(spr. stihwĕns’n),RobertLouis, engl. Schriftsteller,
geb. zu Edinburgh, studierte an der dortigen
Universität die
Rechte, widmete sich dann aber ganz der Litteratur.
Seiner Gesundheit wegen nahm er dauernden Aufenthalt in Vailima bei
Apia auf
Samoa,
[* 3] wo er starb.
S.sRomane und Erzählungen
sind reich an
Beschreibungen der Tropenwelt, wilder
Abenteuer und geheimnisvoller Ereignisse. Die bekanntesten
sind: «New Arabian nights» (1882;
Neue Folge 1895),
Point (spr. stihw’ns peunt),Hauptort des County
Portage im nordamerik.
Staate Wisconsin, im
centralen
Teil des
Staates links am Wisconsin-River und an zwei Linien der Wisconsin-Centralbahn, mit bedeutendem Holzhandel,
Mühlen
[* 4] und (1890) 7896 E., darunter
Slawen, Skandinavier und Deutsche.
[* 5]
(spr. stjuĕrt),Balfour, engl. Physiker, geb. in Edinburgh, studierte
daselbst und in St.
Andrews. 1859 wurde er zum Direktor des Observatoriums in Kew, 1870 zum Professor der Physik an Owen’s
College in Manchester
[* 6] ernannt. Die Königliche
[* 7] Gesellschaft verlieh ihm 1868 die
Rumford-Medaille für
die Entdeckung des Gesetzes des
Gleichgewichts zwischen den absorbierenden und ausstrahlenden Eigenschaften der Naturkörper.
Er starb auf seinem Landgut in
Irland. In Gemeinschaft mit
De la Rue und Loewy veröffentlichte er «Researches on
solar physics», in Gemeinschaft mit Tait «Researches
on heating produced by rotation in vacuo» und «The unseen universe»
(Lond. 1875 u. ö.). Auch erschienen von S.
Abhandlungen über «Meteorology and magnetism», ein «Elementary
treatise on heat» (3. Aufl., Lond. 1876),
«Lessons in elemenatry physics» (ebd. 1870; deutsch von Schenk, Braunschw.
1872: erweiterte Ausg. von
Warburg, 5. Aufl. 1895),
«Physics»
(7. Aufl. 1878),
die
Abhandlung «The conservation
of energy» (1874 u. ö.; deutsch, 2. Aufl., Lpz.
1883) und «Lessons in elementary practical physics» (mit
Gee, 2 Bde., 1885‒87).
(spr. stjuĕrt),Dugald, schott.
Philosoph, geb. zu Edinburgh, war der Sohn des Professors der Mathematik
Matthew S. daselbst, dessen Nachfolger er bereits im
Alter von 22 J. wurde. Als jedoch
Adam Ferguson (s. d.)
die Professur der
Moralphilosophie in Edinburgh niederlegte, übernahm er dessen
Stelle, die er bis 1810 bekleidete. Er starb S.
ist der umfassendste und kritisch schärfste unter den
Vertretern der sog.
Schottischen Philosophie (s. d.)
oder der Common-sense-Lehre.
Seine philos.
Schriften schließen sich an die von Reid an; die wichtigsten sind: «Elements of the philosophy of the human
mind» (3 Bde., 1792‒1827 u. ö.),
«Outlines of moral philosophy» (Edinb. 1793;
mit kritischen Anmerkungen von J. M’Cosh, Lond. 1863),
«Philosophical essays» (Edinb. 1810),
«Dissertations
on the progress of metaphysical, ethical and political philosophy» (2 Bde.,
ebd. 1815‒22),
«Philosophy of the active and moral powers» (2 Bde.,
ebd. 1828). Eine Gesamtausgabe seiner Werke besorgte Hamilton (10 Bde.,
Edinb. 1854‒58).
(spr. stjuĕrt-) oder
Rakiura, die kleinste und südlichste der zum eigentlichen Neuseeland gehörigen
Inseln, durch die Foveauxstraße von der Südinsel getrennt, 33,3 qkm groß, bildet eine
Grafschaft.
Provinz der
Kapkolonie, mit 2883 qkm und (1891) 7054 E., darunter 2676
Weiße, liegt
nahe der Südgrenze des
Oranje-Freistaates, am Fuße der Zuur- und Bamboesberge.
1) Bezirkshauptmannschaft, ohne die Stadt S., in Oberösterreich, hat 1275,84 qkm und (1890) 66841 (33944 männl., 32897 weibl.)
E. in 31 Gemeinden mit 279 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Kremsmünster, Neuhofen,
S. und
Weyer. – 2) S., auch
Steier, Stadt mit eigenem
Statut und Sitz der Bezirkshauptmannschaft sowie eines
Kreis- und eines Bezirksgerichts
(264,71 qkm, 27690 E.), an der Einmündung der Steyr in die Enns und der Linie
Budweis-Klein Reifling der Österr.
Staatsbahnen,
[* 9] hat (1890) als Gemeinde 21499 deutsche E., in Garnison das 10. Feldjägerbataillon, got.
