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werfung der Parteien unter die Usancen der betreffen- den Börfe. Bei denjenigen Geschäften, welche nicht sofort erfüllt werden sollen, ist der S. den Parteien zu ihrer Unterschrift und jeder Partei das von der andern unterschriebene Exemplar zuzustellen. Die Börsensteuer (s. d.) wird in der Regel durch Schlußnotenstempel erhoben, so daß für die betref- fenden Geschäfte Schlußnotenzwang besteht. Nach dem deutschen Reichsstempelgesetz vom muß über die im Tarif unter 4 genannten stempel- pflichtigen Kauf- und sonstigen Anschaffungsgcfchäfte der zur Entrichtung der Abgabe zunächst Verpflich- tete (ß. 9) über das abgabepflichtige Gefchäft einen S. ausstellen, welcher den Namen und den Wohnort des Vermittlers, der Kontrahenten, den Gegenstand und die Bedingungen des Geschäfts, Preis und Zeit der Lieferung ergeben muß. Die Unterschrift des Ausstellers ist hierbei nicht erforderlich. - Die Gültigkeit des Geschäfts hängt von der Ausstellung, Aushändigung oder Annahme des S. nicht ab. Die Unterzeichnung des S. enthält ein Anerkenntnis des abgeschlossenen Geschäfts; in der vorbehaltlosen An- nahme des S. kann die Genehmigung des in der- selben beurkundeten Geschäfts gefunden werden.
Eine besondere Beweiskraft hat der S. in Deutsch- land nicht. Schlüter, Andreas, Bildhauer und Baumeister, geb. in Hamburg [* 2] als Sohn eines Bildhauers, verlebte seine Jugend in Danzig. [* 3] Weiter findet man ihn als Bildhauer im Dienste [* 4] des Königs Johann Sobieski, zugleich als Baumeister in Warschau. [* 5] 1694 wurde er als Hofbildhauer nach Berlin [* 6] gerufen. Hier entwickelte er als Bildhauer wie auch als Architekt eine reiche Thätigkeit. Nach- dem er 1695 Mitdirektor der Akademie geworden war und eine Reise nach Italien [* 7] unternommen hatte, modellierte er 1697 das Standbild des Kur- fürsten Friedrich III. und leitete von 1698 an den von Nehring begonnenen Bau des Zeughaufes (jetzi- gen Ruhmeshalle), das ihm die berühmten Masken [* 8] dersterbendenKrieger(s.Tafcl: Deutsche Kunst [* 9] IV, [* 1] Fig. 6) an der Facade des Lichthofs verdankt (in Lichtdruck hg. von'Dohme, Verl. 1877), während de Boot die von ihm errichtete Attika wieder besei- tigte. Am königl. Schlosse zunächst als Bildhauer thätig, wurde er 1699 Schloßbaudirektor und schuf die Portale nach dem Schloßplatze (s. Taf. III, [* 1] Fig. 5), nach dem Lustgarten und dem zweiten Schlohhof (1706 vollendet).
Seine Bauten hier sind von wuch- tiger Monumentalität; sein Talent offenbart sich besonders in den Innendekorationen, in denen sich deutfche Phantasie mit breiter Kraft [* 10] mifcht. Ferner baute er den Palast Wartenberg (1890 abgebrochen); dazu kommen die Entwürfe zu dem bald wieder ab- gebrochenen schlecht gegründeten Münzturm. Der Mißerfolg an letzterm brachte S. 1706 um seine Stellung als Schloßbaumeister, in welche Eosander von Goethe trat. Er modellierte 1713 noch das Grab- mal von König Friedrich I. und dessen Gemahlin im Dom zu Berlin und baute die jetzige Royal I)ork Loge. 1713 ging er nach Petersburg, [* 11] wo er sür Peter d. Gr. baute, doch schon 1714 starb.
Das Edelste, was er geschaffen, ist das Reiterbild des Großen Kurfürsten auf der Langen Brücke [* 12] in Berlin, 1703 enthüllt. (Berl. 1855);
Adler, [* 13] Andreas S.s Leben und Werke (ebd. 1862);
Dohme, Kunst und Künstler, Heft 36 (Lpz. 1877);
ders., Das königl. Schloß in Berlin (ebd. 1876);
Gurlitt, Andreas S. (Berl. 1891). Schlutte, Pflanze, s. ?1^8Hii8. Schmachtersee, f. Binz. Schmack, Pulver zum Gerben, s. KW13. Schmack, seltener Ausdruck für kleine Holland. Lastschiffe, die sehr unbeholfen gebaut sind und sehr flach gehen, um bei Flutzeit über die Watten der Nordfeeströme fahren zu können. Gebräuchlicher ist die Bezeichnung Tjalk oder Kufftjalk. Sie un- terscheiden sich von den ähnlich gebauten Kuffen nur dadurch, daß sie etwas kleiner sind und nur einen Mast haben, während jene zwei tragen.
Die engl. einmastigen Hochseefischerfahrzeuge (s. Tafel: Netz- fischerei II, [* 1] Fig. 1), die in Flotten zu Hunderten in der Nordsee fischen, werden ebenfalls S. oder Smack genannt. Schmackieren, soviel wie Gallieren (s. d.). Schmadribach, Bad [* 14] mit Wassersturz im Lauter- brunn er Thal. [* 15] Schmagillis, afrik. Volksstamm, s. Bogos. Schmähschrift, s. Pasquill. Schmalbienen, s. llalicwL. Schmälen, das plärrende Lautgeben von er- schrecktem weiblichem Edel-, Dam- und Rehwild.
Schmaler, Gerät der Korbflechterei (s. d.). Schmaler Graben, s. Plauenscher Kanal. [* 16] Schmaljungfern ((^loptei^x), Schneider, Gattung der Libellen (s. d.) mit breiten, dicht netzartig geäderten Flügeln, langen Beinen. Die Geschlechter sind verschieden gefärbt, die Larven sind lang und dünn, fast cylindrifch, mit langen Beinen und langer, abgeflachter Fangmaske. Die bekannteste, an schilf- reichen Wässern sehr häufige Art ist die Seejungfer ((^1opt6i-^x vii-Ao ^.), beim Männchen mit azur- blauem Körper, bräunlichen, dunkelblau glänzenden Flügeln, beim Weibchen mit smaragdgrünem Leib und braunen Flügeln mit einem weißen Fleck. Spannbreite 47-50 mm. Schmalkalden.
