weiter ins
Innere zogen und
Niederlassungen in Gegenden gründeten, wohin man auf dem gewöhnlichen Kolonisationswege erst
weit später vorgedrungen wäre. Es wurde daher frühzeitig in
Vorschlag gebracht, die S. durch sog. Vorkaufsgesetze in dem
Besitz der occupierten Ländereien zu schützen, wobei man von dem Grundsatze ausging, daß die auf Urbarmachung
des
Bodens verwendete Mühe und
Arbeit schon
an sich einem darauf verwandten
Kapital gleichkomme. Seit dem 1862 erlassenen Heimstättengesetz
(s. d.) haben die auf die S. bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen nur noch
Bedeutung für die Geltendmachung der
Rechte seitens der Privateigentümer.
(spr. skweiĕr),EphraimGeorge, amerik.
Reisender und Altertumsforscher, geb. zu
Bethlehem im
Staate Neuyork,
[* 2] untersuchte mit Davis die alten
Denkmäler im Mississippithal, wurde 1849 Geschäftsträger der
Vereinigten Staaten
[* 3] in Guatemala
[* 4] und Nicaragua,
[* 5] wo er mit Erfolg den Versuchen der Engländer, die Grenzen
[* 6] ihres Schutzgebietes
Mosquitia auf Kosten Nicaraguas auszudehnen, entgegentrat. Von 1863 bis 1864 war S.
Kommissar der
Union
in
Peru
[* 7] und wurde 1871 Präsident des Anthropological
Institute in Neuyork, wo er starb. Er veröffentlichte u. a.:
«The ancients monuments of the Mississippi Valley»
(Washington
[* 8] 1848),
«Sketches of travels in Nicaragua» (Neuyork 1851),
«Nicaragua,
its people, scenery and monuments» (2 Bde.,
Neuyork und Lond. 1852),
Abkürzung für salva ratificatione (lat., mit
Vorbehalt der Genehmigung), oder für salva remissione (lat.,
vorbehaltlich der Rücksendung), oder ür ^[richtig: für] sub rubro (lat., unter der Rubrik).
(EinzahlSrbin), einheimischerName der
Serben (s. d.). ^[= serb. (Einzahl n), slaw. Volksstamm im W. der Balkanhalbinsel, durch einheitliche Schriftsp ...]
(Mittel-Kolymsk), Bezirksstadt im
BezirkKolymsk (s. d.) des russ.-sibir. Gebietes Jakutsk,
links am mittlern Lauf der
Kolyma, hat 492 E.,
Kirche und 53 Holzhäuser. 265 km südlich von S., am Oberlauf der
Kolyma, liegt das Dorf
Werchne-Kolymsk (Ober-Kolymsk) und 560 km nördlich von S. auf einer
Insel im Unterlauf der
Kolyma, 130 km
vor ihrer Mündung ins
Eismeer,
Nishne-Kolymsk (Nieder-Kolymsk), ein befestigtes Dorf mit 192
E.,
Kirche, 43
Höfen, Fischerei
[* 11] und dreimaliger Postverbindung im Jahre.
engl.
Sylhet, Distrikt in
Assam in
Britisch-Ostindien, begrenzt im 3t. von den Khasi- und Dschaintiabergen,
im O. von
Katschar, im S. durch den
StaatTripura und den Distrikt
Tripura, im W. von dem Distrikt Maimansing, umfaßt (1891)
auf 14 022 qkm 2 154 593 E., darunter 1 123 984 Mohammedaner, 1 016 068
Hindu, 13 818 Geistergläublge, 643
Christen.
Es ist eine äußerst fruchtbare Alluvialebene und besteht aus den
Thälern des
Barak und seines Nebenflusses Surma, die nach
W. hin in die Ebene von Niederbengalen übergehen. - Die Stadt S., am Nordufer des Surma, zählt (1891) 14 027 E.,
zur Hälfte
Hindu. Sie ist Mittelpunkt des Flußhandels in
Assam.
auch
Suradschnagar (sanskr. Sūrjanagar, d. h. Sonnenstadt), öfters
auch Kaschmir
[* 13] genannt, Hauptstadt der
Provinz Kaschmir im
Reiche Kaschmir und
Dschamu (s. Kaschmir) und Sommerresidenz des
Maharadscha,
unter 34° 5½' nördl.
Br. und 74° 51' östl. L., im herrlichen
Thale von Kaschmir am Ufer des Dschihlam,
der hier 80 m breit die Stadt in 2 durch 7
Brücken
[* 14] verbundene Hälften teilt; auch verschiedene
Kanäle durchschneiden die
Stadt. S. liegt 1608 m
ü.
d. M. und ist von sumpfigen Niederungen umgeben, die
das Klima ungesund machen.
Die Bevölkerung beträgt (1891) 118 960, darunter 26 069
Hindu; fast alle übrigen Einwohner sind Mohammedaner. S. besitzt
hölzerne Häuser in engen und schmutzigen
Straßen, die oft von Feuersbrünsten heimgesucht werden, einen großen
Bazar (im
Maharadsch-gandsch), eine schnurgerade Pappelallee, einen 76 m hohen Festungsberg (Hari-Parbat) im Norden,
[* 15] dessen
Spitze ein
Fort einnimmt, ferner ein
Fort und den
Palast auf dem Scher Garhi (Tigerburg), eine
Dschami Masdschid (große
Moschee), ein vierseitiges
Gebäude mit offenem
Hof
[* 16] in der Mitte und zahlreiche Gärten. Der
Dal,
d. i. der See an der Nordostseite
von S., auf dem die «schwimmenden Gärten» treiben,
ist von
Moore in seinem «Lalla Rookh» besungen, und der Lustgarten Schalimar-Bagh
ist der Schauplatz seines «Light of the
Harem». - (S. auch Garhwal.)
