zorns,
im Gegensatz zu Gottes in dem Engel Jahwes repräsentierter Bundesgnade.
Späterhin tritt der Satansglaube fast völlig zurück: weder in den Apokryphen des Alten Testaments (außer
Weish. 2, 23. fg.)
noch bei Philo und Josephus ist von ihm die Rede. Desto häufiger ist (z. B.
in den BüchernTobias und Baruch) unter pers. Einfluß von untergeordneten Dämonen die Rede, die allerlei Unfug anrichten, sogar
in den Menschen als Plagegeister Wohnung nehmen und nur durch geheimnisvolle Mittel vertrieben werden können. In der unmittelbar
vorchristl. palästinensischen Litteratur (Henochbuch, Jubiläenbuch) findet sich der Mythus von den
(1
Mos. 6). gefallenen Engeln ausgebildet, die, unter einem Oberhaupt stehend, die Menschen zum Götzendienst verführen, ein
Geschlecht von Dämonen erzeugen und ewiger Verdammnis verfallen.
Auch die Götter der Heiden werden als Dämonen betrachtet, eine Vorstellung, die schon früh unter den griech.
Juden entstanden war. Das Auftreten Jesu als persönlicher Messias verlieh der Idee von einem dem Wirken des Messias
feindlich gegenüberstehenden, unter einem persönlichen Oberhaupte zusammengefaßten Reiche des Bösen erst volle Anschaulichkeit
und Konsistenz. Die Austreibung böser Geister erschien auf diesem Standpunkte als die beständige Obliegenheit des fortwährend
mit dem Dämonenreiche im Kampfe begriffenen Messias, die Besiegung des Teufel, dem alle Heidenvölker
unterthan sind, als das Werk, das der Aufrichtung des Messiasreichs vorhergehen müsse.
Schon in den Reden Jesu wird in mehr oder minder symbolischer Weise der Kampf mit dem Teufel als Lebensberuf des Messias bezeichnet.
Die neutestamentlichen Schriftsteller malen besonders die Nachstellungen und Versuchungen aus, welche
die Messiasgemeinde von ihrem bösen Feinde, dem «Fürsten dieser Welt»,
dem «Herrscher der Finsternis», zu erdulden hat. In der Offenbarung des
Johannes wird der Satan als der Beherrscher des gottlosen röm. Weltreichs geschildert, dessen Bosheit in dem wiederkehrenden
Nero, als dem Antichrist (s. d.), verkörpert erscheint. Satan ist
der große Drache,
[* 57] die alte Schlange,
[* 58] durch die schon Eva verführt ist; im Himmel
[* 59]
¶
mehr
durch den Erzengel Michael besiegt, verfolgt er die KircheGottes auf Erden, wird durch den Messias überwunden, auf tausend
Jahre gefesselt, dann noch einmal befreit und nach einem letzten furchtbaren Kampfe in den Schwefelpfuhl geworfen. In den
jüngern Schriften, wie im Evangelium des Johannes, ist der Gegensatz Christi und des Teufel zu einem förmlichen
Dualismus zwischen dem Reiche des Lichts und dem der Finsternis zugespitzt.
Diese neutestamentlichen Vorstellungen bilden bis auf wenige neue Züge schon die Grundlage für den Teufelsglauben der ersten
sechs christl. Jahrhunderte. Als eigentlicher Sitz des Teufel und seiner Dämonen, in denen man immer bestimmter die verschiedenen
heidn. Götter wiedererkannte, galt die ganze heidn. Welt, als vornehmliche Werke des Teufel (als «pompa
diaboli») alles, was irgend mit dem heidn. Kultus zusammenhing, selbst Schauspiele, Fechterspiele, Tänze, allerlei öffentliche
Lustbarkeiten und Schmausereien, sowie die verschiedensten Künste und Gewerbe. Seine Feindschaft gegen die Kirche Christi bethätigte
der Teufel durch Anstiftung von Christenverfolgungen und Ketzereien, durch Verleitung der Gläubigen zum Abfall
und zu allerlei Lastern, durch Plagen mit Krankheiten, Hungersnot u. s. w. Sein Herrschaftsgebiet aber ist die von unzähligen
Teufel bevölkerte Hölle.