Stadtpfarrkirche (1443‒1522), Rathaus mit zierlichem
Turm,
[* 10] gräfl. Lambergsches Schloß (10. Jahrh.)
auf einem Felsen am Zusammenfluß der Steyr und Enns, altes Rathaus, alte Privathäuser mit Giebeldächern, eine Oberrealschule,
Knaben- und Mädchenbürgerschule, Handelsschule, Fachschule und Versuchsanstalt für Eisenindustrie mit Messersammlung
sowie ein Museum. S. ist eine der wichtigsten und reichsten Fabrikstädte
Österreichs, mit großen Messerfabriken, einer
Drahtzieherei, Feilenhauereien, Fabriken für
Ahlen, Angelhaken,
Nadel- und Blechwaren, Werkzeuge,
[* 11] Maschinennägel,
Leder, einer
Papiermühle, zwei
Kattundruckereien, Färbereien,
Glockengießerei und
Brauerei. Die österr. Waffenfabrik, gegründet
von
Joseph Werndl (s. d.), dem hier 1894 ein
Denkmal (Bronzestandbild mit vier Arbeiterfiguren am
Sockel, von
Tilgner) gesetzt
¶
mehr
ist, jetzt im Besitz einer Aktiengesellschaft, ist die bedeutendste der Monarchie und befaßt sich seit 1882 auch mit der Anlage
von elektrischer Beleuchtung
[* 13] sowie mit der Fabrikation von Fahrrädern. Bei S. das Eisenwerk Unterhimmel. S. ist historisch
bekannt durch den hier abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen Osterreich (Erzherzog Karl)
und Frankreich (Moreau). -
Vgl. Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt S. (Linz
[* 14] 1837);
Widmann, Fremdenführer für S.
und Umgebung (Steyr 1884);
Wörl, Führer durch S. und Umgebung (2. Aufl., Würzb. 1885);
(Gasterosteus), Stechbüttel, Stachelbarsch, eine in den meisten süßen und salzigen Wässern Europas verbreitete
Gattung der Stachelflosser mit gepanzertem Kopf, breiten Schuppenplatten an Seiten und Vorbauch, scharfen
aufrichtbaren Stachelnvor der weichen Rücken-, Brust- und Afterflosse, während die Bauchflossen ebenfalls durch Stacheln ersetzt
sind. Der schlanke, mit 15 Dornen auf dem Rücken besetzte Meer- oder Seestichling (Gasterosteus spinachiaL., s. Tafel: Fische
[* 27] V,
[* 12]
Fig. 9) erreicht 18 cm Länge; der gemeine S. (Gasterosteus spinachiaL., s. Fig. 10, auch Tafel: Schutzmittel
der Tiere,
[* 12]
Fig. 8 a-c [Bd. 17]), der
von allen Fischen den plötzlichen Wechsel von süßem und salzigem Wasser am besten erträgt, im Flußgebiet der Donau fehlt,
mißt nicht ganz 7,5 cm, der kleine (Gasterosteus pungitiusL.), unser kleinster Süßwasserfisch, höchstens 5 cm,
hat neun freie Stachelnvor der zusammenhängenden Rückenflosse, während der gemeine deren nur drei trägt. Sämtliche Arten
sind durch ihre eigentümliche Fortpflanzungsweise berühmt und werden deshalb in Aquarien viel gehalten. Das Männchen,
das zur Laichzeit ein schönes Hochzeitskleid trägt, indem es sich an Kehle, Brust und Bauch
[* 28] lebhaft rot
färbt, baut ein kugelförmiges Nest aus Wasserpflanzen,
[* 29] worin die Weibchen ihre Eier
[* 30] ablegen, die das Männchen dann befruchtet
und bis zum Ausschlüpfen der Jungen, die es auch später führt, bewacht.
ein im praktischen Maschinenbau verwendetes Werkzeug, das als genaues Maß eines innern Cylinderdurchmessers
dient. Es besteht aus einem dünnen eisernen Rundstab, an dessen Enden feine Spitzen angefeilt sind, deren
Entfernung möglichst genau die betreffende Cylinderbohrung darstellt.
Man hat auch S., deren Spitzenentfernung sich durch
eine dazwischen liegende Mikrometerschraube
[* 31] (s. d.) verändern läßt.
Dadurch läßt sich die Spitzenentfernung auf 1/100
mm genau einstellen.
Johann Gustav, prot. Theolog und Orientalist, geb. zu Eisenach,
[* 37] studierte in Jena,
[* 38] wo er sich 1827 in der
theol. Fakultät habilitierte, 1830 außerord. Professor, 1848 in der philos. Fakultät ord. Professor
der orient. Sprachen wurde. Er starb dort Besondern Ruf genoß S. als Numismatiker, namentlich auf dem Gebiete
der mohammed. Münzkunde. S. veröffentlichte unter anderm «Handbuch
zur morgenländ. Münzkunde» (2 Bde., Lpz. 1815 und
1870),
«Das BuchHiob, rhythmisch gegliedert und übersetzt» (ebd. 1842),
das Verfahren, gewebte Stoffe, zuweilen auch Leder, Papier u. s. w., durch auf- oder eingenähte Muster zu
verzieren. Die einzelnen Fadenlagen werden Stiche genannt und führen je nach Gestalt und Herstellungsweise die verschiedensten
Namen. Die wichtigsten derselben sind: der Plattstich, der Kreuzstich und der Ketten- oder Tambourierstich.