(engl. Serampore), Stadt im Distrikt Hugli in der Division
Bardwan in
Bengalen, liegt nördlich von Kalkutta,
[* 17] auf dem rechten Ufer des Hugli, gegenüber Barrackpur, an der Eisenbahn Haura-Bardwan, hat europ.
Ansehen und zählt (1891) 35 952 E., darunter 30 181
Hindu, 5455 Mohammedaner und 304
Christen. Früher unter dem
Namen Frederiksnagar
zu
Dänemark
[* 18] gehörend, gelangte S. durch
Kauf mit andern dän.
Niederlassungen in
Ostindien
[* 19] an die
Englisch-Ostindische
Compagnie. S. ist durch die seit 1799 daselbst blühende Missionsanstalt engl.
Baptisten berühmt geworden und hat Papierfabrikation.
[* 20]
(Srirangapattam,Serangepatam,Seringapatam), befestigte Stadt in dem Vasallenstaat Maisur in
Britisch Ostindien,
bis 1800 Residenzstadt des Radscha von Maisur (s. d. und
Bangalur), in ungesunder
Lage, an der
¶
mehr
von Bangalur nach Maisur führenden Eisenbahn, auf einer kleinen Insel der Kaweri, hat enge und schlechte Straßen und zählt
(1891) nur noch 12 551 E., darunter 10 587 Hindu, 1784 Mohammedaner, 178 Christen, während sie zur Zeit Tipu Sahibs 150000
hatte. Haidar AlisPalast am östl. Ende der Insel, ein prachtvolles Gebäude, obgleich nur aus Lehm bestehend,
ist größtenteils verfallen. Daneben ist ein Mausoleum, in welchem Haidar Ali, seine Gemahlin und sein Sohn Tipu Sahib ruhen.
Am wurde S. durch die Engländer erstürmt.
Pseudonym des russ. Schriftstellers Saltyków (s. d.). ^[= (grch.) nennt man eine Schrift, die unter einem falschen Namen herausgegeben wird, oder auch ...]
(vom lat. status), das innerhalb eines bestimmten Gebietes
bestehende Gemeinwesen, welches, wenn auch nur in beschränktem Umfange, die oberste, d. h. von niemandem rechtlich abhängige
Gewalt über die in diesem Gebiet wohnenden Personen ausübt und zur Leitung und Förderung ihrer Gesamtinteressen berufen
ist. Die Natur des Menschen, sein Geselligkeitstrieb und die Existenzbedingungen für eine Mehrheit zusammenlebender Menschen
fordern den S. Wie sich der einzelne S. bildet, welchen Umfang er gewinnt, ob er ein einheitliches Volk
oder ein Nationalitätengemisch oder eine Mehrheit von Nationen unter sich begreift, wie lange er besteht, ist eine Folge
geschichtlicher Bedingungen und Vorgänge. Daß der S. eine Anstalt zur Sicherung des Rechts auch ist, worauf
man ihn in der Aufklärungsperiode gern beschränken wollte, versteht sich; daneben steht aber die Sorge für die Wohlfahrt
aller (Salus reipublicae suprema lex esto) und nicht minder die Förderung der geistigen und sittlichen Kulturaufgaben der
Menschen.
Indem der S. seine Macht unabhängig von jeder fremden Macht selber handhabt und für sich die oberste
Gewalt beansprucht, ist er souverän. (S. Souveränität.) Die äußere Gestaltung seiner Organe nennt man Staatsform. Die
Grundanschauung aber, nach welcher sich das staatliche Leben vollzieht, heißt das Regierungsprincip. Die Staatsform ist entweder
Monarchie oder Republik, welche letztere wieder eine engere oder weitere sein kann, entweder Aristokratie (s. d.)
oder Demokratie (s. d.). In der
Monarchie (s. d.)
tritt die einheitliche Konzentration aller Staatsgewalt in dem Staatshaupt und dessen staatlicher Würde (Majestät) energischer
hervor; die Republik (s. d.) betont entschiedener die Macht und den Willen des
Volks, sich selber zu regieren. Die konstitutionelle Monarchie ist ein Versuch, die Vorzüge der Monarchie mit
denen der Republik zu vereinigen; ebenso versucht die repräsentative Republik mit einem Präsidenten an der Spitze auch einigermaßen
die Vorzüge der Monarchie zu gewinnen. Häufig ist die Verbindung mehrerer S. zu einem Bundesstaat (s. d). Hierzu Karte: Verteilung
der Staatsformen und Kolonialverfassungen auf der Erde.
Die Staatsformen bestimmen das Staatsrecht (s. d.), die Regierungsprincipien die Politik (s. d.).
