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sind in der ursprünglichen Gestalt erhalten, das «Poema de Conde Fernan Gonzalez» in Klerikerbearbeitung, andere, wie «Bernardo del Carpio», die «Sieben Kinder von Lara», der «Cerco de Zamora» in der vortrefflichen Prosaauflösung der «Crónica general», aus welcher späterhin die Romanze und das Theater [* 2] reichste Anregung zog. Die Klerikerdichtung bewegt sich vorzugsweise im vierzeiligen Alexandriner, der «Cuaderna via», ist kirchlich oder gelehrt popularisierend.
Ihr hervorragendster Vertreter ist um 1230 Gonzalvo de Berceo, der in naivrealistischer Breite [* 3] Heiligenleben, Marienwunder und Verwandtes vorträgt, aber auch die «Alexandreis» des Gautier von Chatillon bearbeitet hat. Einem lat. Roman folgt das «Libro de Apolonio» (Shakespeares «Pericles»),
das erwähnte «Poema de Fernan Gonzalez» verkirchlicht die Volkssage. Dazu kommen einige Umkleidungen kleinerer franz. Gedichte, wie der Streit zwischen Körper und Seele, Wein und Wasser, endlich das einzige altspan. geistliche Drama, das «Misterio de los reyes magos» (Erlangen [* 4] 1887).
Die Blütezeit des Epos war das 12. Jahrh., und auch die Kunstdichtung räumt in der Mitte des 13. Jahrh. der Prosa den Platz, die von Alfonso X. dem Weisen geschaffen wurde. Vor seiner Zeit liegen nur Urkunden, die älteste (1274) das «Fuero de Avilés» (Madr. 1865) und die von Ferdinand dem Heiligen noch in den verschiedenen Dialekten veranstalteten Übersetzungen des Westgotenrechts, das «Fuero Juzgo» (ebd. 1815). Das bedeutendste Werk des Königs ist seine «Span. Chronik» (Zamora 1541 und Valladolid 1604),
die er später zu einer Weltchronik, «Crónica general», erweiterte, ausgezeichnet durch harmonische Jugendfrische der Sprache [* 5] und naiv-epische Darstellung, eine Fundgrube poet. Sage. Daneben steht sein encyklopäd. «Septenario», eine umfassende, wenn auch wenig wirksame gesetzgeberische Thätigkeit («Opúsculos legales», Madr. 1836),
die in dem großen Codex der stark lehrhaften «Siete Partidas» (ebd. 1807) gipfelt. Auch die in seinem Auftrag gefertigten Übersetzungen einer Reihe astron. Traktate («Libros del Saber de Astronomia», Madr. 1863) sind stilistisch von ihm redigiert. Außerdem hat er die Rahmenerzählung «Calila und Dimna», die arab. Version der ind. «Pantschatantra», übertragen lassen. Gleichzeitig sind Übersetzungen aragon. Sentenzensammlungen, an der Spitze die «Bocados de oro» (vgl. Knust, Mitteilungen aus dem Escorial, Tüb. 1880), mit orient. Schmuck, deren Nachahmungen zum Teil in die Gattung der Fürstenspiegel oder die Rahmenerzählung hinüberfließen. Im wesentlichen bleibt zunächst die Pflege der Prosa bei der Königsfamilie, lehrhaft und historisch. Alfonsos Bruder Fadrique ließ das Gegenstück zu «Calila und Dimna», die Novellensammlung «Sindibad» (hg. von Comparetti, Mail. 1869) übersetzen; sein Sohn Sancho IV. Senecas «De ira», Brunetto Latinis «Libro del Tesoro», veranlaßte die Kompilation der «Gran [* 6] Conquista de Ultramar» (Bd. 41 der «Biblioteca de autores españoles», 1858) und verfaßte mit fremder Hilfe ein encyklopäd.
«Lucidario» sowie den Fürstenspiegel «Castigos e documentos». Alfonso XI. verfaßte ein «Jagdbuch» (Madr. 1877),
veranlaßte die Übersetzung des altfranz. «Roman de Troie» und eröffnete, indem er die Fortsetzung der «Crónica de España» bis auf seine Zeit befahl, die lange Reihe der offiziellen Reichschroniken («Biblioteca de autores españoles», Bd. 66 u. 68). Ein anderer Enkel Alfonsos X., Juan Manuel, nimmt neben ihm die erste Stelle unter den alten Prosaisten ein. Von seinen mannigfaltigen Schriften mögen nur die verlorenen «Reglas como se deve trovar», die erhaltenen «Bücher von den Ständen», das encyklopäd. «Del Caballero y del Escudero», das «Libro de la Caza» (hg. von Baist, Halle [* 7] 1880) genannt sein; am berühmtesten ist der Novellenkranz des «Libro de Patronio» oder «Conde Lucanor», die erste selbständige span. Sammlung, eigenartig und frisch erzählt (verdeutscht von Eichendorff, Berl. 1840).
Die «Gran Conquista de Ultramar» hatte franz. Epen von Berta und Mainet und den «Schwanenritter» in sich aufgenommen, etwas später sind einige andere erzählende Dichtungen übersetzt, «Sebile», «Florence de Rome», «Guillaume d'Angleterre» (vgl. Knust, Dos obras didácticas, Madr. 1878). Von weittragendster Bedeutung wurde im ersten Drittel des 14. Jahrh. die Übertragung des umfangreichen Prosatristan (Handschrift der «Vaticana» 6428),
auf welche später noch andere höfische Abenteurerromane des Artuskreises folgten («Lancarote», «Brodo de Merlin», «Demanda del Graal). Bald nach dem Tristan ist noch sehr ungeschickt der "Cavallero Cifar" (Tüb. 1872) erfunden; sein nächster Nachkomme aber, wenn auch vielleicht erst zu Beginn der folgenden Periode, war der berühmte Amadis (s. d.); Frauendienst und Abenteuer sind nach franz. Art, aber der Held ist gefühlvoller und tugendhaft geworden, der Rahmen des Artushofes aufgegeben.