Neben diesen dienen der aus dem Plattstich hervorgegangene Stielstich, Steppstich, Leiterstich, der zickzackförmige Hexenstich,
der Gobelin- oder Perlstich, der Flechtenstich, Damaststich u. a., sowie der vom Kettenstich abgeleitete Feston- oder Languettenstich,
Korallen-, Knötchen-, Wickelstich u. s. w., der nur zu gröbern S. verwendete Post-
oder Minutenstich, der seinen Namen von der Schnelligkeit hat, mit der ein Blatt ausgeführt werden kann, meist zur Detailausbildung
der darzustellenden Muster.
Auf dichten Stoffen, Tuch, Baumwollzeug u. s. w. bleibt die ganze Grundfläche frei, und es entsteht nur
das vorgezeichnete Muster durch entsprechendes Nebeneinanderlegen der mit der Nadel eingezogenen Fäden, die
sehr verschiedener Art, wie Baumwollzwirn, Seide,
[* 43] Chenille, Gold- und Silbergespinst, sein können (Plattstichstickerei). Die
Gold- und Silberstickerei wird hierbei oft durch mitaufgenähte Flittern oder echte Perlen ausgeputzt. Die gewöhnliche Perlenstickerei
(s. d.) wird durch Aufnähen von Glas- oder Metallperlen oder Schmelz (kurzen Stückchen dünner farbiger Glasröhrchen) gebildet.
Bei der Wollstickerei oder Tapisserie wird ein loses Grundgewebe (Kanevas oder Stramin) meist ganz mit
den ein gerades oder schief liegendes Fadenkreuz bildenden Stichen von verschiedenfarbigen Woll-, zum Teil auch Seidenfäden
ausgefüllt, also auf diese WeiseGrund und Muster gebildet (Kreuzstichstickerei). Die dritte Methode, die besonders zur Wiedergabe
von Konturzeichnungen geeignet ist, beruht auf der Bildung kleiner Maschen, die kettenartig so ineinander
gehängt sind, daß sie auch ohne das stützende Gewebe
[* 44] ihren Zusammenhang behalten (Tambourierstichstickerei). Findet eine
gegenseitige Bindung der Schleifen nicht statt, so bilden sich auf der Vorderseite emporstehende Schleifen oder Noppen (Moosstich).
Der Festonstich entsteht aus dem Kettenstich, wenn der die Schleife bildende Faden
[* 45] nicht durch denselben
Stichpunkt, der ihn auf die vordere Stoffseite führt, auf die Rückseite zurückkehrt.
Die S. bedient sich zur Herstellung ihrer Erzeugnisse höchst einfacher Werkzeuge. Um die erforderliche Genauigkeit und Sicherheit
in der Gestaltung der Musterfiguren oder in der Lage des Stichlochs zu erreichen, wird der zu verzierende
Stoff meist in einen Rahmen, den Stickrahmen, so aufgespannt, daß die Stofffläche völlig eben ist und daß Einschlag- und
Kettenfäden sich unter rechten Winkeln kreuzen. Bei der Handstickerei besteht der Rahmen aus vier Holzstäben, die zu einem
Rechteck von veränderlicher Seitenlange vereinigt sind und an denen der Stoff durch Fäden angeheftet
wird, oder auch aus einem Ring, über dem ein zweiter, etwas weiterer Ring den Stoff ausspannt. Dieser Rahmen ruht entweder im
Schoß der Stickerin oder, in einem Kugelgelenk beweglich, auf einem feststehenden Fußgestell. KleinereMuster werden von geübten
Stickerinnen auch ohne Rahmen derart ausgeführt, daß die Arbeiterin den
Stoff über den Zeigefinger der
linken Hand ausspannt und mittels der drei nächsten Finger festhält.
Zum Einschlingen des Fadens, der der bessern Musterfüllung wegen nur schwach gedreht sein darf, dient die Sticknadel, die
entweder mit einem Öhr oder mit einem Haken versehen ist. Im erstern Fall ist dieselbe zur Erzeugung aller
Sticharten verwendbar; im letztern eignet sie sich nur für die Erzeugung des Kettenstichs. Die Öhrnadeln bestehen, ähnlich
denen für die Näherei, aus einem schlank kegelförmigen Schaft, der an dem einen Ende in eine mehr oder weniger scharfe
Spitze ausläuft, während das andere Ende ein langgestrecktes Ohr
[* 46] zum Einziehen des auf eine gewisse Länge
abgeschnittenen Fadens enthält.
Die längliche Gestalt des Öhrs ermöglicht auch das leichte Einführen von lockerm Garn, dessen Durchmesser größer als der
der Nadel ist. Die Öhrnadel wird stets vollständig durch den Stoff hindurchgeführt und das noch freie Fadenstück nachgezogen.
Die einseitige Zuspitzung der Nadel macht bei der Rahmenstickerei vor jedem neuen Einstich eine Wendung
derselben erforderlich. Zur Vermeidung dieses Umstandes schlug bereits 1755 Weisenthal in London
[* 47] eine an beiden Enden zugespitzte,
in der Mitte mit einem Öhr versehene Nadel vor.