Man hat die S. eingeteilt in Rechtsstaaten und Polizeistaaten, je nachdem in ihnen die Freiheit des Einzelnen einen größern
Rechtsschutz genoß, oder die Bevormundung der Individuen durch die polizeiliche Thätigkeit der Regierung in den Vordergrund
gestellt wurde. -
Vgl. die Litteratur zu Staatsrecht sowie Ratzel, Der S. und sein Boden, geographisch betrachtet
(Lpz. 1896);
B. Schmidt, Der S. Eine öffentlich-rechtliche Studie (ebd. 1896);
Die Theorie der S., die in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika
[* 26] eine
wichtige Rolle gespielt hat, beruhte auf der Annahme, daß die 13 Staaten 1787-89 bei der Ratifikation der Unionsverfassung
einen Vertrag geschlossen hätten, von dem die einzelnen Kontrahenten nach Belieben zurücktreten könnten, und daß die Souveränität
nicht dem Gesamtstaat, sondern den Einzelstaaten zukomme.
Auf diese Theorie gründete sich 1832 die Nullifikationsbewegung
und 1861 die Secession der Südstaaten.
über den Begriff s. Staatsbürger. Erwerb und Verlust der Staats- und Reichsangehörigkeit ist
in Deutschland
[* 27] geregelt durch das Reichsgesetz vom das vom an in der ihm durch
das Einführungsgesetz zum Bürgerl. Gesetzb. Art. 41 zu teil gewordenen Fassung gilt. Nach ihm wird die S. erworben 1) durch
Abstammung: eheliche Kinder erwerben die S. des Vaters, uneheliche die der Mutter; der Geburtsort und der Wohnort der Eltern
ist dabei ohne Bedeutung;
2) durch Legitimation;
3) für die Frau durch Verheiratung;
4) durch Anstellung im öffentlichen Dienst;
5) durch Verleihung, welche bei einem DeutschenAufnahme, bei einem AusländerNaturalisation (s. d.) heißt. Die Naturalisation
kann frei versagt werden, während die Aufnahme jedem Angehörigen eines andern deutschen Gliedstaates erteilt werden muß,
der sich in dem Gebiete, wo er Aufnahme nachsucht, niederläßt. Verlust der S. tritt ein durch Legitimation
eines unehelichen Kindes, wenn der Vater einem andern Staate angehört, durch Verheiratung mit dem Angehörigen eines andern
Staates, durch Entlassung auf Antrag, die aber in Rücksicht auf Erfüllung der militär. Dienstpflicht
¶
mehr
verweigert werden kann, durch ununterbrochenen zehnjährigen gewöhnlichen Aufenthalt im Auslande und in gewissen, gesetzlich
bestimmten Fällen durch Expatriierung. Nach den noch bestehenden Bancroftverträgen mit der Nordamerikanischen Union von 1868 verlieren
Deutsche,
[* 29] welche nach den Vereinigten Staaten auswandern und daselbst die S. erwerben, die deutsche S. schon nach 5 Jahren.
Lassen sie sich wieder in Deutschland ohne Absicht der Rückkehr nach der Union nieder oder halten sie sich 2 Jahre
daselbst auf, so brauchen sie die Staaten des Norddeutschen Bundes nicht mehr als Amerikaner zu behandeln, ohne daß sie aber
von Rechts wegen wieder Deutsche würden. - Die deutsche Reichsangehörigkeit wird mit der Zugehörigkeit
zu einem deutschen Staat erworben und verloren, außerdem von Eingeborenen und Ausländern in den Schutzgebieten unmittelbar
durch Naturalisation vom Reich. -
Vgl. Kommentar zum Gesetz vom von Cahn (2. Aufl., Berl. 1896).
-
In Frankreich ist die Gesetzgebung über S. (Code civil Art. 8, Gesetz vom und
wesentlich darauf bedacht, der Abnahme der Bevölkerungsziffer vorzubeugen. Jedes in Frankreich geborene Kind, von dem ein Elternteil
in Frankreich geboren ist, wird Franzose.
Der Anklageprozeß (s. Anklage), welcher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh.
die herrschende Form des Strafverfahrens geworden ist, erfordert zu seiner Durchführung die Vertretung der Anklage durch eine
dem Angeklagten gegenüberstehende Partei. Dies kann der durch die Strafthat des Angeklagten Verletzte (s.
Privatklage), oder ein beliebiger Bürger (s. Popularklage), oder, sobald der Staat die Verfolgung der Verbrechen
zu seinen Aufgaben zählt, ohne wie im Inquisitionsprozeß (s. d.) Ankläger und Richter in einer Person zu vereinigen, ein dazu
besonders berufener Beamter sein.
Während in England noch heutzutage grundsätzlich die Verfolgung von VerbrechenRecht und Pflicht jedes Bürgers ist und selbst
da, wo die Verfolgung von Staats wegen geschieht, die Anklage von dem Attorney general oder seinem Vertreter,
dem Solicitor general, nur als von einem Anwalt des Ministeriums erhoben wird, hat sich in Frankreich aus Anfängen, die bis
ins 15. Jahrh. zurückreichen, nach den Schwankungen der Revolution unter dem ersten Kaiserreich
eine festgegliederte Anklagebehörde: Ministère public, in Deutschland S. genannt, ausgebildet, der Napoleon 1810 die
im ganzen noch jetzt bestehende Verfassung gab. Hiernach bilden die S. der Generalprokurator am Kassationshofe, die Generalprokuratoren
mit ihren Stellvertretern an den Appellhöfen und die Staatsprokuratoren (jetzt Procureurs de la république) bei den Gerichten
erster Instanz. Der erstgenannte empfängt unmittelbar vom Justizminister seine Befehle und erteilt sämtlichen
Beamten der Staatsbehörde durch die Generalprokuratoren die nötigen Weisungen.
