Die
Kranken haben dabei das
Bewußtsein entweder verloren oder behalten, sind aber im letztern Falle unfähig, sich willkürlich
zu bewegen. Die kataleptischen
Anfälle treten plötzlich ein, nachdem
Kopfschmerz, Schwindel, unruhiger Schlaf, große Reizbarkeit
u. dgl. vorangegangen, und dauern meist nur Minuten, selten
Stunden oder gar
Tage. Selten folgen sich mehrere
Anfälle rasch aufeinander. Bei kurzer
Dauer derAnfälle, unter Schwinden des
Bewußtseins, wissen die
Kranken selbst oft gar
nichts davon,
und sie fahren, nachdem der Zustand vorüber, ruhig in der Beschäftigung fort, bei der sie überrascht wurden.
In andern Fällen haben die
Kranken nach den
Anfällen noch Schwindel,
Kopfschmerzu. dgl. Sehr selten tritt
die S. als selbständiges
Leiden
[* 2] bei sonst Gesunden auf. Es geschieht dies namentlich bei
Kindern und jungen Leuten, vorzüglich
nach Gemütsbewegungen (Schreck u. s. w.) oder solchen Nervenreizungen, die den hypnotischen
Schlaf (s.
Hypnotismus) veranlassen; bei Geisteskranken
(Melancholischen), auch bei
Hysterie und chronischen
Gehirnkrankheiten
ist sie häufiger.
Allermeist endet die S. mit Genesung. Die
Krankheit wird bisweilen simuliert, doch ist ein derartiger
Betrug mit Hilfe der Elektricität sehr leicht zu entlarven. Die Behandlung muß meist ganz zuwartend sein. Man bringe
den Starrsüchtigen zu
Bett,
[* 3] schütze ihn vor Verletzungen und Zudringlichkeiten, löse ihm die Kleider u. s. w.,
auch sindKlystiere, kräftige
Hautreize und Niesmittel, kalte Anspritzungen, Morphiuminjektionen und der
galvanische
Strom von Nutzen. Bei längerer
Dauer des
Anfalls kann es nötig werden, den
Kranken künstlich vermittelst der Schlundsonde
zu ernähren.
(engl.), im Wettrennen der
Ablauf
[* 7] oder die Ablaufsstelle der Rennpferde.
Das Zeichen zum Starten wird vom Starter
durch Senken einer roten Fahne gegeben.
Man unterscheidet zwischen stehendem und fliegendem S. Bei jenem geschieht der
Ablauf
vom Fleck aus, bei diesem nähern sich die Konkurrenten je nach Art des Rennens im
Trabe oder Galopp
[* 8] der
Ablaufstelle.
Krym, tatar. Eski-Krym, Stadt im
Kreis
[* 9] Feodosia des russ. Gouvernements
Taurien, am Tschuruk-su, hat (1893) 4036 E., 1 russ., 1 armenisch-gregorianische
Kirche, 2 Moscheen, alte Ruinen;
Tabak- und Gemüsebau. S. K. war das berühmte Handelsemporium Solkata des Mittelalters, im 14. Jahrh.
Hauptstadt der Chane der Krim.
[* 10]
1)
Kreis im östl.
Teil des russ. Gouvernements Kursk, auf der
Wasserscheide zwischen dem
Don- und Dnjeprgebiet, hat 3112,5 qkm, 160 030 E.,
darunter 14 Proz.
Kleinrussen;
Getreide-, Hanfbau, Vieh-,
Bienenzucht
[* 11] und 84 Fabriken. - 2) Kreisstadt im
KreisS. O., am Oskol
(zum
Don), hat (1893) 8989 E., Post,
Telegraph,
[* 12] 6
Kirchen, Stadtbank;
[* 1] Stadt im
KreisCalbe des preuß. Reg.-Bez.
Magdeburg,
[* 14] nahe der anhält. Grenze, an derBode,
in einer Verflachung der aus Muschelkalk und buntem Sandstein bestehenden, vom Harz auslaufenden Hügelreihen, die zwischen
Magdeburg und dem Harz eine
Mulde mit einem bedeutenden Reichtum an
Braunkohlen bilden, an den Linien
Magdeburg-
Schönebeck-Aschersleben
und
Magdeburg-Blumenberg-S. (53,7 km) der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 15] Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht
Magdeburg), Steueramtes
und einer Berginspektion, hat (1895) 18 931 (9622 männl., 9359 weibl.) E.,
darunter 1757 Katholiken und 68 Israeliten, Postamt erster
Klasse mit Zweigstelle,
Telegraph,
Teile der alten Stadtmauer, Johanniskirche
(15. Jahrh.), Petrikirche (1890), kath.
Kirche (1887), Rathaus (1889), höhere
Bürgerschule; Maschinenfabriken,
Kesselschmieden,
Brückenwagenbauanstalt, bedeutende königl. Salzwerke und eine Gewerkschaft
Ludwig II. - S. wird urkundlich 806 als
Starasfurt, ein Solgut bei S. 1195 erwähnt; 1452 wurde ein neuer Solbrunnen erbaut.