In der Handstickerei hat diese Nadel wenig Anwendung gefunden (in Frankreich, namentlich zu Nancy,
[* 48] wird sie
noch gegenwärtig benutzt); dagegen bildet sie heute das unentbehrliche Werkzeug der meisten Plattstichstickmaschinen. (S.
Stickmaschine.) Nur wenige dieser Maschinen benutzen einseitig zugespitzte Nadeln,
[* 49] deren Öhr sich, wie bei den Nähmaschinennadeln,
in unmittelbarer Nähe der Spitze befindet und die wie jene nur teilweise durch den Stoff hindurchgeführt werden. (S. Nähmaschine.)
Die Hakennadel findet sowohl in der Handstickerei als in der Maschinenstickerei Anwendung.
Der cylindrische Schaft ist nur einseitig zugespitzt; das andere Ende ist zum Zweck bequemer Handhabung in einem Heft befestigt.
Das nahe an der Spitze eingebohrte Öhr ist nach einer Seite derart aufgeschlitzt, daß dadurch ein Haken entsteht, dessen Spitze
von der Nadelspitze abgewendet ist. Die Nadel wird, mit der Spitze voran, nur teilweise durch den Stoff hindurchgeführt, worauf
der Faden bei der Handstickerei von der linken Hand der Arbeiterin unterhalb des Stoffes so um den Schaft herumgelegt wird,
daß beim Heben des letztern der Faden in das aufgeschlitzte Öhr gleitet und von dem aufsteigenden Haken
in Form einer Schleife über die Oberseite des Stoffes emporgezogen wird. Nach Versetzung der Nadel oder des Stoffes um die Länge
eines Stiches durchdringt die erstere den Stoff von neuem, wobei die Schleife über dem Nadelschaft hängt, und holt eine neue
Schleife auf die Oberfläche des Stoffes empor, die somit durch die ersteSchleife hindurchgezogen und deren
Zurückschlüpfen durch das erste Stichloch verhindert wird.
Bei jeder Weißstickerei muß die Zeichnung mit Baumwollgarn derart vorgezogen werden, daß mehr Faden über als unter dem
Zeug und dadurch die S. erhaben liegt. Die leichteste Art der Weißstickerei ist das Languettieren oder
Festonnieren. Der Festonstich bildet einen festen Rand und wird daher meist zu Bogeneinfassungen verwendet, bei denen nach
beendeter Arbeit der Stoff außen dicht an der S. abgeschnitten wird. Die breiten Festons werden mit Vorder- oder auch mit
Kettenstichen gefüllt, um
¶
mehr
erhaben zu liegen (Schattenlöcher). Das Restloch oder Schnürloch, zu dessen Herstellung man sich eines besondern Werkzeugs,
des Nestloch- oder Schnürlochstechers, bedient, gehört zur sog. englischen S., die ganz durchbrochen
oder licht ist und bei der die Stiche so dicht aneinander liegen, daß sie das Aussehen eines feinen Schnürchens erhalten
(Cordonnierstich). Im Gegensatz zu letzterer steht die französische S., bei der Blumen und Blätter hoch
und dicht gearbeitet werden.
Die Kunst des Stickens, insbesondere die Goldstickerei, soll von den Phrygiern erfunden worden sein; doch findet man sie
bei allen Kulturvölkern schon seit den frühesten Zeiten in Gebrauch. Zu HomersZeiten standen die Frauen
Sidons in dem Rufe, geschickte Stickerinnen zu sein. Bei den Griechen galt Pallas Athene
[* 51] als die Erfinderin dieser Kunst; doch
steht fest, daß dieselbe durch die Perser nach Griechenland
[* 52] gelangte. Durch Attalus Ⅲ., König von Pergamon,
[* 53] gest. 133 v. Chr.,
wurden die Römer
[* 54] mit der Goldstickerei bekannt; erst unter den byzant.
Kaisern war die Silberstickerei üblich. Berühmt waren gegen Ende des 10. Jahrh. die
englischen, von Benediktinermönchen gefertigten S. (Opus anglicanum). Von den deutschen Klöstern gewann St. Gallen, St. Emmeran
in Regensburg,
[* 55] diejenige am Rhein und an der Donau bald hohen Ruhm. Doch blieb bis ins 12. Jahrh.
der Einfluß der Byzantiner und Sarazenen bemerkbar. Im Mittelalter diente die Stickkunst vorzugsweise
der Kirche, indem sie die Paramente auf das reichste ausstattete.
Die Nonnenklöster beherbergten die besten Werkstätten, bis gegen Ende des 13. Jahrh. die
S. ein bürgerliches Gewerbe wurde. Die höchste Blüte
[* 56] erlangte sie in Burgund unter Herzog Philipp dem
Guten. In weiterer Ausbildung wendete sie sich der Reliefstickerei zu, indem sie Watte unterlegte und ihre
[* 50]
Figuren bildnerisch
zu formen suchte. Das 16. Jahrh. kam von der
[* 50]
Figurenstickerei ab und
wendete neben der Applikationsstickerei, welche es mit feinem Farbensinne pflegte, die Perlen- und Schnurstickerei mit Vorliebe
an. Es waren nun vorzugsweise weltliche Zwecke, Gewänder, später Möbelstoffe, die mit S. geziert wurden.