1) Kreis [* 17] im preuß. Reg.-Bez. Cassel, hat 279,59 ykm und (1890) 33 268 (16437 männl., 16 831 weibl.) E., 1 Stadt und 37 Land- gemeinden. - 2) Kreisstadt im Kreis S., am süd- westl. Abhang des Thüringer Waldes in einem engen Thale, am Einfluß der Stille in die Schmalkalde, an den Ne- benlinien Wernshausen - Zella- St. Blasii und S.-Kleinschmal- kalden (9,6^m) derPreuß.Staats- bahncn, Sitz des Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Meiningen) [* 18] und Bergamtes, hat (1890) 7318 E., darunter 173 Katholiken und 110 Israeliten, Postamt erster Klasse, Telegraph, [* 19] auf dem Alt- markt eine Germania [* 20] zum Andenken an Karl Wil- helm, den Komponisten der «Wacht am Rhein», und einen Brunnen [* 21] mit Lutherbüste, eine got.hauptiirche (1413-1509), Schloß Wilhelmsburg im Renais- sancestil auf dem Questenberg, mit sehenswerter Kapelle und einer interessanten Altertumssamm- lung des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde, ein got. Rathaus, in dem 15Z0 der Schmalkaldische Bund (s. d.) geschlossen und 1537 die Schmalkaldischen Artikel (s. d.) unterzeichnet wurden, am Lutherplatz das sog. Lutherhaus (F. Wilisch), in dem der Reformator 1537 wohnte, ferner ein Real- progymnasium und eine höhere Mädchenschule. Am westl. Ende der Stadt liegt das neu eingerichtete Solbad mit Quelle [* 22] und Inhalationshalle. Den Haupterwerbszweig der Stadt und Umgebung bildet ¶
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die Eisen- und Stahlwarenfabrikation (Schmal- kalder Artikel, wie Ahlen, Vobrer, Zangen, Striegel, Löffel u. s. w.). In der Nähe von S. wird Bergbau [* 24] aus Eisen [* 25] betrieben. - S., dessen schon in einem Dokument aus dem I. 874 Erwärmung geschieht, war früher die Hauptstadt der Herrsch aft S., die 1360 durch Kauf von den Burggrafen von Nürnberg [* 26] an Hessen [* 27] und Hennebcrg kam, aber nach Aussterben der Grafen von Hennebcrg (1583) in den alleinigen Besitz von Hessen überging. Mit Kur- hessen kam 1866 auch die Herrschaft S. an Preußen [* 28] und bildet seitdem den Kreis S. Von der Herrschaft S. ist über die Hälfte mit Wald bedeckt. Durch Vertrag vom trat Preußen die schmalkaldischcn Staatssorste an den Herzog Ernst von Coburg-Gotha ab. -
Vgl. Hafner, Die sechs Kantone der ehemaligen Herrschaft S. (4 Bde., Mcining. 1818-21)-, Wagner, Gefchichte der Stadt und Herrschaft S. (Marb. 1849);
S. und seine Sol- quellen (Schmalk. 1878);
Wilisch, S. und seine Um- gebungen (ebd. 1884).
Schmalkaldener Mohrenkopf, Schmalkal - dener Perücke, [* 29] Haustaube, s. Mähnentaube. Schmalkaldersche Patentbufsole, s. Kompaß. [* 30] Schmalkalderscher Höhenmesser (benannt nach dem Erfinder Echmalkalder), Instrument zum Messen von Böschungswinkeln, früher beim Kro- tieren öfters angewendet. Er besteht aus einer Blech- kapfel, in der ein Rad um feine Achfe leicht drehbar angebracht ist. Der Radreifen ist mit einer Grad- einteilung versehen und trägt an einer Stelle ein schweres Blcistück, das die Stelle eines Pendels vertritt, so daß der beschwerte Halbmesser des Rades sich von selbst bei jeder beliebigen Richtung der Kapsel senkrecht stellt.
Eine mit Dioptern verscbcne Röhre dient zum Visieren, und man richtet dieselbe bei senkrecht vor das Auge [* 31] gehaltener Kapsel auf den Endpunkt der geneigten Linie, deren Böschung bestimmt werden soll. Durch ein Prisma [* 32] kann man gleichzeitig beobachten, welcher Teilstrich des Rades vor dem Auge stehen bleibt', dieser giebt den Bö- schungswinkel an. Das Instrument wird in der Hand [* 33] gehalten oder auf einen Stock aufgesteckt. (S. Kapselquadrant.) Schmalkaldifche Artikel, die von Luther Dez. 1536 zu Wittenberg [* 34] aufgesetzten Artikel, die seinen theol. Standpunkt auf dem von Papst Paul III. nach Mantua [* 35] ausgeschriebenen Konzil darthun soll- ten. Da die prot. Stände bei der vorläufigen Be- ratung zu Schmalkalden (Febr. 1537) dieses Konzil ablehnten, so wurden jene Artikel auch nur von den anwesenden Theologen unterschrieben und galten lange Zeit hindurch nur als Privatschrift Lntbers, während der gleichzeitige Traktat Melanchthons über den Primat des Papstes schon auf dem Schmal- kaldcner Konvent fymbolifchcs Ansehen erbielt.
Erst nach Luthers Tode begann man seine Artikel, be- sonders der scharfen Ausprägung der lutb. Abend- mahlslehre wegen, im Streite wider die Schule Me- lancktbons wieder hervorzuzicben und in verschiede- nen Kircbenordnungen auf dieselben zu verpflichten. 1580 wurden die S. A. als symbolische Scbrift in das Konkordienbuch (s. d.) aufgenommen und galten als eins der Hauptbekenntnisse des orthodoxen Luther- tums, während man jenen Traktat Melanchthons beiseite ließ.
Das Manuskript der Schrift, die zuerst 1538 deutsch und 1541 in lat. Übersetzung ersckicn, befindet sich in der Heidelberger Universitätsbiblio- thek unv wurde zum Lutherjubiläum von Zange- Brockhaus' Konversations-Lexikon. 14. Aufl. XIV. meister in Faksimile herausgegeben (Heidelb. 1883). ^
Vgl. Menrer, Der Tag zu Echmalkalden und die S. A. (Lpz. 1837);
Plitt, 1)6 aucwritatk articuloi-uin LinHickläicoluin L^mdolica. (Erlangen [* 36] 1862).