Die Solgüter waren in
Händen von sog. Pfännern, die 1796 das ganze Salzwerk an den König von
Preußen
[* 16] verkauften. Seit
dieser Zeit wurde die 7prozentige
Sole zur
Darstellung von Kochsalz verarbeitet, bis man 1839 auf dem rechten
Bodeufer in 260 m
Tiefe ein Steinsalzlager antraf; 50 m tiefer fand man bunte, bittere
Salze, aus
Magnesia und Kalisalzen bestehend
(Abraumsalze, s. d.), in den nächsten 280 m
Tiefe aber reines, mit Anhydritschnüren durchsetztes
Steinsalz. 1851 begann die
Aufschließung bis 340 m
Tiefe durch
Abteufen zweier
Schächte und 1857 die bergmännische Gewinnung der
Salze, denen S. seinen Weltruf verdankt.
Die 1857 auf anhalt. Gebiet, etwa 1,2 km von den preuß.
Schächten entfernt, angestellten Bohrversuche führten zur Errichtung
der herzogl. Kaliwerke von
Leopoldshall. Die
Salze sind in ihrer
Ablagerung scharf nach ihrer Löslichkeit im Wasser
auf- und übereinander geschichtet, so daß immer das leichter lösliche das schwerer lösliche bedeckt, ein
Beweis,
daß die ganze
Ablagerung den
Absatz aus einem Meeresboden darstellt. Die obersten Schichten von 260 bis 310 m bilden die letzten
Rückstände der
Mutterlauge, die untersten von 310 bis 340 m das schönste, oft wasserhelle krystallinische
Steinsalz.
Stellenweise befindet sich oberhalb der beschriebenen
Ablagerung noch ein jüngeres Steinsalzlager ohne Anhydritschnüre mit
vorzüglichem
Steinsalz (98-99 Proz.
Chlornatrium), dieses jedoch nur innerhalb des Feldes des königlich preuß. Werkes sowie
der Felder der Salzbergwerke
Neu-Staßfurt,
Ludwig II.,
Leopoldshall und Solvayhall bei
Bernburg.
[* 17] Das ältere
Steinsalz ist von
dem preuß. Fiskus in der Nähe von Unseburg durchbohrt worden, und zwar
wurde es bereits bei 80 m
Teufe angetroffen, während man das Liegende erst bei 1250 m
Teufe erreichte. Bei einem Einfallswinkel
von 35 bis 45° ist daher die Mächtigkeit dieses Lagers auf rund 900 m zu schätzen.
Die Verwertung der Kalisalze fällt sowohl den einzelnen Salzbergwerken als auch gesondert bestehenden chem.
Fabriken zu, welche die Hauptprodukte auf Chlorkalium, auf schwefelsaures Kalium und schwefelsaure Kalimagnesia verarbeiten.
Als Nebenartikel werden gewonnen: Glaubersalz, in großen Krystallen für Glashütten;
Die meiste Pottasche wird aber nicht in S., sondern
in auswärtigen ältern Sodafabriken dargestellt. In S. ist nur eine Fabrik, die Pottasche aus Kaliumsulfat herstellt. Der
Kieserit wird als Düngemittel, Fällungsmaterial von Blanc fixe und zur Darstellung des Alauns verwendet;
er ersetzt in vielen Fällen die Schwefelsäure.
[* 19] Die Fabriken, von denen ein Teil 1872 sich unter der Firma VereinigteChemische
[* 20] Fabriken, AktiengesellschaftLeopoldshall, konsolidiert hat, beschäftigten 1895 bei vollem Betriebe durchschnittlich 550 Arbeiter; 35 Dampfkessel
[* 21] liefern den nötigen Dampf.
[* 22]
Das bei vollem Betriebe jährlich verarbeitete Rohmaterial beträgt ungefähr 75 Mill. kg.
Das fiskalische Werk S. hatte 1895 eine Belegschaft von 1000 Mann und 42 Dampfkessel. Die Produktion betrug 1895: 204,050
Mill. kg Kalisalz und 68,271 Mill. kg Steinsalz. Leopoldshall hat eine Belegschaft von 1166 Mann und 37 Dampfmaschinen
[* 23] im Betrieb.
Neben seiner Schachtförderung hatte es früher eine Kochsalzsiederei, zu welcher jährlich etwa 1,5 Mill.
kg Steinsalz kamen. Es lieferte 1894: 47,237 Mill. kg Steinsalz und 241,8?0 Mill. kg Kalisalze. Von den Kalisalzen waren beim
königlich preuß. Werke 105,746 Mill. kg, beim Leopoldshaller 98,582 Mill. kg Kainit, der Rest im wesentlichen Carnallit.
Die Flächenausdehnung der Kalisalzlager ist anscheinend zwar geringer als die des Steinsalzes, aber immer
durch eine von Croppenstedt über Westeregeln, Egeln, Tarthun, S., Schackenthal, Aschersleben,
[* 24] Friedrichsaue, Heteborn nach
Croppenstedt gezogene Linie annähernd begrenzt. Die 1869 von Reinwarth angeregten und 1870 begonnenen Bohrversuche auf der
südwestl. Seite des langgestreckten Gipsberges bei Westeregeln stellten 1871 in 149,7 m Tiefe das Vorkommen
einer sehr mächtigen Ablagerung von Kalisalzen fest.