Man kennt keine Nachahmungen aus dem 15. Jahrh., erst die Erneuerung und Drucklegung des Romans durch Montalvo rief diese hervor. Viel gelesen ward er indessen von Anfang an und wirkte mitbestimmend auf die Zeitideale. Gleichzeitig mit der Novelle Juan Manuels und dem «Cifar» ist die Reimerzählung des Archipreste de Hita Juan Ruiz, dem die herkömmliche didaktische Absicht nur noch als Vorwand dient, um seine farbenreiche Lebenslust, Darstellungsgabe und Reimfertigkeit spielen zu lassen.
Bei ihm finden sich auch die ersten castilischen lyrischen Gedichte, Pastorellen, Marienlieder, Bittlieder für Vaganten, an altfranz. Formen sich anlehnend, aber volksmäßig umgestaltet. Mit ihm, ihrem originellsten Vertreter, schließt die Zeit des überwiegenden franz. Einflusses; nur die Reimsprüche des Rabbi Santo [* 8] (um 1350) und zum Teil das «Rimado de palacio» des Pero Lopez de Ayala, das letzte Gedicht in der «Cuaderna via», sind ihr noch beizurechnen. In seiner Prosa und Lyrik gehört Ayala der folgenden Periode an. - Einen beträchtlichen Teil der ältesten Litteratur enthalten die Bände 51 und 57 der «Biblioteca de autores españoles»; zu weiterer Orientierung empfiehlt sich Puymaigre, Les vieux auteurs castillans (2. Aufl., 2 Bde., Par. 1888-90) und die Abteilung «Spanische Litteratur» [* 9] in Gröbers «Grundriß der roman. Philologie», Bd. 2 (Straßb. 1893 fg.).
Eine zweite Periode (15. Jahrh.) hebt sich scharf von der ersten ab, in der innern Grundlage wie in den äußern Beziehungen. Bisher trafen Spielleute, Könige und Geistliche in dem Streben nach Gemeinverständlichkeit zusammen. Hauptträger der Litteratur wird nunmehr ein unruhiger, glanzliebender Adel, dessen Ideal nicht mehr der Cid, sondern der Amadis ist, dem die Gelegenheitsdichtung wie die Förderung der Kenntnis des Altertums zum Schmuck des Lebens dient: die Litteratur richtet sich ¶
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an eine einzelne Klasse der Bevölkerung. [* 11] Die portugiesische, der provençalischen entstammende Hofdichtung war seit Alfons X. vereinzelt auch in Castilien gepflegt worden, aber stets in der fremden Sprache, so unter Pedro I. von dem sagenberühmten Macias, zahlreicher unter Enrique II., vereinzelt bis unter Enrique III. Unter Juan I., seit 1379, tritt die castilische Sprache an die Stelle der fremden, und damit entfaltete sich zugleich eine erstaunliche Produktivität, die sich in den Sammlungen der Cancioneros (s. d.) nur bruchstückweise spiegelt.
Ihr Charakter ist wesentlich der gleiche: Gesellschaftsdichtung mit konventioneller Empfindung, affektiertem Liebesleid, Glossen, spitzfindige Fragen und Antworten, Schimpfgedichte, in künstlicher Mannigfaltigkeit der Strophe, des Reims [* 12] und Refrains, für ernstere Gegenstände anstatt der alten Cuaderna via die anspruchsvoll rasselnde Form der Arte mayor. Volkstümlicher bleiben nur die schon von Juan Ruiz gepflegten religiösen Lieder und Serranillas (Pastorellen).
Bald nach 1400 führte dann ein Sevillaner genuesischer Abstammung, Francisco Imperial, die sehr äußerlich Dante nacheifernde Allegorie ein, mit außerordentlichem Erfolg; Moral, Liebe, Trauer, Politik kleideten sich in das Gewand der Vision; wer sie pflegte, durfte sich poeta nennen. Auf die ältesten Trovadores, wie Lopez de Ayala, Pero Ferrus, Villasandino, folgen Hunderte und aber Hunderte von Namen: die Höfe von Castilien und Aragon bilden die großen, die Häuser des Hochadels kleinere Centren, neben den galanes de la corte beteiligen sich Geistliche, Mönche, niederster Adel, Schmarotzer aller Art, die oft genug die Kosten der Unterhaltung tragen müssen.
Den meist geringen poetischen, jedoch nicht unbedeutenden kulturhistor. Wert zeigt am besten der Cancionero de Baena in dem bunten Treiben am Hofe Juans II. (Vgl. Puymaigre, La Cour littéraire de Don Juan II, 2 Bde., Par. 1873.) Auf der Höhe der Bewegung treten zwei Persönlichkeiten besonders hervor, der Marques de Santillana und Juan de Mena. Jener, der gebildetste Mann seiner Zeit, ist graziös natürlich in seinen leichten Serranillas, gehaltvoll in mehrern seiner größern Dichtungen, der erste Spanier, der den poet.
Dialog ausgebildet und, wenn auch ohne Nachwirkung, das ital. Sonett und Horaz nachgeahmt hat; Mena, von Dante und Lucan bestimmt, gelehrt und überladen, verfolgt hochgesteckte Ziele mit verkehrten Mitteln. Unter den jüngern sind die namhaftesten zwei Verwandte Santillanas, Gomez Manrique («Cancionero de G. M.», 2 Bde., Madr. 1885), der über den zierlichen wie den ernsten Ton verfügt, und der formreine Jorge Manrique. Während der aragonesische Hof die [* 13] Schule nach Neapel [* 14] verpflanzte, übernahmen auch die Portugiesen die Modedichtung zurück in etwas veränderten Formen zugleich mit der castilischen Sprache.