Die letztern kamen im 18. Jahrh. in großartigster Weise zur Verwendung, so daß ganze Zimmereinrichtungen in Stickkunst ausgeführt
wurden, ebenso wie man sie zur Dekoration der Kirchen verwendete. Die Leinenstickerei, früher vielfach für kirchliche Zwecke
verwendet, wurde nun vorzugsweise eine Hauskunst, indem teils in Kreuzstich, teils in Plattstich, teils
farbig (blau, rot, schwarz), teils weiß auf weiß (mit Leinen, Seide, Bändern, Borten oder Schnüren) zierliche Ornamente
[* 57] geschaffen
wurden. Zu Anfang unsers Jahrhunderts hatte die Stickkunst einen tiefen Stand erreicht.
Dank der kunstgewerblichen Bewegung seit den sechziger Jahren sind aber alle alten Techniken wieder aufgenommen
worden und werden in umfassender Weise sowohl für kirchliche als profane Zwecke geübt. Die S. in Musselin (Weißstickerei)
wird in der Schweiz
[* 58] und in Sachsen
[* 59] in großer Ausdehnung
[* 60] fabrikmäßig betrieben, wobei man sich teils der Handarbeit, teils
der Stickmaschine (s. d.) bedient. Die Maschinenstickerei tritt
überall da mit Vorteil an die Stelle der Handstickerei, wo es sich um die Massenproduktion gleichartiger Erzeugnisse handelt
und wo demnach die künstlerischen Forderungen mehr zurückstehen.
Vgl. Peter Quentel, Musterbuch für Ornamente und Stickmuster (1527‒29; neue
Ausg., Lpz.
1882);
Joh. Sibmacher, NeuesStick- und Spitzenmusterbuch (1604; neue Ausg. in 60 photolithogr. Blättern,
Berl. 1881);
Bock,
[* 61] Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters (3 Bde.,
Bonn
[* 62] 1856‒71);
[* 41] Einrichtung zur mechan. Herstellung von Stickerei (s. d.). Man unterscheidet zwei
Systeme von S., je nach der mit denselben hauptsächlich erzeugten Stichart: die Plattstichstickmaschinen und die Kettenstichstickmaschinen
oder Tambouriermaschinen. Bei den Plattstichstickmaschinen wird die Leistungsfähigkeit durch die große Zahl der gleichzeitig
nach demselben Muster hergestellten Einzelstickereien, bei den Tambouriermaschinen durch die hohe Arbeitsgeschwindigkeit bedingt.
Die erste brauchbare Plattstichstickmaschine erfand Josua Heilmann in Mülhausen
[* 68] im Elsaß 1829. Diese
Maschinen, deren schematischer Querschnitt in
[* 50]
Fig. 1 auf Tafel: Stickmaschinen gegeben ist, während
[* 50]
Fig. 11 die äußere Ansicht
der Maschine
[* 69] zeigt, beruhen auf der unmittelbaren Nachahmung der Handarbeit;
doch findet nicht das Fortsetzen der Nadeln von
Stichpunkt zu Stichpunkt statt, sondern die entsprechende Einstellung des Stoffes in die fest bleibende
Laufbahn der Nadeln.
Der Stoff ist hierbei auf einem senkrecht stehenden ausbalancierten Rahmen aufgespannt, der in seiner Ebene
allseitig verschiebbar ist. Die dem zu stickenden Muster entsprechende Verschiebung des Rahmens erfolgt mittels eines Pantographen
oder Storchschnabels in der Weise, daß ein Stift an dem längern Arm desselben auf eine Schablone, die das
meist sechsfach vergrößerte Muster darstellt, und zwar auf die Endpunkte des jedem Stickfaden entsprechenden Schraffierstrichs
aufgesetzt wird, während der kürzere Arm die auf das wirkliche Maß des Stickfadens reduzierte Bewegung auf den Rahmen überträgt.
Wie
[* 50]
Fig. 1 der genannten Tafel ersehen läßt, sind zu beiden Seiten des in dem Rahmen R mittels der
¶
mehr
Spannwalzen a aufgezogenen Stoffes zwei Stickwagen, der Vorderwagen V und der Hinterwagen H, angeordnet. Beide Wagen lagern
mit Laufrädern b so auf horizontalen Laufschienen c, daß sie normal zur Stoffebene bewegt werden können. Die hierzu dienenden
Bewegungsmechanismen bestehen für jeden Wagen aus zwei Riementrieben d, e, f, deren Treib- und Leitscheiben
(d, e) an den Enden der Wagenführungen gelagert sind. Der Antrieb geht bei der Handstickmaschine von einer Kurbel
[* 71] aus, die
der den Pantographen führende Sticker dreht, und wird von dieser mittels auswechselbarer Radvorgelege auf die Triebscheiben
d so übertragen, daß stets nur ein Wagen sich von dem Stoff entfernt und sich diesem wieder nähert,
während der andere dicht am Stoff steht. Die Lineale g der Wagen, die horizontal und gleichlaufend zur Stofffläche gerichtet
sind, tragen reihenweise angeordnete kleine Zangen h, welche die kurzen doppelspitzen Sticknadeln
[* 70]
(Fig. 2) erfassen. Die Anzahl
der gleichzeitig arbeitenden Nadeln schwankt bei den üblichen Maschinengrößen in einer Maschine zwischen 200 und 700 Stück,
so daß bei jeder Wageneinfahrt je ein Stich in einer gleichen Anzahl einzelner Musterfiguren gebildet wird. Da ferner ein
geübter Sticker in der Stunde etwa 200 Stiche oder Wageneinfahrten machen kann, so vermag eine derartige S. in dieser Zeit
im Mittel etwa 100000 Einzelstiche zu liefern.