Die deutschen Rheinlande hatten mit dem franz. Recht zugleich die S. unter unbedeutenden Abänderungen ihrer Zuständigkeit
bewahrt. In der Mehrzahl der übrigen deutschen Staaten fand das Institut seit 1848, wiewohl unter Beschränkung auf
das Strafverfahren, Eingang. Nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz
vom 27. Jan. und der Strafprozeßordnung vom
sowie nach der Österr. Strafprozeßordnung vom hat die S. in Deutschland und Österreich
[* 30] eine im wesentlichen übereinstimmende
Gestaltung.
Bei jedem Gericht soll eine S. bestehen; das Amt derselben wird ausgeübt bei dem Deutschen Reichsgericht
durch einen Oberreichsanwalt und mehrere Reichsanwälte (s. d.), bei dem Obersten
Gerichts- und Kassationshof (s. d.) in Wien
[* 31] durch einen Generalprokurator, bei den deutschen Oberlandesgerichten und Landgerichten
(einschließlich der Schwurgerichte) durch einen oder mehrere Staatsanwälte, von denen die bei den Oberlandesgerichten in
den meisten deutschen Staaten den AmtstitelOberstaatsanwalt (s. d.) führen, bei den österr.
Oberlandesgerichten durch einen Oberstaatsanwalt und bei den österr. Gerichtshöfen erster Instanz durch einen Staatsanwalt,
bei den deutschen Amts- und Schöffengerichten durch Amtsanwälte (s. d.), bei den österr. Bezirksgerichten durch Beamte der
S., der polit. und Polizeibehörden oder besonders ernannte «staatsanwaltschaftliche
Funktionäre». Die dem ersten Beamten der S. (bei den deutschen Landgerichten meist Erster Staatsanwalt
genannt) als Vertreter beigegebenen Beamten sind ohne besondern Auftrag zu allen Amtsverrichtungen desselben berechtigt.
Die Oberstaatsanwälte und die ersten Beamten der S. sind berechtigt, innerhalb ihres Geschäftskreises jede Strafsache selbst
zu übernehmen oder einem andern ihnen unterstellten staatsanwaltschaftlichen Beamten zu übertragen.
Die S., zu deren Ämtern, abgesehen von den Amtsanwälten, nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz nur zum Richteramt
befähigte Beamte ernannt werden dürfen, ist in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig; die Beamten der S.
sind dagegen an die dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten gebunden. In Österreich sind die Staatsanwälte den Oberstaatsanwälten,
diese und der Generalprokurator dem Justizminister unmittelbar untergeordnet; in Deutschland steht das
Recht der Aufsicht und Leitung dem Reichskanzler hinsichtlich des Oberreichsanwalts und der Reichsanwälte, den einzelnen Landesjustizverwaltungen
hinsichtlich aller staatsanwaltlichen Beamten ihres Staates, den ersten Beamten der S. bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten
hinsichtlich aller Beamten der S. ihres Bezirks zu. Doch haben in denjenigen Sachen, in denen das Reichsgericht
(s. d.) in erster und letzter Instanz zuständig ist, alle Beamten der S. im DeutschenReich den Anweisungen des ihnen im übrigen
nicht vorgesetzten Oberreichsanwalts Folge zu leisten.
Der Hauptberuf der S. ist die Vorbereitung, Erhebung und Durchführung der öffentlichen Klage; nach dem
in §. 152 der Deutschen und §. 34 der Österr. Strafprozeßordnung zum Ausdruck gelangten Legalitätsprincip (s. d.) ist
die S. verpflichtet, von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, alle gerichtlich strafbaren Handlungen zu verfolgen; diese Verpflichtung
hat ihre Grenze da, wo die ausschließliche Berechtigung der S. zur Erhebung der Anklage (Anklagemonopol)
aufhört, d. h. in Österreich bei allen nur auf Begehren eines Beteiligten zu verfolgenden Handlungen, in Deutschland bei
den im Wege der Privatklage zu verfolgenden Delikten. Doch kann der Staatsanwalt in Österreich auch hier auf Wunsch des Privatanklägers
dessen
¶
mehr
Vertretung übernehmen, in Deutschland die öffentliche Klage erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Dem mehr
oder minder weitgehenden Anklagemonopol der S. steht andererseits in Österreich die subsidiäre Privatanklage, in Deutschland
die Befugnis des Verletzten gegenüber, wegen versagter Verfolgung auf gerichtliche Entscheidung anzutragen. (Das Nähere
hierüber s. Privatklage.) Die Vorermittelungen werden von der S. teils selbständig
unter Mitwirkung der Beamten der Sicherheits- und Polizeibehörden («Hilfsbeamte der S.»),
welche ihren Anordnungen Folge zu leisten haben, teils durch Ersuchen der Amts- oder Bezirksgerichte geführt, teils auf Antrag
der S. durch gerichtliche Voruntersuchung (s. d.) erhoben. Bis zur Erhebung der öffentlichen Klage, als welche
auch der Antrag aufVoruntersuchung gilt, bleibt die S. Herrin des Verfahrens; aber die erhobene Klage kann nach §. 154 der
Deutschen Strafprozeßordnung nicht mehr zurückgenommen, sondern muß durch Beschluß oder Urteil des Gerichts erledigt werden,
während nach §. 259 der Österr.
