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deutung. Die Provinz hat (1893) 124531 ha Forsten, darunter 77318 ha Privat-, 34769 Staats- und 9481 ha Gemeindeforsten; der Wald besteht zu 32,8 Proz. aus Nadelholz. Industrie und Gewerbe. Fabriken bestehen nur an einzelnen Plätzen. 1882 waren 26,33 Proz. der Bevölkerung [* 2] in Industrie und Gewerbe und 9,37 Proz. in Handel und Verkehr beschäftigt. Abgesehen von der Kunst- und Handelsgärtnerei, die im Kreis [* 3] Pinneberg von größerer Bedeutung ist, und von der Fischerei, [* 4] die (1882) 2011 Personen beschäftigte, ist die gewerbliche Produktion hervorragend durch Torfgräbern im Kreis Rendsburg, [* 5] durch Traßgräberei und Cementfabrikation in den Kreisen Steinburg, Norderdithmarschen und Pinneberg, durch Ziegelei, durch Glas-, Zinnwarenfabrikation und Zinngießerei in Ottensen, durch Eisengießerei [* 6] in Rendsburg, durch Blechwarenindustrie im Kreis Pinneberg, durch Maschinenfabrikation in Flensburg, [* 7] Altona [* 8] und Stormarn, durch Wagenbau in Kiel [* 9] und Altona, durch bedeutenden Schiffbau im Kreis Pinneberg, in Kiel, Flensburg, Apenrade und Plön, durch Sprengstoff- und Zündwarenfabrikation bei Flensburg und in Lauenburg, [* 10] durch Wollweberei in Kiel, durch Leinweberei in den Kreisen Tondern, Hadersleben [* 11] u. a., durch Gummi- und Haarflechterei und Seilerei in Altona, durch Gerberei in den Kreisen Steinburg und Pinneberg, durch Holzindustrie und Korbflechterei, Korkschneiderei, Pinsel- und Kammfabrikation in den Kreisen Altona und Pinneberg längs der Elbe, durch Holzvergoldung und -Veredelung in Kiel und Altona, Holzschnitzerei in Flensburg, durch Müllerei, Fischsalzerei, Butter- und Milchkonservenfabrikation, durch Brauerei und Brennerei in Kiel, Stormarn und Altona sowie durch Schuhmacherei in Preetz, Pinneberg und Umgegend.
Handel und Verkehrswesen. Der Handel ist außerordentlich entwickelt; er wird besonders begünstigt durch die Wasserstraßen, die zahlreichen Häfen und die Reederei, die (Anfang 1894) über 169 Seedampfer mit 80195 und 468 Segelschiffe mit 24250, sowie über 911 Schiffe [* 12] mit 39656 Registertons für den Fluß- und Küstenverkehr verfügte. Haupthäfen sind Altona, Flensburg und Kiel, welche lebhaften überseeischen Verkehr unterhalten; Kiel ist zugleich starker Kriegshasen; außerdem giebt es noch zahlreiche größere und kleinere Häfen an der Nord- und Ostseeküste.
Haupthandelsartikel sind die Erzeugnisse der Landwirtschaft, Viehzucht [* 13] und Fischerei, ferner ausländisches Bauholz, Kohlen, Salz [* 14] und Kolonialwaren. Handelskammern bestehen zu Altona, Flensburg und Kiel. Die Provinz hat (1891) 3554,3 km Chausseen, darunter 2503,9 km Provinz- und Bezirks- und 994,5 km Gemeindestraßen, sowie (1893) ein Eisenbahnnetz von 1288,13 km (d. i. 68 km auf 1000 qkm Grundfläche und 104 km auf 100000 E.), darunter 333,65 km staatliche und 159,43 km private Nebenbahnen.
Die königlich preuß. Eisenbahndirektion befindet sich in Altona, Oberpostdirektion in Kiel; der südöstl. Teil einschließlich des Kreises Herzogtum Lauenburg gehört zur Oberpostdirektion Hamburg. [* 15] Unterrichtswesen. An Bildungsanstalten bestehen die Universität Kiel (s. d.), die Marineakademie und Marineschule ebenda, 1 Predigerseminar in Hadersleben, ferner 12 Gymnasien, 3 Realgymnasien, 1 Oberrealschule, 1 Progymnasium, 10 Realprogymnasien (zum Teil mit andern Lehranstalten verbunden), 3 Realschulen, 33 öffentliche Mittel- und höhere Mädchenschulen, 6 Schullehrerseminare (davon 1 im Kreis Herzogtum Lauenburg), 1 Lehrerinnenseminar, 2 königl. Präparandenanstalten, 1839 öffentliche Volksschulen mit 201861 Schulkindern, ferner 1 Landwirtschaftsschule, 3 Ackerbauschulen, 1 Baugewerksschule, 1 Handelsschule, 3 Navigationsschulen und 4 Navigationsvorschulen, je 1 Fachschule für Holzschnitzerei und Kunsttischlerei sowie für Dampfschiffmaschinisten, 1 Kadettenhaus, 1 Taubstummen-, 1 Blinden- und 2 Privatidiotenanstalten.