Sie ist durch das Salzwerk Douglashall, jetzt im Besitz der Alkaliwerke Westeregeln, Aktiengesellschaft, bergmännisch aufgeschlossen
und förderte 1894: 192,389 Mill. kg Kalisalze. Weitere Funde ergaben die Ausdehnung
[* 25] der Kalisalzlagerstätten auf dem linken
Ufer der Bode, wohin 1,3 km nordwestlich sowie nördlich von den frühern Schächten neue fiskalische Schachtanlagen
(SchachtAchenbach und die Doppelschächte Maybach und von Berlepsch) verlegt sind; ferner bei Löderburg und Rothenförde (Gewerkschaft
Neu-Staßfurt mit Zeche Agathe), und beim Lerchenbrunnen (Riebeckscher Schacht), jetzt im Besitz der Gewerkschaft Ludwig II. Ferner
haben die östlich von Aschersleben durch die Continental Diamond Rockboring Company angestellten Diamantbohrungen,
welche von der Mineral Salts Production and Moorlands Reclamation Company aufgenommen wurden, zur Anlage des Werkes Schmidtmannshall
(s. d.) geführt.
Von den drei zuletzt genannten Werken förderte Neu-Staßfurt 62,559 Mill. kg Steinsalz, 221,912 Mill. kg Kalisalz, davon 124,937
Mill. kg Kainit; Ludwig II.
71,073 Mill. kg Carnallit; Schmidtmannshall 231,996 Mill. kg Kalisalz, davon
93,226 Mill. kg Kainit. In den letzten Jahren ist das Vorhandensein der Kalisalze auf einem großen Flächenraume nachgewiesen,
besonders am Süd- und Ostrand des Harzes bis tief nach Hannover,
[* 26] Braunschweig
[* 27] und selbst Mecklenburg
[* 28] hinein. Im allgemeinen
handelt es sich aber hier um das Vorkommen von Carnallit, während der wertvollere Kainit in abbauwürdiger
Mächtigkeit nur an sehr wenig neuen Punkten angetroffen worden ist. Neuere Kalisalzbergwerke wurden angelegt bei Bienenburg
bei Goslar
[* 29] (Gewerkschaft Hercynia), in Roschwitz bei Bernburg (Deutsche
[* 30] Solvaywerke), in Thiede bei Braunschweig (Thiederhall),
bei Anderbeck (Wilhelmshall), in Jessenitz in Mecklenburg, Beienrode bei Königslutter, Kaiserrode bei
Salzungen. Zum Teil sind die Schächte noch im Abteufen begriffen.
Vgl. Reinwarth, Über die Steinsalzablagerungen bei S. und die dortige Kaliindustrie (Dresd. 1871);
Bischof, Die Steinsalzwerke
zu S. (2. Aufl., Halle
[* 31] 1875);
Ochsenius, Bildung der Steinsalzlager (ebd. 1877);
Precht, Salzindustrie von S. und Umgebung (Staßf.
1891);
van 't Hoff und Meyerhoffer, Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen,
insbesondere des Staßfurter Salzlagers (Berl. 1897).
Island
[* 33] (spr. stätt'n eiländ),Insel in der Bai von Neuyork,
[* 34] 9 km südwestlich von Neuyork, ist von Long Island
durch die Narrows, von Neujersey durch den Staten-Island-Sund getrennt, 21 km lang, 13 km breit und 154 qkm groß. Die Insel
bildet das County Richmond, ist seit 1898 mit Neuyork vereinigt, hat (1890) 51 600 E. und ist von einer
Bahn durchzogen, die auf einer Brücke
[* 35] nach Elizabeth übersetzt Es wohnen in den Ortschaften viele Neuyorker Geschäftsleute,
die auf Dampffähren nach der Stadt gelangen. Vergnügungslokalitäten ziehen im Sommer Besucher an.
als Übersetzung des semit. Sekel (s. d.) zunächst ein Gewichtsstück, dann
die älteste Münzeinheit der Griechen, die sie aus dem Lydischen Reiche übernahmen. Wert und Gewicht waren nach Material,
Ort und Zeit verschieden; es gab S. in Gold,
[* 37] Elektron und Silber. Bekannt ist namentlich der äginäische Silberstater von 12,4
g, im Wert von etwa 2,2 M., zu 2 Drachmen, der längere Zeit den größten TeilGriechenlands beherrscht
hat. Neben ihm steht der euböische leichtere S. von etwa 8,5 g, auf den der korinthische zu 3 und der attische (8,73 g, Wert
etwa 1,57 M.) zu 2 Drachmen, daher auch gewöhnlich Didrachmon («Doppeldrachme»)
genannt, zurückgehen. Der Name S. haftet in Attika nur an der Goldmünze gleichen Gewichts mit einem Kurswert von etwa 19 M.
(nach heutigem Metallwert etwa 24,3 M.). Sehr nahe an diesen Wert kam der pers. Goldstater, der
Daricus (s. d.). Als Elektronstatere waren besonders die Lampsakener und
Kyzikener im Verkehr. - Über das S. genannte griechische Handelsgewicht s. Cantaro.