Strafprozeßordnung dem Ankläger in strenger Durchführung des Anklageprincips der Rücktritt von der
Anklage freisteht, bis sich der Gerichtshof zur Fällung des Urteils zurückzieht. Anträge auf Einstellung des Verfahrens oder
auf Freisprechung sind der S. auch im deutschen Strafprozeß nicht verwehrt, nur ist das Gericht nicht an dieselben gebunden.
Nach der 1896 gescheiterten Novelle zur Strafprozeßordnung sollte sie zu Gunsten des Angeklagten auch
Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses vor der Hauptverhandlung beantragen dürfen. Auch in der Hauptverhandlung (s. d.)
erscheint die S. nur äußerlich als Partei; sie hat überall die Pflicht, die Wahrheit zu erforschen, nicht bloß zur Belastung,
sondern auch zur Entlastung des Angeklagten; sowohl nach der Deutschen (§. 338) als nach der Österr.
Strafprozeßordnung (§§. 282, 283) ist sie befugt, Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten einzulegen. Wegen der dem Generalprokurator
zustehenden Nichtigkeitsbeschwerde «zur Wahrung des Gesetzes» s.
Nichtigkeitsbeschwerde. Nach §. 483 der Deutschen Strafprozeßordnung erfolgt auch Strafvollstreckung (s. d.) durch
die S., nach §§. 34, 401-405, 407, 408 der Österr. Strafprozeßordnung steht ihr eine gewisse Mitwirkung
dabei zu.
Nach der Deutschen Civilprozeßordnung ist in Ehesachen (s. Eheprozeß) und Entmündigungssachen (s. Entmündigung) die Zuziehung
der S. geboten; ebenso erfordert das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte (s. Ehrengericht) die Mitwirkung der
S. Landesgesetzlich ist derselben ein weiterer Wirkungskreis besonders im Disciplinarverfahren und bei der
Justizverwaltung zugewiesen. Mit fast den nämlichen Attributen ist die S. in mehrern Schweizerkantonen, in Italien,
[* 33] Spanien,
[* 34] Belgien,
[* 35] Holland ausgestattet. In dem Gesetze vom (Prosecution of offences Act) ist auch in England ein Schritt zur
Einführung der S. geschehen.
Litteratur. Holtzendorff, Die Umgestaltung der S. (Berl. 1865);
Gneist, Vier Fragen zur deutschen Strafprozeßordnung
(ebd. 1874);
Schütze, Das staatsbürgerliche Anklagerecht (Graz
[* 36] 1876);
von Kries, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts
(Freiburg
[* 38] 1892), §. 27; Em. Ullmann, Lehrbuch
des deutschen Strafprozeßrechts (Münch. 1893), §§. 56 und 57; Artikel S. im 2. Ergänzungsband zu Stengels «Wörterbuch
des deutschen Verwaltungsrechts (Freiburg
1893).
(Medicina publica oder politico-forensis), die Wissenschaft von der Anwendung der Medizin
und ihrer Hilfswissenschaften zur Erreichung von Staatszwecken.
Sie zerfällt in die Gerichtliche Medizin (s. d.), die Medizinalpolizei
(s. Hygieine), die Medizinalordnung oder das Medizinalwesen (s. d.) und das Militärmedizinalwesen
(s. Sanitätswesen). -
Vgl. außer den Lehrbüchern von Henke, Mende und Krahmer und den ältern encyklopäd.
Werken von Siebenhaar
und Most besonders Kraus und Pichler, Encyklopäd.
die ausdrückliche Weigerung oder die thatsächliche Unfähigkeit des Staates, seine rechtlich unzweifelhaften
Schuldverbindlichkeiten zu erfüllen. Der S. kann erfolgen durch Einstellung der Zahlungen auf unbestimmte Zeit,
durch völlige Lossagung von der Schuld, so daß die Staatsgläubiger Kapital und Anspruch auf Zinsen vollständig verlieren,
durch Herabsetzung des Zinsfußes ohne Zustimmung der Gläubiger und ohne diesen die sofortige Rückzahlung des Kapitals anzubieten,
durch zu hohe, also den Zinsfuß herabsetzende Besteuerung der Zinscoupons, durch die Zahlung der Zinsen in
einer verschlechterten Münze oder in einem schlechten Papiergelde, durch die Herabsetzung des Wertes des Staatspapiergeldes
oder durch die massenhafte Ausgabe unterwertiger Scheidemünze.
Wenn man beim Bankrott (s. d.) in Bezug auf die moralische Verwerflichkeit einen Unterschied machen kann, so ist der S. wohl
noch verwerflicher als der Privatbankrott. Zudem schädigt der S. den Kredit des Staates. SolideStaatsverwaltungen
müssen deshalb auf Erhaltung desGleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben Bedacht nehmen. Indes sind doch Umstände denkbar
und möglich, welche den S. unvermeidlich machen, z. B. wenn ein großer, unglücklicher
Krieg dem Staat die besten Einnahmequellen abgeschnitten hat.