Außerdem besteht zu Kiel (s. d.) das Thaulow-Museum. Verfassung und Verwaltung. Die Provinz bildet den Reg.-Bez. Schleswig. [* 16] Sitz des Oberpräsidenten ist Schleswig. Laut Gesetz vom sind in Kraft [* 17] getreten die Kreisordnung vom und die Provinzialordnung vom Der Kreis Herzogtum Lauenburg bildet einen eigenen Landeskommunalverband mit dem Verwaltungssitz in Ratzeburg. Die Auseinandersetzung und Gemeinheitsteilungssachen werden von der Generalkommission in Hannover [* 18] bearbeitet.
Die kirchlichen Angelegenheiten der evang. Landeskirche verwaltet das Konsistorium in Kiel. Die kath. Kirche gehört zum Kirchensprengel Osnabrück. [* 19] Die Provinz, einschließlich des Kreises Herzogtum Lauenburg, ist in den Ablösungssachen der Rentenbank zu Stettin [* 20] zugeteilt. Für die indirekten Steuern und Zölle ist die Provinzialsteuerdirektion zu Altona zuständig. Das Medizinalkollegium hat seinen Sitz in Kiel. Die Deputation für das Heimatwesen befindet sich in Schleswig.
Für die Reichstagswahlen bestehen 10 Wahlkreise (s. Schleswig 1). In das Abgeordnetenbaus sendet die Provinz 36 Abgeordnete; im Herrenhause ist sie (1895) durch 11 Mitglieder vertreten, darunter 3 mit erblicher Berechtigung, 4 auf Lebenszeit und 4 auf Präsentation berufene. Die Bergbehörden stehen unter dem Oberbergamt Clausthal; [* 21] das Bergrevieramt befindet sich zu Hannover; die Geschäfte der frühern Berginspektion zu Segeberg bei Verwaltung des dortigen fiskalischen Gipswerkes sind auf die Berginspektion zu Lüneburg [* 22] übergegangen.
Die Provinz bildet den Oberlandesgerichtsbezirk Kiel (s. d.). Militärisch ist S. Ersatz- und Garnisonbezirk des 9. Armeekorps (Generalkommando in Altona, Kommando der 18. Division in Flensburg); die Marinestation der Ostsee hat ihren Sitz in Kiel. Das Wappen der Provinz, ein durch eine aufsteigende Spitze in drei Felder geteilter Schild, [* 23] zeigt: a. im roten Felde ein von Silber und Rot quergeteiltes Schildlein, umgeben von einem silbernen Nesselblatt, das in den beiden obern Ecken und am untern Rande je mit einem silbernen, mit der Spitze nach innen gekehrten Nagel versehen ist (für Holstein);
d. im goldenen Felde zwei übereinander gehende, blaue, rotgezüngte Löwen [* 24] (für Schleswig);
c. in der aufsteigenden Spitze im roten, von in Silber und Schwarz zu zwölf gestückter Einfassung umgebenen Felde einen silbernen Pferdekopf (für Lauenburg).
Die Farben sind Blau-Rot-Weiß. ^[Abbildung] ¶
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Litteratur. Greve, Geographie und Geschichte der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Kiel 1844);
von Schröder, Topographie des Herzogtums Schleswig (2. Aufl., Oldenb. 1854);
von Schröder und H. Biernatzki, Topographie der Herzogtümer Holstein und Lauenburg u. s. w. (2. Aufl., ebd. 1855-56);
A. U. Hansen, Charakterbilder aus den Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg (Hamb. 1858);
Böger, Topogr. Handbuch für die Provinz S. u. s. w. (Kiel 1881);
P. Chr. Hansen, S., seine Wohlfahrtsbestrebungen und gemeinnützigen Einrichtungen (ebd. 1882);
Manecke, Topogr.-histor.
