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ununterbrochen oder sprungweise erfolgen. Den S. folgen meist größere oder kleinere Unterstützungs - trupps (Soutiens) in geschlossener Ordnung. Ist die zerstreute Ordnung nicht mehr notwendig, so schließen sich die S. zusammen (sammeln). Schützen, fahrende Schüler, s. Bacchanten. Schützenabzeichen, in mehrern Armeen den besten Schützen verliehene Auszeichnungen, die den Wetteifer der Mannschaften bei dein Schießdienst anregen sollen. Sie werden meist durch wollene, silberne oder goldene auf den Ärmeln angebrachte Vorten oder Signalhörner gebildet.
In der deut- schen Armee bestehen seit 1892 die S. aus dreiteili- gen, schwarz-weiß-roten (in Bayern [* 2] blau-weißen und in Würtemberg schwarz-roten) gedrehten Schnu- ren, die mit und ohne Troddeln (Eicheln, bei der Artillerie Granaten) [* 3] von der rechten (bei den Küras- sieren, Dragonern und Husaren von der linken) Schulter nach der Brust getragen werden, und von denen die beiden höchsten Klasien mit Silber durch- wirkt sind. Die höchste Klasse hat ein goldenes Me- daillon mit Namenszug des Kaisers (Königs von Bayern oder Württemberg) [* 4] am Achsclende.
S., die auf einer Schiehschule erworben sind, erhalten als ein besonderes Abzeichen noch eine silberne Eichel bez. Granate. Seit 1895 erhalten im deutschen Heere von der Insanterie eines jeden Armeekorps, von sämtlichen Jäger- und Schützenbataillonen, von der gesamten Feld- und von der gesamten Fuhartillerie diejenigen Compagnien (Batterien), die in ihrer Ge- samtleistung im Schiehen am besten befunden worden sind, ein auf dem rechten Oberarm von sämtlichen Angehörigen der Compagnie (Batterie) zu tragen- des Kaiserabzeichen.
Ferner erhält die betreffende Compagnie (Batterie) eine Büste des Kaisers, und der Chef derselben einen silbernen Schild [* 5] mit Wid- mung. Das Kaiserabzeichcn besteht aus einem oval- gestalteten, 6 cm hohen, 1 cm breiten Eichenlaubkranz aus gelbem Metall, oben mit der Kaiserkrone ge- schlossen; inmitten des Kranzes befinden sich sür die Infanterie zwei gekreuzte Gewehre ohne Bajonette, für die Artillerie zwei gekreuzte Kanonenrohre; für Jäger und Schützen besteht die Auszeichnung in der Gestalt eines skelettierten Hirschkopfes mit einem Geweih von 12 Enden und der Kaiserkrone darüber.
Bei allen Kaiserabzeichen ist das Jahr der Stiftung (1895) angebracht. Die Mannschaften erhalten das Abzeichen nur für ein Jahr, die Unteroffiziere und Kapitulanten, so lange sie bei der Abteilung stehen. Schäften. Schützenbund, Deutscher, s. Schützengesell- Schützendorfer Kanal, [* 6] s. Tabelle I zur Karte: Die Schiffahrtsstraßen des Deutschen Reichs, beim Artikel Schiffahrtskanäle. Schützenfest, s. Schützengesellschaften. Schützenfeuer, s. Feuerart.
Schützengefellschaften, der letzte Rest jener einst dem deutschen Bürger zustehenden allgemeinen Waffenfähigkeit, die mit der hohen Blüte- und Machtentwicklung der Städte aufs engste zusammen- hing. Als hänsige Ein- und Übergriffe des Adels und der Fürsten die Städte zu beständiger Kampf- bereitschaft nötigten, ordnete sich auch ihr Kriegs- wesen. Die patricischen Geschlechter nahmen Waffen [* 7] und Nüstung der Ritter an, die übrigen Bürger aber, nach Zünften oder Stadtvierteln geordnet, rüsteten sich mit verschiedenen Waffen, meist mit der Armbrust. [* 8]
Weil aber erfolgreiche Führung der Arm- brust eine nur durch lange Übung zu gewinnende Fertigkeit voraussetzte, bildeten sich bald Schützen- vereine in der damals allgemein üblichen Form von Gilden, als deren Schutzheiliger gewöhnlich der durch Pfeilschüsse gemartete St. Sebastian galt. Schützenhäuser, Schießbahnen aus sreien Plätzen oder in den Zwingern, eine durch Beiträge und Ver- mächtnisse bereicherte Vereinskasse und zahlreiche Schützenfeste waren die notwendige Folge, und die städtischen Behörden begünstigten solche Einrichtun- gen natürlich aufs kräftigste.
Namentlich gediehen die Schützenfeste, die den Bürgern dasselbe wur- den, was den Rittern die Turniere qewesen waren, zu großer Ausdehnung [* 9] und hoher, selbst polit. Be- deutung. Mit besonderm Glänze wurden sie im 15. und 16., ja bis ins 17. Jahrh, hinein gefeiert, und Einladungen ergingen an Fürsten, Adel und Städte. Die Teilnahme anderer Städte diente zur Förderung und Befestigung mächtiger Bündnisse, wovon das durch Fischart im «Glückhaften Schiff» [* 10] gefeierte Schützenfest der Stadt Straßburg [* 11] (1576) ein Beispiel bietet.
Als die Bürger gelernt hatten, das Feucrgewehr zu handhaben, bildeten sich auch schon frühzeitig S. für Wallbüchse und Standrohr, neben denen die ältern Vereine fortbestanden. Durck veränderte Kriegführung und Einbuße städtischer Freiheit verloren die S. allmählich ihre frühere Be- dentung und fanken zu Vergnügungsgesellschaften herab, die nur in besondern Notfällen zum Zwecke des Gemeinwohls herangezogen wurden. Erst mit dem nationalen Aufschwünge der neuern Zeit erho- ben sie sich wieder zu höherer patriotischer Bedeu- tung. In Nachahmung der großen schwciz.
