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sprengung der Straßen (ohne Fortschaffung des Hausmülls) betragen in großen Städten annähernd 0,3 M. für 1 qm Straßenfläche.
sprengung der Straßen (ohne Fortschaffung des Hausmülls) betragen in großen Städten annähernd 0,3 M. für 1 qm Straßenfläche.
[* 1] eine Vorrichtung, durch welche die Beschotterung auf Kunststraßen festgedrückt wird. Seit 1830 wendet man von Pferden gezogene S., seit 1860 Dampfwalzen an. Erstere wurden anfangs aus Stein, neuerdings ausschließlich aus Gußeisen hergestellt und durch Wasserfüllung oder Steine belastet. Sie sind 1,5-2 m hoch, 1-1,3 m breit und wiegen 3-7,5 t. Die Dampfwalzen wiegen 15-20 t, belasten aber die Straße nicht wesentlich mehr, da die Last auf mehrere Walzen verteilt ist.
Die Dampfstraßenwalze [* 2] besteht aus einem auf einem Fahrgestell montierten Dampfkessel, [* 3] Lokomotivkessel, mit einer, ähnlich wie bei den Lokomobilen, [* 4] auf demselben angeordneten Dampfmaschine, [* 5] von der aus die sehr breit und schwer ausgeführten Laufräder vermöge Zahnradübersetzung langsam angetrieben werden. Die Vorderwalzen können vom Führerstand aus um eine vertikale Achse gedreht werden, wodurch das Lenken der Maschine [* 6] bewirkt wird. (S. vorstehende Abbildung.)
[* 1] ^[Abb.]
s. Huhntauben. ^[= Tauben, die sich durch huhnartige Gestalt, Körperhaltung und Bewegung auszeichnen. Man unterscheide ...]
von Konstantinopel, [* 7] s. Bosporus. ^[= (türk. Istambul Boghasi) oder die Meerenge, welche aus dem Schwarzen ...] [* 8]
slaw. Strážnice, Stadt in der österr.
Bezirkshauptmannschaft Göding in Mähren, [* 9] links an der March, über die eine Kettenbrücke (die älteste im Lande) führt, an den Linien Rohatetz-S. (12 km) der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und Wessely a. M.-Skalitz der Österr.-Ungar.
Staatsbahn, Sitz eines Bezirksgerichts (283,70 qkm, 22 710 meist czech. E.), hat (1890) 4719, einschließlich der Israelitengemeinde (492 E.) 5211 meist czech. E.
Beiname des Apollon. ^[= (lat. Apollo) erscheint unter den Göttergestalten der griech. Mythologie als eine in ethischem ...] [* 10]
(grch., «Heerführer»),
in den meisten altgriech. Staaten die militärischen, in einigen, wie in Argos, Lampsakos, überhaupt die polit.
Oberbeamten. Am bekanntesten ist das Kollegium der athenischen S., das bereits in der Drakontischen Verfassung erscheint, aber durch Kleisthenes 501 reformiert und auf 10 Mitglieder gebracht wurde;
ihr Amtslokal war das Strategion.
(grch., «Feldherrentum», «Feldherrenkunst»),
Kriegslehre, d. h. die Lehre [* 11] von der Heerführung, der Kriegführung im großen. Sache der T. ist es, den Kriegsplan zu entwerfen, den strategischen Ausmarsch der Armee zu bestimmen und die Operationen zu leiten. Die S. rechnet nur mit sog. strategischen Einheiten (s. Einheit), denen sie die auf die Erreichung eines bestimmten Zweckes berechneten Bewegungen vorschreibt; sie sucht sowohl die aus den angeordneten Bewegungen hervorgehenden partiellen Zusammenstöße als namentlich auch die meist in einer großen Waffenentscheidung (Hauptschlacht) bestehende Krisis der Operationen unter möglichst günstigen Verhältnissen herbeizuführen und betrachtet dann die (positiven oder negativen) Ergebnisse dieser Zusammenstöße als vollendete Thatsachen, mit denen sie zu rechnen und denen sie ihre fernern Entwürfe anzupassen hat.
Alles, was sich auf die thatsächliche Durchführung der Märsche und der Zusammenstöße (Gefechte, Schlachten) [* 12] bezieht, ist Sache der Taktik. Im Gegensatz zu den verwickelten strategischen Entwürfen früherer Zeiten ist die heutige S. zu den einfachsten Grundsätzen zurückgekehrt. Man sichert sich die Vorteile der Initiative, sucht die feindlichen Schwächen zu erkennen und auf dem entscheidenden Punkte mit überlegenen Kräften zu erscheinen. Vor allem sucht man die Entscheidung nicht wie vielfach früher in der Besitznahme sog. dominierender Punkte oder Abschnitte des Kriegsschauplatzes (noch im Feldzuge von 1814 spielte in dieser Beziehung das Plateau von Langres im Hauptquartier der Verbündeten eine unglaublich alberne Rolle), sondern direkt in der Zertrümmerung der feindlichen Heeresmacht; dieser geht man energisch zu Leibe und sucht eine schnelle Entscheidung herbeizuführen. Die großen Massen der modernen Heere zwingen zu einer Trennung für den Marsch, die Unterkunft und Verpflegung. Die Kunst der S. besteht vornehmlich in rechtzeitiger Vereinigung der getrennten Teile zur Entscheidungsschlacht. («Getrennt marschieren, vereinigt schlagen.») Ein zuverlässiges Nachrichtenwesen und gesicherte rückwärtige Verbindungen sind von höchster Bedeutung. -
Vgl. Fréderic II., Œvres completes; Napoleon I., Maximes de guerre und Correspondance; Jomini, Précis de l'art de guerre; von Clausewitz, Werke über Kriegführung (Berl. 1832-37);
von Willisen, Theorie des großen Krieges (ebd. 1840);
Rustow, Feldherrnkunst des 19. Jahrh. (3. Aufl., Zür. 1878-79);
Blume, Strategie (2. Aufl., Berl. 1886);
Prinz Hohenlohe, Strategische Briefe (ebd. 1887);
von Moltke, Militär.