Beschreibung der Städte, Ämter u. s. w. des Herzogtums Lauenburg (Mölln und Ratzeburg 1884); Sach, Geographie der Provinz S. (Schlesw. 1890); Die Häfen der Provinz S. (Berl. 1893) und die Veröffentlichungen des königl. Statistischen Bureaus in Berlin. [* 26]
Geschichte. Die Rendsburger Linie des schauenburgischen Hauses hatte 1386 das Herzogtum Schleswig (s. d.) und den größten Teil von Holstein (s. d.) unter ihrer Herrschaft vereinigt. Als aber bei einem Angriff auf Dithmarschen Herzog Gerhard VI. erschlagen ward und nur unmündige Söhne hinterließ, benutzten die Beherrscher der vereinigten Reiche Dänemark, [* 27] Schweden [* 28] und Norwegen, Königin Margarete und ihr Großneffe König Erich (von Pommern), [* 29] diese Gelegenheit, um sich in den Streit über die Vormundschaft einzumischen.
Auch gelang es ihnen, in Schleswig festen Fuß zu fassen. Als nach Margaretens Tode Erich durch ein Lehnsgericht zu Nyborg, Juli 1413, das Herzogtum Schleswig für ein verwirktes Lehn erklären ließ, entbrannte ein zwanzigjähriger wechselvoller Krieg, in dem anfangs S. allein den drei skandinav. Königreichen gegenüberstand. Obwohl der Deutsche [* 30] Kaiser Sigismund 1415 und 1424 den Spruch des dän. Lehnsgerichts bestätigte, setzten doch die Söhne Gerhards VI. den Kampf mutig fort, und als der älteste, Herzog Heinrich, 1427 fiel, übernahm der zweite, Adolf VIII., das Herzogtum.
Erst das Eingreifen der deutschen Hansa für S. gab den Ausschlag. König Erich mußte 1432 Waffenstillstand und im Juli 1435 den Frieden zu Wordingborg auf Grundlage des thatsächlichen Besitzstandes abschließen. Der neugewählte dän. König Christoph von Bayern [* 31] belehnte den Herzog Adolf zu Kolding mit dem Herzogtum Schleswig «zu einem rechten Erblehn». Nur Ripen und Mögeltondern, die Insel Amrum nebst Teilen von Röm, Sylt und Föhr blieben bis 1864 bei Dänemark. Auch der deutsche König Albrecht II. bestätigte die Gerechtsame Adolfs auf Schleswig.
Herzog Adolf VIII. starb kinderlos mit ihm erlosch der Mannsstamm der Rendsburger Linie. Von zwei Seiten wurden jetzt Erbansprüche erhoben: einerseits von der schauenburgisch-pinnebergischen Linie, die in Holstein nächstberechtigt war, aber an der Gesamtbelehnung mit Schleswig niemals Anteil gehabt hatte;
andererseits von den Schwestersöhnen Adolfs VIII., den Grafen von Oldenburg [* 32] und Delmenhorst, von denen der älteste, Christian I., seit 1448 auf dem dän. Throne saß und als solcher Lehnsherr über Schleswig war.
Auf einer Versammlung zu Ripen wußte dieser den sog. Landrat, der aus den höchsten Hof- und Landesbeamten, Geistlichen und Rittern bestand, für sich zu gewinnen, und diese wählten ihn zum Landesherrn, wie es in der Urkunde heißt: «nicht als einen König zu Dänemark, sondern aus Gunst zu seiner Person». Auch blieb den Ständen für alle Zukunft das Recht vorbehalten, unter Christians Nachkommen und Erben einen Nachfolger zu küren. Dagegen versprach der König-Herzog, «daß die Lande ewig zusammenbleiben sollten ungeteilt». Somit war eine Personalunion zwischen Dänemark und S. begründet. Doch knüpfte sich das Verhältnis enger durch die sog. Union von 1533, in der beide Teile sich zum friedlichen Austrag aller Streitigkeiten und zu gegenseitiger Kriegshilfe bei feindlichem Angriff verpflichteten. 1623 und abermals 1637 ward die Kriegshilfe auch auf rechtmäßige Offensivkriege ausgedehnt.
Die Nachkommenschaft Christians I. herrschte in S. von 1460 bis 1863. Trotz der Bestimmung der Wahlkapitulation ließen nach Christians I. Tode (1481) die Stände sich bereden, dessen beide Söhne, den dän. König Johann und Herzog Friedrich I., als Landesherren zu wählen. Damit begannen von neuem die Teilungen nach altdeutschem Fürstenrecht, aber niemals so, daß die Eider die Grenze bildete. Johann erhielt den Segeberger, Friedrich den gottorpischen Anteil (1490). Nach Johanns Tode 1513 folgte im segebergischen Anteil sein Sohn, der dän. König Christian II. Als dieser 1523 vertrieben ward, vereinigte Friedrich I. (gest. 1533) wieder ganz S. unter seiner Herrschaft und wurde auch zum König von Dänemark und Norwegen erwählt. Unter ihm und feinem ältesten Sohn und Nachfolger Christian III. (gest. 1559) ward die Reformation in S. durchgeführt und die von Bugenhagen entworfene Kirchenordnnng 1542 auf dem Rendsburger Landtag genehmigt. 1544 ward unter Zustimmung der Stände abermals eine Landesteilung vorgenommen.