Schützen- feste, die alljährlich den Ort wechseln, dielten die deutschen Schützen 1861 in Gotha ein [* 12] allgemeines deutsches Schützen-und Turnfest und gründeten einen Deutschen Schütz enbuno, der sein zweites Bun- desschießen 1863 zu Frankfurt [* 13] a. M., dann solche 1865 zu Bremen, [* 14] 1872 zu Hannover, [* 15] 1875 zu Stutt- gart, 1878 zu Düsseldorf, [* 16] 1881 in München, [* 17] 1884 in Leipzig, [* 18] 1887 in Frankfurt a. M, 1890 in Berlin, [* 19] 1894 in Mainz [* 20] abhielt. 1897 soll es in Nürnberg [* 21] abgehalten werden. Der Bund verfolgt das Ziel: Verbrüderung aller deutschen Schützen, Vervoll- kommnung in der Kunst des Vüchsenfchießens und Hebung [* 22] der Wehrfähigkeit des deutschen Volks. -
Vgl. Erdmann, Versuch einer Historie vom öffent- lichen Armbrust-und Büchsenschießen (Lpz. 1737); Hendel, Archiv für deutfche S. (3 Bde., Halle [* 23] 1802 -3); Förster, Die Schützengilden (Berl. 1856); Feierabend, Gefchichte der eidgenössischen Schützen- feste (Aarau [* 24] 1875);
Edelmann, Schützenwefen und Schützenfeste der deutschen Städte vom 13. bis 18. Jahrh. (Münch. 1890).
Schützengraben, [* 25] eine ausgehobene Vertiefung zur Deckung der Schützen (s. d.) beim Feuern. Die S. sind in Bezug auf Lage und Richtung in erster Linie von taktischen Verhältnissen abhängig; sodann muß die Gestaltung des Geländes berücksichtigt und, soweit es die taktischen Verhältnisse gestatten, aus- genutzt werden. Die Länge de S. ergiebt sich, in- dem man für jeden Mann einen Schritt Raum au der Feuerlinie rechnet. Die für die deutsche Armee gültige Vorschrift kennt für den Aufriß des S. drei Arten: [* 1] Fig. 1 zeigt den sog. regelrechten S. Ist aus Mangel an Zeit die Herstellung eines solchen nicht möglich, so genügt ein Graben nach [* 1] Fig. 2 bereits für kniende Schützen. Unter Umstün- den kann es sich empfehlen, den regelrechten S. nach [* 1] Fig. 3 zu verstärken. Dieser verstärkte Graben ¶
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währt eine bequeme Verbindung hinter der Schützen- linie und gestattet die Herstellung von Rücken- deckungen. Rampen oder treppenartige Zugänge werden nach seitwärts und rückwärts angelegt. Bei Anstellung der Mannschaften mit i^ Schritt (einsacken: Armabstand) ist der regelrechte S. in 1-2 Stunden herzustellen, der verstärkte in 3- -^"^"^o F'g. l. höhen. Gesicherte Verbindungsgänge (erforderlichen- falls zickzackförmig geführte Gräben) zwischen den Verteidigungslinien sind zweckmäßig.
Deckungs- gräben für Unterstützungstrupps sind hinter den Schützenlinien ähnlich wie letztere anzulegen; zum schnellen Verbrechen sind cm den Enden flache Ram- pen sowie hier und da Stufen über die Brustwehr [* 27] W?^"5/^ 5^/2 Stunden. Die gewonnenen Rasen- oder Boden- stücke werden zum steilen Aufsetzen der innern Brust- wehrböschung benutzt, vorhandene Fässer, Strauch- Hunde, [* 28] Scheitholz in der innern Brustwehrböschung aufgestellt oder aufgeschichtet; sie gewäbren Deckung gegen Sicht und ermöglichen die Steilheit der innern Vrustwehrböschung. Die Brustwehr wird [* 25] Fig. 3. während der Anschüttung wiederholt festgetreten. Um die Brustwehr für Sicht aus der Ferne unkennt- lich zu machen, sind alle scharfen Kanten an derselben zu beseitigen, auch wird ihr durch Bedecken mit ' [* 25] Fig. 4. Kraut, Stoppeln, Schnee [* 29] u. s. w. ein der Umgebung ähnliches Aussehen gegeben.
Falls es die Gelände- verhältnisse gestatten, werden S. in mchrern Linien stockwcrtsönnig hintereinander angelegt. Die hintere Verteidigungslinie muß hierbei die vordere über- Brockhaus' Konversations-Lexiton. 14. Aufl. XIV. G^'^WMMM^MW [* 25] Fig. 5. anzubringen. Die Herstellung granatsicherer Unter- stände in Schützen- und Deckungsgräben zeigt [* 25] Fig. 4; gegen Shrapneltugcln sind leichte dachartige Ein- oeckungen (Fig. 5) ausreichend. ^Schützen.
Schützenlinie, s. Linie (Bd. 11, S. 190a) und Schützenstücke, Gemälde, s. Doclcnstücke. Schützenwehr, s. Wehr. Schutzfrist, der gesetzliche Zeitraum, während dessen das geistige Eigentum gegen Ausbeutnng geschützt wird. (S. Urheberrecht, Markenschutz, Ge- brauchsmuster, Musterschutz, Patent.) Schutzgebiet, offizielle Bezeichnung für die- jenigen deutschen Kolonien, welche durch Schutz- briefe unter deutsche Oderhoheit gestellt sind. Die Rechtsverhältnisse der S. sind durch das Gesetz vom geregelt. (S. Deutsche Kolonien.) [* 30] Schutzgemeinschaften für Handel und Ge- werbe, Schutzgenossenschaften, Vereini- gungen von Handel- und Gewerbtreibenden zum Schutz gegen saumselige oder arglistige Schuldner.