Schmalkaldischer Bund, der durch den Kur- fürst Johann von Sachsen, [* 37] dessen Sohn Johann Friedrich I., den Landgrafen Philipp von Hessen und andern prot. Reichsfürsten und Städten auf einer Versammlung zu Schmalkalden (vom 22. bis verabredete und auf einer zweiten Versammlung ebendaselbst 29. März bis förmlich, zunächst auf fcchs Jahre, abgeschlossene Bund, durch den jedem unter ihnen gegen jeden An- a,riff des Glaubens wegen (den Kaifer nicht aus- genommen) gemeinschaftlicher Beistand geleistet wer- den sollte.
Außer Knrsachsen und Hessen traten bei Fürst Wolfgang von Anhalt, [* 38] die Herzöge Philipp, Ernst und Franz von Vraunfchweig und Lüneburg, [* 39] zwei Grafen von Mansfeld, die Städte Magdeburg, [* 40] Bremen, [* 41] Lübeck, [* 42] Etraßburg, Lindau, [* 43] Konstanz, [* 44] Mcmmingen, Biberach, [* 45] Isny, Reutlingen [* 46] und Ulm; [* 47] bald folgten auch Eßlingen, [* 48] Vraunschwcig, Göttin- gcn, Einbeck [* 49] und Goslar. [* 50] Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp wurden als Bundeshaupt- leute anerkannt und die Bundesverfassung im Dez. 1531 zu Frankfurt [* 51] a. M. vollends vereinbart.
Die Bundesgenossen, die sofort mit Frankreich und Eng- land Beziehungen anknüpften, versagten dem Kaiser die Kriegsbilfe gegen die Türken und weigerten sich, die Wahl feines Bruders Ferdinand I. zum röm. Könige anzuerkennen, worin sie von den kath. Her- zögen von Bayern [* 52] unterstützt wurden. Karl V. mußte sich daber zur Nachgiebigkeit verstehen, und so kam der Nürnberger Religionsfriede zu stände. Seitdem gewann der Protestantismus immer mehr an Ausdehnung [* 53] und Macht. Im Einverständ- nis mit Frankreich und Bayern führte Landgraf Philipp 1531 mit Waffengewalt den vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg [* 54] in sein Land zurück.
Äilf einer Versammlung zu Schmalkalden wurde der Bund auf weitere 10 Jahre er- neuert und befckloffen, alle, die darum nachfuchen und sich der Augsburgischen Konfefsion gemäß halten würden, auszunehmen. Demzufolge traten im folgenden Jahre bei: Württemberg, Pommern, [* 55] zwei Fürsten von Anhalt, die Städte Augsburg, [* 56] Frankfurt a. M., Kempten, [* 57] Hamburg, Hannover [* 58] und Minden. [* 59] Auch ein Bündnis mit König Chri- stian III. von Dänemark [* 60] wurde 1536 vollzogen und erhielt 1538 noch weitere Ausdehnung.
Auf der Bundesversammlung zu Schmalkalden im Febr. 1537, auf der auch die Schmalkaldischen Artikel (s. d.) unterfchrieben wurden, lehnten die Bnndes- genossen ab, ein Konzil in Italien zu beschicken, und forderten ein Konzilium auf deutfchem Boden. Das Verhältnis zwischen beiden Religionsparteien gestaltete sich immer feindseliger, als die kath. Stände unter Führung Bayerns den Mrnöerger Bunv schlössen Doch gelang unter Ver- mittelung der Kurfürsten von Brandenburg [* 61] und von der Pfalz nochmals ein vorläufiger Vergleich (der sog. Frankfurter Anstand Gleich- zeitig siegte der Protestantismus vollständig in Brandenburg und dem Albertinischen Sachsen. Aber der S. B. verpaßte damals die Gelegenheit, durch Aufnahme und Schutz des vom Kaifer bedrohten Herzogs Wilhelm von Iülich-Cleve am Nicderrhein Fuß zu fassen; auch das geplante Bündnis mit Hein- rich VIII. von England kam nicht zu stände und die 34 ¶
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Doppelehe Philipps von Hessen brachte diesen in eine bedenkliche Abhängigkeit vom Kaiser, der seiner- seits durch mehrere allerdings sruchtlose Neligionsge- spräcbe und durch die auf dem Negensburger Reichs' tag freilich nur insgeheim erteilten Zusicherungen die Protestanten zu beruhigen suchte. Ja Karl duldete sogar, dasi Herzog Heinrich der Jüngere von Braun- schweig - Wolfenbüttel [* 63] von den Bundesgenossen im Aug. 1542 aus seinem Lande verjagt wurde. Da- gegen leisteten letztere dem Kaiser Beistand gegen die Franzosen und Türken und liesien ihm auch freie Hand gegen den mit Frankreich verbündeten Herzog Wilhelm von Eleve, obwohl dieser sich offen der Re- formation zuneigte.
Kaum hatte jedoch Karl V. wieder Frieden mit Frankreich und Waffenstillstand mit den Türken geschlossen, so nahm er, durch die Kurie gedrängt, seine feindfeligen Pläne gegen die Protestanten wieder auf, zumal als dicfe jede Teil- nahme an dem Tridentinischen Konzil verweigerten. Zunächst lieh der Kaiser gegen den reformatorisck gesinnten Kurfürst-Erzbifchof von Köln, [* 64] Hermann von Wicd, von der Kurie ein Prozeßverfahren ein- leiten. Zwar siegten die Vundeshauptleute im Herbst 1545 über Herzog Heinrich den Jüngern, als dieser sein Land wiederzuerobern versuchte, und nahmen ihn gefangen; auch beschloß dieBundcsversammlung zu Frankfurt dem Kurfürsten von Köln gegen jeden Angriff beizustchcn; aber es kam nur zu einer fruchtlofcn Gesandtschaft an den Kaiser, und zu energischen Rüstungen [* 65] vermochten sich die Schmalkaldener nicht zu entschließen.