Der König-Herzog Christian III. erhielt die Hauptschlösser Sonderburg und Segeberg, während seinen Brüdern Johann dem Ältern das Schloß Hadersleben und Adolf das Schloß Gottorp, jedes mit den zugelegten schlesw. und holstein. Ämtern, zufielen. Unmittelbar nach Christians III. Tode vereinigte sich sein ältester Sohn, der König-Herzog Friedrich II., mit seinen beiden Oheimen Johann und Adolf zu einem Kriegszuge gegen Dithmarschen (1559), das jetzt erobert und gleichfalls geteilt wurde. 1564 teilte Friedrich II. wiederum mit seinem Bruder Johann (dem Jüngern), dem er das Schloß Sonderburg nebst mehrern Ämtern abtrat.
Aber die Stände S.s weigerten sich, auch diesen als (vierten) Landesherrn anzunehmen. Die Folge war, daß Johann der Jüngere und seine Nachkommenschaft, die sog. sonderburgische Linie, niemals an der Landesregierung und Landeshoheit S.s teilnahmen, sondern die Regierungsrechte nur in Gebieten übten, die ihnen als Apanage überwiesen waren (abgeteilte Herren). Als 1580 Herzog Johann der Ältere von Hadersleben kinderlos starb, wurde sein Anteil zwischen den übrigen Linien geteilt.
Seitdem gab es in S. nur zwei regierende Landesherren. Friedrich II. und seine Nachkommen, welche die dän.-norweg. Krone trugen, beherrschten den sog. königlichen oder segebergischen Anteil (später nach der neuen Hauptstadt Glückstadt benannt), und die Nachkommen des Herzogs Adolf regierten über den gottorpischen Anteil. In beiden Linien wurde durch Hausgesetze die Primogeniturordnung eingeführt, und nach längern Verhandlungen ließen die Stände 1616 das ihnen zustehende Wahlrecht fallen. In Holstein-Gottorp folgten auf den Herzog Adolf (1544-86) die Herzöge Friedrich 11. (1586-87), ¶
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Philipp (1587-90), Johann Adolf (1590-1616), Friedrich III. (1616-59), Christian Albrecht (1659 -94), Friedrich IV. (1694-1702), Karl Friedrich (1702-39), Karl Peter Ulrich, der unter dem Namen Peter III. den russ. Kaiserthron bestieg (1739 -62), endlich Großfürst Paul (1762-73), der nachmalige Kaiser Paul I. von Rußland. In Holstein-Glückstadt folgten die König-Herzöge Friedrich II. (1559-88), Christian IV. (1588-1648), Friedrich III. (1648-70), Christian V. (1670-99), Friedrick IV. (1699-1730), Christian VI. (1730-46), Friedrich V. (1746-66) und Christian VII., der ganz S. wieder unter seinem Scepter vereinigte.
Als das schauenburgische Grafenhaus 1640 ausstarb, nahmen die beiden Mitregenten König Christian IV. und Herzog Friedrich III. die Herrschaft Pinneberg als einen «alten Teil und Zubehör» des Herzogtums Holstein in Besitz und teilten sie unter sich, worauf Herzog Friedrich III. das ihm zufallende Amt Barmstedt 1649 an Christian von Rantzau überließ. Kaiser Ferdinand III. bestätigte diese Übertragung und erhob dieses Gebiet zu einer «unmittelbar freigehörigen» Reichsgrafschaft Rantzau.
Der friedliche Wohlstand S.s wurde durch die unglückliche Politik des Königs Christian IV. gestört, dessen Einmischung in den Dreißigjährigen Krieg einen Einfall der Kaiserlichen unter Tilly und Wallenstein (1626-29) und der Schweden unter Torstenson (1643-45) veranlaßte. Schlimmer noch war es, daß das gute Einverständnis zwischen den beiden regierenden Linien aufhörte. Herzog Friedrich III. von Gottorp hatte 1654 seine Tochter mit Karl X. Gustav von Schweden vermählt, der bald (1657-60) Dänemarks gefährlichster Feind wurde.