(grch.), ein Geschwindigkeitsmesser für Eisenbahnzüge (s.
¶
mehr
Eisenbahnfahrgeschwindigkeit),
[* 39] bei welchem die erforderlichen Aufzeichnungen auf einem durch ein Uhrwerk bewegten Papierstreifen
selbstthätig notiert werden.
(lat.), den Standort festhaltend, stillstehend. S. nennt man einen Motor auf festliegender Grundplatte im
Gegensatz zu den fahrbaren (lokomobilen) Motoren. (S. Lokomobile.)
[* 46] – In der Astronomie
[* 47] nennt man stationär
den Punkt in der scheinbaren Bahn eines Himmelskörpers, wo er aus der rechtläufigen in die rückläufige Bewegung oder umgekehrt
übergeht. In diesem Punkt scheint er einige Zeit ohne jede Bewegung zu verharren.
Company (spr. stehsch’ners kömmpĕni), die in London
[* 48] seit 1403 bestehende Gesellschaft der stationarii,
d. h. der Personen, welche die Herstellung und den Verkauf von Büchern oder ein damit verbundenes Gewerbe
betrieben. Als an die Stelle von Handschriften gedruckte Bücher getreten waren und der Wirkungskreis der Gesellschaft bedeutend
wuchs, erhielt sie 1556 Korporationsrechte mit wichtigen Privilegien, legte ungefähr in gleicher Zeit die für die Geschichte
des engl. Buchhandels und der Litteratur höchst wichtigen registers an, in welchen alle sie betreffenden
Verordnungen, Privilegien, sehr bald auch die Titel der in England neu erscheinenden Bücher aufgezeichnet wurden. Sie bildeten
das Grundbuch für den Schutz der Verleger und Autoren gegen Nachdruck und spielen noch heute für das engl. Urheberrecht (copyright)
die gleiche Rolle. –
Vgl. Arber, A Transcript of the registers of the Company of Stationers of London 1554‒1640 (5 Bde.,
Lond. 1875‒94).
(von
dem neulat. und ital. Wort statista,
Staatsmann, Politiker), ursprünglich soviel wie Staatskunde, worunter die systematische Darstellungder Verfassung, der Organisation,
der Bevölkerungsverhältnisse, der militär. und wirtschaftlichen Hilfsquellen und der sonstigen
bemerkenswerten Einrichtungen und Verhältnisse eines oder mehrerer Staaten zu verstehen ist. In diesem Sinne verfaßten bereits
im 16. Jahrh. unter anderm Sebastian Münster,
[* 51] Francesco Sansovino und GiovanniBotero ausführliche Staatsbeschreibungen, und
die seit 1626 in Leiden erscheinenden «Respublicae Elzevirianae» verfolgten gleiche
Zwecke.
Auf Grund dieser und ähnlicher Quellen hielt Hermann Conring seit 1660 an der UniversitätHelmstedt Vorlesungen staatsbeschreibenden
Inhalts, die an andern Hochschulen vielfach Nachahmung fanden. Besondern Vorschub erhielt die Staatskunde
als Unterrichtswissenschaft (Universitätsstatistik) durch Achenwall, der in seinem zuerst 1749 veröffentlichten «Abriß
der neuesten Staatswissenschaften der heutigen vornehmsten europ. Reiche und Republiken» (Göttingen)
[* 52] sich zum erstenmal des
Wortes S., und zwar in dem obigen Sinne von «Staatsmerkwürdigkeiten» bediente, sowie durch dessen Schüler und Nachfolger
auf dem Göttinger Lehrstuhl, von Schlözer, der die S. als histor.
Disciplin auffaßte und dies in dem bekannten Satz zum Ausdruck brachte: «S. ist stillstehende Geschichte, Geschichte eine
fortlaufende S.». Gegenüber der bis dahin üblichen getrennten Behandlung der einzelnen Staaten bekundete Büsching (1724‒93)
insofern einen Fortschritt, als er den einzelnen statist. Fragen durch eine internationale vergleichende
Darstellung näher zu treten suchte. Neben dieser Auffassung von der S. als Staatenkunde bildete sich unterdes eine andere aus,
die die specifische Aufgabe der S. in der zahlenmäßigen Erhebung und Untersuchung von Massenerscheinungen auf dem Gebiete
des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens erblickt.
Ihren geschichtlichen Ursprung hat dieselbe in denjenigen Forschungen über die menschlichen Lebensverhältnisse,
welche ihr Material den im Laufe des 16. Jahrh. fast überall in Aufnahme gekommenen Kirchenbüchern mit ihren Verzeichnissen
der Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle entnahmen. Der erste, der auf Grund solchen Materials gewisse Regelmäßigkeiten
in den gesellschaftlichen Massenerscheinungen nachwies, war John Graunt («Observations
upon the bills of mortality», Lond. 1662),
der in William Petty (dem Verfasser von «An essay of political arithmetics», 1682 u. ö.)
einen Nachfolger fand. Derselbe machte sich insbesondere um die Methodik der neuen Wissenschaft verdient, der damals auch
die im Entstehen begriffene Wahrscheinlichkeitsrechnung zu gute kam. Der Astronom Halley förderte die
Bestrebungen seiner Vorgänger durch seine 1693 erschienene Sterbetafel (s. Sterblichkeitsstatistik), und der Deutsche Süßmilch
behandelte in seiner «Göttlichen Ordnung in den Veränderungen des Menschengeschlechts» (Berl. 1741; 5. Aufl.