Die alten Schwächen des Bundes, die doppelte Hauptmann- schaft und der Gegensatz zwischen Fürsten und Städten wirkten lübmend, während Karl V. Rüstungen in Deutschland, [* 66] den Niederlanden und Italien begann und sich durch geheime Verträge den Beistand der kath. deutschen Fürsten sowie auch des prot. Herzogs Moritz von Sachsen sicherte. Auf dem Reichstage zu Regcnsburg 1546 warf Karl endlich die Maske ab. Ubcr die beiden Vundeshauptleute wurde dann im August die Reichsacht verhängt, und es begann der S chmalkaloische Krieg.
Der Feldhaupt- mann Schertlin nahm mit den Soldtruppen der oberdeutschenStüdte schon die Ehren- berger Klause ein, wurde aber zurückberufen, worauf die Verbündeten, statt mit ihrer gewaltigen Über- macht sofort den kaum gerüsteten und isolierten Kaiser anzugreifen, sich Anfang August zu Donau - wörth vereinigten. Während so der Kaiser unbehel- ligt die ital. Hilfstruppen an sicb ziehen konnte, wur- den im prot. Lager [* 67] durch den Eigensinn und Egois- mus der Fürsten und Kriegsräte alle Operationen gelähmt.
Beide feindlicken Heere manövrierten dann längs der Donau gegeneinander, und nach- dem die Schmalkaldener vor dem kaiferl. Lager zu Ingolstadt [* 68] gegen den Rat des Landgrafen den An- griff unterlassen hatten und nun im September auch die niederländ. Truppen zum Kaiser gestoßen waren, drängte dieser die Bundesgenossen nach Schwaben zurück, wo sie Mitte Oktober bei Giengen ein festes Lager bezogen. Am 21. Nov. traten die Echmal- kaldencr den Abzug an. Kurfürst Johann Friedrich eilte zurück, um sein Land wiederzugewinnen, uud auch Landgraf Philipp kehrte heim.
Die Bundes- verwandten in Süddeutfchland verzagten jetzt völlig und baten um Frieden. Im Dez. 1546 und Jan. 1547 unterwarfen sich dem Kaiser alle Reichsstädte, ebenfo der Herzog Ulrich von Württemberg. Dann wurde der Kurfürst Hermann von Köln gezwungen, zu resignieren (25. Febr.); sein Nachfolger stellte den Katholicismus im Lande wieder her. Unterdes hatte Johann Friedrich Kursachfen wiedergewonnen und sogar den Herzog Moritz aus seinen Erblanden ver- jagt. Die norddeutschen Vuudesvcrwandten hielten treu zu ihm, und in Böhmen [* 69] regte sich eine starke prot. Partei. Selbst Frankreich und England knüpften mit dem Kurfürsten Verbindungen an. Allein Karl V. zog mit gesamter Macht heran und gewann die Schlacht bei Mühlberg (s. d.), in welcker Johann Friedrich gefangen wurde.
Landgraf Philipp fchloß unter Vermittelung Moritz' und des Kurfürsten von Brandenburg eine Kapitu- lation und wurde gleichfalls in Haft genommen. Auch die norddeutschen Bundesverwandten, bis auf Magdeburg und Bremen, unterwarfen sich dem Kaiser, und damit war der Bund aufgelöst.
Vgl. Viglius van Zwichem, Tagebuch des Schmal - kaldischen Donaukrieges (bg. von Druffel, Münch. 1877);
G. Voigt, Die Geschichtschreibung über den Schmalkaldischen Krieg (Lpz. 1874);
ders., Moritz von Sachsen 1541-47 (ebd. 1876);
M. Lenz, Die Kriegführung der Schmalkaldcner gegen Karl V. an der Donau (in der «Histor. Zeitschrift», 1883); Winckelmann, Der S. V. 1530-32 (Straßb. 1892).
Schmalkaldifcher Krieg, f. Schmalkaldischer Bund. Schmalleder, soviel wie Oberleder (s. d.). Schmallenberg, Stadt im Kreis Meschede des prcuß. Reg.-Bez. Arnsberg, [* 70] an der Lenne, auf einem nö'rdl. Ausläufer des Rothaargebirges, an der Neben- linie Altenhundem-Fredeburg der Preuß. Staats- bahnen, hat (1890) 1603 E., darunter 68 Evange- lifche und 56 Israeliten, Post, Telegrapb, eine Rek- toratsschule; Fabrikation von Llrten, Beilen und Schippen, Wollspinnereien und -Färbereien und be- deutende Strumpf- und Jackenwirkereien.
Schmalnasen, die Affen [* 71] der Alten Welt, f. Affen. Schmalreh, weibliches Rehwild vom 1. Jan. nach dem Geburtsjahr bis zur ersten Brunft. Schmalschnabelsittiche, eine Art der Keil fchwanzsittiche (s. d.). Schmalspießer, s. Geweih (Bd. 7, S. 972 d). Schmalspurbahnen, Eisenbahnen, die eine ge- ringere Spurweite als die vorherrfchende sog. Nor- mal- oder Vollspur von 1,435 in (^ 8^/2" engl.) haben. Die Anfänge der S. waren die Schleppbahnen der Bergwerke (f. Vergwerksbahnen), die zur Überleitung der Förderwagen die kleinen Spurweiten der Gruben- gleife annahmen.
Mit dem fortschreitenden Ausbau des normalspurigen Eisenbahnnetzes stellte sich die Notwendigkeit heraus, auch Gegenden mit geringerer Verkehrsentwicklung zu erschließen, in denen normal- spurige Bahnen wegen der Geländeverhältnisse nur mit hohen Kosten herzustellen gewesen wären. Es wurde daher die Schmalspur angenommen und zwar zuerst nur bei kleinern Lokalbahnen, da man glaubte, dasi mit abnehmender Spurweite auch die Leistungs- fähigkeit der Bahnen rasch abnehme. In Schweden [* 72] und Norwegen wurde zuerst wegen der dünnen Be- völkerung und der Armut des Landes, aber auch wegen.dcr schwierigen Geländeverhältnisse die schmale ^pur von ungefähr 1 in auch bei der Herstellung größerer Hauptverkehrswege angewendet. Diese S. erzielten günstige Erfolge, wie später die bosn.- herzegowin. Staatsbahnen [* 73] und die Bosua-Eisen- bahn (s. d.) bei einer Spurweite von nur 0,76 m. Die Leistungen der zweigleisigen S. mit 0,60 m Spurweite, welche Decauville auf der Pariser ¶
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Weltausstellung 1889 erbaut hatte, und welche in 6 Monaten 6202670 Personen ohne Unfall beför- derte (höchste Leistung an einem Tage - 63276 Per- sonen), brachten die S. zu immer größerer Geltung, so daß Ende 1890 die S. etwa 14 Proz. der sämt- lichen Eisenbahnen der Erde ausmachten. England besitzt in der 1832 als Schmalspurbahn (0,59 m) eröffneten Festiniogbahn (22,8 km) von dem Hafen Portmadoc nach Dinas die erste Schmalspurbahn der Welt, aber trotz des finanziellen Erfolgs hat sich die schmale Spur dort nicht einbürgern wollen, nur in Irland sind gegen 150 km S. mit 0,9i4, 1,070, 1,220 und 1,416 m Spurweite vorhanden (0,914 m ist vorherrschend).