In dem Kopenhagener Vertrage vom 2. (12.) Mai 1658 (bestätigt im Kopenhagener Frieden 1660) mußte der dän. König Friedrich III. dem Hause Gottorp die volle Souveränität über den gottorpischen Anteil des Herzogtums Schleswig zugestehen. In einer zweiten Urkunde von demselben Tage, die aber noch über 100 Jahre lang ein dän. Staatsgeheimnis blieb, übertrug der König auch für den königl. Anteil von Schleswig die volle Souveränität sich selbst und seinem Mannsstamm. Damit war die uralte dän. Lehnshoheit über das Herzogtum Schleswig aufgehoben.
Seitdem die königl. Linie in Dänemark 1660 das unumschränkte Erbkönigtum erlangt hatte, war sie unausgesetzt beflissen, die zerstückelten Bestandteile S.s unter ihrer Herrschaft wieder zu vereinigen. Ohne besondere Schwierigkeit gelang dies allmählich mit den abgeteilten Herrschaften der Linie Sonderburg (1667-1779) und mit der Reichsgrafschaft Rantzau (1726). Dagegen waren die Herzöge von Holstein-Gottorp, die mit Schweden und nachmals mit Rußland Familienverbindungen anknüpften, nicht so leicht zu verdrängen.
Die langwierigen Händel zwischen den beiden regierenden Linien hatten zur Folge, daß die ständische Verfassung S.s außer Gebrauch kam. Schon 1675 mußte Herzog Christian Albrecht in Hamburg eine Zuflucht suchen, während die Dänen sein Gebiet besetzt hielten; erst durch den Altonaer Vergleich vom 20. (30.) Juni 1689 ward er in seine Besitzungen und Rechte wieder eingesetzt. Mehr noch hatte das Land während des Nordischen Krieges (s. d.) zu leiden, wo die herzogl. Festung [* 34] Tönningen mehrmals belagert, die königl. Stadt Altona 1713 niedergebrannt wurde.
Seit 1711 hatten die Dänen das ganze gottorpische Gebiet besetzt. Allerdings wurde 1720, auf Geheiß des Deutschen Kaisers, das gottorpische Holstein dem Herzog Karl Friedrich zurückgegeben, der nun in Kiel seine Residenz nahm (Holstein-Kiel); aber König Friedrich IV. behielt den gottorpischen Anteil von Schleswig und verleibte ihn seinem Anteil ein Die Verhandlungen über einen Ausgleich schleppten sich viele Jahre resultatlos hin. Als Herzog Karl Peter Ulrich als Peter III. 1762 den russ. Thron [* 35] bestieg, traf er sofort Anstalten, um sein schlesw.
Erbland wiederzuerobern; nach seiner Entthronung und Ermordung kam es indes zu einer Verständigung mit der russ. Kaiserin Katharina II., die für ihren Sohn, den Großfürsten und Herzog Paul, die vormuudschaftliche Regierung in Holstein-Kiel übernahm. Am ward ein provisorischer Traktat abgeschlossen, demgemäß das Haus Gottorp auf Schleswig verzichten und seinen Anteil von Holstein gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst austauschen sollte. Infolge des Definitivtraktats vom erfolgte zu Kiel die Übergabe des großfürstl. Anteils.
Somit war S. zusammen mit den Königreichen Dänemark und Norwegen unter dem Scepter des Königs Christian VII. vereinigt. Von der ursprünglichen Personalunion war keine Rede mehr; thatsächlich galt S. als eine Provinz der dän. Monarchie. Dagegen blieben Gesetzgebung, Gerichtswesen und Verwaltung in Dänemark und S. sehr verschieden. Auch behielten die Herzogtümer ihr eigenes Münzwesen [* 36] und bildeten ein abgesondertes Zollgebiet. Die oberste Gesetzgebung und Regierung ward von der sog. Deutschen Kanzlei in Kopenhagen [* 37] ausgeübt.
Ein königl. Stattbalter für S. residierte 1731-1846 auf dem Schlosse Gottorp. Das Land genoß seit dem Nordischen Kriege mehr als 80 Friedensjahre und wurde auch von den Revolutionskriegen anfangs nicht direkt berührt, bis 1813 eine alliierte Armee unter Bernadotte, dem Kronprinzen von Schweden, das Land feindlich überzog. Im Frieden zu Kiel, fiel die schlesw. Insel Helgoland [* 38] an England. Nach Errichtung des Deutschen Bundes (s. d.) mußte Friedrich VI. diesem für das vormalige deutsche Reichsland Holstein beitreten
Der geistige und nationale Aufschwung, den die Befreiungskriege in Deutschland [* 39] hervorgerufen hatten, lieh S. nicht unberührt. Man begann sich der alten Landesrechte von 1460 zu erinnern, während dänischerseits für ein «Dänemark bis zur Eider» agitiert wurde. Die Ritterschaft, als deren Sekretär [* 40] damals Dahlmann als Professor in Kiel wirkte, wandte sich 1822 mit einer Eingabe an den Deutschen Bund, die holstein. Verfassung in ibrer ganzen, namentlich auch auf die Verbindung mit Schleswig bezüglichen Ausdehnung [* 41] in seinen Schutz zu nehmen. Es erfolgte ein abschlägiger Bescheid, weil die alte Verfassung nicht mehr in anerkannter Wirksamkeit bestehe.