Durch soq. «schwarze Listen» teilen sie ihren Mit- gliedern die Namen krcditunwüroiger und solcher Personen mit, die ihre Schuld trotz Mahnung nicht bcglickcn haben. Die erste dieser S. wurde in Sach- sen 18li4 gegründet. Nach ihrem.hauptbestreben, die Auswüchse des Kredits zu beseitigen, werden sie hänfig als Kreditreformvereine (s. d.) bezeichnet. (S. auch Auskunftsstellen.) In einem andern Sinne werden S. oder Schutz- komitees von den Gläubigern gefährdeter auslän- discher Anleihen (exotischer Werte) gebildet, um ihre Interessen gegenüber dem zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Staat gemeinsam zu vertreten. So sind neuerdings in Deutschland, [* 31] England, Frank- reich u. s. w. S. der Gläubiger türk., portug., griech., südamerik.
Anleihen gegründet worden. Schutzgenosfen, s. Schutzverwandte. Schutzgercchtigkeit oder Vogtei, einAbhän- gigkctt^- und Herrschaftsverhältnis des deutschen Mittelalters, welches in mehrfachen Anwendungen vorkam. Es stand namentlich Landes- und Grund- herren gegenüber der freien, aber besitzlosen bäuer- lichen Bevölkerung, [* 32] auch Klöstern und Stiftern zu, die den Militärdienst durch eine Steuer abkauften. Indem diese Steuer zum Gegenstand eines Lehns ge- macht wurde, übergab sie der Inhaber der öffent- lichen Gewalt in Verbindung mit der niedern Ge- richtsbarkeit zu Lehn. So erscheint die S. im wesent- lichen als eine niedere Gerichtsbarkeit. Die Güter derVoMleute jind mit vogteilichen Lasten beschwert. (S. Schutzverwandte.) 42 ¶
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Schutzgilden, s. Gilde. Schutzheilige, s. Heilig. Schutzholz oder Bestands schutzholz, Holz- arten, die empfindliche Holzarten gegen Frost und Hitze schützen sollen; sie müssen daher in der Jugend schnellwüchsiger sein als'die zu schützenden. Man baut sie entweder durch Saat oder Pflanzung künst- lich mit an, oder sie stellen sich auf den Schlägeu durch natürlichen Auslug ein. Hat das S. seine Aufgabe erfüllt, so wird es allmählich entfernt. Die zu schützenden Holzarten sind namentlich Fichte, [* 34] Tanne, [* 35] Eiche und Buche.
Als S. dienen vorzugs- weise Kiefer, Birke u. a. sog. Weichhölzer, wie Äspen, Sahlweiden, Ebereschen. Kiefer wird meist künstlich mit angebaut, wübreud die letztgenannten Laub- hölzer sich gewöhnlich von Natur ansamen. (S. auch Bodenschutzholz und Treibholz.) Schutzhütten, in Gebirgen, besonders in den Alpen, [* 36] Hütten [* 37] aus Holz [* 38] oder Mauerwerk, die von den Alpenvereinen znr Erleichterung der Besteigung von Hochgipfcln, zur größern Bequemlichkeit der Touristen, oder auch nur als linterstandsräume bei Unwetter errichtet werden.
Die neuern größein Hütten sind in der Regel mit Betten oder mit Ma- tratzenlager für 20-30 Perfonen eingerichtet und während der Sommerszeit häusig bewirtschaftet. In den nicht bewirtschafteten Hütten sind ansgiebigc Proviantvorräte (Pottsche Körbe) vorhanden. Schutzimpfung, im allgemeinen jedes Ver- fahren, durch Einverleibung bestimmter Stoffe in den menschlichen oder tierischen Körper diesen un- empfänglich gegen Krankheitserreger zu machen, ihn zu immunisieren, und dadurcb vor Einzel- oder epidemischen Erkrankungen zu scbützen. Im engern Sinn ist S. soviel wie Schutzpockenimpfung (f. Im^ pfung).
Die Methode der S. gegen Krankheiten verdankt ihre Aufnahme unter die Maßregeln zur Verhütung namentlich epidemischer Krankheiten der Beobachtung, daß Individuen, die eine bestimmte Krankheit überstanden baben, in der Regel gegen eine Wiederkehr der Erkrankung zeitweise oder dauernd geschützt sind, Immunität (s. d.) gegen diese Krankheit erlangt haben. Diese Immunität besteht in gleicher Stärke [* 39] auch dann, wenn die sie erzeugende erste Erkrankung auch nur minimal ge- wesen ist. So wird jemand immun gegen das Vlatterngift, wenn er nur einen ganz geringen Blatternanfall überstanden hat. Es liegt nahe, daß man schon in den frühesten Zeiten auf den Gedanken kommen mußte, das Herrschen fchwächerer Seuchen- ausbrüche, bei denen Verlauf und Ausgang der Erkrankungen sehr günstig waren, dazn zu be- nutzen, künstlich Erkrankungen an den betreffenden Seuchen herbeizuführen, um sich dadurch gegen etwa später auftretende heftige Scuchenausbrüche zu schützen.
Ilnd in der That haben schon die alten Inder diefe Art der S. gegen die vorherrfchendste Volksfeuche, die Blattern, angewendet. Zur künst- lichen Erzeugung der Kraukheit bediente man sich bei dieser erstcn S. des frischen oder an Seidenfäden eingetrockneten Inhalts der Vlatternpuftelu. Ein bedeutender Fortschritt für die S. war die Ent- deckung Ienners, daß eine Tierkrankheit, die Kuh- pocke oder Vaccine, durch Übertragung auf den Menschen diesen gegen die Gefahr der Vlattern- erkrankung zu schützen vermag.