Außerhalb der Hauptrichtungen stehen des Fernan Perez de Guzman gesund histor. «Loores de los Claros Varones de Castilla», seine, Santillanas und anderer Spruchdichtung, einzelne didaktisch-populäre Dichtungen mit Motiven der ältern Zeit, wie die anonyme «Danza de la muerte», zum Teil auch die polit. Satire, die seit Juan II. gehässig aufwächst. In vollem Gegensatz aber zu den Interessen des Hofes blühte in den niedern Schichten die Romanzendichtung; ihrem Ton verstand sich Rodriguez del Padron (um 1440) überraschend glücklich anzupassen (vgl. Zeitschrift für roman. Philologie, XVII, 544), und trotz der Verachtung Santillanas für diese Gattung war ihre Beliebtheit so stark, daß sie eine Anzahl der spätern Dichter höfisch travestierte oder glossierte. Mit der Hofpoesie berühren sich die Anfänge des Dramas.
Bedeutender als die Lyrik der vornehmen Kreise [* 15] ist ihre Geschichtschreibung. Lopez de Ayalas «Cronica de Don Pedro I» verbindet mit den äußerlichen Darstellungskünsten des Livius vertiefte Anschauung und abgestufte Sprache, und die Porträte, [* 16] die Perez de Guzman in seinen «Generaciones y semblanças» zeichnet, sind nach Form und Gehalt meisterhaft. Neben den Reichschroniken, unter welchen die von Juan II. noch besonders hervorzuheben ist, stehen die Geschichten einzelner Persönlichkeiten und Ereignisse und vergegenwärtigen eine glänzende, ziellose, adelsherrliche Kraftfülle, wie die «Cronica» von Don Alvaro de Luna, von Pero Niño, der «Passo honroso» des Suero de Quiñones.
Das Bildungsbedürfnis der höhern Schichten bethätigt sich in einer großen Anzahl von Übersetzungen: Seneca, Livius, Sallust, Virgil, Ovid, Lucan, Dante, die lat. Werke Boccaccios und Petrarcas und vieles andere, zum Teil nach ital. Zwischengliedern, in der Auswahl noch teilweise mittelalterlich gerichtet. Als Übersetzer oder Auftraggeber stehen die ersten Namen der Zeit voran, Ayala, Santillana, der Großmeister Heredia, der Bischof Alonso de Cartagena, der unglückliche Prinz Carlos de Viana. Dabei entwickelte sich, ähnlich wie in Frankreich, eine unerfreuliche Neigung zu Fremdwörtern und latinistischer Wortstellung, welche noch so ausgezeichnete Schöpfungen wie die «Celestina» beherrscht, oft ganz unerträglich wirkt, wie in der «Arte Cisoria» (Madr. 1879) und den «Trabajos de Hercules» des unrechtmäßig berühmten Enrique de Villena. Der «Amadis» fand in dieser Zeit, soweit wir wissen, keine Nachfolge, wohl aber stammen sicher noch daraus manche der populär gehaltenen Rittergeschichten (Volksbücher),
die das folgende Jahrhundert druckte, zum Teil in Italien [* 17] umgestaltete franz. Stoffe. Eigene Versuche in der Novelle, höfisch, empfindsam, doch nicht ohne Reiz, schließen sich an Boccaccios «Fiametta» an, so des Rodriguez del Padron «Siervo libre de Amor» («Obras de R. d. P.», Madr. 1884) und des Diego de San Pedro «Cárcel de Amor». Auch philosophische, moralische und selbst technische Themata werden allegorisch oder novellistisch eingekleidet, so in der «Vision delectable» des Alfonso de la Torre, in Juan de Lucenas «Vita Beata», in Juan de Flores' «Grisel y Mirabella».
Die originellste Behandlung aber erfuhr ein oft erörtertes Thema unter Don Juan II. in dem Buch des Erzpriesters von Talavera, Alfonso Martinez, «De los vicios de las malas mujeres», dessen ergötzliche Satire das Bindeglied zwischen dem Erzpriester von Hita und der «Celestina» darstellt. Die früher viel genannte Briefsammlung des angeblichen Cibdareal ist eine Fälschung des 17. Jahrh.; wie diese Stilart beschaffen war, zeigen einerseits die Einlagen des Tristan und Amadis, andererseits die kleine Sammlung des Chronisten Fernando del Pulgar. - Über die ganze Zeit vgl. Amador de los Rios, Historia critica de la literatura española, Bd. 4-7, und Menendez y Pelayo, Antologia de poetas liricos castellanos, Bd. 2-5.
Als dritte Periode ist die Hochblüte der castilischen Litteratur im 16. und 17. Jahrh. anzusetzen, ¶
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in welcher sich zunächst die Lyrik dem ital. und klassischen Muster zuwendete, dann der Roman und zuletzt das Drama selbständige europ. Bedeutung gewannen; zugleich die Zeit des höchsten polit. Aufschwungs. Die kraftvolle Regierung Isabellas der Katholischen und die weitere Entwicklung unter Karl V. und Philipp II. pflanzten dem Lande eine ausgesprochen militär. Denkweise ein. Mit ihr verband sich der engste Anschluß an die Kirche, die in Spanien [* 19] weniger verfallen war als im übrigen Europa [* 20] und die Siege der Nation teilte; weder Reformbewegung noch Paganismus konnten hier Boden finden. Ein streng soldatisches, kath., nationales Empfinden durchdrang die ganze Bevölkerung, und die Poesie, vor allem das Drama, ist der Ausdruck dieser geschlossenen Anschauungsweise, kräftig und eigenartig, wenn sie auch zuletzt in starrer Einseitigkeit erstirbt.
Am wenigsten originell ist die Lyrik. Zwar hat der kräftige Castillejo einzelne der höfischen Formen in der leichtern Dichtung noch ausschließlich gepflegt, und die nationale lyrisch-epische Romanze ward um die Mitte des 16. Jahrh. auch bei den Kunstdichtern außerordentlich beliebt. Aber maßgebend waren doch die Neuerungen Boscans, Garcilasos de la Vega und Mendozas, welche den Hendecasillabo (Elfsilbner), Sonett, Oktave, Terzine u. s. w. einbürgerten und den Wohlklang zum obersten Princip erhoben.