Friedrich VI. ließ nun auch den Plan fallen, für Holstein allein in Gemäßheit des Art. 13 der Bundesakte eine Verfassung zu geben. Erst unter dem Eindruck der franz. Julirevolution von 1830 brachte Uwe Jens Lornsen (s. d.) das Verfassungswerk wieder zur Sprache. [* 42] Bald darauf erfolgten die Gesetze vom und die beratende Provinzialstände einführten; für Schleswig in der Stadt Schleswig, für Holstein in Itzehoe. Gleichzeitig wurden für beide Herzogtümer die sog. Schleswig-Holsteinische ¶
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Regierung auf Gottorp und das Oberappellationsgericht zu Kiel eingesetzt. Somit hatten (wie die dän. Erklärung am Bundestage lautete) «die beiden Herzogtümer S., bis aus Holsteins Eigenschaft als Bundesstaat und die abgesonderten Ständeversammlungen, neben dem Socialnexus der Ritterschaft, bei gemeinsamer oder gleichartiger Gesetzgebung und Verwaltung, alle öffentlichen Rechtsverhältnisse miteinander gemein».
König Christian VIII. sah es als seine Lebensaufgabe an, die Verbindung zwischen Dänemark und S. enger zu knüpfen und beide Teile zu einem wirklichen «dän. Gesamtstaate» zu verschmelzen. 1844 beantragten die Provinzialstände der dän. Inseln zu Roeskilde: der König möge die dän. Monarchie für ein unteilbares Ganzes erklären, das nach der weiblichen Erbfolgeordnung des dän.Königsgesetzes von 1665 vererbe. Nun setzte Christian VIII. eine Kommission nieder zur Untersuchung der Erbfolgefrage, und erließ den «Offenen Brief» vom worin es hieß, «daß ebenso wie in Dänemark und Lauenburg auch in ganz Schleswig und einigen Teilen Holsteins die Erbfolge des Königsgesetzes gültig sei; rücksichtlich des übrigen Holstein walteten anderweitige Verhältnisse ob; doch werde der König unablässig bestrebt sein, die vollständige Anerkennung der Integrität des dän. Gesamtstaates zu Wege zu bringen».
Dieser Offene Brief stieß allerseits auf energischen Widerstand. Die Agnaten von der jüngern gottorpischen und der sonderburgischen Linie, mit einziger Ausnahme des Prinzen Christian von Glücksburg, legten sowohl in Kopenhagen wie auch beim Deutschen Bundestage Protest ein. Auch die Provinzialstände in Itzehoe und Schleswig protestierten, worauf ihre Auflösung verfügt ward. Die Bundesversammlung erklärte indes in ihrem Beschluß vom 17. Sept., daß Dänemark beruhigende Erklärung gegeben habe, und sprach die Erwartung aus, daß der König «die Rechte des Bundes, der erbberechtigten Agnaten und der holstein. Landesvertretung beachten werde».
Nunmehr ließ der König den Entwurf zu einer Gesamtstaatsverfassung ausarbeiten, die neben den Provinzialständen einen gemeinschaftlichen Landtag für die dän. Monarchie mit beschließender Kompetenz in Aussicht stellte. Indessen starb er Erst sein Sohn Friedrich VII. veröffentlichte 28. Jan. die Entwürfe des Vaters und berief zu ihrer Prüfung «erfahrene Männer» nach Kopenhagen. Diese Versammlung kam jedoch nicht zu stande, da unter dem Eindruck der franz. Februarrevolution die Volksbewegung einen gewaltsamern Charakter annahm. Am 18. März traten etwa 70 schlesw.-holstein. Ständemitglieder in Rendsburg zusammen und schickten eine Deputation nach Kopenhagen, um von dem König außer liberalen Zugeständnissen die Vereinigung der beiden Provinzialständeversammlungen zum Zwecke der Beratung einer schlesw.-holstein. Verfassung und den Beitritt Schleswigs zum Deutschen Bunde zu erbitten.