Selten übrigens entschließt sich ein civilisierter Staat zu einer offen ausgesprochenen Repudiation
(s. d.) seiner Schulden; man begnügt sich in den schlimmsten Fällen gewöhnlich
damit, die Zahlung der Zinsen faktisch einzustellen und läßt den Gläubigern die Hoffnung auf ein künftiges Arrangement. Eine
Besteuerung der Coupons oder die Einlösung derselben in entwertetem Papiergeld ist formell eigentlich nur den
auswärtigen Gläubigern gegenüber ein S. Der S. ist in der Geschichte nicht selten. Selbst in Preußenbez. Brandenburg
[* 40] ist
S. vorgekommen (1693 Einstellung der Zinsenzahlung für die Schulden des Großen Kurfürsten, 1806 ebenfalls Einstellen der
Zinszahlung). In Österreich wurden im dritten Viertel des 17. Jahrh. die Zahlungen verweigert; 1811 führte die
fortdauernde Entwertung zu einem förmlichen Bankrott. Viel häufiger noch kam der S. in Spanien und Frankreich vor (in Spanien¶
mehr
z. B. 1575, 1596, 1605, 1668; in Frankreich 1615, 1638, nach dem TodeLudwigs XIV., zur Zeit des Lawschen Systems, 1764, 1770,
1797). Die einfache Lossagung von der Schuld ist in neuerer Zeit bei einigen amerik. Freistaaten vorgekommen (s.
Repudiation), ferner 1850 in Dänemark in Bezug auf die Anleihen, die von der durch den DeutschenBund eingesetzten
Bundesregierung in Schleswig-Holstein
[* 42] aufgenommen waren. Der S. in der Türkei
[* 43] 1875 hatte zur Folge, daß in Konstantinopel
[* 44] ein Administrationsrat der Gläubiger eingesetzt wurde, welchem die Verwaltung und direkte Einkassierung der für den Dienst
der auswärtigen Schuld abgetretenen Einkünfte übertragen wurde. In der neuesten Zeit sind wiederum
verschiedene mittel- und südamerik. Staaten (z. B. Argentinien) und in Europa
[* 45] Portugal und Griechenland
[* 46] ihren Anleiheverpflichtungen
nicht nachgekommen, und Italien erhöhte die Couponsteuer seiner Anleihen. Auch Serbien hat Zahlungsschwierigkeiten. -
Vgl. Meili,
Der S. und die moderne Rechtswissenschaft (Berl. 1895).
Staatsgewerbe, der vom Staat auf eigene Rechnung unterhaltene Betrieb eines wirtschaftlichen
(Produktions-, Handels- oder Transport-) Unternehmens. Derselbe ist entweder ein freies, indem der Staat die Konkurrenz anderer
Unternehmer in dem gleichen Zweige ungehindert zuläßt, oder ein monopolistischer, wenn der Staat sich die Ausnutzung eines
Verkehrszweigs ausschließlich vorbehalten hat. Im letztern Falle ist das Monopol entweder ein rein finanzielles,
eine bloße Form der Erhebung einer Verbrauchssteuer, wie das Tabak- oder Salzmonopol in mehrern Staaten, oder es hat zugleich
oder vorzugsweise eine allgemeine wirtschaftliche Bedeutung, wenn nämlich die Annahme gerechtfertigt ist, daß der Betrieb
vom Staate für das Gesamtwohl zweckmäßiger eingerichtet werden kann, als von Privatunternehmern. Hierher
gehört namentlich der Postbetrieb, der in allen, und der Telegraphenbetrieb, der in fast allen civilisierten Ländern als
sog. Regal dem Staate vorbehalten ist. (S. Monopol und Regalien.)
im weitern Sinne soviel wie Staatsangehöriger, also derjenige, welcher mit seiner ganzen Persönlichkeit,
soweit sie äußerlich beherrscht werden kann, dem Staate dauernd, also auch außerhalb des Staates unterworfen
ist. Den Gegensatz hierzu bildet der Staatsfremde, der nur, solange er sich mit Person oder Vermögen im Lande befindet, dem
Staate untersteht. Im engern Sinne werden S. diejenigen Staatsangehörigen genannt, welche polit. Rechte besitzen und so sich
selbständig an dem öffentlichen Leben beteiligen.
Charakteristisch für unsere Zeit ist die Tendenz, die Bedingungen dieses vollen Staatsbürgerrechts zu
erleichtern, zugleich aber auch den Inhalt desselben, besonders auf dem Gebiete der Selbstverwaltung, zu erweitern. Die gewöhnlichen
Voraussetzungen dieses engern Staatsbürgerrechts sind jetzt Indigenat (s. d.),
männliches Geschlecht, ein gewisses Alter, Unabhängigkeit von der öffentlichen Armenunterstützung, in einigen Staaten
auch Entrichtung eines Minimums an direkter Steuer oder Erfüllung einer andern das Vermögen betreffenden Bedingung. Die Entziehung
der bürgerlichen Ehrenrechte wird als Strafverschärfung verwendet. In Österreich wird Staatsbürgerschaft auch für Staatsangehörigkeit
gebraucht. (S. auch Staatsangehörigkeit.)