Von ihren unzähligen Nachfolgern mögen Cetina, Acuña, Gregorio Silvestre, Figueroa genannt sein; mehr nach Vollklang strebt der von dem Catalaner Ausias Marc beeinflußte Sevillaner Herrera und seine Nachfolger, wie Rioja, mehr nach Wohlklang die Salamantinische Schule, Luis Ponce de Leon, Francisco de la Torre Medrano; eng an Horaz schließen sich die beiden Argensola und ihr Schüler Villegas an. Unheilvoll für das 17. Jahrh. ward der Culteranismus Góngoras, der durch gesuchte Wortstellung und überreiche Bilderfülle den Eindruck der Tiefe und Neuheit hervorzurufen bemüht war, eine Manier, in die viele nach ihm, nur zu oft auch Calderon, verfallen sind. Wesentlich unter dem Einfluß Italiens, [* 21] Ariosts, ohne dessen Geist, und Tassos steht auch die epische Dichtung des Barahona de Soto, Lope de Vega, Balbuena u. a., und auch unter den Darstellungen zeitgenössischer Großthaten ist nur Ercilla y Zúñigas «La Araucana» nennenswert. Besser vertreten ist das komische Heldengedicht in Villaviciosas «Mosquea», Lope de Vegas «Gatomaquia».
Die Einführung des Buchdrucks (seit 1474) kam zunächst der Verbreitung des erneuerten Amadis (s. d.) zu statten. Die unendlichen Fortsetzungen und Nachahmungen, die Palmerine, Belianis, Sonnenritter (vgl. Gayangos, Libros de Caballerias, Madr. 1874), wurden um die Mitte des 16. Jahrh. in der Gunst wenigstens der höhern Lesewelt durch die Epen und mehr noch durch den Schäferroman verdrängt. Auch hier waren die Italiener vorausgegangen, aber ihrem nächsten Vorbild, Sannazaros «Arcadia», gegenüber besaß Montemayors «Diana» den Vorteil fortlaufender Erfindung und unfraglich auch höherer poet.
Begabung. Die letzte dieser halb lyrischen Verkleidungen persönlicher Erlebnisse erschien 1633; zu nennen ist neben Montemayor sein Fortsetzer Gil Polo, Cervantes' «Galatea», Lopes «Arcadia», Balbuenas «Siglo de oro» (vgl. Rennert, The spanish pastoral romances, Baltimore [* 22] 1892). Die scharfe Beobachtung des wirklichen Lebens, wie sie Juan Ruiz und der Erzpriester von Talavera zeigten, bethätigte sich in hervorragendster Weise in der «Celestina» (s. Rojas), die trotz ihrer dem lat. Buchdrama Italiens entstammenden Form dem Roman und nicht dem Schauspiel beizuzählen ist. Unter den vielfältigen Nachbildungen, in welchen fast immer die [* 18] Figur der Kupplerin im Mittelpunkt steht, mag die «Lonza andaluza» des Delgado (Madr. 1871) hervorgehoben sein.
Nahe mit dieser Gattung verwandt ist der Schelmenroman, der 1554 durch Mendozas «Lazarilo de Tormes» lebensvoll eingeleitet wird. Ihm folgten Cervantes' «Rinconete y Cortadillo», Alemans «Guzman de Alfarache», Lopez de Ubedas «Picara Justina», Quevedos «Gran Tacaño»; verwandt sind die Sittenbilder in Espinels «Marcos de Obregon» und in den Erzählungen des Salas Barbadillo und Francisco Santos, verbunden mit dem phantastischen Element der «Sueños» Quevedos in Velez de Guevaras «Diablo cojuelo».
Eine ganz andere Richtung findet sich im 16. Jahrh. vertreten. Schon in einigen alten Traditionen und Romanzen hatte sich die poet. Teilnahme den besiegten Mauren zugewendet; ihr entfloß die anmutige, von Montemayor und Villegas modernisierte histor. Novelle vom Abencerragen und der schönen Jarifa, dann der histor. Roman des Perez de Hita. So hatte sich die Kunst der Erzählung an mannigfachen Vorwürfen geübt, als ihr größter und reichster Meister Cervantes auftrat. Nicht nur sein genialer «Don Quixote», auch die Musternovellen sind dauernde Vorbilder in der Weltlitteratur geworden. Die span. Nachkommen haben zunächst den realistischen Roman nicht weiter gepflegt, um so eifriger die Novelle, mit Vorliebe in der ital. Rahmenform. Neben den schon genannten Sittenmalern sind noch Tirso de Molina, Montalvan, Mariana de Carvajal und Maria de Zayas hervorzuheben.
Die ital. Tragödie, selbst eine unglückliche Nachahmung Senecas, hat in Spanien im 16. Jahrh. eine Anzahl von Nachahmungen hervorgerufen, so durch Bermudez, Rey de Artieda, Virues, Leonardo da Argensola, meist roh und alle bühnenwidrig, Eigenschaften, die auch der einzigen bedeutendem unter ihnen, der «Numancia» des Cervantes, anhafteten. Die Bühne entwickelte sich hier wie überall aus dem geistlichen Schauspiel, das dort, wo es zum erstenmal seit dem 13. Jahrh. wieder auftritt, bei Gomez Manrique sehr verkümmert erscheint, auch noch bei Encina und Lucas Fernandez höchst einfach bleibt, weit entfernt von der prunkvoll phantastischen Gestalt, die es nach Lope de Vega vor allem in Calderons Autos (s. d.) gewann.
Daneben ist ein lockerer, aber unverkennbarer Zusammenhang mit dem franz. Zwischenspiel zu bemerken, der auch in der Entlehnung der Benennungen Farsa und Jornada hervortritt. Reicher entwickelt sich die Farsa schon bei Torres Naharro, der einheimische mit franz. und ital. Anregungen kombinierte, und bei dem portug. Halbspanier Gil Vicente; aber beide sind steuerlos, sobald sie einen größern Stoff zu bewältigen suchen, ebenso wie 40 Jahre nach ihnen Rueda in den Comedias die Erwartungen bei weitem nicht erfüllt hat, welche seine witzigen, bretterfertigen Pasos erweckten. Einen Fortschritt zeigen in verschiedener Hinsicht Cepedas «Conmedia selvage», eine Theaterbearbeitung der «Celestina», Carvajals «Josefina» und Cuevas histor. Dramen; zur festen Form gelangte man aber erst, als im letzten Drittel des 16. Jahrh. Madrid, [* 23] ¶
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Valencia [* 25] und Sevilla [* 26] stehende Bühnen hatten. Die zahlreichen Vorgänger Lopes sind uns nur fragmentarisch erhalten, er verdankt ihnen mehr in den Einzelheiten, als sich direkt nachweisen läßt, bleibt aber darum doch der Schöpfer der span. Comedia (s. d.). Sein geniales Übergewicht verlieh ihr eine feste Aktteilung, die zweckmäßige Verwendung bestimmter Versarten, Einheit der Handlung, und vor allem ein richtiges Verständnis für die Bühnenwirkung und den stets lebendigen Zusammenhang mit einer aus der breiten Masse der Bevölkerung bestehenden Zuhörerschaft.