1780) die bevölkerungsstatist. Regelmäßigkeiten in einem umfassenden Zusammenhange. Die Anhänger der beiden genannten
Richtungen, die als Achenwallsche und Süßmilchsche S. gegenübergestellt werden, verfolgten von
Anfang an selbständig ihre Wege, nicht ohne sich zeitweise aufs heftigste zu befehden. Im Laufe der Zeit wurde indes der
S. als Staatenkunde immer mehr
¶
mehr
Abbruch gethan, zumal da wegen der Masse des allmählich sich ansammelnden Stoffes eine akademische Behandlung derselben nicht
mehr möglich war und die Nationalökonomie, das Staats- und Verwaltungsrecht und die Geographie als selbständige Wissenschaften
sich loslösten. Übrigens hat noch neuerdings Wappäus (s. d.) den Standpunkt
Achenwalls im wesentlichen festzuhalten gesucht. Um so günstiger gestaltete sich die Entwicklung der auf
die zahlenmäßige Massenbeobachtung gerichteten Disciplin, da die allmählich sich entwickelnde statist.
Sammelthätigkeit der Staaten ein reichhaltiges Material anhäufte. Eine wesentliche Förderung wurde insbesondere der social-physiol.
Seite der Massenbeobachtung durch die Arbeiten Quételets (s. d.), namentlich durch dessen 1835 erschienenes Werk
«Sur l'homme», zu teil; zugleich lenkte er durch seinen Versuch, die menschlichen Handlungen
auf statist. Naturgesetze zurückzuführen (Gesetze der großen Zahl), die Aufmerksamkeit weiterer Kreise
[* 54] auf dieses Gebiet
und stellte die Moralstatistik (s. d.) auf längere Zeit in den Vordergrund des wissenschaftlichen
Interesses.
Ein weiterer Ausbau der mathem.-theoretischen Seite der Bevölkerungsstatistik erfolgte unter anderm durch
Laplace, Fourier, Moser, Hermann und neuerdings besonders durch Becker, Knapp, Zeuner und Lexis. Angesichts der Thatsache, daß
die zahlenmäßige Beobachtung von Massenerscheinungen bald nicht mehr auf das staatliche und gesellschaftliche Leben beschränkt
blieb, sondern auch auf andere Gebiete, namentlich auf Naturwissenschaften, Zoologie, Botanik, Meteorologie, Astronomie und
Medizin Anwendung fand, gelangte man dazu, die S. als eigenartige Forschungsmethode in das Gebiet
der Logik zu verweisen.
Als solche hat die S. die Aufgabe, Massenerscheinungen auf Grund von Zählungsergebnissen zu beurteilen, und ist insofern eine
Hilfsmethode der Induktion
[* 55] (Sigwart). Auf der andern Seite aber wird an der Stellung der S. als Wissenschaft von
den Erscheinungen des staatlichen und socialen Lebens festgehalten, die auch wohl als Demographie (s. d.) bezeichnet wird.
Je nach den Objekten, welche Gegenstand der statist. Untersuchung sind, unterscheidet man verschiedene Zweige der S. (S.
Bevölkerung,
[* 56] Ehestatistik, Geburtsstatistik, Sterblichkeitsstatistik, Berufsstatistik, Forststatistik, Gewerbestatistik, Handelsstatistik,
Kriminalstatistik, Moralstatistik, Unfallstatistik.)
Die Sammlung und tabellarische Ordnung des statist. Materials ist im wesentlichen die Sache öffentlicher
Behörden (amtliche S.), wie ja auch der unmittelbare Zweck dieser Erhebungen nicht ein wissenschaftlicher, sondern ein praktisch-administrativer
ist. Auf einigen Gebieten sind allerdings die von privater Seite veranstalteten Erhebungen (Privatstatistik) unentbehrlich,
indem dieselben nicht nur die amtlichen Bestrebungen zu ergänzen, sondern bisweilen auch ausschließlich
einen Erfolg zu sichern vermögen.
Gewisse statist. Feststellungen, wie Volkszählungen und Vermögensaufnahmen, finden sich schon in den Staaten des Altertums,
und je mannigfaltiger sich die staatliche Aufgabe in der neuern Kulturentwicklung gestaltete, um so mehr stellte sich das
Bedürfnis einer quantitativen Kenntnis der Hauptelemente des Staatslebens heraus. Doch wurden die Ergebnisse
der statist. Erhebungen anfangs in den meisten Staaten nicht veröffentlicht, sondern sogar sorgfältig
geheimgehalten.