Unter den deutschen Staaten hat Sachsen nack Preußen die meisten S., nämlich (1. Jan. 1891)'. 311,87 km, darunter 327,42 km Staatsbabncn. Die erste Schmalspurbahn wurde 1880 eröffnet mit einer weite von 0,75 m. In Preußen wurde, abgesehen von den im oberschles. Bergwerks- und Hüttenbezirk in den 1.1853-56 erbauten S., die Brölthaler Bahn spurige Privatbahn 1863 für den Güterverkehr er- öffnet (10 Jahre später auch für Personenverkehr). Nach der Bahnordnung für die Nebeneiscnbahncn Deutschlands [* 75] vom soll die Spurweite der S. 1 m oder 0,750 m betragen; Ausnabmen hiervon sind zulässig mit Genehmigung der Landes- Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Reichs- Eisenbahnamtes. In Preußen sind nach dem Gesetz vom für Kleinbahnen (f. 0.) außer der Normalspur die Spurweiten von 1 m, 0,75 und 0,6 m für zulässig erachtet worden, über Vetriebs- ergebnisse der E. im Deutfchen Reiche lohne Klein- bahnen) f. Dcutfche Eisenbahnen, Übersicht I). Die Verteilung dieser S. auf die einzelnen deut- schen Vundesstaaten im I. 1894: Vundesstaat Staatsbahnen Privat-dahnen Zu- sammen Königreich Preußen 109,26 247,64 356,90 Bayern 5,17 47,48 52,65 « Sachsen 327,42 14,45 ! 341,87 » Württemberg . . . 15,11 14,68 29,79 Großherzogtum Baden ... - 154,06 154,06 « Hessen 39,01 39,01 » Mecklenburg- Schwerin [* 76] . . 6,61 __ 6,61 « Sachsen-Weimar 37,70 2 53,87 91,57 » Oldenburg . . 7,001 7,00 Herzogtum Vraunschweig . . . 9,40 9,40 « Sachsen - Meiningen 54,28 2 - 54,28 » Anhalt 34,10 34,10 Fürstentum Wald eck __ 2,06 2^,06 Elsaß-Lothringen 27,99 133,05 161,04 583,54 j 756,80 i 1340,34 l In Verwaltung der anschließenden sächs. und oldenb. Staatsbahnen. 2 In Privatverwaltung.
Die zu den Bahnen des Vereins deutscher Eifen- bahnverwaltungen (f. Eifenbahnverein) gehörenden S. hatten 1893 bei einer Länge von 690,95 km eine Gesamteinnahme von 3 289 395 M., welker eine Ausgabe von 2 221600 M. gegenüberstand; der Überschuh ließ eine Verzinsung des Anlage- kapitals mit 2,ii Proz. zu. Für den Betrieb standen 157 Lokomotiven, 500 Personenwagen und 4818 Gepäck- und Güterwagen zur Verfügung, welche zusammen. 2 414157 Lokomotivnutzkilometer und 50916 671 Wagenachskilometer zurücklegten. Be- fördert wurden 4 742 748 Personen (38 468114 Personenkilometer) und 3 524 767 t Güter (42 661293 Tonnenkilometer).
Von den Bahnen stehen 549,80 kni unter 8 deutschen und 108,60 km. unter 4 östcrr.- ungar. Verwaltungen: hierzu kommt die zu den rumän. Staatseisenbahnen gehörige 32,55 km lange Schmalspurbahn Crasna-Dobrina-Kusi. In Ost erreich ist die Strecke Linz-Gmunden als erste schmalspurige Pferdebahn 1836 eröffnet wor- den (1,i06 m), Lambach-Gmunden (27,49 km) wurde später in eine Lokomotivbahn umgewandelt, während die Reststrecke infolge weitern Ausbaues des Eifen- dahnnetzes wieder aufgenommen wurde.
Mitte 1893 waren vorbanden: 166,974 km Lokalbahnen von 1,106, 1,0, l), 76 und 0,75 m Spurweite, 11,678 km Zahnradbahnen, die Trambahn Innsbruck-Hall drühl (4,476 km) und 0,705 km Seilbahnen [* 77] (sämtlich mit Spurweite von 1 m). Die erste Schmalspurbahn in Nngärn war die Pferdebahn Preßburg-Tyrnau (1,io6 m), die fpäter in eine Lokomotivbahn umgewandelt wurde; I.Ian. 1892 waren 156 S. vorhanden, die mehr oder weniger den Charakter als Gebirgsbahnen tragen und in sieben verscbiedenen Spurweiten von 0,60 bis 1 m ausgeführt sind.
Außerdem sind 1041 km schmal- spurige Industriebahnen vorhanden. Die Ausfüh- rung eines nordwestungar. zufammcnhängenden Valmnetzes von 363 km ist in Aussicht genommen. Günstige Ergebnisse haben die S. in der Herze- gowina u n d B o s n i e n (ein zusammenhängendes Netz von 609,3 km mit 0,76 m Spurweite) auszu- weisen; so bat die Bosnabahn (268,2 km) 1891 be- reits 254669 Personen und 1722635 t Güter be- fördert, und das Anlagekapital der alten Strecke Bosnisch-Vrod-Zenica (78167 M. für 1 km) hat sich mit 5,73, der Strecke Zenica-Serajewo (99288 M. für 1 km) mit 4,39 Proz. verzinst. Die Sckweiz besaß 20 schmal- spurige Vabnen mit einer Gesamtlänge von 442 km, darunter 25,9 km Zahnstangenstrecken.