Ideale und Begriffe, Formen und Inhalt sind die dem Volk vertrauten, die Bibel, [* 27] Heiligenleben, die Geschichte, wie sie in der Romanze episch umgebildet war, Volksbücher, Novellen, das Leben des Hauses und der Straße, der Stadt und des Dorfes, der Höchsten wie der Niedersten. Sein Beispiel war überwältigend, Cervantes suchte ihn in seinen spätern Stücken nachzuahmen, nur bei Guillen de Castro, dessen glänzende «Mocedadas del Cid» Corneilles Vorbild wurden, zeigt sich in seinen «Mal casados de Valencia» vereinzelt eine unabhängige Richtung. Unter den ebenso zahlreichen wie fruchtbaren Nachfolgern (vgl. Barrera, Cátalogo del Teatro español, Madr. 1860) sind die ersten Namen: Luis Velez de Guevara, Mira de Mescua, Antonio Hurtado de Mendoza, Juan Perez de Montalvan, Gabriel Tellez, bekannter unter dem Namen Tirso de Molina, ein höchst humoristischer Dichter, der sich im Lustspiel mit unbeschreiblicher Grazie und Gewandtheit benimmt;
Juan Ruiz de Alarcon, der sich durch originales, ernstes Denken und treffliche, oft leise satir.
Sitten- und Charakterdarstellungen auszeichnet. Alle diese Dichter und vor allem Lope de Vega glänzen durch reiche Erfindungsgabe, geniale Konzeption und prägnante Naturähnlichkeit. Sie sind die eigentlichen Schöpfer des span. Dramas aus durchaus nationalen Elementen, volkstümlicher Begeisterung und einer frischen, glühenden Phantasie geworden, deren Werke nur durch ein zu künstlich verschlungenes Gewebe, [* 28] öfter noch durch allzu flüchtige Komposition und mangelnde Vertiefung entstellt wurden. In Calderon, dem Dichter von «La vida es sueño», trat zu dieser Originalität und übersprudelnden Phantasie die mäßigende Reflexion [* 29] und die sorgsamere Ausführung im einzelnen hinzu, und so erreichte in ihm das span. Drama seinen Höhepunkt.
Seine namhaftesten Nachfolger sind Francisco de Rojas, Agustin Moreto, der Verfasser der «Doña Diana», M. Fragoso, J. B. Diamante, Antonio Coello, Alvaro Cubillo, Juan de la Hoz, Antonio de Solis, dessen eigentlicher Ruhm mehr in seinen Geschichtswerken gegründet ist, und Agustin de Salazar y Torres, Epigonen, bei welchen die Mängel dieses Theaters verstärkt hervortreten, denen aber noch mancher glückliche Wurf gelingt. Selbst als die span. Poesie zu Ende dieser Periode ihrer Ausartung durch die Culteranisten in fast gänzliche Ermattung gesunken war, trieb das Drama noch eine Nachblüte in den wenigstens noch echt span. Geist atmenden Werken von Bances Cándamo, Cañizares (1676-1750) und Antonio de Zamora, die vorzüglich die Comedia de figurón ausbildeten; des letztern «Don Juan», der eigentlich Nachahmung eines ältern Stücks von Tirso de Molina war, ist durch Mozarts Oper berühmt geworden.
Die ernste Prosa zeigt in der Geschichte neben der chronikartigen Erzählungsweise eines Guevara, Mejia, Morales, Zurita, neben den soldatisch frischen Berichten amerik. und flandr. Mitkämpfer eine Weiterentwicklung der schon früher bemerkten künstlerischen Anlehnung an lat. Muster, Sallust, Livius, Tacitus, die sich bei Hurtado de Mendoza, Moucada, Manuel de Melo, Solis zu wirklicher Bedeutung erhebt, doch nicht frei ist vom Beigeschmack des Erkünstelten.
Ein vollendetes Kunstwerk in Aufbau, Darstellung und Sprache ist Marianas «Historia de España», zugleich die bezeichnendste Urkunde specifisch castil. Geschichtsauffassung. Schwerfällig gemessen erscheint der polit. Briefstil unter Karl V. in Antonio de Guevaras Mustersammlung «Epistolas familiares», stahlscharf zugeschliffen bei Antonio Perez. Stark entwickelt ist die Satire, ernst und weitsichtig in Juan de Valdes' meisterhaftem «Diálogo de Mercurio y Caron», ebenso bitter als erfindungsreich bei Quevedo.
Sehr zahlreich sind moralische Traktate und Staatslehren, oft in Dialoge oder Briefe gekleidet, Antonio de Guevaras viel übersetzte Fürstenuhr (1529),
romanhaft nach Art der Cyropädie, andere von Perez de Oliva, Mejia, Fernandez de Navarrete, Saavedra Fajardo, Quevedo. Auch Gracians Aphorismen können hierher gezählt werden; in seiner «Agudeza y Arte de ingenio» hat er einen Codex des Konzeptismus gegeben, der besonders von Quevedo gepflegten Kunst, in Vers und Prosa scharfsinnig mehrdeutig zu sein, welche neben dem Kultismus für die Zeit des Verfalls bezeichnend ist.