Werke (ebd. 1890-97); Erzherzog Karl von Österreich, [* 13] Grundsätze der S. (in «Ausgewählte Schriften», Wien [* 14] 1893-94); von Schlichting, Taktische und strategische Grundsätze der Gegenwart, Tl. 1: Taktik (Berl. 1897).
Durchbrechung, die Operation einer Armee direkt gegen den Feind mit der Absicht, dessen Kräfte zu teilen und vereinzelt zu schlagen.
Die Form der S. D. ist nur dann mit Nutzen anwendbar, wenn sie aus einer zweckmäßig gewählten Centralstellung oder von einer kürzern Basis aus gegen einen die doppelte strategische Umgehung zur ¶
Anwendung bringenden Gegner ausgeführt wird.
Die S. D. ist unter Umständen mit dem Operieren auf der innern Linie (s. Innere Linie) gleichbedeutend.
Einheit, s. Einheit.
Eisenbahnen, Eisenbahnen, für deren Herstellung besonders Rücksichten auf die Landesverteidigung maßgebend sind. Die Entwicklung des Eisenbahnwesens hat dahin geführt, daß seine Ausnutzung zu Kriegszwecken für die Versammlung der Heere, für eine beschleunigte Versetzung derselben von einem Kriegsschauplatz auf einen andern, für den Nachschub im weitesten Sinne des Wortes, für alle Transporte von totem Material in den Vordergrund getreten ist.
Nicht immer fallen die Interessen des friedlichen Verkehrs mit den strategischen Interessen der Landesverteidigung zusammen, und manche Bahnlinie ist, obwohl sie vom Standpunkt des friedlichen Verkehrs noch für absehbare Zeiten keine oder nur geringe Rentabilität verspricht, ausschließlich aus strategischen Rücksichten gebaut. Solche Bahnen nennt man S. E. im engern Sinne; im weitern Sinne aber bezeichnet man mit diesem Ausdruck überhaupt solche voneinander unabhängige durchgehende Bahnlinien, welche gleichzeitig zum Aufmarsch der Heere an der Grenze benutzt werden können.
Bei den gewaltigen Massen lebenden und toten Materials, welche bei dem strategischen Aufmarsch eines modernen Heers fortzuschaffen sind, ist es unbedingt erforderlich, das vorhandene rollende Material einer Bahnlinie in unausgesetzter Folge immer von neuem zu benutzen, ohne im Transport der Gesamtheit eine Pause eintreten zu lassen. Ein doppeltes Gleis ist daher ein Haupterfordernis für eine wirklich strategische Bahnlinie.
Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen durch Ausbau des strategischen Netzes, durch Legung der zweiten Gleise auf bisher eingleisigen Strecken, durch Vervollkommnung der Betriebsmittel, durch Schaffung zahlreicher mit den nötigen Vorrichtungen zum Aus- und Einladen der Truppen versehener Stationen sowie andererseits die Sicherung der für den Aufmarsch bestimmten Eisenbahnlinien gegen überraschende feindliche Unternehmungen, teils durch Befestigungsanlagen, teils durch entsprechende Truppendislokationen schon im Frieden, sind Aufgaben einer jeden Heeresverwaltung.
Für die Wichtigkeit der S. E. spricht der Umstand, daß nach dem Kriege von 1870/71 in allen großen Heeren Eisenbahntruppen geschaffen worden sind, denen im Kriegsfalle nicht nur der Betrieb der Eisenbahnen, sondern auch die Herstellung zerstörter und der Bau neuer Linien obliegt.
Deutschland, [* 16] das infolge seiner innerpolit. Gestaltung vor 1870 für den Ausbau S. E. wenig gethan hatte, so daß Frankreich anfangs einen wesentlichen Vorsprung hatte, hat erst seitdem den S. E. gebührende Aufmerksamkeit zugewendet. 1870 bestanden nur 9 Linien, welche für den Aufmarsch an der Westgrenze benutzt werden konnten; jetzt dagegen 16 zweigleisige von Ost nach West laufende Linien und über 19 Eisenbahnübergänge über den Rhein. Für den Aufmarsch an der Ostgrenze stehen 11 Bahnlinien zur Verfügung, welche durch eine entsprechende Anzahl von Querlinien parallel der ausgedehnten östl. Grenze verbunden sind. Alle wichtigern Küstenpunkte der Ost- und Nordsee sind durch leistungsfähige Bahnlinien mit dem Innern, sowie durch Küstenbahnen untereinander verbunden.
Frankreich verfügt über 10 voneinander unabhängige, fast durchweg zweigleisige Bahnlinien für den Truppentransport nach der Ostgrenze; die Erbauung von Parallellinien für einzelne wichtige Strecken auch zu drei Gleisen und von zahlreichen Ausläufern nach der Grenze erfolgte meist in rein militär. Interesse.
Österreich-Ungarn [* 17] hat in erster Linie auf die Sicherung eines raschen und ungestörten Aufmarsches der Armee im nördl. Galizien Bedacht genommen, um hier womöglich der drohenden russ. Invasion zuvorzukommen und selbst die Offensive zu ergreifen; fünf leistungsfähige Linien führen aus dem Innern der Monarchie nach dem galiz. Grenzgebiet.