Außerdem sind zahlreiche Zahnrad- und Seilbahnen in schmaler Spur ausgeführt. (S. Schweizerische Eisenbahnen.) Frankreich besaß (Anfang 1892) außer zahl- reichen nichtöffentlichen schmalspurigen Privat- ! bahnen 2957 km S., Belgien [* 78] 1893: 1162 km; in den Niederlanden giebt es nur fchmalfpurige Dampfstraßenbahnen; Italien hatte(1892) 218 km Dampfstraßenbahnen und 805 km S. Norwegen und Schweden hatten (Ende 1891) 969 und 1675 km S., darunter die 436 km lange Strecke .hamar- Tbrondbjcm (43,6 km), die Iäderbahn (76,3 km) u. a. Spanien [* 79] hatte 950 km und R u siland 850 Km S. Auch in den Vereinig- ten Staaten von Amerika [* 80] finden die S. immer größere Beachtung; während 1880 diefelben nur 4 Proz. des Gesamtnetzes ausmachten, waren 1889 bereits 15437 km vorhanden (6,i Proz.). In Argen- tinien waren (Anfang 1892) 3598 km S., d. h. fast ein Viertel sämtlicher Bahnen (12353 km); Bolivia [* 81] dat 615 km S., Brasilien [* 82] besitzt außer einem Netz von weitspurigen Bahnen (1,60 m) nur S. (1892: 8927 km); darunter waren 7938 km Meterspur- babnen, weitere 5334 km befanden sich im Bau, 7769 km sind zum Bau vorbereitet und 13500 Km geplant. In Asien [* 83] giebt es verhältnismäßig wenig ^2.; in Indien waren (Anfang 1890) 9674 Km vor- handen, in Japan [* 84] 1894 etwa 3000 km. Von den afrikanischen Bahnen haben die Strecken Port- 34"° ¶
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Sa'id-Ismailia am Sueskanal [* 86] und die Kongobahn (s. d.) schmale Spur; in Algerien [* 87] und Tunis sind S. vorhanden und vielfach geplant. In Australien [* 88] giebt es zahlreicheS. mit einer Spurweitevon 1,06? m. Über leicht verlegbare S. sür industrielle land- und forstwirtschaftliche, bauliche u. s. w. Zwecke s. Transportable Eisenbahnen. - Über die Spurweite der S. vgl. auch den Artikel Spurweite. -
Vgl. Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, hg. von Roll (Wien [* 89] 1890 fg.).
Schmaltier, ein weibliches Stück Edelwild vom 1. Jan. nach der Geburt bis zur ersten Brunft. Schmalwafsergrund, s. Dietharz. Schmalz, Gesamtbezeichnung der in der Haus- wirtschaft angewendeten animalischen Fette, deren Konsistenz weich ist, und zwar weicher als die des Talgs (Unschlitts); daher wird das Schweinefett häufig auch Schweineschmalz genannt. In Süd- deutschland dagegen versteht man unter S. durch Schmelzen (Auslassen) gereinigte ungesalzene Butter und zwar vorzugsweise diejenige, die längere Zcit konserviert werden soll und in den Handel geht.
Pflanzenschmalz ist soviel wie Kokosbutter, s. Kokosnußöl. Unter Schmalz öl oder Kunst- schmalz versteht man Kunstbutter (s. d.). Schmalz, Theodor Ant. Heinr., Staatsrechts' lehrer und Publizist, geb. zu Han- nover, studierte zu Göttingen [* 90] erst Theologie, dann Rechtswissenschaften, habilitierte sich 1785, wurde 1787 Professor der Rechte zu Rinteln, 1789 zu Kö- nigsberg, dort 1798 zugleich Konsistorialrat, 1801 Kanzler und Direktor der Universität, 1803 Direk- tor der Universität zu Halle. [* 91] Als diese Stadt an das Königreich Westfalen [* 92] siel, ging er nach Berlin und trat 1809 in den Oberappellationssenat des Kammergerichts. Bei der Gründung der Universi- tät zu Berlin 1810 wurde er zum ersten Rektor und zum Ordinarius der Iuristenfakultät ernannt. Er starb daselbst In seiner Schrift «Berichtigung einer Stelle in der Venturinischen Chronik für das I. 1808» (Berl. 1815) verdächtigte er den Tugendbund (s. d.). Ferner schrieb er unter andern «Das Recht der Natur» (3 Bde., Königsb. 1795; neu bearbeitet u. d. T. «Die Wissenschaft des natürlichen Rechts» von Iarcke, Lpz. 1831),
«Ency- klopädie der Kameralwissenschaften» (Königsb. 1797; 2. Aufl. 1819),
«Handbuch des kanonischen Rechts» (Berl. 1815; 3. Aufl. 1834),
«Das europ. Völker- recht» (ebd. 1817),
«Lehrbuch des deutschen Privat- rechts» (ebd. 1818),
«Das deutsche Staatsrecht» (ebd. 1825). Schmalzbirnen, 10. Klasse des Lucasschen Birnensystems (s. Birne, Bd. 3, S. 32d). Schmalzöl, soviel wie Kunstbutter (s. d.). Schmant, soviel wie Nahm (s. d.). Schmantlöffel, s. Bergbohrer. [* 93] Schmarda, Lndw. Karl, Naturforscher und Reisender, geb. zu Olmütz, [* 94] studierte daselbst und in Wien Medizin und Naturwissen- schaften, wurde dann Assistent bei der Lehrkanzel der speciellen Naturgeschichte an der Iosephs-Akademic zu Wien, 1847 Lehrer an der Landesrealschule zu Graz. [* 95]
Von 1850 bis 1852 war er ord. Professor an der Universität zu Graz und machte 1853-57 mit dem Ritter von Fridau eine Reise um die Welt, auf der er namentlich in Südamerika [* 96] sich längere Zeit aushielt. Die folgenden Jahre lebte er teils in Eteiermark, teils in Paris [* 97] und Berlin. Im Jan. 1862 wurde er als Professor der Zoologie nach Wien berufen. Von dem Marineministerium mit der Berichterstattung über den Zustand der See- fischerei an den österr. Küsten beauftragt, bereifte er diese wiederholt während der Sommermonate der I. 1863-65. Im Austrag des Ackerbauministeriums ging er 1868 an die franz. Küsten, um über die Zuchtanstalten für Seetiere zu berichten. Er trat 1883 in den Ruhestand; 1884, 1886 und 1887 be- reiste er Spanien, Algerien und Tunis und andere Gegenden am westl. Mittelmeer.