Die Zangen werden einzeln durch kleine Blattfedern geschlossen, dagegen reihenweise geöffnet durch Rundstäbe i, die oberhalb
der obern Zangenschenkel excentrisch gelagert sind und bei entsprechender Drehung die Zangenschenkel abwärts drücken. Das
Öffnen und Schließen der Zangen geschieht stets, wenn beide Wagen dicht am Stoff stehen, derart, daß
mit dem Offnen der Zangen des einen Wagens gleichzeitig der Schluß der Zangen im andern Wagen erfolgt. Hierdurch findet ein
Austausch der bei dieser Wagenstellung im Stoff steckenden Sticknadeln statt, so daß sie vom Vorderwagen an den Hinterwagen
oder umgekehrt übergeben werden.
Der Impuls für die Zangenöffnung geht gleichzeitig mit dem Umstellen des Treibscheibenvorgeleges für
die Wagenbewegung von dem Fuße des Arbeiters aus und wird mittels Zugstangen k auf die Excenterwellen i übertragen. Bei dem
Einfahren des Vorderwagens V werden die in den Zangen desselben festgeklemmten Nadeln sämtlich zu gleicher Zeit bis zum Öhr
durch den Stoff gestoßen. Sie treten hierbei in die offenen, dicht am Stoff stehenden Zangen des Hinterwagens
H ein und werden nach erfolgter Übertragung auf dieselben bei der nun stattfindenden Ausfahrt dieses Wagens nebst den an
ihnen befestigten Stickfäden durch den Stoff gezogen.
Durch Gewichte belastete Drähte m, die vor den Zangen ausgespannt sind, regeln hierbei die Endspannung
der Fäden, also den Anzug der Stiche. Auf die jetzt stattfindende Verschiebung des Stickrahmens R in der Richtung und um die
Länge eines Stiches folgt die Einfahrt des Hinterwagens H und das Durchstechen des Stoffes an der neu eingestellten Stichstelle.
Hiermit gleichzeitig findet aber auch das Einlegen der Nadeln in die offenen Vorderzangen statt, so daß
nach dem Wechsel des Zangenschlusses diese die Nadeln erfassen und wahrend der nun folgenden Ausfahrt des Vorderwagens V nebst
den Fäden durch den Stoff ziehen.
Die Plattstichstickmaschine dient in erster Linie zur Herstellung von verzierenden Streifen für Damenkleider und Wäsche,
von
Tüllspitzen und Kragen, Manschetten u. s. w., findet aber auch zum Besticken von Tischdecken, farbigen
Kleiderstoffen, Hausschuhen, Hosenträgern u. s. w. ausgedehnte Verwendung. In neuester
Zeit ist das Arbeitsgebiet der Maschine durch die Herstellung der sog. Ätzspitzen (s. d.) erheblich erweitert worden. Die
Maschinen werden, um größere Vielseitigkeit der Muster zu erzielen, mit einem sog. Festonnierapparat
und mit einem Bohrapparat versehen. Ersterer dient dazu, den zum Umrändern von Zackenmustern erforderlichen Festonstich zu
erzeugen; mit dem letztern werden die durch das Muster verlangten Durchbrechungen im Stoff hergestellt. In den
[* 70]
Fig. 4-6 ist die
Bildung des Festonstichs veranschaulicht. Während durch die Verschiebung des Stoffrahmens der Stichpunkt a
[* 70]
(Fig. 4) in die Nadelbahn eingestellt wurde und der den Faden f haltende Vorderwagen einführt, senkt sich die Festonniergabel
g, dem Wege 1, 2, 3 folgend, herab und gelangt dadurch, den Stickfaden in der Nähe des Stoffes nach rechts ablenkend, in
die durch
[* 70]
Fig. 5 dargestellte Stellung. Der Vorderwagen sticht die Nadel bei a durch den Stoff und, während
sie der Hinterwagen durchzieht und der Stoffrahmen so verstellt wird, daß der neue Stichpunkt b
[* 70]
(Fig.
6) in die Nadelbahn zu liegen kommt, folgt die Gabel g dem Wege 3, 4, 5. Sie gelangt hierdurch, den Stickfaden zu einer Schleife
legend, in die Stellung der
[* 70]
Fig. 6 und steigt nun nach dem Ausgangspunkt 1 empor, während der Hinterwagen
den Stoff bei b durchsticht und der durch den ausfahrenden Vorderwagen angezogene Faden die Fadenschleife fängt und bindet.