Rußland ist bei dem mit großem Eifer betriebenen Ausbau seines Eisenbahnnetzes ausschließlich von strategischen Gesichtspunkten ausgegangen, indem es in erster Linie die Möglichkeit eines raschen Aufmarsches seiner Armee an der Südwestgrenze anstrebte, zweitens aber auch bei der Anlage seiner ausgedehnten Schienenwege die Ausbreitung der russ. Macht in Central- und Ostasien und den schließlich doch unvermeidlichen Zusammenstoß mit England ins Auge [* 18] faßte.
Dem erstern Zweck diente der Ausbau der Bahnnetze in Polen und in den Grenzdistrikten zwischen der galiz.-rumän. Grenze und dem Dnjepr, sowie derjenigen Linien, welche aus dem Innern nach diesen Grenzdistrikten führen; dem letztern Zweck verdankten die Schienenwege nach der Grenze Asiens und dem Kaukasusgebiet, sowie die Transkaspische Eisenbahn (s. d.) und die teilweise bereits eröffnete Sibirische Eisenbahn (s. d.) ihre Entstehung. Aus dem Innern führen zur Zeit 6 Hauptlinien mit verschiedenen Verzweigungen und Zufuhrlinien konzentrisch nach der stark befestigten Weichsellinie und der galiz. Grenze, über die Weichsellinie hinaus nach der poln.-preuß. Grenze zu ist die Weiterführung der wirtschaftlich wünschenswerten Eisenbahnverbindungen wenig gefördert, während eine Anzahl teils bereits fertiggestellter, teils im Bau begriffener Linien dazu bestimmt sind, eine bessere Verbindung des südwestl. Rußlands mit der galiz.-rumän. Grenze zu schaffen und eine schnelle Versammlung großer Truppenmassen im Militärbezirk Kiew [* 19] zu ermöglichen.
Italien [* 20] hat zwei durchgehende Hauptlinien, welche die ganze Halbinsel an der Küste des Adriatischen und Tyrrhenischen Meers entlang durchziehen, mit ihren Verzweigungen die Hauptorte der lombard. Tiefebene berühren und im Verein mit der Linie Rom-Bologna bestimmt sind, die ital. Armee von den verschiedenen Punkten der langgestreckten Halbinsel nach der lombard. Tiefebene zu befördern. In dieser selbst ermöglichen zwei leistungsfähige Querverbindungen mit zahlreichen Nebenlinien und Ausläufern den Aufmarsch sowohl der franz. wie der österr. Grenze gegenüber. Die S. E. Italiens [* 21] sind vielfach der Gefährdung durch feindliche Flotten ausgesetzt, ihre Sicherung hängt daher von dem Schutz ab, den die ital. Flotte ihnen bietet.
Flankenstellung, s Strategische Umgehung. ^[= im Gegensatz zur Strategischen Durchbrechung (s. d.) die Operationen einer Armee von einem oder ...]
Front, die Berührungslinie der beiden Grenzgebiete zweier feindlichen Staaten, auf denen ein Zusammenstoß erfolgen kann. Die S. F. zwischen Deutschland und Frankreich z. B. wird auf beiden Flügeln durch die neutralen Staaten Belgien [* 22] und Schweiz [* 23] eingeengt. Denkt man sich Belgien aus seiner neutralen Stellung freiwillig oder ¶
gezwungen auf die eine oder die andere Seite übergetreten, so dehnt sich die S. F. bis zum Kanal [* 25] aus. Denkt man sich Deutschland und Italien gegen Frankreich verbündet, so wird die S. F. der beiden Verbündeten durch die Schweiz unterbrochen.
Grenze, s. Grenze.
Aufmarsch einer Armee, die Versammlung und Bereitstellung derselben bei Beginn eines Feldzuges in der durch den Kriegsplan bestimmten Strategischen Front (s. d.), in der sie der eigenen Basis den Rücken zukehrt. Im allgemeinen wird es das beiderseitige Bestreben sein, die eigene strategische Aufmarschlinie möglichst nahe an die eigene polit. Landesgrenze vorzuschieben, um sich dadurch das nach Lage der Sache größtmögliche Basisgebiet zu sichern; andererseits kann auch die Rücksicht auf unbedingte Sicherung des S. A. dazu führen, denselben nicht bis dicht an die Grenze, sondern weiter rückwärts hinter einen schützenden Abschnitt zu verlegen. Da es in den meisten Fällen sehr wenig zweckentsprechend sein würde, die gesamten verfügbaren Streitkräfte auf die ganze strategische Front gleichmäßig zu verteilen (Cordonsystem, s. Cordon), so gestaltet sich der erste S. A. zugleich auch immer zu einer Massengliederung der Armee, vermöge deren sie nur an einem oder an einigen wenigen Punkten der strategischen Front ganz oder in größern oder kleinern Teilen versammelt wird. Die Auswahl dieser Punkte wird abhängig sein einerseits von den diesseits beabsichtigten wie von den jenseits vorausgesetzten Operationen, andererseits ist die Zahl und Richtung der benutzbaren Strategischen Eisenbahnen (s. d.) dabei von bestimmendem Einfluß.
Umgehung, im Gegensatz zur Strategischen Durchbrechung (s. d.) die Operationen einer Armee von einem oder beiden Flügeln aus gegen den Feind. Eine Armee, deren Basis länger ist als die feindliche, kann von einem Flügel dieser ihrer umfassenden Basis aus gegen einen Flügel des Feindes operieren und so dessen Verbindungen bedrohen, ohne die eigenen zu gefährden; ein Sieg wird also große Erfolge, eine Niederlage aber voraussichtlich keine zu schlimmen Folgen haben. Eine in diesem Sinne, d. h. mit vereinter Kraft [* 26] von einem Flügel der eigenen Basis aus geplante Operation nennt man, wenn sie in der strategischen Offensive zur Anwendung kommt: eine einfache S. U.; wenn sie den Zwecken der strategischen Defensive dienen soll: Einnehmen einer strategischen Flankenstellung.