Als Zoolog be- schäftigte er sich vorzugsweise mit den wirbellosen Tieren. Unter seinen Schriften sind zu nennen: «Kleine Beiträge zur Naturgeschichte der Infusorien» (Wien 1846),
«Andeutungen aus dem Seelenleben der Tiere» (ebd. 1846),
«Reise um die Erde in den 1.1853-57» (3 Bde., Vraunschw. 1861),
«Die geogr. Verbreitung der Tiere» (Wien 1853),
«Zur Natur- geschichte der Adria» (ebd. 1852),
«Zur Natur- geschichte Ägyptens» (ebd. 1854),
«Neue wirbellose Tiere» (1. Bd. in 2 Hälften, Lpz. 1859-61, mit 37 Tafeln). Als Lehrbuch für höhere Unterrichts- anstalten verfaßte er «Grundzüge der Zoologie» (Wien 1853) und «Zoologie» (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1877-78). Md. 8, S. 905 d). Schmarotzende Hautflügler, [* 98] f. Hautflügler Schmarotzer, Tiere, die als Außenschmarotzer auf oder als Binnenschmarotzer oder Einmieter in andern Tieren beständig wohnen und sich auf ihre Kosten ernähren. (S. Schmarotzertum.) - über schmarotzende Pflanzen f. Parasiten.
Schmarotzerbienen, s. Bienen. Schmarotzergewächse, s. Parasiten. Schmarotzerhummeln, s. Hummeln. Schmarotzerkrebfe, s. Copepoden. Schmarotzertum oder Parasitismus, eine in der Tierwelt weit verbreitete Erscheinung, bei der gewisse Tiere zeitweilig oder immer in oder auf dem Leibe anderer Tiere und meist zu- gleich auf ihre Kosten leben. Es ist wahrschein- lich, daß es keine Tierart giebt, die nicht ge- legentlich zum Wirt wird, d. h. einen oder den andern Schmarotzer( Parasiten) beherbergt, manche, namentlich gewisse Fische, [* 99] haben fast aus- nahmslos Parasiten, andererseits finden sich über- all bis zu den Wirbeltieren hinauf Arten, Gattun- gen, Familien und ganze Ordnungen, die auf das i^. angewiesen sind. Im allgemeinen kann man sagen, daß der Schmarotzer einer niederern Tier- ordnung angehört als der Wirt, doch erleidet diese Regel mannigfache Ausnahmen, indem Tiere bei Angehörigen gleicher Ordnung (z. B. Insekten [* 100] bei Insekten, Krebse bei Krebsen) oder selbst bei solchen aus niederern Klassen (Krebse in Quallen, Mol- lusken und Fische in Echinodermen) als Parasiten vorkommen.
Das S. selbst ist verschiedenartig. In gewissem Sinne ist selbst die Frucht im Mut- terleibe ein Parasit und bei manchen Würmern (Lonklija) und Krebsen (Asseln, Rankenfüßer) sind die Männchen entschiedene Schmarotzer bei den Weibchen. Es können sich aber auch zwei verschie- dene Tierarten (z. B. Krebse und Seeanemonen) zum gegenseitigen Vorteil zusammenthun (s. Mutualis- mus), oder es suchen die einen bei andern Schutz und Unterschlupf, so namentlich Würmer [* 101] und Krebse bei Seeschwämmen. Diese, als Inquilinismus bezeichnete Erscheinung kann auf die Gestalt des Wirtes verändernd einwirken, ohne ihn sonst zu schädigen (gallenbildende Krabben auf Korallen), [* 102] dürfte aber unter Umständen (Degeneration der ¶
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Wasserlungen bei Holothurien [* 104] durch Innewohnen von Krebsen) doch von nachteiligem Einfluß sein. Eine andere Art vorübergehenden S. ist es, wenn eine Tierart die Kräfte einer andern der Ortsver- ändcrung wegen benutzt (Schiffshalter [* 105] und Schild- kröte, Seehasen auf großen Krabben, gewissermaßen auch der Mensch und seine Reittiere), was man Kommig rat orismus nennen könnte. Unter K ommensalismus versteht man eine Art des S., bei dem die Parasiten ((^ommenZHli^) mit ihrem Wirte die Nahrung teilen, also indirekt auf dessen Kosten leben.
Diese Art des S. geht ohne scharfe Grenze in den echten Parasitismus über. Ursprünglich waren alle Schmarotzer freilebende Tiere, die sich an den Parasitismus in sehr verschie- dener Weise angepaßt haben und noch anpassen, so daß man alle Übergänge beobachten kann. Zunächst muß man Außenschmarotzer (Ektoparasiten oder Epizoen) und Binnen- oder Innenschmarotzer (E n - toparasiten oderEntozoen) unterscheiden. Aber anch diese beiden Kategorien enthalten sehr verschie- denartig entwickelte Formen.
Manche Außenschma- rotzer (Vettwanze.Floh, Blutegel) [* 106] besuchen ihren Wirt bloß der Nahrung halber, leben aber nicht auf ibm. Andere Muse, Federlinge, Käfermilben, zahlreiche Krebse, Fischegel) wohnen zugleich auf ihrem Wirt, können ibn aber nach Gefallen verlassen. Manche boh- ren sich (Schmarotzerkrebse) von außen her ein, wobnen in (Krätzmilben, [* 107] Haarbalgmilben) oder unter (Mil- ben bei Vögeln) der Haut. [* 108] Manche, vorübergehend entoparasitische Formen (Larven von Fliegen [* 109] und Schlupfwespen) werden als Eier [* 110] von außen ber von der Mutter an (Fliegen) oder in (Schlupfwespen) den Wirt gelegt.
Die Vinnenschmarotzer wandern entweder (meist als Larven) durch die natürlichen Körperösfnungen (After, Maul, Nasenlöcher, Kiemen- spalten) ihres Wirtes ein, oder werden als Eier oder ruhende Formen von diesem mit der Nahrung auf- genommen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß viele Binnenschmarotzer ihr S. als ganz freilebende Ekto- parasiten anfingen, sich dann immer mebr an ibrcn Wirt anschlössen, zunächst aber noch Außenschmarotzcr blieben, später aber den Weg in ihn zu finden wuß- ten und nun zu wahren Entoparasitcn wurden.