Mit ungleich viel mehr Wärme [* 30] und Originalität sind geschrieben die dem Nationalgefühl so sehr zusagenden ascetischen und religiösen Erbauungsschriften von den «Dos Luises», dem Dichter Fray Luis de Leon und dem berühmten Kanzelredner Fray Luis de Granada; [* 31] von der Schwester Santa Teresa de Jesus, die einen würdigen, ebenfalls als ascetischen Schriftsteller ausgezeichneten Biographen in Fray Diego de Ypes fand; und von den durch ihre religiösen Poesien nicht minder ausgezeichneten Dichtern und Prosaisten San Juan de la Cruz (deutsch von Storck, Münster [* 32] 1854) und Pedro Malon de Chaide. Mit dem Feuer humaner Begeisterung und der Eleganz humanistischer Bildung verteidigte die unterdrückte Menschheit in Amerika [* 33] der edle Las Casas, dessen «Historia general de las Indias» von Marqués de la Fuensanta und Sancho Rayon znm erstenmal veröffentlicht worden ist (5 Bde., Madr. 1876).
Die vierte Periode, vom 18. Jahrh. bis auf die Gegenwart, charakterisiert sich durch das Eindringen der franz. Bildung in Spanien, ihren geistigen Sieg über das ausgelebte Altnationale und den Anschluß an die Tendenzen der Aufklärungszeit; dann durch die Herrschaft der ebenfalls wesentlich vom Nachbarland kommenden Romantik, die sich mit nationalen Bestrebungen verbindet, bis endlich, bei immer noch starken Beziehungen zu Frankreich, die Romantik im engern Sinn durch eine mehr realistische Richtung abgelöst wird.
Die goldenen Tage Spaniens endeten unter Philipp IV., unter Karl II. sank das verarmte Land in völlige Erschöpfung, die durch den Erbfolgekrieg kaum noch gesteigert werden konnte. Was im Anschluß an die Vergangenheit an Epen, Novellen, Gelegenheitsdichtungen zu Tage trat, ist armselig, von Gongorismus und Konzeptismus durchdrungen; die Epigonen Calderons, welche, von den Gebildeten tief verachtet, bis in den Anfang unsers ¶
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Jahrhunderts die Bühne beherrschen, versinken in unglaubliche Formlosigkeit und Absurdität, und nur die Unterart der Sainetes zeitigt noch nennenswerte Spätlinge bei den Sittenschilderern Ramon de la Cruz in Madrid, Castillo in Cadiz. [* 35] Der allgemeine Bildungsstand war ein ungemein tiefer, und die bessern Köpfe mußten sich notwendig Frankreich zukehren, der geistigen Vormacht der Zeit. Von dort nahm Luzan die künstlerischen Grundsätze seiner übrigens nicht unverständigen Poética (1737), und dort wurzelten die unermüdlichen Aufklärungsbestrebungen des Benediktiners Feyjoo, nachdem schon 1714 die Spanische Akademie nach dem Muster der Französischen errichtet worden war.
Aus der fremden, verstandesmäßigen Ästhetik konnte sich nur langsam eine eigene Produktivität entwickeln. Am wenigsten widerstrebten ihr die Lyriker des 16. Jahrh., und an diese schlossen sich dann auch, seit der von Kulturbestrebungen aller Art erfüllten, an tüchtigen Männern reichen Regierung Karls III., nachdem der ältere Moratin und Cadalso vorausgegangen waren, die Gruppen der Salamantiner und Sevillaner. An der Spitze der Schule von Salamanca steht Melendez, der neben der bukolischen Dichtung des Luis de Leon auch, beeinflußt von Jovellanos, die philos.
Tendenzen der Zeit zum Ausdruck brachte; um ihn gruppieren sich Iglesias, Carvajal, Gallego, Noroña, Cienfuegos und der einzige wirklich große Dichter der Zeit, der sie abschließt, in seinem Leben aber noch tief in die folgende hineinreicht, Quintana. Noch etwas unfreier als jene waren die Sevillaner (seit 1793), die sich Herrera und Rioja zu Vorbildern nahmen: Arjona, Reinoso, Blanco, Lista; ihre latinistisch-elegante Richtung ist auch heute noch nicht ganz ausgestorben (Neoclasicismo). Es mögen außerdem noch Arriaza, die beiden Iriarte und Samaniego angeführt sein.
Die Anwendung einer durchaus fremdartigen Schablone auf das Theater mußte notwendig unfruchtbar bleiben. In den Tragödien der Montiano, Huerta, Jovellanos, Cienfuegos, Quintana und selbst Martinez de la Rosa werden einzelne kräftige Ansätze doch wieder vom Pedantismus erdrückt. Von dauerndem Wert sind nur zwei Komödien Moratins: «El sí de las niñas» und «El Café», letztere eine wirksame Satire auf die Zuchtlosigkeit der Bühne. An ihn schlössen sich Gorostiza und Martinez de la Rosa an. Die einzige nennenswerte prosaische Fiktion der Zeit ist Islas satir. Roman «Fray Gerundio de Campazas». (Vgl. Menendez y Pelayo, Historia de las ideas estéticas en España, Bd. 3, Madr. 1888; Cueto, Historia crítica de la Poesia en el siglo XVIII, 3 Bde., ebd. 1893.)
Die Herrschaft der franz. Ideen des 18. Jahrh. war niemals unbestrittener als während und nach dem Befreiungskampf. Böhl von Fabers und Durans Eintreten für Calderon rief zunächst nur Widerspruch hervor. Es war die Amnestie von 1833, welche mit den polit. Flüchtlingen, den Alcalá Galiano, Saavedra, Espronceda u. a., die Romantik als etwas völlig Neues, Unvermitteltes aus Paris [* 36] und London [* 37] herüberbrachte. Der Begriff deckt sich nicht ganz mit dem, was man in Deutschland, [* 38] mehr mit dem, was man in Frankreich unter dem Namen versteht; gemeinsam ist die Feindschaft gegen den Regelzwang, der poet.