Noch größern Nutzen vermag natürlich eine Armee aus ihrer umfassenden Basis zu ziehen, wenn sie von beiden Flügeln und womöglich auch von der Mitte gleichzeitig mit getrennten Kräften gegen den Feind operiert, in welchem Falle sich ihr die Möglichkeit bietet, dem Feinde seine sämtlichen Verbindungen mit einem Schlage zu entreißen. Eine derartige Operation, die allerdings nur bei bedeutender Überlegenheit an Kräften ohne Bedenken unternommen werden kann, nennt man eine doppelte S. U. Kommt diese Operation in defensivem Sinne zur Anwendung, so besteht sie in dem Einnehmen mehrerer strategischer Flankenstellungen. Die doppelte S. U. ist unter Umständen mit dem Operieren auf der äußern Linie gleichbedeutend. (S. Innere Linie.)
Alexios Melissenos, byzant. Feldherr, schlug Okt. 1259 Michael II. Angelos von Epirus in der Ebene von Pelagonia, eroberte dann Arta und Jannina, wurde aber bei Trikoryphos geschlagen und gefangen genommen. Bald wieder freigelassen, wurde S. mit dem Oberbefehl in Thrazien betraut und überrumpelte Konstantinopel in der Nacht zum wodurch er der Herrschaft der Lateiner ein Ende machte und den Einzug Michaels VIII. (15. Aug.) ermöglichte. Nach der Einnahme Konstantinopels kämpfte S. von neuem gegen das epirot. Despotat, geriet wieder in Gefangenschaft, wurde aber bald ausgetauscht.
(spr. strättf'rd), nordöstl.
Vorort von London, [* 27] in Essex, links an der Lea, zu West-Ham gehörig, an der Great-Eastern-Bahn nach Colchester-Harwick und zahlreichen Vorortslinien, hat (1891) 42 982 E. und viele Fabriken.
(spr. strättf'rd ehw'n), Fluß, s. Avon. ^[= (spr. ehw'n) oder Afon (keltisch, "Fluß"), Name von zehn Flüssen in Großbritannien, ...]
de Redcliffe (spr. strättf'rd dĕ reddklĭf), Viscount, früher bekannt als Sir Stratford Canning, brit. Diplomat, geb. zu London, erhielt seine Bildung zu Eton und Cambridge und wurde 1807 im Auswärtigen Amt angestellt. Er begleitete 1808 Sir Robert Adair auf dessen Mission nach Konstantinopel und erhielt 1809 daselbst den Posten eines Gesandtschaftssekretärs. 1814 beteiligte er sich als brit. Bevollmächtigter bei den Verhandlungen zu Basel, [* 28] welche die Vereinigung der Kantone zur Eidgenossenschaft bezweckten, und 1815 war er bei den Verhandlungen des Wiener Kongresses zugegen. 1820 ging er für drei Jahre nach Washington, [* 29] sodann zur Verhandlung der griech. Angelegenheit nach Petersburg; [* 30] im Mai 1825 wurde er zum Botschafter in Konstantinopel ernannt.
Als die Pforte sich weigerte, dem Vertrage der Mächte vom (s. Griechenland, [* 31] Geschichte) beizutreten, brach S. d. R. im Verein mit dem franz. Gesandten alle Verhandlungen ab und begab sich nach London zurück. Aufs neue wurde er im Nov. 1831 als außerordentlicher Gesandter an die Pforte abgeordnet, und diesmal erhielt er deren Zustimmung zu der vorgeschlagenen Grenze Griechenlands, wie sie auch von den übrigen Mächten anerkannt wurde. 1832 folgte eine ergebnislose Mission nach Portugal; [* 32] seine Ernennung zum Botschafter in Petersburg 1833 mußte rückgängig gemacht werden, da Kaiser Nikolaus sich weigerte, diesen energischen Gegner der russ. Orientpolitik zu empfangen.
Wie er schon vorher zeitweilig im Unterhause aufgetreten war, so beteiligte er sich jetzt mehrere Jahre hindurch an den Verhandlungen, mehr durch sein sachverständiges Urteil als durch die ihm abgehende parlamentarische Beredsamkeit wirkend. 1842-58 war er mit mehrern Unterbrechungen Botschafter in Konstantinopel und bemühte sich hier mit Erfolg, den engl. Einfluß vornehmlich gegenüber Rußland zur Geltung zu bringen. Dazwischen war er 1846 in England, 1847 auf einer Mission nach der Schweiz. 1852 wurde er als Viscount S. d. R. ins Oberhaus erhoben.
Nach seiner endgültigen Rückkehr von Konstantinopel 1858 nahm er seinen Sitz im Oberhause ein. Während der russ.-türk. Verwicklungen der J. 1875-78 lieferte er noch in Briefen an die «Times» mehrfach interessante Beiträge über die Orientalische Frage im Sinne der Politik Lord Beaconsfields. Erwähnenswert ist auch eine die Ereignisse mehr als eines halben Jahrhunderts reflektierende Gedichtsammlung S. d. R.s, die u. d. T. «Shadows of the past» (Lond. 1865) erschien. S. d. R. starb ¶
in London. Er hinterließ auch noch ungedruckte Memoiren.-
Vgl. Stanley Lane-Poole, The Life of the Right Honourable Stratford Canning, Viscount S. d. R. (2 Bde., Lond. 1888).
(spr. sträthällĕn), Viscounts, s. Drummond (Geschlecht).
s. Renfrew.