Die erste Organisation der amtlichen S. in moderner Form geschah in Schweden,
[* 57] wo 1756 eine «Tabellenkommission» für die Aufstellung
von jährlichen Nachweisen über die Bewegung der Bevölkerung eingesetzt wurde. In Frankreich wurde 1796 ein
StatistischesBureau gegründet, das indes beim Sturz des Kaiserreichs einging und erst 1834 durch eine Centralstelle ersetzt
wurde. In Preußen trat ein StatistischesBureau 1805 ins Leben, jedoch nur auf kurze Zeit. Es wurde 1810 unter Hoffmann erneuert
und gelangte unter Ernst Engels (s. d.) Leitung (1860-82) zu seiner vollen Entwicklung.
Das kaiserl. Statistische Amt (s. d.) wurde unter Becker 1872 gegründet. Ähnliche Anstalten sind im Laufe des 19. Jahrh.
in allen Kulturstaaten entstanden, wenn auch nicht immer als Centralstellen, da in einigen Ländern, z. B. in England, die
Hauptzweige der S. von verschiedenen Bureaus bearbeitet werden. Den statist. Bureaus stehen in mehrern
Ländern noch Centralkommissionen, aus höhern Beamten und Gelehrten zusammengesetzt, zur Seite. Außer den Staaten haben auch
die meisten deutschen Groß- und selbst einige Mittelstädte statist.
Ämter errichtet. Die internationalen statistischen Kongresse (der erste 1853 in Brüssel,
[* 58] die folgenden in Paris
[* 59] 1855, Wien
[* 60] 1857,
London 1860, Berlin
[* 61] 1863, Florenz
[* 62] 1866, Haag
[* 63] 1869, Petersburg
[* 64] 1872 und der letzte 1876 in Budapest)
[* 65] haben
versucht durchzusetzen, daß die statist. Erhebungen in den verschiedenen Staaten nach einem möglichst einheitlichen Plane
erfolgen; sie steckten aber ihre Ziele zu weit, nahmen zu wenig Rücksicht auf nationale Eigentümlichkeiten und hatten daher
keine großen praktischen Erfolge.
Der 1879 nach Rom
[* 66] eingeladene Kongreß kam nicht zu stande, und erst 1885 ward in London wieder ein InternationalesStatistisches Institut gegründet, jedoch nur als Privatverein, während zu den frühern Kongressen amtliche Delegierte entsendet
wurden. Dieses Institut sucht die internationale S. durch periodische Versammlungen (zuletzt 1895 in Bern,
[* 67] 1897 in Petersburg) und
Herausgabe statist. Veröffentlichungen zu fördern. Auch die seit 1878 wiederholt (zuletzt 1894 in Budapest) abgehaltenen
internationalen Kongresse für Hygieine und Demographie dürfen in gewisser Beziehung als private Fortsetzung der frühern statist.
Kongresse angesehen werden.
Die amtlichen statist. Veröffentlichungen bestehen zunächst aus den aus dem Material gewonnenen Tabellenwerken, die ihrerseits
den Rohstoff für weitere Verarbeitung bilden. So erscheinen in Deutschland
[* 68] jährlich mehrere Bände der
«S. des DeutschenReichs» nebst «Vierteljahrsheften (früher Monatsheften) zur S. des
DeutschenReichs», ferner die «Preußische S.» in zwanglosen Heften und mehrere ähnliche Publikationen der übrigen Einzelstaaten
und der städtischen Ämter. In Frankreich giebt das Centralbureau eine «Statistique générale
de la France» heraus; außerdem werden auch von seiten verschiedener Ministerien regelmäßige Veröffentlichungen veranstaltet.
In England liefert der «Registrar general» das bevölkerungsstatist., das
Bureau des Board of trade das wirtschaftsstatist. Material. In Österreich
[* 69] ist das Hauptquellenwerk die von der statist. Centralkommission
herausgegebene «Österreichische S.». Die ital. Direktion der Allgemeinen S. liefert reichhaltiges bevölkerungsstatist.
Material; daneben erscheinen auch zahlreiche
¶
Staaten und engl. Kolonien. Das engl. Handelsamt giebt als Blaubuch den «Statistical
Abstract for the United Kingdom» heraus. Ähnliche «Abstracts» erscheinen für
Indien und für sämtliche Kolonien. Nach dem engl. Vorbilde giebt auch das StatistischeBureau des Schatzsekretariats
der Vereinigten Staaten jährlich einen «Statistical Abstract for the United States» heraus. Eine dritte Klasse der amtlichen
statist. Veröffentlichungen bilden die statist. Zeitschriften, in denen mehr ausgebildete Einzeldarstellungen, theoretische
Untersuchungen und ähnliche Abhandlungen erscheinen.
Hierher gehören die Zeitschriften der preuß., bayr.
und sächs. StatistischenBureaus, die «Österr. statist. Monatsschrift», die ital.
«Annali di statistica». Private Unternehmungen ähnlicher Art sind das
«Allgemeine statist. Archiv», hg. von G. von Mayr,das «Journal de la Société de statistique de Paris», das «Journal of the
Royal Statistical Society» in London und das «Bulletin de l’Institut international de statistique» in
Rom. (S. auch den Artikel Graphische
[* 81] Darstellung.)
Litteratur. Fallati, Einleitung in die Wissenschaft der S. (Tüb. 1843);
Knies, Die S. als selbständige Wissenschaft (Cass.