Entdeckungstrieb und vielfach die ungezügelt phantastische Neigung. Eigenartig war der starke Anhalt, [* 39] welchen bei einem Teil der Romantiker die Vorliebe für das Mittelalter in der heimischen lyrisch-epischen und dramat. Litteratur des 16. und 17. Jahrh. fand. Angel Saawedras Epos «El moro exposito» (1833) mit der kunsttheoretischen Einleitung Alcalá Galianos, sein Drama «Don Alvaro» zündeten explosiv, und sie waren eine echt nationale That, da der hoch begabte und klar denkende Dichter wie kein anderer nach ihm vom Geist der alten Romanze durchdrungen ist.
Seine histor. Poesie fand zahllose Nachfolger, unter welchen etwa Arolas zu nennen ist, bis sie in dem glänzenden, aber ungleichmäßigen Zorrilla erlosch. Dem romantischen Drama schloß sich zunächst, mit mehr Erfolg als Verdiensten, Gil de Zárate an; weiter sind seine hervorragendsten Vertreter Garcia Gutierrez, Hartzenbusch (der Dichter der «Amantes de Teruel»),
Zorrilla, der unfähig war, bühnengemäß zu schreiben, aber ungewöhnliche Gaben zeigt, Fernandez y Gonzalez, dessen «Cid» Erwähnung verdient, Avellaneda und Aureliano Fernandez-Guerra. Die Einwirkungen der Franzosen, besonders Victor Hugos, kreuzen sich dabei mannigfach mit denen der eigenen klassischen Bühne; als Endpunkt der Richtung läßt sich der erste Bühnensieg Ayalas (1861) bezeichnen. Gleichzeitig mit Saavedra fand übrigens noch das franz. Lustspiel Moratins einen hervorragenden Vertreter in Breton de los Herreros. In derselben Zeit ersteht auch, angeregt durch den viel schwächern Jouy, die Prosaform der Skizze, mit scharf beobachtender, tief ernster Satire bei Larra, harmlos humoristisch bei Mesonero y Romanos, fein gezeichnet bei Somoza, farbvoll und witzig, aber mit archaistischen Sprachliebhabereien bei Estébanez Calderon. Zahlreich, aber wertlos sind die histor. Romane, die mehr Dumas als Scott nachahmten; von Larra, Espronceda, Enrique Gil, Patricio de la Escosura bis auf Navarro Villoslada fehlt die Erkenntnis, daß hier ein Gelingen nur möglich ist, wenn man in das intimste Denken und Kleinleben der Vergangenheit einzudringen vermag; erst Perez Galdós' «Episodios nacionales» erfüllen diese Vorbedingung.
Esponcedas Gedichte sind heute noch so modern wie vor 60 Jahren; wie bei ihm der Einfluß Byrons, kommt bei dem erheblich jüngern Becquer eine Beeinflussung durch Heine und mehr vielleicht noch durch Hoffmann von Fallersleben zur Geltung. Diesen beiden gebührt, abgesehen von der episch-lyrischen Richtung Saavedras und Zorrillas, der erste Platz unter den neuspan. Lyrikern. Neben ihnen mögen noch genannt sein Enrique Gil (1815-46), Fernandez de Velasco duque de Frias (1783-1851), Pastor Diaz (1811-63), die Frauen Avellaneda und Coronado, Tassara (1817-95), der Andalusier Rodriguez Rubi (1817-90), Arolas, Selgas (1824-82), Trueba, Ruiz Aguilera, Martinez Monroy (1837-61), Lopez Garcia, Manuel del Palacio, Balart, und als diejenigen, welche heute das größte Ansehen genießen, Campoamor und Nuñez de Arce.
Die ziemlich stark vertretene, meist oberflächliche lyrische Philosophie ruht vornehmlich auf jener Krauses, die durch Sanz del Rio [* 40] in Spanien eingeführt wurde und zeitweilig einen weitgehenden, auch polit. Einfluß übte, und auf Hegel. Die südamerik. Lyriker (hervorzuheben sind Acuña in Mexiko, [* 41] Batres in Guatemala, [* 42] Bello in Venezuela) [* 43] folgen den Anregungen Madrids (vgl. über sie die «Antologia de poetas hispano-americanos», 2 Bde., Madr. 1894). Unter den Dramatikern stehen voran Tamayo y Baus und Adelardo Lopez de Ayala, der ¶
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erste Vertreter des Problemdramas in Spanien, und der eigenartige Echegaray. Die Geschmacksrichtung des Publikums ist durchaus modern; Lope und Calderon werden in Madrid überhaupt nicht gespielt, wohl aber die untergeordnetsten Franzosen und ihre letzten Nachtreter. Alles andere überglänzend hat sich das Erbteil des Cervantes entfaltet, die Gabe zu erzählen, seitdem Fernan Caballero einem gesunden Realismus die Bahn brach. Ihm sind bei vielfach verschiedener Richtung und erweitertem Horizont [* 45] eine Reihe merkwürdiger Romanschriftsteller treu geblieben, unter welchen nur die Namen ersten Ranges genannt werden können; von den Verstorbenen der kunstvolle Alarcon, unter den Lebenden der geistvolle Valera, der kräftige Asturianer Pereda, der ebenso reiche als fruchtbare Perez Galdos, die Galicierin Emilia Pardo Bazan, der Jesuit Coloma (Pequeñeces 1891) und auch Palacio Valdes. Als bemerkenswerte Vertreter der Skizze und des Feuilletons sind Selgas, José de Castro, Tejado, Alarcon, Ortega Munilla, Picon zu nennen. Empfehlenswerte Führer in der litterar. Tageskritik sind Leopoldo Alas, Pardo Bazan, Menendez y Pelayo; Blanco Garcia («La literatura española en el siglo XIX», 2 Bde., Madr. 1891) ist nützlich, aber in seinen Werturteilen wenig verlässig.