(spr. sträthmóhr), fruchtbare Thalebene in den schott. Grafschaften Perth und Forfar, zwischen Grampians, Ochil- und Sidlaw-Hills.
(neulat., «schichten»),
s. Ankeimen. ^[= die zur Saat vorbereitende Behandlung von Samen, die zur Entwicklung des Keims ...]
(neulat.), Schichtung, das Abgeteiltsein einer in der Regel aus dem Wasser abgesetzten Gesteinsmasse in aufeinander liegende, durch zwei annähernd parallele Flächen begrenzte Platten.
(lat.-grch.), soviel wie histor.
Geologie [* 36] oder Formationslehre (s. Geologie).
s. Waffenfliegen.
L., Wasserscheer, Krebsscheer, Wassersäge, Pflanzengattung aus der Familie der Hydrocharidaceen (s. d.) mit nur einer Art, in stehenden Gewässern des mittlern Europas, S. aloïdes L., einer ausdauernden, untergetauchten Wasserpflanze mit rosettenartig stehenden linearen Blättern und eingeschlechtigen, mit sechsteiligem Perianthium versehenen weißen Blüten, die bis an die Oberfläche des Wassers emporragen.
Sie wird nicht selten in Aquarien kultiviert.
von Lampsakus, griech. Philosoph der Aristotelischen Schule, war 288-270 v. Chr. als Nachfolger des Theophrast das Haupt derselben.
Unter E. nahm diese eine entschieden naturalistische Richtung an. Er ist namentlich merkwürdig als einer der ersten Urheber einer rein materialistischen Psychologie.
Seine Naturerklärung ist ebenso folgerecht materialistisch, die Gottheit identifiziert er mit der Naturkraft.
(lat.), Wolkenform, soviel wie Cumulo-Stratus (s. d.). ^[= (lat.) oder Schichtwolke, Wolkenform mit unten und oben horizontalen Grenzflächen, sind Nebelmassen ...]
s. Cäsarea Palästina. ^[= oder Palästinä, C. am Meere (ad mare), wurde von Herodes d. Gr. bei dem alten ...]
s. Vulkane. ^[= feuerspeiende Berge, Berge oder Hügel, die dadurch entstanden sind, daß Gesteinsmassen, die ...] [* 37]
(lat.), Schicht;
(lat.) oder Schichtwolke, Wolkenform mit unten und oben horizontalen Grenzflächen, sind Nebelmassen in höhern Luftschichten.
Pferdekrankheit, s. Igelfuß. ^[= auch Igelhuf, nässender Ausschlag am Unterfuße des Pferdes, welcher schließlich ...]
[* 33]
1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Niederbavern, hat 453,33 qkm und (1895) 22 135 (10 851 männl., 11 284 weibl.) E. in 45 Gemeinden mit 222 Ortschaften. - 2) Unmittelbare Stadt, rechts an der Donau, über die hier zwei Brücken [* 39] führen, an der Linie Regensburg-Passau und den Nebenlinien S.-Neufahrn (35,9 km) und S.-Konzell (34,2 km) der Bayr. Staatsbahnen, [* 40] Sitz des Bezirksamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht München) [* 41] mit 7 Amtsgerichten (Bogen, [* 42] Kötzting, Landau [* 43] a. d. Isar, Mallersdorf, Mitterfels, Neukirchen, S.), Amtsgerichts und Bezirkskommandos, hat (1895) 15 595 (7832 männl., 7763 weibl.) E., darunter 342 Evangelische und 55 Israeliten, in Garnison das 1. Jägerbataillon, Post, Telegraph, [* 44] Dampferverbindung, Denkmal für die 1742 bei der Verteidigung der Stadt gegen die Österreicher Gefallenen (nach einem Entwurf von Haf, 1892 enthüllt) sowie Denkmal für die 1870/71 gegen Frankreich Gefallenen, eine Büste Fraunhofers an dessen Geburtshause, einen schönen Marktplatz mit Dreifaltigkeitssäule, zehn ansehnliche Kirchen, darunter die got. St. Jakobskirche (1492-1512 erbaut), die got. Karmeliterkirche von 1430 (jetzt Gymnasialkirche) mit dem Grabmal Herzog Albrechts II. und die St. Peterskirche in der Altstadtvorstadt mit einer Kapelle, die das Grabmal der Agnes Bernauer birgt, je zwei Mönchs- und Nonnenklöster, ein Schloß, einst bewohnt von Herzog Albrecht III. und seiner Gemahlin Agnes Bernauer (s. d.), Gymnasium, Realschule, bischöfl. Knabenseminar, Schullehrerseminar mit Taubstummenanstalt, eine Anstalt für männliche Kretinen, drei Spitäler, ein Waisenhaus mit Pflegeanstalt für verwahrloste Kinder, Wasserleitung, [* 45] Kanalisation, Gasanstalt, städtische Sparkasse; Brauerei, Gerberei, bedeutenden Handel mit Getreide, [* 46] Pferden und Rindvieh und Märkte. -
Vgl. Wimmer, Sammelblätter zur Geschichte der Stadt S. (Heft 1-3, Straubing 1882-84).
[* 33] ^[Abb.]
(Frutex), im Gegensatz zum Baum (s. d.) ein Holzgewächs, dessen Stamm sich von der Wurzel [* 47] an in mehrere Äste teilt, die als Einzelstämme erscheinen. Eine andere Form von strauchartigen Gewächsen sind die Halbsträucher (suffrutices), die den Übergang von den Holzgewächsen oder ausdauernden Kräutern bilden. Halbsträucher sind solche ausdauernde Gewächse, deren über dem Boden erscheinende, aber niedrig bleibende und strauchartig verästelte Stengel [* 48] holzig werden.