Dadnrch ist die für Civilisation und Volkswohl so segensreiche Schutz- pockenimpfuug entstanden. Zur Erklärung der Schuhwirkung der Vaccinc gegen das Blatterngift muhte man annehmen, daß durch die Übertragung des Vaccineinfektionsstosfs auf den Menfchen in dessen Körper Veränderungen vor sich gehen, daß Schutzstosfe gebildet werden, die es ihm gestatten, die etwa einmal eindringenden Blatternerreger so- fort unschädlich zu machen oder ihre giftigen Stoff- wechselprodukte zu entgiften.
Da man nickt ver- muten tonnte, daß die Schutzwirkung der Vaccine etwas Zufälliges ist, mußte man weiter annehmen, daß Blattern und Vaccine bezüglich ihrer Erreger identische Krankheiten seien, und in der Vaccine- erkraukung eine leichtere, milder verlaufende Form der Blattern seben, erzeugt durch die bei ihrem Wachstum im Ticrkörper in ihrer Giftigkeit (Viru- lenz) abgeschwächten Blattcrncrregcr, die selbst aber noch unbekannt sind. Dem ist auch so, wie weitere Versuche gezeigt haben.
Man kann durch Über- tragung von Pockeneitcr der echten Menschcnblat- tern auf Rinder [* 40] bei diefen die Vaccine erzeugen und den aus den Vaccinepusteln gewonnenen In- fcktionsstoff zu einer erfolgreicken S. gegen Men- schcnblattern benutzen. Man ist auf diesem vor- gezeigten Wege der ^). mit abgeschwächten Krank- heitsstofscn weiter gegangen und hat sich bcmübt, auch gegen andere Krankheiten des Menfchen, z. B. die Hundswut, und gegen einige der verheerendsten Tierseuchen, wie Schweincrotlauf, Milzbrand, Hüh- nercholera, Naufchbrand, S. zu finden.
Sehr förder- lich war diefen Vestrebnngen, daß man inzwischen für eine Reihe solcher Krankheiten die Erreger in Gestalt der Bakterien kennen gelernt hatte und da- mit in den Stand gesetzt war, die Bedingungen für die Abfchwächung ibrer Virulenz zu untersuchen und diese letztere selbst beliebig zu vergrößern. Da^ bei ergab sich auch, daß solche Abschwächungen an künstlichen Kulturen, also unabhängig von andern Tierkörpern erzielt werden konnten. So vcrmochte Pasteur die Milzbranderregcr durch Zücktung bei höherer Temperatur (42-43") auf beliebige Viru- lenzgrade hcrabzubringen.
Leider sind aber die praktischen Erfolge dieser S. binter den Erwartun- gen, die inan nach dem Ausfall der Laboratoriums- crpcrimente zu hegen berechtigt war, erheblich zurück- geblieben, und auch nicht eine der neuern S. kann sich annähernd mit der Schutzpockenimpfung mesfen. In den letzten Jahren haben andere Anschauungen über das Wesen und die Entstehung der Immunität und die Wirkung der S. Platz gegriffen und sich demgemäß die Mittel, S. auszuführen, geändert. Es wurde festgestellt, daß bei dem Wachstum von Krankheitserregern im Körper (auch in Kulturen) bestimmte Giftstoffe (Tor albumine) entstehen, die ihrerfeits erst die charakteristischen Krankbcits- symptome hervorrufen.
Aus Kulturen folcher Krank- heitserreger gewonnene Toralbumine erzeugen auch bei Abwesenbeit der erstern die bekannten Sym- ptome. Zur Beseitigung dieser Toralbumine bilden die Körperzellen sog. Abwehrstoffe (Alerine, Antitoxine), die sich mit den Toralbuminen zu unwirkfamen Körpern verbinden. Sind die Ab- wehrstoffe in genügender Menge vorbanden, so werden die Giftstoffe der Krankheitserreger neutra- lisiert;
es tritt Heilung ein;
sind sie hingegen im Übermaße vorhanden, fo verhindern sie, da sie offenbar nur ganz allmählich im Körper wieder verschwinden, auf längere oder kürzere Frist eine weitere Erkrankung, da sie etwa neu entstehende Giftstoffe ebenfalls sofort unschädlich machen;
sie erzeugen also eine temporäre oder dauernde ¶
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nität. Die sich hieraus ergebende Methode der S. geht dahin, durch Einverleibung gesteigerter Men- gen Giftstoffe aus Kulturen von Krankheitserregern im Körper eines Tiers (Impftiers) möglichst reich- liche Abwehrstoffe bilden zu lassen, diese aus dem Blut und den Säften des Impftiers zu gewinnen nnd sie zur Verimpfuug auf Menschen und Tiere zu verwenden, die gegen die betreffende Krankheit immunisiert werden sollen. Am reichlichsten finden sich diese Abwehrstoffe im Blut, und man verwendet dieses oder besser das in ihm enthaltene Serum, in andern Fällen aber auch die durch umständliche Verfahren isolierten Abwehrstoffe als Impfmaterial und bringt sie durch subkutane Einspritzung [* 42] in den zu immunisierenden Körper.
Die dazu erforderlichen Mengen sucht man durcd Laboratoriumsversuche festzustellen. Auf diefe Weise sind S. bei Tiercn gegen Schweinerotlauf, Tetanus, Dipbtheritis, Pncumonie zu stände gebracht worden; allerdings fehlen noch die Experimente im großen und unter naU'nüchen Verhältnissen. Doch besteht Auvsickt, daß mau auf dicfem Wege fchlicßlich doch zu erfolg- reichen S. gelangt. Wenn genügeude Mengen Abwehrstoffe im Körper eine Heiluug ermöglichen, so ist zu vermuten, daß Mangel an solchen die Ursache eines ungünstigen Krankhcitsverlaufs wird.