Die großen Reden der polit. Führer werden ganz überwiegend als ästhetische Kunstleistungen gewürdigt. Schon die Aufklärungszeit deutet in den Rhetoriken von Mayans und Capmany auf diese Richtung hin, und die Geschichte der Tribüne hat eine Menge bedeutender Redner aufzuweisen. Die Fähigkeit, wissenschaftliche Gegenstände in guter Prosa zu behandeln, hatte das 18. Jahrh. wiedergefunden; der Inhalt bleibt unbedeutend in den dauernd daniederliegenden, nur vom Ausland lebenden Naturwissenschaften, während andere Gebiete einzelne auch sachlich tüchtige Leistungen aufzuweisen haben, so die Geschichtschreibung: Lafuentes «Historia de España», Canovas del Castillos Monographien.
Eine erste Reimkunst hatte schon Juan Manuel verfaßt; die von Rengifo, «Arte poetica española» (1592 u. ö.), ist noch heute von Nutzen. Den ersten litterargeschichtlichen Versuch bildet das berühmte Sendschreiben Santillanas an Dom Pedro de Portugal; im 18. Jahrh. ist eine verdienstvolle Untersuchung Sarmientos über die frühspan. Litteratur hervorzuheben. Ein noch heute unentbehrliches Nachschlagewerk ist Nicolaus Antonios biobibliographische «Biblioteca nova» (1672) und «Biblioteca vetus» (1696),
erheblich vermehrt in der 2. Ausgabe (1783-88); in manchen Punkten wird sie ergänzt durch Rodriguez de Castros «Biblioteca española» (2 Bde., 1781-86).
Unter den neuern Arbeiten der Spanier über die Geschichte ihrer eigenen Nationallitteratur nimmt de los Rios' fragmentarisch gebliebene «Historia critica de la literatura española» (Bd. 1-7, Madr. 1861-67) den ersten Rang ein. Sonst sind noch zu nennen Quintanas «Poesias selectas castellanas» und «Musa epica española» (6 Bde., Madr. 1830-33). Hervorzuheben ist Milá y Fontanals' Studie «De la poesía heroica popular castellana» (Barcel. 1876). Unter den Ausgaben span. Schriftsteller sind zu nennen die «Biblioteca universal», «Biblioteca cientifico-literaria», «Biblioteca económica», Biblioteca militar", «Biblioteca general de legislacion y jurisprudencia», «Biblioteca judical», «Biblioteca de los Americanistats», «Biblioteca de las tradiciones populares españolas», Biblioteca filosófica", Biblioteca venatoria", «Biblioteca hispano-ultramarina», Biblioteca de escrit. aragonenses", Biblioteca gallega" u. s. w. Noch bedeutender sind die Publikationen der «Sociedad de bibliofilos españoles» (Madrid, bis 1892, 29 Bde.),
der «Collecion de libros españoles raros y curiosos» (22 Bde., ebd. 1871-91),
der «Sociedad de bibliofilos andaluces» (1868) und die «Libros de antañao». Das Hauptwerk über die Geschichte der S. L. ist des Amerikaners Ticknor «Geschichte der schönen Litteratur in Spanien» (englisch, 3 Bde., Bost. 1849; neueste Aufl. 1872; deutsch von Julius, mit den Zusätzen der span. Übersetzung von Gayangos und Vedia, sowie den Anmerkungen F. Wolfs, 2 Bde., Lpz. 1852; 2. Ausg. 1867; Supplement, die Zusätze der 3. Aufl. des Originals enthaltend, von A. Wolf, 1867). Demselben reihen sich die deutschen Arbeiten von Bouterwek (s. d.), Schack (s. d.) und Ferdinand Wolf (s. d.) an, sowie Böhl von Fabers «Floresta de rimas antiguas castellanas» (3 Bde., Hamb. 1821-25),
Wolfs «Floresta de rimas modernas castellanas» (2 Bde., Par. 1837),
Lemckes treffliches «Handbuch der S. L.» (3 Bde., Lpz. 1855-56),
Kleins «Geschichte des span. Dramas» (4 Bde., Lpz. 1871 - 75); Schäffers «Geschichte des span. Nationaldramas» (ebd. 1890),
Arbeiten von Michaelis, Farinelli, Baist u. a.; in Frankreich die Studien von Morel-Fatio, Mérimée, Puibusque, seit 1894 Delboscs «Revue hispanique». Die beste Sammlung der span. Klassiker sind die von Aribau geleitete «Biblioteca de autores españoles» (Bd. 1-71, Madr. 1846-80) und die «Collecion de escritores castellanos» (105 Bde., ebd. 1882-94). Eine Sammlung meist neuerer schönwissenschaftlicher Werke bietet die «Collecion de autores españoles» (Bd. 1-48, Lpz. 1860-86). Den ältern bibliogr.
Werken von Antonio, de Castro, Latasa, Ximeno, Rodriguez, Mendez und Baena haben sich die von Salvá, von Fuster («Biblioteca valenciana», 2 Bde., Valencia 1827-30),
Torres Amat («Memorias para un diccionario critico de los escritores catalanes», Barcel. 1836),
für Estremadura Barrantes (s. d.),
für Burgos Martinez Añibarro, für Madrid Perez Pastor, für Sevilla Escudero, und das sehr wichtige Werk von Gallardo, vermehrt von Zarco del Valle und Rayon («Ensayo de una biblioteca española de libros raros», 4 Bde., Madr. 1863-89) u. a. würdig angeschlossen. Ferner sind brauchbare Hilfsmittel: Barrera y Leirado, «Catálogo bibliografico y biográfico del teatro antiguo español» (Madr. 1861);
Gayangos, «Catalogue of the manuscripts in the Spanish language in the British Museum» (4 Bde., Lond. 1875);
Morel-Fatio, «Catalogue des manuscrits espagnols de la Bibliothèque Nationale» (Par. 1879);
Whitney, «Catalogue of the Ticknor library» (Bost. 1879);
Munoz y Romero, «Diccionario bibliografico historico» (Madr. 1865);
D. Hidalgo, «Diccionario general de bibliografia española» (6 Bde., 1864-79);
«Boletin bibliografico español» (4 Bde., ebd. 1874-78);
«Boletin de la librería» (13 Bde., ebd. 1873-86) und «Revista de archivos, bibliotecas y museos».
Hervorragend nützlich zu werden verspricht die «Revista critica de historia y literatura españolas» (Madr. 1895).