Inzwischen hatte eine Massendemonstration in Kopenhagen 21. März das eiderdänische sog. Kasinoministerium ans Ruder gebracht. Am erhielt die Deputation durch Orla Lehmann die Antwort, «daß der König gesonnen sei, dem Herzogtum Holstein eine freie Verfassung zu gewähren und sich den Bestrebungen für ein deutsches Parlament offen anzuschließen; daß er aber weder das Recht, noch die Macht, noch den Willen habe, Schleswig dem Deutschen Bunde einzuverleiben, dagegen die unzertrennliche Verbindung Schleswigs mit Dänemark durch eine gemeinsame freie Verfassung kräftigen wolle».
Auf die Kunde von den Vorgängen in Kopenhagen trat zu Kiel in der Nacht zum eine provisorische Regierung zusammen, bestehend aus Graf Friedrich Reventlou, Prinz Friedrich von Augustenburg-Noer, Advokat Beseler u. a. m. Am nächsten Morgen überrumpelte Prinz Friedrich mit dem Kieler Jägerbataillon und einigen Freiwilligen die Festung Rendsburg, wo der dän. General ohne Widerstand das Kommando abgab. Das ganze Land unterwarf sich der provisorischen Regierung.
Der Deutsche Bundestag beschloß die Verbindung S.s zu beschützen, womit insbesondere Preußen [* 44] beauftragt wurde. Der hieraus entstehende Krieg nahm einen für S. unheilvollen Verlauf. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1848 bis 1850.) Am schloß Preußen mit Dänemark den Frieden zu Berlin, worin beide Teile sich alle Rechte, die ihnen vor dem Kriege zustanden, vorbehielten. Die schlesw.-holstein. Armee hielt noch das südl. Schleswig und die Festung Rendsburg besetzt, als der wiederhergestellte Deutsche Bundestag die Einstellung der Feindseligkeiten verlangte. Um dies zu erwirken, trafen zwei Bundeskommissare ein.
Beseler trat aus der Statthalterschaft aus und verließ das Land. Reventlou legte 1. Febr. seine Regierungsgewalt in die Hände der Bundeskommissare nieder, denen als landesherrlicher Kommissar Graf Heinrich von Reventlou-Criminil zur Seite trat. Diese drei bestellten für Holstein eine sog. Civilbehörde in Kiel. Jede Verbindung Schleswigs mit Holstein ward beseitigt, auch im Dez. 1851 eine Zollgrenze an der Eider errichtet. Nichts aber empfand man schwerer, als daß durch die sog. Sprachreskripte vom Febr. und März 1851 in dem sog. gemischten Distrikt des Herzogtums Schleswig von 90000 E., anstatt der deutschen, ausschließlich dän. Schulsprache und der abwechselnde Gebranch der dän. und deutschen Kirchensprache vorgeschrieben wurde.
Österreich [* 45] und Preußen erkannten das Princip des dän. Gesamtstaates an und willigten in die Trennung Schleswigs von Holstein. Nur das ward ausbedungen, daß die Herzogtümer innerhalb des Gesamtstaates eine selbständige und mit dem Königreich Dänemark gleichberechtigte Stellung erhalten sollten. Auf Grundlage dieser Vereinbarungen erließ König Friedrich VII. die Bekanntmachung vom die das neue Gesamtstaatsprogramm enthielt. Für S. beließ diese Urkunde einige gemeinschaftliche nichtpolit. Einrichtungen und Anstalten, die Universität Kiel, die Ritterschaft, den schlesw.-Holstein. Eiderkanal, die Strafanstalten u. a. Am übergaben die Bundeskommissare dem zum dän. Minister für Holstein ernannten Grafen Reventlou-Criminil die volle Regierungsgewalt, und die Bundestruppen räumten das Land. Der Deutsche Bundestag genehmigte die österr.-preuß.-dän. Vereinbarungen.
Im Juli 1853 ward die dän. Zollgrenze von der Eider an die Elbe vorgeschoben; die schlesw. und holstein. Bataillone wurden nach Dänemark, dän. Truppen nach den Herzogtümern verlegt, die versprochenen verfassungsmäßigen Rechte nur in ganz ungenügender Weise gewährt, für Schleswig 15. Febr. und für Holstein Schleswig ward darin als ein «unzertrennliches Zubehör der ¶
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dän. Krone», dagegen Holstein als ein «selbständiger Teil der dän. Monarchie» bezeichnet. Bei der verfassungsmäßigen Einrichtung des Gesamtstaates wurden die schlesw. und Holstein. Stände gar nicht gehört. Nach den ersten Jahren der Abspannung und Erschöpfung begann allmählich eine Opposition fast gleichzeitig im Reichsrat und in den beiden Provinzialständeversammlungen. Da die dän. Regierung auf die Abmahnungen Österreichs und Preußens [* 47] nicht hören wollte, so brachten diese Okt. 1857 die holstein-lauenburg.