Man bat darum versucht, bei bereits vorhandener Krankheit den Verlauf günstiger dadurch zu gestalten, daß man die be- treffenden Abwehrstoffe in reichlicher Menge zu- führt, einen etwa vorhandenen Mangel also auf- hebt. Damit würde ja eine Heilung auch bei vor- gerückter Erkrankung möglich werden. Die S. wird zur Hcili mp fu n g, das Schutzimpfungoserum zum Heilserum. Auch diese Versuche, namentlich die- jenigen, welche Vehring bei der Diphthcritis an- stellte, sind bisher vielversprechend; ein entscheiden- des Urteil über den Wert der Hcilimpfung läßt sich jedoch bis zur Stuudc noch nicht fällen.
Zur Be- stimmung des Grades der Immunisierungskraft bezeichnete Vchring als Normalserum ein Blut- serum, von dem 1 äcF hinreicht, um ein Meer- schweinchen gegen die zehnfach tödliche Giftdosis zu schützen. 1 ccm dieses Normalscrums entspricht einer Immuuisieruugseinheit. Es ist gelungen, Blutserum zu gewinnen, das das Eechzigsache und darüber des Normalserums an Immunisierungs- einhciten enthält; zur Darstellung im großen, die zur Zeit von der Firma Meister, Lucius H Vrü- ning, Farbwerte, Höchst a. M., unter Kontrolle von Behring ausgeführt wird, werden vorwiegend Pferde [* 43] benutzt, denen man große Quautitäten von Blut von Zeit zu Zeit entziehen kann.
Das aus diesem gewonnene Serum wird, nach Zusatz von 0,5 Proz. Carbolsüure zur Verhütung von Bakterienwucherun- gen, in Fläschchen zu je nisicrungscinheitcn als Vehrin gs Heilserum in den Handel gebracht. Zur Behandlung von diphtdcrie- kranken Kindern in der ersten Zeit der Erkrankung sind etwa 600 Immunisierungseindeiten erforder- lich, später muß die Dosis verstärkt werden; zur Immunisierung gefährdeter Individuen sind ge- ringere Mengen erforderlich. Schädliche Neben- wirkungen des Heilserums werden von Behring und vielen andern in Abrede gestellt. -
Vgl. Behring, Das neue Diphtheriemittel (Berl. 1894).
Schutzkuppel, s. Kuppel (Bd. 10, S. 824d). Schutzmann, in neuerer Zeit an Stelle des Ausdrucks Volizeidiener, Sicherheitsdiener u. j. w. gebräuchlich gewordene Bezeichnung der untersten Erekutivbeamtcn der Sicherheitspolizei in den Städten. Der S. trägt eme ihn dem Publikum kenntlich machende Uniform und ist meistens auch zu seiner Verteidigung mit einem Seitengewehr be- waffnet; seine Aufgabe besteht vorzüglich darin, in Straßen und auf Plätzen auf Nuhe und Ordnung zu sehen, Störungen zu beseitigen, die Urheber von solchen zu verhaften.
Die Schutzmannschaften sind in der Negel militärisch organisiert, in ähnlicher Weise wie die Gendarmen (s. d.) und die Land- jägerkorpv; sie rekrutieren sich meistens aus aus- gedienten Unteroffizieren. Die Schutzleute gehören zwar nicht zum aktiven Heere und zu den Militär- pcrfonen im Sinne des Neicksmilitärgesetzes; je- doch erwerben ehemalige Unteroffiziere, welche in militärisch organisierte Echutzmannschaften einge- treten sind, den Anspruch auf den Civilversorgungs- schein (Beschluß des Bundesrats vom Die Schutzleute gehören zu den Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes, welche nach ß. 153 der Strafprozeßordnung Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft und in diefer Eigenschaft ver- pflichtet sind, den Anordnungen der Staatsanwälte bei dem Landgericht ihres Bezirks und der diesen vorgesetzten Beamten Folge zu leisten.
Schützmarke, s. Markenschutz. Schutzmauke, volkstümliche Bezeichnung für die sehr selten (in England zumeist) beobachtete echte Pferdepocke, die vom Menschen auf das Pferd [* 44] über- tragen wird. Die S. ist wohl zu unterscheiden von der gewöhnlichen Mauke (s. d.). Schutzpapp, s. Enlevagc. Impfung. [* 45] Schutzpockcuimpfung, s. Impfung und Schutze Schutztruppe, f. Deutsch-Ostafrika. Schutz- und Trutzbündnis, f. Allianz. Schutzverwaudte, Schutz genossen, Bei- sassen, diejenigen, welche mit einer polit.
Ge- meinschaft in Verbindung stehen und, ohne eigent- liche Mitglieder zu sein, deren Schutz genießen. In Alben konnten sich Ausländer als freie Metöken aufhalten und selbst Gewerbe treiben, wenn sie sich einen Patron (Prostates) aus den Bürgern wähl- ten und ein jährliches Schutzgeld zahlten, und im Verhältnis zum röm. Staate waren alle Provin- zialen bloße S. Unter den Deutschen nahmen Laten, Pfleghafte und sonstige Vogtleute in der Abhängigkeit von einem siegreichen Volksstamme oder unter dem Schutze (Vogtei) geistlicher und weltlicher Grundherren eine Mittelstellung zwischen Freien und Hörigen ein, und die Juden genossen als zinsende Kammerknechte den Frieden des Königs oder seiner mit dem Iudenschutz deliehenen Würden- träger.