Das S. hat sowohl für die Parasiten wie sür die Wirte verschiedene Folgen. Die für die erstcrn sind teils positiv, teils negativ. Die positiven sind Haft- apparate (Klammerkrallen bei ektoparasitischen Glie- dertieren, Saugscheiben bei ekto- und entoparasiti- schen Würmern, Hakenkränze bei Bandwürmern u. s. w.) und Saugapparate zur Aufnahme der Nahrung. Die negativen Folgen sind Verlust ent- behrlicher Organe und Organteile, besonderer Far- ben, der Bewegungs- und Sinnesorgane, selbst der Verdauungsorgane.
Oft vollziehen sich diese Ver- luste während der Lebensdauer des Parasiten durch rückschreitende Metamorphose, d. h. er hatte in der Jugend, als er frei lebte, Glicdmahen, Sinnesorgane u. s. w., die er aber einbüßte, als er sich endgültig an seinen Wirt anschloß. Eine weitere Folge des S. zeigt sich oft im Wesen der Fortpflanzung, indem durch cin- geschobenen Generationswechsel (s. d.) die Fruchtbar- keit vergrößert wird. Meist sind dabei die geschlecht- lich und ungeschlechtlich sich fortpflanzenden Formen auf verschiedene Tierarten als Wirte verteilt und fin- den sich die ungeschlechtlichen bei solchen (Zwischen- wirten genannten) Tieren, die von dem eigentlichen Wirt, in dem sie geschlechtsreif werden, gefressen wer- den.
Der Einfluß der Schmarotzer auf ihre Wirte ist ein sehr verschiedener: manche scheinen kaum, oder nur wenn sie in sehr großen Massen auftreten, scbädlick zu wirken, andere sind äußerst gefährlich, führen Krankheiten und den Tod herbei.
Vgl. van Veneden, Die Schmarotzer des Tier- reichs (Bd. 18 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», Lpz. 1876);
Leuckart, Die menschlichen Parasiten (2 Bde., ebd. und Heidelb. 1863-67; in 2. Aufl. u. d. T. Die Parasiten des Menschen, 1. Bd., 1. bis 4. Lfg., Lpz. 1879-89).
Schmarotzerwespen (NÄLarinak), Gruppe aus der Familie der Faltenwcspen (s. d.), die meist nur unvollkommen faltbare Flügel haben. Es giebt unter ihnen bloß Männchen und vollkommen ent- wickelte Weibchen, aber keine Arbeiterinnen. Die ^. bewohnen wärmere Länder von Südeuropa ab. Schmarotzerwolken, Wolken, die die Gipfel bober isolierter Berge oft einhüllen, wie z. B. den Tafelberg am Kap der Guten Hoffnung, Rigi, Pi- latus, St. Gotthard, Brocken u. a. Schmarfow, Aug., Kunsthistoriker, geb. zu Schildfeld in Mecklenburg-Schwerin, stu- dierte in Zürich, [* 111] Straßburg [* 112] und Bonn, [* 113] machte Rei- sen in Deutschland, Italien, England und Frankreich und habilitierte sich 1881 an der Universität zu Göttingen. 1882 wurde er daselbst, 1885 in Bres- lau außerord.
Professor der Kunstgeschichte; 1892 nach Florenz [* 114] übergesiedelt, wurde er Okt. 1893 als ord. Professor nach Leipzig [* 115] berufen. Er veröffent- lichte: «Raffael und Pinturicchio in Siena» (mit 1 l Lichtdrucktafeln, Stuttg. 1880),
«Pinturicchio in Nom» (ebd. 1882),
«Melozzo da Forü» (mit 27 Ta- feln, ebd. 1886),
«I^ranc. ^Idkitini 0pu8cu1uin äs miral)i1idu3 novas ui-dis liomae» (Heilbr. 1886), «Donatello» (Lpz. 1886),
«Giov. Santi, der Vater Raffaels» (Berl. 1887),
«S. Martin von Lucca [* 116] und die Anfänge der toscan. Skulptur im Mittel- alter» (Vresl. 1890),
«Meisterwerke deutscher Bild- nerei des Mittelalters» (mit E. von Flottwell; Bd. 1: «Die Bildwerke des Doms zu Naumburg [* 117] an der Saale», Magdeb. 1892). Ferner lieferte er Beiträge zu Dohmes «Kunst und Künstler des 19. Jahrb.»; er gab heraus «Ital. Forschungen zur Kunstgeschichte» (Vresl. 1890 - 92) und «Studien und Forschungen zur Kunstgeschichte» (Lpz. 1893 fg.). Schmaschen, s. Lammfelle. Schmätzer (saxicolinao), eine in mehr als 100 Arten in Europa, [* 118] Afrika, [* 119] Asien, Australien und im nördlichsten Nordamerika [* 120] verbreitete Unterfamilie der sylvienartigen Singvögel, mit pfriemförmi- gem, an der Wurzel [* 121] dreikantigem Schnabel, kur- zem, breitem Schwanz und langen, dünnen Bei- nen.
Sie nähren sich von Insekten und leben in öden und wüstenartigen Gegenden. Der in Deutsch- land überall gemeine Steinschmätzer (saxicola s"enant1i6 Zee/isi., s. Tafel: Mitteleuropäische Singvögel IV, [* 103] Fig. 5, beim Artikel Singvögel) ist oben hellgrau, unten hcllrotgelblich, hat schwarze Flügelfedern mit bräunlichweißen Kanten und einen rcinweißen, am Ende schwarz gerandeten Schwanz. Er ist ein unruhiger scheuer Vogel, der sein Nest in Fclsenhöblen, in Steinhaufen oder in Erdlöchern anlegt. Seine 5-7 Eier sind blaß bläulichweiß. Eine weitere Gattung sind die Wiesenschmätzer ski-atwcow) von bunter Färbung, bei der Braun, ^ckwarz oder Weiß vorherrscht. In Bezug auf ihren Aufenthalt weichen sie von den übrigen Steinschmät- zern ab, indem sie Bewohner des Tieflandes sind und die Wiesen besonders vorziehen. Ihr Nest legen ¶