Hinsichtlich der Verwendung im Garten [* 49] unterscheidet man: Decksträucher, die sich wegen ihres hohen und dichten Wuchses zur Deckung von Mauern u. s. w. und zur Bildung des Hintergrundes niedriger Gehölzgruppen eignen (Cornus mas L., der Kornelbaum);
Vorsträucher, die wegen ihrer geringen Höhe in den Vordergrund der Gruppen gestellt werden müssen (Spiräen, Deutzien u. s. w.);
Heckensträucher (s. d.);
Fruchtsträucher, die eßbare Früchte liefern (Johannis- und Stachelbeeren);
Ziersträucher, die keinen Nutzen gewähren, sondern nur zur Zierde verwendet werden (Spiräen, Flieder u. s. w.), und Blütensträucher, die wegen ¶
ihres Blütenreichtums oder ihrer schönen Blüten als Ziersträucher Verwendung finden (Azaleen, Kamelien, Rhododendren, Flieder u. a.).
niedrige Äpfel, die keinen Stamm bilden; sie sind als Zieräpfel wegen ihrer schönen Blüten und Früchte in den Gärten bekannt und dienen außerdem zum Teil als Unterlagen für edle Zwergäpfelbäume. Als Zieräpfel verdienen die weiteste Verbreitung: Pirus spectabilis L. var. floribunda Sieb., die selten über 2‒3 m Höhe erreicht und im Frühjahr mit Blüten, im Herbst mit kleinen Äpfeln übersät ist. Baumartiger wird Pirus baccata L., mit vielen Spielarten; die Früchte dieser Art werden eingemacht und zur Obstbereitung verwendet. Als Unterlage für den edlen Apfel dient Pirus pumila Mill.; wertvoll für diesen Zweck sind zwei Spielarten: der Johannisapfel und der Splitt- oder Süßapfel (Doucin der Franzosen);
letzterer etwas starkwüchsiger.
Die S. lassen sich durch Stockausschlag und ablegerartig durch Anhäufeln des viel verzweigten Strauches mit Erde vermehren.
Pflanze, s. Hibiscus.
9. und 10. Klasse des Truchseß-Lucasschen Kirschensystems (s. Kirsche).
Stadt im Kreis [* 51] Oberbarnim des preuß. Reg.-Bez. Potsdam, [* 52] in waldreicher Gegend, am Straussee (4 km lang, ½ km breit) und an der Linie Berlin-Königsberg-Eydtkuhnen (Station 6 km entfernt und durch Kleinbahn mit der Stadt verbunden) der Preuß. Staatsbahnen, mit Vorortverkehr nach Berlin [* 53] (Schlesischer Bahnhof) und Charlottenburg, [* 54] Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Berlin Ⅱ), hat (1895) 7193 E., darunter 227 Katholiken und 42 Israeliten, Postamt zweiter und dritter Klasse, Telegraph, Fernsprechverbindung, elektrische Straßenbeleuchtung, evang. Kirche, kath. Bethaus, Synagoge, Landarmenhaus, Provinzialschul- und Erziehungsanstalt, städtisches Kranken-, evang. Vereinshaus, städtische Sparkasse, Spar- und Darlehnskasse, mehrere Badeanstalten und schöne Parkanlagen; Fabrikation von groben Tuchen, Federplüsch, Kammgarnstoffen, Flanell und Teppichen, Gerberei, Fischerei [* 55] und zwei Dampfsägewerke.
[* 50] (Struthio, s. Tafel: Straußvögel [* 56] Ⅰ), eine Gattung aus der Ordnung der Straußvögel (s. d.). Der gemeine oder afrikanische S. (Struthio camelus L., [* 50] Fig. 2), welcher der größte unter allen jetzt lebenden Vögeln ist, lebt in den Wüsten Afrikas, und seine ganze Organisation ist, wie bei dem Kamel, für den Aufenthalt in der Wüste eingerichtet. Die Färbung ist im männlichen Geschlecht tiefschwarz, die Flügelfedern schneeweiß, die nackten Beine und der Hals tiefrot; das Gefieder des Weibchens einfarbig grau und ebenso gefärbt sind die Beine und der Hals.
Seine Länge beträgt 2‒3 m und sein Gewicht 40‒50 kg. Die Flügel sind zum Fluge ungeeignet und mit langen, weichen, zerschlitzten Schwungfedern besetzt. Dafür sind aber seine Füße außerordentlich entwickelt, sehr stark und hoch, selbst an den Schenkeln nackt, mit dichter, lederartiger Haut überzogen und nur mit zwei, nach vorn gerichteten schwieligen Zehen (s. vorstehende Abbildung) versehen. Mit ihnen kann er einen 1,3 m langen Schritt machen, der aber beim schnellen Laufen zum 3 m langen Sprunge wird.
Seine Schnelligkeit ist daher auch so groß, daß selbst die besten Pferde [* 57] den S. nicht einzuholen oder doch ihm nicht lange zur Seite zu bleiben vermögen. Gegen Verfolgung sucht der S. sein Heil stets in der Flucht, und nur, in die Enge getrieben, verteidigt er sich durch Hiebe mit dem Schnabel und durch Schlagen mit den Füßen und den Flügeln. Seine Nahrung besteht nur aus Pflanzen. Sehr groß ist aber seine Gefräßigkeit, wie auch die Kraft seiner Verdauung, die hauptsächlich durch einen Vormagen unterstützt wird, der einen sehr kräftig auflösenden Saft absondert.