Gegen den Druck mächtiger Herren, welche die kleinern Freien auf dem Lande in ein Hörig- teitsverhältnis zu bringen suchten, gewährten die Städte schütz, indem' sie die Bedrängten trotz mehrfacher, besonders im 13. Jahrh, ergangener Verbote zu freien Aus- oder Pfahlbürgern an- nahmen. In denjenigen Stadt- und Landgemein- den, welche sich um den Besitz einer Mark oder eines sonstigen, von den Mitgliedern benutzten genossenschaftlichen Vermögens gebildet hatten, waren die Inhaber von später gegründeten Stellen jener Nutzungsrechte der Altgemeinde nicht teil- haftig. Noch jetzt bilden nach einigen deutschen Ge- meindeordnungen die S. eine besondere Eiuwobner- klasse, welche die Rechte des Indigenats (s. d.) besitzt, aber an der Gemeindeverwaltung keinen Anteil 42* ¶
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nimmt. Neuere Gesetze haben jedoch auch den Unterschied zwischen S. und Bürgern beseitigt. Völkerrechtlich sind S. entweder Schutzge- nossen im engern Sinne oder ä" laoto-Unterthanen. Erstere sind fremde Staatsangehörige, deren Staa- ten vertragsmäßig der deutsche Konsularschutz zu- gesichert wurde; dies ist der Fall für Österreich- Ungarn, [* 47] Schweiz, [* 48] Luxemburg, [* 49] wo diese Staaten nicht selbst Konsulate haben; außerdem kann der Reichskanzler in einzelnen Fällen immer den Konsul zur Gewährung des Konsularschutzes anweisen.
Die äe t'acto-Unterthanen sind Personen, die selbst oder deren Eltern früher die deutsche Staatsangehörig- keit besaßen, ferner folche Personen, welche im ethnogr. Sinne des Worts Deutsche sind, endlich Unterbeamte des diplomatischen oder Konsular- dienstes, welche in keinem andern Schutzverhältnisse stehen. Die nähern Vorschriften sind enthalten in der Instruktion vom und der Verord- nung des Reichskanzlers vom lO^Sept. 1879. Schutzvorrichtungen, s. ^icherheitsvorrich- tungen.
Schutzwaffen, tragbare Deckungsmittel, die im Altertum und Mittelalter zum Schutz des Körpers gegen die Angrissswasfen dienten; sie zerfielen in Helm, Rüstung [* 50] und Schild. Vor Erfindung des Schießpulvers spielten die S. eine wichtige Rolle, verloren aber bei der wachsenden Bedeutung der Feuerwaffen und der dadurch veränderten Fecht- weise immer mehr an Wert und sind jetzt nur noch durch spärliche, mehr symbolische Neste vertreten: Küraß, Stahlhelm und Epauletten.
Schutzwald, ein Wald, dessen Erhaltung wegen seines Einflusses auf Landeskultur und Gesundheits- verhältnisse geboten ist. Er ist im doppelten Sinne S., weil er selbst Schutz gewährt und weil er des- halb besonders geschützt werden soll. In den Alpen ist für S. auch der Ausdruck Bannwald (s. d.) ge- bräuchlich. Viele Forstgesetze enthalten Bestimmun- gen über den S., so in Bayern Öster- reich Preußen [* 51] Schweiz Italien [* 52] Ungarn Württemberg Als Gefahren, zu deren Verhütung der S. dienen soll, oder als Vorteile, die dieser bietet, nennen die Gesetze uamentlich: Schutz gegen schädliche klima- tische Einflüsse, Einfluß auf Quellenbildung, Wasser- lauf, Befestigung des Bodens, Schutz gegen nach- teilige Einwirkungen der Winde, [* 53] gegen Lawinen, Einfluß auf die öffentliche Gesundheitspflege, Ver- wendbarkeit für Zwecke der Landesverteidigung.
Die Gesetze selbst zeigen indessen bezüglich der Bestim- mung, welcher Wald S. sei und welchen Nutzen er als solcher gewähre, die buntesten Unterschiede, die sich freilich zum Teil auf örtliche Verschiedenheiten zurückführen lassen (z. B. Lawinen in den Alpen, Flugsand an der Meeresküste). Sicher gelaugt die Gesetzgebung nur zum Ziel, wenn eine, zwar schwie- rige und kostspielige, amtliche Ausscheidung des S. alle Zweifel behebt. So geschieht es z.B. in Württem- berg, in Ungarn, in der Schweiz (im Kanton [* 54] Grau- bünden bereits 1834). In Württemberg ersolgt die Bezeichnung eines Waldes als S. im Grundbuch, im Kanton Unterwalden ob dem Wald im Gülten- protokoll, im Kanton St. Gallen im Servituten- protokoll.
Den Schwierigkeiten der Gesetzgebung suchte man neuerer Zeit in Preußen dadurch aus- zuweichen, dah nach dem Gesetz über Schutzwald- und Waldgenosjenschaften von 1875 ein Wald als S. erklärt werden kann auf Antrag gefährdeter Interessenten oder auf Antrag von Gemeinde-, Amts-, Kreis [* 55] - oder fonstigen Kommunalverbünden oder von der Polizeibehörde. Die Entscheidung über einen solchen Antrag steht in Preußen dem Kreis- ausschuß zu, der in solchen Füllen den Namen «Wald- schutzgericht» führt.