Staatsbeamter oder Staatsdiener ist derjenige, welcher dem Staate kraft eines besondern
staatsrechtlichen Aktes (seiner Anstellung) zur Leistung von dauernden Diensten in Unterordnung unter ein vorgesetztes Organ
verpflichtet ist. Nicht bloß diejenigen Beamten sind Staatsbeamte, welche staatliche Hoheitsrechte ausüben (die Staatsminister,
Gesandten, Konsuln, Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamten, Zollbeamten u. s. w.), sondern auch die öffentlichen
Lehrer und die Regierungs- und Finanzbeamten, welche zur Verwaltung staatlichen Privateigentums berufen
sind; nicht minder die zu mechan. Diensten berufenen Schreiber und Boten, wenn sie förmlich angestellt sind.
Selbstverständlich auch die Offiziere, wenn auch die sog. Staatsdienergesetze nur für die Civilbeamten gelten. Ebenso sind
die Kommunalbeamten als Staatsdiener anzusehen, soweit sie eigentlich staatliche Verwaltungsfunktionen ausüben, die der
Staat den ihm untergeordneten Kommunalverbänden übertragen hat. Diese Beamten der Gemeinden, Provinzen
u. s. w. werden daher mittelbare Staatsdiener genannt. Auch die Notare, nicht aber die Anwälte, sind Staatsdiener.
Dagegen haben die Kirchenämter nach der heutigen Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche nicht mehr den Charakter
von Staatsämtern. Die Civilbeamten zerfallen in richterliche und in Verwaltungsbeamte. Wenn auch die
Berufsbeamten die Hauptklasse der Staatsbeamten bilden, so sind von dem Begriffe der Staatsbeamten doch auch die nicht auszuschließen,
welche ein Nebenamt, eine öffentliche Funktion ausüben. Die Handelsrichter (s. d.)
sind Beamte, soweit sie im Amte zu handeln berufen sind, ebenso wie die Inhaber anderer unbesoldeter Ehrenämter.
Der Anzustellende muß die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt haben. Der Staatsdiener genießt die ihm gesetzlich
zustehenden besondern Rechte und hat auf Grund gesetzlicher Specialvorschrift privatrechtlichen Anspruch auf die Besoldung und
die dienstlichen Emolumente. Ist er definitiv angestellt, so kann er in Deutschland im allgemeinen aus dem Amt gegen seinen
Willen nur auf Grund eines strafgerichtlichen oder eines Disciplinarurteils entlassen werden.
Besondere Garantien der Unabhängigkeit ihrer Stellung sind den richterlichen Beamten gewährt. Die Dienstpflicht eines Staatsdieners
kann zeitweise ruhen, indem er mit in der Regel verringerter Besoldung (Wartegeld) zur Disposition gestellt wird, bis sich
eine anderweitige angemessene Verwendung für ihn findet. Ausgeschlossen ist diese Maßregel für Richter.
Dagegen können gewisse Kategorien von Verwaltungsbeamten, besonders des auswärtigen Dienstes, deren Übereinstimmung mit
der leitenden Autorität Erfordernis ihrer Thätigkeit ist, ohne weiteres zur Disposition gestellt werden. (S. Disposition.)
Im Falle der Dienstunfähigkeit erhält der Staatsdiener unter den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen eine Pension (s. d.).
In vielen Ländern haben namentlich die höhern Staatsdiener, deren Ämter eine ausgeprägte polit. Bedeutung
haben, eine sehr wenig gesicherte Stellung und werden meistens bei jedem Verlust der herrschenden Partei durch andere ersetzt.
Am vollständigsten ist dieses sog. «Beutesystem»
in den Vereinigten Staaten zur Herrschaft gelangt. Die Ordnung und Zucht des deutschen Beamtentums, auf
welcher der deutsche
¶
mehr
Territorialstaat beruht, die Bureaukratie mit ihren Licht- und Schattenseiten, mit ihrem umfassenden Personal, ihrer genau
abgegrenzten Arbeitsteilung und ihrer hierarchischen Ordnung (Amtshierarchie) hat sich seit dem 16. Jahrh. entwickelt. In hervorragender
Weise hat besonders der preuß. König Friedrich Wilhelm I. die Ausbildung des S. durch zahlreiche Anordnungen und eigenhändig
verfaßte Instruktionen gefördert. Diese Bediensteten erschienen zwar nominell als fürstliche, sie
wurden aber bald zu wirklichen Staatsbeamten. Die erste umfassende Kodifikation des Staatsdienerrechts enthält das Preuß.
Allg. Landr. II, 13. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Reichsbeamten sind geregelt durch das Gesetz vom mit
Abänderungen vom und (Art. 43 des Einführungsgesetzes zum Bürgerl.
Gesetzbuch). -
Vgl. Kanngießer, Das Recht der deutschen Reichsbeamten (Berl. 1874);
GeorgMeyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (4. Aufl., Lpz. 1895), §§. 142 fg.; Otto Mayer, Deutsches
Verwaltungsrecht, Tl. 2 (Lpz. 1896), §§. 42-46. Aus der ältern Litteratur ist besonders die epochemachende
Schrift von Gönner (Landshut
[* 48] 1808) hervorzuheben.
Vgl. auch die Lehrbücher des Staatsrechts von Laband, G. Meyer, Zorn u. a.
Die rechtshistor.