Eigentlicher Dualismus ist dem strengen Monotheismus des Judentums und Christentums fremd. Daher Teufel und Dämonen nicht als ursprünglich
böse, sondern als ursprünglich gute aber gefallene Engel galten. Die Gnosis und mehr noch der Manichäismus
ließen eine dualistische Betrachtungsweise des Teufel zu, wobei aber namentlich erstere die schließliche Überwindung
des bösen Princips stets im Auge
[* 61] behält. Die Vorstellung des Origenes und anderer Kirchenlehrer freilich, daß am Ende der
Dinge auch eine Bekehrung des Teufel bevorstehe, wurde von der spätern Kirche verworfen.
Mit besonderer Vorliebe verweilte die kirchliche Theologie bei der Schilderung des Kampfes Christi und des um die Herrschaft
über die Menschen. Das Erlösungswerk wurde anfangs als ein von Christus über den Teufel errungener Sieg, Christi Tod als ein dem
Teufel gezahltes Lösegeld vorgestellt, um die in seiner Gewalt befindlichen Seelen zu erkaufen. Man achtete auch die ungetauften
Christenkinder als vom Teufel besessen, daher die Sitte aufkam, den aus den Neugeborenen vor derTaufe auszutreiben. Für die Austreibung
der Dämonen aus Kranken waren sogar besondere Beamte angestellt. (S. Exorcismus.)
Eine ungleich reichere Ausbildung, als im kirchlichen Altertum, erhielt der Teufelsglaube im german. Mittelalter, zu welcher
Zeit der Glaube an Kobolde, Unholdinnen, Elfen und Zwerge mit den altchristl., durch Mönche und Einsiedler genährten Phantasien
vom Teufel und seinen Dämonen verschmolz. Außer dem Namen Teufel (altdeutsch tiuval) als Benennung von bösen
Geistern jeder Art kommen noch vor die Bezeichnung vâlant, der Verführer (auch vâlantinne, Teufelin), der alte Feind u. a. m.,
wogegen Satan erst seit Luthers Zeit wieder in Aufnahme kam.
Die Wohnung des Teufel dachte man sich in der Hölle (daher die alten Benennungen des Teufel: Hellewart, Hellewirt, Hellehirt);
doch
durften die Teufel gleich den alten Göttern und Geistern auch überall auf, über und unter der Erde verkehren.
Erschien der in rein menschlicher Gestalt, so war er wenigstens lahm, gleich dem ebenfalls vom Himmel herabgestürzten Feuergotte
Hephaistos
[* 62] des griechischen und dem Schmiede Wieland
des deutschen Mythus, und bekleidet mit grauem, grünem
oder rotem Rocke, gleich den Kobolden und Zwergen, den Erd-, Haus- und Herdgeistern des verdrängten Glaubens, zuweilen auch
schwarz und rußig, seinem Wohnorte und dem Gegensatze zum reinen Gotte gemäß. Gewöhnlich aber und zumeist wohl in Übertragung
der den german. Dämonen innewohnenden Macht der Gestaltwandlung erschien er als schwarzes Pferd,
[* 63] als Bock,
[* 64] als Sau, als Wolf, als (Höllen-)Hund, als Rabe, als Schlange u. s. w., oder mit Pferde- oder Bocksfuß, Hörnern und Schwanz.
Andere Züge erinnern an den Hammer
[* 65] Thors (s. d.) und an den angelsächs.
bösen Dämon Grendel (Riegel), dessen Mutter (Grendeles môdor) wiederum des Teufel Mutter oder Großmutter entspricht; daher
die Redensarten «Der Teufel schlägt seine Mutter» (wenn Regenschauer schnell mit Sonnenschein wechseln),
«Wo der Teufel nicht hin kann, da schickt er seine Großmutter hin».
Unter dem wirksamen Einfluß aller dieser neuen Elemente wurden einerseits die Phantasien vom Reiche des Bösen ins Ungeheuerliche
gesteigert, andererseits wurde doch auch das naive Verhältnis des german.
Heidentums zu seinen Dämonen auf das Verhältnis zum Teufel übertragen und gaben seinem Wesen eine bisher unbekannte humoristische
Seite. Von den großen Göttern gingen nur wenige Züge auf den Teufel über, höchstens einige vom Donar (Thor), dem Gott des
Gewitters; daher noch die Redensarten: «Da soll ja der Teufel (Donner) dreinschlagen»;
«Die (entlaufene) Gans ist zum Donner (Teufel) gegangen».