Der Erfolg dieser gesetzlichen Bestimmungen war indessen ein sehr unbedeutender, weil die zu solchen Anträgen Berechtigten sich vor den ihnen erwachsenden, nicht unerheblichen Kosten fürchten. Das beste Mittel ist die Enteignung (Ex- propriation) solcher Waldungen durch den Staat. Dieser Maßregel ist aber in den meisten Gesetzen gar nicht, in einigen nur beschränkt gedacht. Schutzzoll, im Gegensatz zu Finanzzoll (s. d.) der Zoll, welcher die Hebung der inländischen Pro- duktion, die Abwehr der ausländischen Konkurrenz bezweckt, bei welchem also das fiskalische Interesse nebensächlich ist. Er erscheint in der Regel als Ein- suhrzoll auf ausländische Produkte, welche im In- lande ebenfalls erzeugt werden und bezweckt die Verteuerung derselben, wodurch auch der Inlands- preis künstlich gehoben oder wenigstens vor Rück- gang bewahrt werden soll. übernimmt der auslän- dische Produzent den Zoll derart, daß die Einfuhr nicht vermindert und der Preis nicht verteuert wird, so wird der S. allerdings zu einem bloßen Finanz- zoll, hat aber dann seinen eigentlichen Zweck verfehlt. (S. auch Schutzzollsystem.) Schutzzollsystem oder Protektionssystem, dasjenige handelspolit.
System, welches durch Zölle auf die Einfuhr gewisser Waren die inländischen Produzenten dieser Waren gegen die auswärtige Konkurrenz schützen und die Entwicklung der be- treffenden Produktionszweige im Lande befördern will. Es erscheint daher als eine Milderung des Prohibitivsvstems (s. d.), das die fremde Kon- kurrenz auf vielen Gebieten gänzlich ausschloß. Ursprünglich ging das S. hauptsächlich von dem Gesichtspunkte des Merkantilsystems (s. d.) aus, indem es vor allem eine günstige Handelsbilanz und die Herbeiziehung von Edelmetall erstrebte.
In der neuern Zeit dagegen wurde zu Gunsten desselben namentlich von Friedr. List (s. d.) und Henry Carey (s. d.) vorzugsweise das Bedürfnis der industriellen Erziehung, Belebung und nach- haltig besten Verwendung der einheimischen Pro- duktivkräfte in den jungen oder aus irgend einem Grunde zurückgebliebenen Ländern geltend gemacht. Die ältere und die Listsche Theorie stimmten jedoch darin überein, dah der Schutz nur den Fabrikaten, nicht aber auch der landwirtschaftlichen Produttion von Lebensmitteln und Rohstoffen zukommen solle; vielmehr schien es im Interesse der Industrie wünschenswert, daß die Einfuhr der letztern Pro- dukte möglichst erleichtert werde.
In der Praxis gestaltete sich das S. jedoch anders. In England erhielten die Grundbesitzer schon seit dem Ende des 17. Jahrh, wesentlichen Anteil an dem S., und in Frankreich gelang es ihnen seit 1816, nach und nach hohe Zölle auf Lebensmittel und Rohstoffe durch- zusetzen. Die engl. Freihandelsbewegung (s. Anti- Corn-Law-League) war in erster Linie gegen die landwirtschaftlichen Schutzzölle gerichtet, und deren allmähliche Beseitigung bildete auch in Frankreich die Vorbereitung der 1860 beginnenden relativ frei- händlerischen Handelspolitik. Im Deutschen Zoll- verein sind solche Zölle früher nur in geringfügigem Maße vorhanden gewesen. In der neuesten Zeit ¶
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aber ist nicht nur die freihändlerische Bewegung ins Stocken und das S. in fast allen Ländern, außer England, wieder in grösierm Umfange zur Anwen- dung gekommen, sondern es ist auch theoretisch der früher festgehaltene Unterschied zwischen industriellen und landwirtschaftlichen Schutzzöllen aufgegeben worden. Es ist in der That unter den heutigen Verhältnissen kein stichhaltiger Grund vorbanden, den Schutz, den man der Industrie gewähreu will, der Landwirtschaft zu versagen, da der Betrieb der letztern, zumal wenn er intensiv mit größerer .Napital- Verwendung stattfindet, einen durchaus industriellen Charakter erhalten hat.
Die etwaige Erschwerung der Ausfuhr von Fabrikaten infolge der landwirt- schaftlichen Schutzzölle wäre in einem konsequenten S. durch besondere Mittel, wie Ausfuhrvergütun- gen, auszugleichen. Ob aber überhaupt das S. be- rechtigt ist, läsit sich uicht im allgemeinen, sondern nur für befondere Fälle beantworten, selbst A. Smith (s. d.) will für einzelne Fälle, namentlich im Interesse der militär. Selbständigkeit des Landes und zum Zwecke einer Erfolg versprechenden Re- torsion, Schutzzölle zulassen.
Über die Anwendung der Schutzzölle in der ueuern.Handelspolitik s. Frei- handel. Insbesondere wird heute von den Schutz- zöllnern für die Einführung oder Erhöhung der Schutzzölle auch der Grund geltend gemacht, daß die Goldwährungsländer durch das infolge des Rück- gangs des Silberprcifes entstehende Goldagio für Silberwühruugslünder diefen gegenüber beim Wa- renexport in Nachteil geraten. Eine besondere Art des Schutzzolls sind die Retorsionszölle (s. d.). - Litteratur s. unter Freihandel und Freihandelspartei. (S. auch Handelsverträge.) Schuwalow, russ. Grafenfamilie.
Alexander und Peter S., Söhne von Iwan S., der unter Peter d. Gr. Kommandant von Wiborg [* 57] war, wur- den in den russ. Grafenstand und beide von Peter III. später zu Reichsseldmarsckällen erhoben. Der Graf Peter S. war zugleich General- feldzeugmeister und (feit 1756) Kriegsminister. Er starb Ein Vetter dieser beiden, Iwan Iwanowitsck S., geb. veranlaßte 1755 die Grün- dung der Universität zu Moskau [* 58] mit zwei zu ihr gehörigen Gymnasien, 1758 die Gründung der Aka- demie der Künste zu Petersburg [* 59] und starb dort Ein Eeitenverwandter dieser Linie, Paul An- drejewitsch, Graf S., geb. focht unter Suworow in Polen und Italien und nahm am Feldzug 1807 teil. Im finländ.