Der S. lebt in Polygamie. Ein Männchen versammelt vier bis sechs Weibchen in einem Nest, einer ausgescharrten Grube, um sich. Jedes Weibchen legt 12‒16 gelbe glänzende Eier [* 58] mit tiefen Poren, von denen jedes 1,40 kg schwer ist und drei hungerige Personen vollauf zu sättigen vermag; jedoch steht ihr Geschmack bedeutend unter dem der Hühnereier. Die harten, festen Eierschalen dienen den Eingeborenen jener Gegenden zu Gefäßen. Das Brüten besorgt bei den S. das Männchen und nur ausnahmsweise wird es auf kurze Zeit von einem der Weibchen abgelöst.
Die Eier werden während der Nacht regelmäßig bebrütet, bei Tage aber oft längere Zeit mit Sand bedeckt, und es bleibt der Sonne [* 59] das Brutgeschäft überlassen. Die Jungen haben ein strohähnliches Gefieder. An Stelle des gemeinen S. tritt im Somalland der Somalistrauß (Struthio molybdophanes Rehb.), dessen Männchen durch den blauen Hals und die blauen, rot geschilderten Beine von jenem unterschieden ist, während im Damaraland eine dritte Art, Struthio australis Gurney, vorkommt, dessen Männchen grauen Hals und Beine hat und weiter gelbe Umränderung der roten Beinschilder und des roten Schnabels.
[* 50] ^[Abb.]
Die Jagd auf S. ist sehr schwierig. Die Araber hetzen ihn zu Pferde in Trupps, die sich verteilen und ablösen, bis das müde Tier sich erschöpft in den Sand streckt (s. Taf. Ⅰ, [* 50] Fig. 1). Man jagt den S. wegen der schönen zerfaserten Deckfedern des Schwanzes und der Flügel (Straußenfedern), die aber jetzt im Orient einen höhern Wert als in Europa [* 60] haben. Die besten Straußenfedern erhält man aus dem Innern Nordafrikas, wo man die S. deshalb als Haustiere hält, um ihnen jene Federn auszuziehen, was binnen zwei Jahren dreimal geschieht.
Gegenwärtig züchtet man die Vögel [* 61] am Kap, in Algerien, [* 62] Argentinien und Südkalifornien; die Federn der wilden S. stehen indessen höher im Preise. Die Körperfedern des Männchens sind schwarz, die des Weibchens braun; nur die Schwingfedern und Schwanzdecken sind schneeweiß, bisweilen mit schwarzem Saum oder schwarzer Spitze. Die Haut und das Fett der S. werden gleichfalls benutzt; das Fleisch der erwachsenen S. ist aber hart, schwarz und unschmackhaft. Auf den europ. Tiermarkt gelangen alljährlich kleine Trupps afrikanischer S., früher meist der gemeine, jetzt häufiger der Somalistrauß und nur ganz vereinzelt der Damarastrauß. Der Preis beträgt für das Männchen etwa 800 M., für das Weibchen 700 M. Als Futter erhalten die S. viel Salat und Kohl, dazu Hafer, [* 63] Mais und Möhren. Auch die Zugabe von kleinen Knochen [* 64] und Knorpeln ist für ihr Wohlbefinden von Nutzen.
Über die amerikanischen S. s. Nandu; über den australischen s. Emu. -
Vgl. Forest, L’autruche, son utilité, son élevage (Par. 1894). ¶
[* 50] David Friedr., theol. Schriftsteller, geb. zu Ludwigsburg [* 66] in Württemberg, [* 67] studierte im theol. Seminar zu Blaubeuren und im theol. Stift zu Tübingen, [* 68] wurde 1830 Pfarrvikar und 1831 Professoratsverweser am Seminar zu Maulbronn, ging dann nach Berlin, um Hegelsche Philosophie zu studieren und Schleiermacher zu hören, wurde 1832 Repetent am theol. Seminar zu Tübingen und hielt zugleich philos. Vorlesungen an der Universität. Infolge seines «Lebens Jesu» wurde S. seiner Repetentenstelle enthoben und als Lehrer an das Lyceum zu Ludwigsburg versetzt, welches Amt er schon 1836 wieder aufgab, um in Stuttgart [* 69] zu privatisieren. Im Febr. 1839 wurde S. vom Erziehungsrate zu Zürich, [* 70] hauptsächlich auf Betrieb des Bürgermeisters Hirzel, als Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte an die dortige Universität berufen; allein diese Ernennung rief im Kanton [* 71] große Aufregung hervor, die sich durch die Pensionierung des kaum berufenen Professors nicht mehr beschwören ließ, sondern den Sturz der Regierung (6. Sept.) zur Folge hatte. Seitdem war S. wieder auf schriftstellerische Thätigkeit angewiesen. Er wurde 1848 in den württemb. Landtag gewählt, wo er eine polit.-konservative Haltung zeigte, die ihm eine Mißfallensadresse zuzog, infolge deren er im Dez. 1848 sein Mandat niederlegte. Er lebte seitdem zeitweilig in Heidelberg, [* 72] München und namentlich in Darmstadt, [* 73] siedelte 1872 nach Ludwigsburg über und starb daselbst Vermählt war S. mit der Sängerin Agnese Schebest.