Dagegen überwies man ihm vieles, was man früher von Elementargeistern
niedern Ranges, von Riesen und Elfen oder Wichten (daher Bösewicht, Hellewicht, armer Wicht = armer Teufel) geglaubt hatte. Wie
die Elfen konnte der Teufel erscheinen, verschwinden, sich verwandeln; wie der Alp ritt er die Menschen, oder
nahm er von ihrem Fleische Besitz. Auch die große, nur freilich jetzt etwas gefährlichere Dienstfertigkeit der Elfen übernahm
der Teufel, verdingte sich als Knecht und trug seinen Freunden Getreide und andere Güter, als feuriger Drache zum Schornstein
hineinfahrend, auch Geld zu. Dieser heidn.
Fassung gehört die eine Seite des Mephistopheles im Volksbuche von Faust, während die andere den lutherisch-christlichen
Teufel zeigt. Von den Riesen empfing der Teufel die große physische Kraft
[* 66] und die Lust am Bauen, wobei er nicht selten Steine verlor,
die das Volk bis diesen Tag bewundert; zugleich erbte er auch die riesische Tölpelei und Dummheit, die
menschlicher List und Schlauheit fast immer unterliegt. Daneben bildete sich besonders die Vorstellung von der schädlichen
Macht des Teufel über die Natur, die Witterung, schädliche Tiere u. s. w., weiter aus, die man mit allerlei Zaubermitteln, durch
Glockenläuten, Prozessionen, Weihwasser und kirchliche Verfluchung zu bannen suchte. In engem Zusammenhange
wiederum mit der Herrschaft des Teufel über die Natur stand der Glaube an Hexerei. (S. Hexen.) Verträge mit Göttern kannte schon
das german. Heidentum; Verträge mit dem Teufel, bekräftigt durch blutige Unterschrift, kommen erst im spätern Mittelalter, aber
offenbar noch unter heidn. Einflüssen vor; eins der frühesten Beispiele bietet die Legende von Theophilus
(s. d.). Jeder ungewöhnliche Grad von Wissenschaft und Kunstfertigkeit galt, namentlich in den Zeiten niedriger allgemeiner
Kultur, als durch ein Bündnis mit dem Teufel erworben.
Gesondert von diesem bunten Volksglauben, dessen Trümmer sich in Hunderte von Sagen und Märchen¶
mehr
gerettet haben, verharrte die Kirchenlehre im wesentlichen bei den frühern Bestimmungen. Und wenn man einerseits auch Fegefeuer
und Hölle immer schrecklicher ausmalte, so boten andererseits doch eine stets bereite Hilfe teils die Gnadenmittel der Kirche,
teils die gesteigerte Macht der Jungfrau Maria, die selbst den, der sich dem Teufel verschrieben, aber dabei
nur Gott, nicht zugleich auch ihr, abgesagt hatte, erretten, ja sogar bereits Verdammte wieder aus der Hölle erlösen konnte.
In allen diesen Vorstellungen, kirchlichen wie volksmäßigen, war Luther aufgewachsen. Indem er mit dem Katholicismus brach,
verlor er auch den Glauben an die von der Kirche dargereichten Schutzmittel gegen den Teufel. Allein mit dem
reinen Gottesworte in der Hand
[* 68] tritt er allem, was diesem widerstrebt, kühn entgegen. Und im schroffen unvermittelten Gegensatz
verkörperte sich ihm alles Gottwidrige zu einer einzigen Gestalt, dem Teufel, der nun, in fast wiederum dualistischer
Fassung, eine solche Bedeutung erhielt, wie er sie nie zuvor im Christentum besessen hatte.
Allerdings wird auch nach LuthersAnsicht der Teufel mit Gottes Hilfe und durch Gottes Wort überwunden, wie Christus ihn überwunden
hatte; aber doch hat er eine wirkliche und sehr gefährliche Macht. Außerhalb Christus regiert der Teufel und hat das Werk Gottes
im Menschen verdorben. Er verursacht die kirchlichen Mißbräuche, sucht die Wirkung des Gebets zu hindern,
gefährdet Leben und Eigentum, bereitet Unglück aller Art und tötet die Menschen auf verschiedene Weise, geht aber auch Bündnisse
mit ihnen ein.
Der Papst wurde für Luther zum leibhaften Antichrist, wie es vordem Mohammed und noch früher Nero gewesen war.
Diese Vorstellungen gingen auch in die Bekenntnisschriften der luth. Kirche über und wurden von den spätern Dogmatikern in
schulgerechte Verbindung mit den ältern theol. Bestimmungen gesetzt. Letztere begegnen im wesentlichen auch in der reform.
Kirche, die jedoch den Exorcismus bei der Taufe verwarf. Nur sehr allmählich und durch angestrengten Kampf
konnte der Teufelsglaube im Volksbewußtsein erschüttert werden.