Der Bohrapparat
[* 70]
(Fig. 3) besteht aus je einer längs der Nadelreihe liegenden Schiene a, welche
mit vierschneidigen Stahlspitzen (Bohrern) b versehen und mittels Scharniers so angebracht ist, daß durch Vorklappen der
Schiene vor jede Nadel ein solcher Bohrer
[* 72] zu liegen kommt. Um ein Zurückweichen des Stoffes zu verhüten, liegt hinter dem
Stoff, den Bohrern gegenüber, eine zur Aufnahme der letztern mit Vertiefungen versehene Schiene c (Bohrlatte).
Sobald der Vorderwagen mit den Bohrern gegen den Stoff fährt, werden an den durch den Storchschnabel
[* 73] fixierten Stellen die gewünschten
Durchbrechungen hergestellt, die dann noch umstickt werden müssen. Durch Zurückklappen der beiden Schienen ist der
Bohrapparat außer Thätigkeit zu setzen.
Die durch Elementarkraft angetriebenen Maschinen ähneln in ihrer Konstruktion den mit Schiffchen arbeitenden
Doppelsteppstich-Nähmaschinen. Eine solche Schiffchenstickmaschine führt auf einem Wagen in zwei Reihen je 112 Nähmaschinennadeln
und auf der andern Seite des Stoffes an feststehenden Trägern ebenso viele Schiffchen, welche die Bindung der von den Nadeln
in den Stoff eingeführten Fäden auf der hintern Stoffseite zu bewirken haben. Wie bei den S. für Handbetrieb,
ist auch hier der zu verzierende Stoff in einem senkrecht stehenden Rahmen ausgespannt und wird vom Sticker durch einen Storchschnabel
bewegt. Die Bewegung des Nadelwagens erfolgt mittels Excenter,
[* 74] die an einer längs der ganzen Maschine liegenden Welle sitzen.
Die Schiffchen werden durch zwei Excenter und ein Hebelwerk dirigiert und zwar so, daß je nach Wunsch
durch Einrücken des betreffenden Excenters Plattstich oder Steppstich gebildet wird. Die Schiffchenstickmaschine, die 6-10
mal so rasch als die Handmaschine arbeitet, eignet sich besonders
¶
mehr
zum Besticken von Tüll zur Herstellung von Tüllspitzen. Mit der Handstickmaschine kann sie in Bezug auf Schönheit, Feinheit
und Genauigkeit der Arbeit nicht konkurrieren; auch können echte Festons auf derselben nicht hergestellt werden.
Bei den mit Öhrnadeln arbeitenden Tambouriermaschinen wird die Bewegung, die zur Einstellung eines neuen Stichpunktes in die
Arbeitsrichtung notwendig ist, vielfach den stichbildenden Werkzeugen, der Nadel und dem Greifer, erteilt. Derartige Maschinen
wurden zuerst Ende der sechziger Jahre von A. Voigt in Chemnitz
[* 76] angegeben, später von Billwiller in St. Gallen u. a. verbessert.
Sie eignen sich besonders zum Besticken großer Zeugflächen und finden daher vorzugsweise in der Tüll-
und Mullgardinenstickerei Anwendung.
Leistungsfähiger sind die mit Hakennadel versehenen Tambouriermaschinen, von denen die von dem FranzosenAntoine Bonnaz 1866 erfundene
namentlich in der Hausindustrie am meisten verbreitet ist, da dieselbe sowohl hinsichtlich der Arbeitsgeschwindigkeit (1800
Stiche in der Minute, gegen 20-25 einer Handstickerin) als in der Mannigfaltigkeit der erzeugten Stickarbeiten
von keiner andern Tambouriermaschine erreicht wird und durch Weglassung des Rahmens sowie durch zweckmäßige Einrichtung
des Stofftransports eine kompendiöse Anordnung ermöglicht, ohne daß sie dadurch für das Besticken großer Flächen weniger
brauchbar wird. Zahlreiche Hilfsapparate machen diese Maschine zur Ausführung besonderer Zierstiche, zum Aufnähen von Litzen
und Schnüren (Soutachieren), zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Kettennähte aus einem Faden u. s. w.
vorzüglich geeignet.
Von der durch diese Maschine verwirklichten Stichbildung geben die
[* 75]
Fig. 7-9 einen Begriff;
[* 75]
Fig. 7 zeigt, wie die oberhalb des
Stoffes senkrecht geführte Hakennadel N beim Abwärtsgang innerhalb der zuletzt gebildeten Kettenschleife a denStoff s durchdringt
und hierbei in den Schwingungsbereich des oscillierenden Fadenführers F gelangt, durch den der von einer
Spule ablaufende Stickfaden f dem Stoff zugeleitet wird. Durch Drehung dieses Führers in der durch die
[* 75]
Fig. 8 angegebenen Pfeilrichtung
legt sich der Faden um den Nadelschaft und wird nun bei der Aufwärtsbewegung der Nadel von dem Haken derselben
erfaßt und durch das Stichloch mit über den Stoff emporgezogen. Während nun der Fadenführer wieder zurückschwingt und
der Stoff in der Richtung des Pfeiles p
[* 75]
(Fig. 9) verschoben wird, bleibt die gebildete Kettenschleife b auf dem
Haken der Nadel hängen, so daß diese bei erneutem Senken jetzt innerhalb dieser Schleife den Stoff zum
Zweck neuer Fadenaufnahme durchdringt u. s. w. Die auf- und absteigende Bewegung der Nadel vermittelt ein im Maschinengestell
gelagerter Schieber, der von einem Excenter der Antriebwelle bewegt wird und die Nadelstange am obern Ende bei d
[* 75]
(Fig. 10)
erfaßt.