Entwicklung ist neuerdings gut dargestellt von Rehm in Hirths «Annalen» (1884, 1885).
s. Österreichisch-Ungarische^[= s. die erläuternden Tabellen zur Übersichtskarte der Eisenbahnen in Österreich-Ungarn beim ...] Staatseisenbahngesellschaft.
eine besondere Art der öffentlichen Unterstützung von Privatunternehmungen, deren Begründung und
Erhaltung im allgemeinen Interesse liegt. Dieselbe besteht entweder darin, daß den Unternehmern (in der
Regel Aktiengesellschaften) ein Minimum der Verzinsung ihres Kapitals vom Staate gewährleistet wird, oder darin, daß der Staat
eine Garantie für die Verzinsung und Amortisation von Anleihen übernimmt, die zur Vervollständigung des Kapitals der Unternehmungen
erforderlich sind. In besonders ausgedehntem Umfange ist die S. bei Privateisenbahnen zur Anwendung gekommen.
So sind im franz. Budget 1895 für Zinsgarantien auf Eisenbahnen allein 92 Mill. Frs. ausgeworfen. (S. auch Eisenbahnsubvention.)
früher Bezeichnung für solche, die wegen verbrecherischer, gegen die Regierung eines Staates vorgenommener
oder doch politisch gefährlicher Handlungen ihrer Freiheit, sei es zur Strafe, sei es, um sie nur unschädlich
zu machen, beraubt wurden. Der Schwerpunkt
[* 49] des Begriffs lag in der Zulässigkeit der Freiheitsberaubung ohne gesetzlichen Grund
und richterliche Verfügung. Dagegen bezeichnet der Ausdruck Staatsgefängnis im Entwürfe des Österr. Strafgesetzes von 1889 die
Art der Freiheitsstrafe, die im Deutschen Strafgesetzbuche Festungshaft (s. d.) heißt, und es werden die
Gefangenen in Staatsgefängnissen und in Festungen, welche
sich dort auf Richterspruch befinden, auch wohl S. genannt.
ein Gerichtshof zur Aburteilung solcher Staatsverbrechen, die der Kompetenz der gewöhnlichen Gerichte
entzogen sind. Heute sind die ordentlichen Gerichte auch für alle Staatsverbrechen zuständig (so im Reich das Reichsgericht)
und nur behufs eines besondern Schutzes der konstitutionellen Verfassungen, aber auch zum Schutz verfassungsmäßig
regierender Minister (namentlich gegen polit. Verfolgungen) sind in einigen Staaten besondere S. eingerichtet. S. ist daher
heute die gewöhnliche Bezeichnung des Gerichtshofs, der über die vom Parlament erhobene Ministeranklage richtet.
Ein solcher S. ist in Bayern,
[* 50] Sachsen,
[* 51] Württemberg,
[* 52] Baden,
[* 53] Sachsen-Weimar, Braunschweig,
[* 54] Oldenburg
[* 55] und in
Österreich, hier durch Gesetz vom vorgesehen. In Österreich besteht der S. aus 24 unabhängigen und gesetzeskundigen
Bürgern, von denen je 12 von jedem Hause des Reichsrats gewählt werden, die aber selbst keinem der beiden Häuser angehören
dürfen. In Bayern wird der S. aus 7 Richtern des obersten Gerichtshofs und 12 Geschworenen, in Baden aus
Mitgliedern der Ersten Kammer und der obern Gerichte gebildet. In den übrigen Staaten ernennt die Hälfte der Mitglieder der
Landtag, die andere der Monarch. In Hessen,
[* 56] Meiningen,
[* 57] Altenburg,
[* 58] Coburg-Gotha, Reuß
[* 59] j. L., Schwarburg-Rudolstadt fungiert
das Oberlandesgericht als S. In Sachsen, Braunschweig, Oldenburg entscheidet der S. auch Verfassungsstreitigkeiten
zwischen Regierung und Landtag. In Preußen giebt es keinen S. In England ist das Haus der Lords der große polit. Gerichtshof
(s. Impeachment).
die staatlich unterstützten technischen Unterrichtsanstalten der mittlern Stufe in Österreich,
wie sie nach Dumreichers Plan seit 1875 organisiert sind. Jede besteht aus mehrern sog. Fachschulen (s. d.),
die nur hinsichtlich der Verwaltung ein Ganzes bilden; sie gehören teils zur Form der höhern Gewerbeschulen (s. d.),
teils zur Form der Werkmeisterschulen (s. d.) und bilden teils für die Baugewerbe, teils für mechan., teils für
chem. Technik vor.
Welche dieser Fachrichtungen in einer Staatsgewerbeschule vereinigt sind, hängt von den örtlichen Bedürfnissen ab; wo
nur eine Fachschule vertreten ist, wird sie nicht als Staatsgewerbeschule bezeichnet. Die höhere Schulform verteilt ihren
Lehrstoff auf sechs Halbjahre, die für Werkführer und kleine Unternehmer bestimmte Werkmeisterschule auf drei. (S. Fachschulen.)
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ein Gesetz, welches die rechtlichen Principien und grundlegenden Einrichtungen der Verfassung und
Verwaltung eines Staates zum Ausdruck bringt, namentlich aber die konstitutionelle Regierungsform ordnet und in der Regel unter
besondere Garantien, durch Verfassungeide u. s. w., besonders aber dadurch
gestellt ist, daß für Abänderungen der Verfassungsurkunde erschwerende Formen, Zweidrittel- oder Dreiviertelmajorität
oder zweimalige Abstimmung nach bestimmtem Zwischenraum (so in Preußen), vorgeschrieben sind. (S. auch Verfassung.)
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