Nach dem Vorgang von Spinoza, Balthasar Bekker und des Juristen ChristianThomasius verwarf die Aufklärung des vorigen Jahrhunderts
den ganzen Teufels-, Dämonen- und Hexenglauben als abergläubisch, und zu Ende des 18. Jahrh. war derselbe
so ziemlich überall aus dem öffentlichen Bewußtsein verschwunden. Die Kritik Schleiermachers an der
Vorstellung vom Teufel hat die wissenschaftliche Unhaltbarkeit derselben gezeigt und sie vom Gebiete der Dogmatik lediglich in
die christl. Kunst verwiesen als mytholog.
Hülle tiefsinniger sittlicher Ideen. Wirklich liegt dieser Vorstellung der religiös unentbehrliche Gedanke von der unheimlichen
Macht der Sünde oder des Bösen zu Grunde, die, wenn auch innerhalb des Bereichs der Erlösung principiell
gebrochen, sich immer wieder aufs neue auch an den Frommen versucht. Die Personifikation dieser Idee ist der kirchlichen
Vorstellung überhaupt gemäß und nach Analogie zahlreicher anderer Dogmen zu beurteilen, denen dieselbe Versinnlichung einer
geistigen Wahrheit zu Grunde liegt. Die neuere Orthodoxie hat sich dem Teufelsglauben wieder zugewandt.
- Über Teufel und Dämonen in der Religion Zoroasters s. d. und Dêw. -
Vgl. Roskoff, Geschichte des Teufel (2 Bde., Lpz.
1869);
Wessely, Die Gestalten des Todes und des in der darstellenden Kunst (ebd. 1876);
Albers, Die Lehre
[* 69] vom Teufel (Straßb. 1878);
Längin,
Die biblischen Vorstellungen vom Teufel (Lpz. 1890);
die bekannteste Brücke
[* 70] der St. Gotthardstraße, 1830 aus Granitquadern erbaut,
liegt von hochragenden kahlen Felswänden umgeben in 1400 m Höhe, 2 km südlich von der Station Göschenen (s. d.) der Gotthardbahn,
in der Schöllenenschlucht im schweiz. Kanton Uri
[* 71] und spannt sich mit einem kühnen Bogen
[* 72] von 8 m Weite über die Reuß
[* 73] (s. d.),
die in einer Reihe donnernder Wasserfälle durch die Felskluft hinabstürzt. Etwa 6 m unterhalb der jetzigen Brücke liegt
die alte, 1888 eingestürzte Teufelsbrücke des ehemaligen Saumwegs. Bei der Teufelsbrücke fanden im Sept. 1799 harte
Kämpfe der Österreicher und Russen gegen die Franzosen statt (s. Französische Revolutionskriege).
Teufelsbrücke heißt auch eine Brücke (840 m) über die Sihl, zwischen Einsiedeln und dem Etzel im Kanton Schwyz.
(Pteroceras), eine Art der Flügelschnecken (s. d.). ^[= Sw., Schildfarn, Farnkrautgattung aus der Familie der Polypodiaceen (s. d.) mit über 220 meist ...]
s. Pfahlgraben. - Teufelsmauer heißt auch ein natürlicher, in grotesken Formen aufgetürmter Wall aus Quadersandstein,
welcher bis 250 m hoch in der Nähe des nordöstl.
Dorf und Hauptort des Bezirks Mittelland im schweiz. Kanton Appenzell-Außerrhoden, in 836 m Höhe)
an der Dampfstraßenbahn von St. Gallen nach Gais, hat (1888) 4588 E., darunter 378 Katholiken, Post, Telegraph, evang. Kirche,
Rathaus mit schönem Saal, Artilleriezeughaus, Real- und Mittelschule, Armenhaus;
Musselinfabrikation und Stickerei. Teufen war
im frühen Mittelalter Sitz des Ammanns des Sonderamtes, welches 1366 vom Stift St. Gallen an Rudolf von
Steinach verpfändet, 1381 aber wieder eingelöst wurde.
Wilh. Sigismund, Philolog, geb. zu Ludwigsburg,
[* 80] studierte in Tübingen
[* 81] und habilitierte sich daselbst 1844 mit
der Schrift«De Juliano imperatore Christianismi contemptore et osore» (Tüb. 1844). Nach dem
Tode Paulys übernahm er 1845 die Redaktion der durch Pauly begründeten «Realencyklopädie
der klassischen Altertumswissenschaft» sowie auch später die der
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