Kriege 1809 war er der erste Russe, der über Tornea in Schwe- den eindrang und durch eiuen kühnen Marsch über das Eis [* 60] Schelefta einnahm, 8000 Schweden [* 61] zu Ge- fangenen machte und 121 Kanonen erbeutete. An der Seite dos Kaisers wohnte er 1813 drn Schlach- ten gegen Napoleon bei und erhielt nach dem Ein- marsch der Verbündeten in Paris [* 62] den Auftrag, die Kaiserin Maria Lonise nach Österreich [* 63] zu geleiten und Napoleon l. nach Fr^us zu führen. Er starb zu Petersburg. Sein Sohn, Graf Andreas S., starb 1876 als Mitglied des Reichsrats und Oberbofmarschall.
Dessen Sobu Peter, Graf S., geb. zu Petersburg, trat in die taiserl. Garde, war 1861 -66 Geueralgouverneur von Livland, [* 64] Esthland und Kurland und wurde 1866 zum Ebes der polit. Polizei ernannt. 1873 mit einer außerordentlichen Mission nach London [* 65] beauftragt, vermittelte er die Veileguug der wegeu der russ. Fortschritte in Tur- kestan mit England ausgebrochenen Mißhelligkeiten, und wurde Olt. 1874 an Brunnows Stelle Botschaf- ter in London. Als im Frühjahr 1878 der Ausbruch eines russ.-engl. Krieges unvermeidlich fchien, ging S. nach Petersburg, wo es ihm gelang, den Kaifer Alexander II. für Erhaltung des Friedens und zum Verzickt auf die volle Aufrechterhaltung des Ver- trags von San Stefano zu bestimmen.
Darauf war er russ. Bevollmächtigter beim Berliner Kongreß [* 66] (s. d.). Als Anhänger der Vismarckschen Politik wurde S. im Nov. 1879 von London abberufen. Er starb in Petersburg. Dee. letztem Bruder, Graf Paul S., geb. 1830, wurde 1873 Generallicuteuaut und zeichnete sich als interimistischer Commandeur der 2. Gardeinfanterie- division 1878 bei Philippopel aus. 1885 wurde er zum russ. Botschafter in Berlin ernannt und Dez. l^9i abberufen, um an Stelle Gurkos General- gouvcrneur von Warschau [* 67] zu werden.
Schvarcz, Iul., uugar. staatswissenschaftlicher Sckriststeller, geb. zu Stuhlweißen- burg, studierte zu Pest, Müuchen und Berlin, wirkte als ungar. Reichstagsabgeordnetcr (1868-79 und 1887 - 94) auf verfassungs- und besonders aus unterrichtspolit. Gebiete für zeitgemäße und liberale Reformen. Von 1867 bis 1879 veröffentlichte S. mehrere Werke über die Reform des europ. und ins- besondere des uugar. Unterrichtswesens. Später widmete er sich ganz der staatswissenschaftlichen Lit- teratur und veröffentlichte zahlreiche histor. - polit.
Studien in den «Abhandlungen der Ungarischen Akademie», deren Mitglied er seit 1864 ist. Seit 1894 ist er Professor der alten Geschichte an der Universität Budapest. [* 68] Seine Hauptwerke sind: das groß angelegte Buch «Die Demokratie» (Bd. 1 u. Bd. 2, Abteil. 1, Lpz. 1882-91),
«Kritik der Staats- formcn des Aristoteles» (Hannov. 1890),
«Montes- quieu und die Verantwortlichkeit der Räte des Mon- archen in England, Aragonien, Ungarn, Sieben- bürgen und Schweden. 1189-1748» (Lpz. 1892) und «Elemente der Politik, Versuch eiuer Staats- lehre auf Grundlage der vergleichenden Staats- rechtswissenschaft u^ Kulturgeschichte» (Berl. 1895). -
Vgl. Schwicker, Julius S. und feine Schriften (Budapest und Lpz. 1882);
Schrattenthal, H. Taine uud I. S., eine Parallele [* 69] (Eisenach [* 70] 1888).
Ko/t"^., binter lat. naturwissenschaftlichen Namen Abkürzung für August Friedrich Schweigger, Arzt, Botaniker, Zoolog, geb. 1783 zu Erlangen, [* 71] Juni 1821 bei Camerata auf Sicilien ermordet. Schwaan, Stadt im Herzogtum Güstrow [* 72] des Großberzogtums Mecklenburg-Schwcriu, links an der Warnow und der Linie Güstrow - Rostock [* 73] der Mecklenb. Friedrich-Franz-Bahn, Sitz eines Amts- gerichts (Landgericht Rostock), hat (1890) 3946 E., Postamt zweiter Klasse, Telegraph, [* 74] Kirche, Syna- goge, Bürgerschule, Vorschußvereine, Sparkasse, Schlachthaus; Ziegeleien, Windmühlen, Sägewerke, Vieh- und Pferdemärkte. Schwab, Gust. Benjamin, Dichter, geb. zu Stuttgart, [* 75] studierte 1809- -14 m Tübingen [* 76] Philosopbie und Theologie, befreundete sich hier mit Uhland, bereiste im Sommer 1815 Norddeutschland, wo er namentlich in Berlin durch Fouquci und Franz orn zu dichterischem Schaffen angeregt wurde, war nack seiner Rücktebr Repetent am theol. Seminar zu Tübingen, wurde 1817 Professor am obern ¶