Sein Hauptwerk, «Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet» (2 Bde., Tüb. 1835; 4. Aufl. 1840), wurde für die Entwicklung der prot. Theologie epochemachend, sofern es die aussichtslosen Streitigkeiten zwischen Orthodoxie und Rationalismus über die übernatürliche oder natürliche Auffassung und Erklärung der evang. Berichte abschloß und die Notwendigkeit einer wissenschaftlich-quellenkritischen Behandlung der Evangelien erkennen ließ; und zwar gerade dadurch, daß S. durch den Mangel jeder Quellenkritik in seinem Werke dazu geführt wurde, die Geschichtlichkeit jener Berichte so gut wie völlig preiszugeben und letztere aus einer unbewußt erfolgten Mythenbildung in den urchristl. Gemeinden herzuleiten. Das Buch rief eine große litterar. und kirchliche Bewegung hervor und wurde zugleich die Hauptveranlassung zu der Spaltung der Hegelschen Schule (s. Hegel). S. suchte sich zunächst in den «Streitschriften» (3 Hefte, Tüb. 1837) mit seinen Gegnern auseinanderzusetzen, während er in seinen «Zwei friedlichen Blättern» (Altona [* 74] 1838) seine Sache von der mildern Seite darzustellen suchte.
Von einer versöhnlichen Stimmung zeugen auch die in der 3. Auflage des «Lebens Jesu» (1838) gemachten Zugeständnisse, die er aber in der 4. Auflage (1840) wieder zurücknahm. Sein zweites Hauptwerk: «Die christl. Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und in ihrem Kampfe mit der modernen Wissenschaft» (2 Bde., Tüb. 1840‒41),
enthält eine scharfe Kritik der einzelnen Dogmen in Form einer geschichtlichen Erörterung ihres Entstehungs- und Auflösungsprozesses. Als Vorarbeit zu diesem Werke ist die Abhandlung «Über Schleiermacher und Daub» zu betrachten, die in seinen «Charakteristiken und Kritiken» (Lpz. 1839) abgedruckt ist. Ferner veröffentlichte S. «Der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren, oder Julian der Abtrünnige» (Mannh. 1847),
welche Schrift durch die Streiflichter, die sie auf eine hochgestellte Persönlichkeit (Friedrich Wilhelm Ⅳ. von Preußen) [* 75] warf, Aufsehen erregte; «Sechs theol.-polit. Volksreden» (Stuttg. und Tüb. 1848),
«Schubarts Leben in seinen Briefen» (2 Bde., Berl. 1849),
«Christian Märklin, ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart» (Mannh. 1851),
«Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nicodemus Frischlin» (Frankf. 1855),
«Ulrich von Hutten» (3 Bde., Lpz. 1858‒60; 6. Aufl., Bonn [* 76] 1895),
«Reimarus und seine Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes» (Lpz. 1862; 2. Aufl., Bonn 1877) und «Kleine Schriften biographischen, litterar- und kunstgeschichtlichen Inhalts» (Lpz. 1862), denen sich später eine zweite Sammlung (Berl. 1867; beide in 2. Aufl., Bonn 1877) anschloß; endlich die für die damalige Prinzessin (nachmalige Großherzogin) Alice von Hessen [* 77] gearbeitete und ihr gewidmete meisterhafte Monographie «Voltaire. Sechs Vorträge» (Lpz. 1870; 8. Aufl., Bonn 1895). Alle diese Arbeiten zeichnen sich aus durch Gediegenheit der Forschung, Beherrschung des Stoffs und Glanz der Darstellung.
Als 1863 Renans «Leben Jesu» erschien, ließ S. eine Neubearbeitung seines ersten Hauptwerkes «Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet» (Lpz. 1864; 8. Aufl., Bonn 1895) erscheinen, die bald in mehrere fremde Sprachen übersetzt wurde. An der weitern, polemisch bewegten Litteratur über das Leben Jesu beteiligte sich S. unter anderm mit der Schrift «Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte» (Berl. 1865),
die gegen Schleiermachers «Leben Jesu», und einer zweiten: «Die Halben und die Ganzen» (ebd. 1865),
die gegen Schenkel und Hengstenberg gerichtet war. Um dieselbe Zeit erschien auch sein geistvoller Vortrag über «Lessings Nathan der Weise» (Berl. 1865; 3. Aufl., Bonn 1877).
Sein letztes Werk «Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntnis» (Lpz. 1872; 14. Aufl., Bonn 1895) lieferte den Beweis, daß S. ebenso, wie 30 Jahre zuvor Ludwig Feuerbach, aus dem Hegelschen Lager [* 78] in dasjenige des Materialismus übergegangen war. Es giebt teils eine Polemik gegen die religiöse Weltanschauung, teils den Aufbau einer materialistischen Weltbetrachtung. Dieselbe stützt sich auf die Naturwissenschaft, schließt sich der Darwinistischen Hypothese an und setzt an die Stelle des religiösen Trostes den ästhetischen Optimismus, der in der künstlerischen Produktion und dem künstlerischen Genuß die Erhebung über die Leiden [* 79] der Wirklichkeit findet.
Der Flut von Erwiderungen, die auch dies Buch fand, setzte S. ein «Nachwort als Vorwort» (Bonn 1873) entgegen. Bald nach seinem Tode wurde unter Redaktion seines Freundes E. Zeller die Herausgabe seiner «Gesammelten Schriften» (12 Bde., Bonn 1876‒78) begonnen, die unter Ausschluß der specifisch theol. und dogmatischen Schriften neben seinen Hauptwerken besonders die von ihm hinterlassenen «Litterar. Denkwürdigkeiten» und die formvollendeten «Gedichte» enthalten. Auch «Ausgewählte Briefe» von S. (Bonn 1895) gab Zeller heraus. –
Vgl. E. Zeller, David Friedrich S. in seinem Leben und seinen Schriften geschildert (Bonn 1874);
Lang, David Friedrich S. (Lpz. 1874);
Hausrath, David Friedrich S. und die Theologie seiner Zeit (2 Bde., Münch. 1876‒78);
ders., in den «Kleinen Schriften religionsgeschichtlichen Inhalts» (Lpz. 1883);
Schlottmann, David S. als Romantiker des Heidentums (Halle [* 80] 1878). ¶