Von der gleichen Antriebwelle wird die für das Umlegen des Fadens um den Nadelschaft zum Zweck der Stichbildung
erforderliche Drehung des Fadenführers F abgeleitet und auf letztern mittels der Schraubenräder O übertragen. Eine Kurbel
a dient zur Einstellung der Stichrichtung. Räderpaare b und c und Zwischenwellen übertragen die Kurbeldrehung gleichzeitig
so auf die Nadelstange und den Fadenführer, daß die Haken der Nadel und des Führers die für das Einschlingen
des Fadens erforderliche gegenseitige
Lage bewahren. Die gleichen Übertragungsmechanismen vermitteln die Einstellung des an
einem Schieber q mittels Universalgelenkes r angeschlossenen Stoffrückers p, während die Schwingbewegung von dem Schieber
i abgeleitet und durch k, h, n und o auf den Rücker übertragen wird. Die Hülse
[* 77] m preßt beim Aufsteigen
der Nadel N den Stoff gegen die Stichplatte S. Der von der Spule R ablaufende Faden wird durch das Auge
[* 78] T dem Fadenführer F zugeleitet.
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Vgl. H. Fischer, Die S. (im «Civilingenieur», Bd. 23, 24 u. 25);
E. Müller, Neuerungen an S. (in Dinglers
«Polytechnischem Journal», Bd.
254, 265).
NO, farbloses Gas, das durch Lösungen von Eisenoxydulsalzen mit schwarzer Farbe aufgenommen wird und in Berührung
mit Luft sofort rote Dämpfe von Stickstoffdioxyd liefert. Es entsteht beim Lösen von Kupfer
[* 79] in Salpetersäure vom spec.
Gewicht 1,2. Es bildet sich immer, wenn die sauerstoffreichern Stickstoffoxyde bei gewöhnlicher Temperatur auf andere Körper
als Oxydationsmittel wirken, und spielt daher bei der Fabrikation der Schwefelsäure
[* 80] in den Bleikammern eine wichtige Rolle.
(S. Schwefelsäure.)
Stickgas oder Nitrogenium, in FrankreichAzote (chem. Zeichen N; Atomgewicht 14,0), ein farb-, geruch- und
geschmackloses, gasförmiges chem. Element vom spec. Gewicht 0,972. Der S. wurde 1772 von Rutherford
als eigentümliches Gas erkannt. Pictet in Genf
[* 81] und Cailletet in Paris
[* 82] ist es gelungen, den S. bei großer Kälte und hohem
Druck in den flüssigen Zustand überzuführen. Er verflüssigt sich bei -146° unter einem Druck von 33 Atmosphären, siedet
unter Atmosphärendruck bei -194° und erstarrt bei -214°. Der S. findet sich in der atmosphärischen Luft (s.
Atmosphäre) gemengt mit Sauerstoffgas, und zwar in der Menge von 79 Volumen oder 76,8 Gewichtsteilen;
außerdem findet er sich chemisch gebunden in der Steinkohle (zu etwa 0,75 Proz.), in dem Ammoniak und der Salpetersäure,
ferner macht er einen Bestandteil des Eiweißes, Caseïns, Blutes, der Wolle und aller organischen Gebilde des Tier- und Pflanzenreichs
aus; in besonders großer Menge ist er im Harnstoff, im Caffeïn und Theobromin sowie in den im Pflanzenreich
vorkommenden Alkaloiden (Chinin, Morphin, Strychnin, Brucin, Atropin u. s. w.) enthalten.
Der S. kann weder das Atmen noch die Verbrennung unterhalten; mit andern Elementen kann er sich nur schwierig verbinden und
fast nie direkt. Man kann den S. aus der Luft gewinnen, indem man ein abgeschlossenes Volumen derselben
mit brennendem Phosphor zusammenbringt, wodurch der Sauerstoff entfernt wird. Rein erhält man ihn, wenn man Chlorgas durch
eine wässerige Ammoniaklösung leitet oder besser durch Kochen einer konzentrierten Lösung von salpetrigsaurem Ammonium,
das dabei in Wasser und S. zerfällt. In seinen Verbindungen ist der S. drei- und fünfwertig. Über die
wichtigsten derselben s. die Einzelartikel: Ammoniak, Chlorstickstoff, Cyan, Jodstickstoff, Lustgas, Salpetersäure, Salpetrige
Säure, Stickoxyd, Stickstoffdioxyd, Stickstoffwasserstoff, Untersalpetrige Säure.
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