1850);
Ämter, Statistische Bureaus, s. Statistik. ^[= (von dem neulat. und ital. Wort statista, Staatsmann, Politiker), ursprünglich soviel wie Staatskun ...]
CentralkommissioninPreußen, 1861 errichtet und durch Ministerialerlaß vom reorganisiert,
hat die Aufgabe, ein einheitliches Zusammenwirken sämtlicher Zweige der Staatsverwaltung dahin zu vermitteln, daß auf allen
der Statistik (s. d.) zugänglichen Gebieten nach gleichmäßigen Grundsätzen
planmäßig verfahren, die Ausführung und Zuverlässigkeit der Erhebungen sicher gestellt und die Verarbeitung und Verwertung
der Ergebnisse in zweckentsprechender Weise bewirkt wird. Mitglieder der
S. C. sind der vom Minister des
Innern berufene Vorsitzende, Vertreter der einzelnen Ministerien und des Reichsamtes des Innern, der Direktor und ein Mitglied
des königl. StatistischenBureaus, je drei Mitglieder des Abgeordneten- und des Herrenhauses und Sachverständige, die vom
Minister eingeladen werden. Die S. C. untersteht dem Ministerium des Innern.
Die S. C. in Belgien und Österreich unterscheiden sich von der preußischen hauptsächlich dadurch, daß sie auch selbständige
statist. Erhebungen veranstalten. Während die belgische S. C. besonders in früherer Zeit unter der Leitung von A. Quételet
(s. d.) einen großen Einfluß auf die internationale Statistik ausübte, sind der österreichischen S.
C. unter der Leitung von K. Th. von Inama-Sternegg (s. d.) bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiete der staatlichen Statistik zu
verdanken.
Gebühr, eine Abgabe, die von den über die Grenze gehenden Waren behufs Sicherung der statist. Anschreibung
erhoben wird. Die Gebühr rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß ohne ein gewisses finanzielles
Interesse der Zollbehörden die zollfreien Waren nicht genügend angeschrieben werden, so daß die Handelsstatistik (s. d.)
leicht unrichtige Angaben enthält. Der Zweck der S. G. erfordert nur, daß sie bei den zollfreien Einfuhrwaren und bei den
Ausfuhrwaren erhoben wird, die heute mit verschwindenden Ausnahmen in den Kulturstaaten Ausgangszölle nicht
mehr zu tragen haben.
Bei den zollpflichtigen Einfuhrwaren ist ohnehin schon ein genügendes Interesse der Zollbehörden an der genauen
statist. Anschreibung vorhanden, und der Durchgangs- und Niederlageverkehr steht überhaupt unter Zollkontrolle. Die Gebühr
darf ihrer Idee nach nur mäßig sein und die Kosten der Handelsstatistik nicht überschreiten, wenn auch geringe
Überschüsse nicht beanstandet werden. Geht die Gebühr erheblich darüber hinaus, so nähert sie sich einem Zoll, der aber
durch die Zollbindungen in den Handelsverträgen nicht berührt wird.
In Deutschland beruht die S. G. auf dem Gesetz vom über die Statistik des Warenverkehrs mit dem Auslande. Nach diesem
Gesetz sind bei den Zollämtern in den Grenzbezirken die ein-, aus- und durchgehenden Waren anzumelden und zwar im kleinen
Grenzverkehr mündlich, sonst schriftlich. Zollfreie Sendungen bis 250 g, Reisegerät und ähnliches sind nicht anmeldepflichtig.
Nur von den schriftlich anzumeldenden Waren wird die S. G. erhoben, und auch hier nur dann, wenn sie
zollfrei eingehen oder im freien Verkehr ausgeführt werden.
Die Gebühr beträgt 1) 5 Pf. für je 500 kg verpackter oder 1000 kg unverpackter Waren sowie für je 5 StückPferde,
[* 83] Maultiere,
Esel, Rindvieh, Schweine,
[* 84] Schafe,
[* 85] Ziegen (andere Tiere sind frei);
2) 10 Pf. für je 10000 kg Steinkohlen, Getreide, Kartoffeln, Erze, Spinnstoffe und andere vom Bundesrate
zu bestimmende Rohstoffe. Die Gebühr giebt einen mäßigen Ertrag, der zum größten Teil in die Reichskasse fließt und
zum kleinern Teil den Bundesstaaten überwiesen wird als Ersatz für die Kosten, die ihnen durch die Handelsstatistik erwachsen.
Der Ertrag der S. G. betrug 1894/95: 753676 M. brutto und abzüglich aller Kosten und Entschädigungen 727487
M.
Korrespondenz, eine viermal monatlich in Berlin im Verlag des königl. StatistischenBureaus seit 1867 erscheinende
Zeitschrift, bis 1881
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268 von Ernst Engel, seitdem von dem gegenwärtigen Direktor desselben, E. Blenck, herausgegeben;
diese bringt die Hauptergebnisse
der in den Veröffentlichungen des Bureaus ausführlich dargestellten Forschungen u.s.w. in kurzen Aufsätzen, daneben auch
die Ergebnisse statist.
Cäcilius, röm. Komödiendichter, s. Cäcilius^[= # Statĭus, röm. Komödiendichter, stammte aus dem Lande der kelt. Insubrer, kam als Sklave, ...] Statius.
Publius Papinius, röm. Dichter, geb. um 45 n. Chr.
zu Neapel,
[* 87] erhielt seine Erziehung in Rom und siegte daselbst mehreremal in den poet. Wettkämpfen. Er
wurde vom Kaiser Domitian vielfach begünstigt, zog sich aber später auf sein Landgut bei Neapel zurück, wo er um 96 starb.
Seine epischen Gedichte, die «Thebais» in zwölf Gesängen, die von dem Kriege der Sieben gegen Theben handelt,
und die unvollendete «Achilleis», worin er die Schicksale des Achilles vor dem Trojanischen Kriege schildert, leiden an Bombast
und Dunkelheit. Außerdem giebt es von ihm «Silvae», d. h.
Wälder (vermischte Gelegenheitsgedichte), in fünf Büchern, die zum Teil gelungene Bilder aus dem Leben der Zeit bieten. Unter
den Ausgaben sämtlicher Werke sind zu nennen die von J. Fr. Gronov (Amsterd.
1653; 2 Bde., Mannh. 1782), Dübner
(2 Bde., Par. 1835–36; Lpz.
1837) und Queck (2 Bde., Lpz. 1854), und
unter den Sonderausgaben der «Silvae» die von Markland (Lond.
1728; neu hg. von Sillig, Dresd. 1827) und die unvollendete von Hand
[* 88] (Bd. 1, Lpz. 1816); eine
Ausgabe der «Thebais» lieferte Helm (Berl. 1892). Eine kleinere kritische Gesamtausgabe des S. lieferten Bährens und Kolmann
(2 Bde., Lpz. 1876–84). Wichtig
für die Kritik und Erklärung ist Gronovs «Diatribe in Statii silvas»
(Haag 1637; neue verbesserte Aufl. von Hand, 2 Bde., Lpz. 1812); vgl.
auch Leo, DeStatii Silvis (Gött. 1893). Die «Thebais» übersetzte Imhof (2 Tle., Ilmenau 1885–89). –
Vgl. H. Müller, StudiaStatiana (Rostock
[* 89] 1894);
heilige (ital. luoghi santi), in der kath.
Kirche im allgemeinen die durch die Anfänge des christl. Glaubens verherrlichten Örtlichkeiten. In engerm Sinne führen diesen
Namen eine Anzahl in Palästina
[* 90] in und um Jerusalem,
[* 91] in Bethlehem, Nazareth u.s.w. belegener, zu Heiligtümern
der christl. Religion eingerichteter Stellen, die nach Geschichte oder Legende mit der Geburt, Erziehung, Lehrthätigkeit, Passion,
Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi in Verbindung stehen.
Nur ganz allmählich und unter geschickter Benutzung der Verhältnisse vermochten die Lateiner, namentlich die seit 1219 in
Palästina ansässigen Franziskaner, die 1230 von Papst Gregor IX. zu Wächtern der S. bestellt wurden, und daneben die Griechen
wieder Besitzrechte auf dieselben zu erwerben. Seit dem 16. Jahrh. trat Frankreich als Schutzmacht der röm.-kath. Kirche im
Orientauf und ließ die Besitzrechte der Franziskaner wiederholt durch die Pforte bestätigen. (Vgl. Négociations de laFrancedans le Levant etc., hg. von E. Charrière, 4 Bde.,
Par. 1848–60.) Im 18. Jahrh. jedoch wußten
die Griechen den größern Teil der Grabeskirche, die Marienkirche in Bethlehem und einen der drei Schlüssel zur dortigen Geburtsgrotte
von dem türk. Großwesir zu erlangen und nach dem Brande der Grabeskirche 1808 wurden sie durch Besorgung des Neubaues alleinige
Eigentümer des größten Teiles dieser Kirche.
Das Verlangen Rußlands nach dem Schutzrecht über alle griech. Christen im Orient und nach dem Schlüssel
der Grabeskirche wurde zwar durch den Ausgang des Orientkrieges (1856) vereitelt, doch hat Rußland 1868 und 1869 die Wiederherstellung
der Kuppel über dem HeiligenGrabe in Verbindung mit Frankreich übernommen und tritt seitdem als Besitzer der
Grabeskirche auf. Diese ist eine Simultankirche ganz eigener Art. Der Sultan als Landesherr beansprucht den Boden unter der
Kirche und die Luft über der Kirche; auch sind die Schlüssel zur Kirche in den Händen der Mohammedaner, denen es ferner obliegt,
das Gebäude zu bewachen und die Ordnung darin aufrecht zu erhalten.
Die drei Haupteigentümer der Kirche sind die drei privilegierten Konfessionen
[* 93] in Jerusalem: die Lateiner, die Griechen und
die Armenier;
die Kopten, syr. Jakobiten und Abessinier haben geringere Rechte.
Die Marienkirche in Bethlehem gehört den Griechen,
während auf die Geburtsgrotte sowohl die orient. Konfessionen als auch die LateinerAnspruch haben. Man
unterscheidet überhaupt zwischen gemeinsamem Besitz, ausschließlichem Besitz und Benutzungsrecht. Der große Wert, den
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