Sache wieder vor den Deutschen Bund. Dieser veranlaßte zunächst Friedrich VII. zum Patent vom das die nicht mit den Ständen beratenen Abschnitte der holstein. Verfassung sowie die Gesamtstaatsverfassung für Holstein und Lauenburg aufhob. Im Anschluß an den Deutschen Nationalverein bildete sich indes unter dem Abgeordneten für Kiel, Theodor Lehmann, eine nationale Partei in S., deren Programm außer dem alten Landesrechte den «Anschluß der Herzogtümer an das unter Preußens Führung centralisierte Deutschland» verlangte.
Aber gleichzeitig hatte auch in Dänemark die nationalliberale (eiderdän.) Partei sich zu größerer Energie aufgeschwungen, und die Regierung ließ sich willig vorwärts drängen. Große Befestigungen bei Düppel [* 48] und am Danewerk wurden in Angriff genommen. Als die Holstein. Stünde in einer Adresse vom die Wiedervereinigung S.s als die einzig befriedigende Lösung betonten und der königl. Kommissar die Annahme dieses Aktenstücks verweigerte, wandten sie sich (19. März) mit einer Beschwerde an den Deutschen Bund. In Schleswig legte die Mehrheit der Stände ihr Mandat nieder, was zur Auslösung der Versammlung führte (Juli 1863). Die dän. Regierung war jetzt entschlossen, den äußersten Schritt zu thun.
Bereits hatte man für das Herzogtum Holstein eine sogenannte Holstein. Regierung angeordnet, dann folgte die königl. Bekanntmachung vom welche die beschlossene «Aussonderung» Holsteins thatsächlich vollzog. Das Herzogtum erhielt dadurch ein abgesondertes Bundeskontingent und Militärbudget. Im übrigen sollte es die Beiträge zu den Gesamtstaatsfinanzen unverändert fortbezahlen, ohne irgend welchen Einfluß auf die Gesamtstaatsverwaltung zu haben.
Endlich ward ein neues «Grundgesetz für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten Dänemarks und Schleswigs» 29. Sept. dem dän.-schlesw. Reichstag vorgelegt und genehmigt mit der Bestimmung, daß es in Kraft trete. Somit hatte Dänemark vollends die Vereinbarungen von 1851 und 1852 zerrissen, ohne sich an den Bundesbeschluß vom zu kehren, der endlich das Exekutionsverfahren gegen den König-Herzog einleitete. So war die Sachlage, als Friedrich VII. starb, ohne die neue Verfassung unterschrieben zu haben.
Mit ihm erlosch die königl. Linie des Oldenburger Hauses (Holstein-Glückstadt). Zunächst trat der durch den Londoner Traktat designierte Thronerbe, König Christian IX., auch in S. die Herrschaft an und bestätigte sofort, 18. Nov., das neue «Grundgesetz» für Dänemark und Schleswig. Dem gegenüber erklärte durch Patent vom 16. Nov. der Erdprinz Friedrich von Augustenburg, gestützt auf die agnatische Erbfolgeordnung des Oldenburger Hauses und auf das schlesw.-Holstein.
Staatsgrundgesetz von 1848, seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von S. In Holstein, wo ein großer Teil der Beamten Christian IX. den Huldigungseid verweigerte, siel ihm alles zu, und zugleich begann in Deutschland eine Volksbewegung, die auf einen deutschen Nationalkrieg zur Befreiung S.s hinarbeitete. Vorläufig blieb die Aktion dem Deutschen Bunde überlassen, der 28. Nov. die holstein. Stimme am Bundestag suspendierte und 7. Dez. die sofortige Exekution in Holstein und Lauenburg beschloß, unter Vorbehalt seiner Entscheidung über die Erbfolgefrage. Am 23. Dez. überschritten sächs. und hannov.
Bundestruppen die Grenze Holsteins und besetzten das ganze Herzogtum. Die Bundeskommissare erklärten die Holstein. Regierung in Plön für aufgehoben und bestellten eine sog. «Herzogliche Landesregierung» in Kiel. Gleichzeitig wurde Erbprinz Friedrich an vielen Orten und namentlich auf einer «allgemeinen Landesversammlung» zu Elmshorn [* 49] 27. Dez. als Herzog ausgerufen. Am 30. Dez. traf der Prinz in Kiel ein, ließ jedoch den Bundeskommissaren erklären, daß er als «Privatmann» dem Deutschen Bunde in keiner Weise vorgreifen wolle.
Unterdessen hatte die dän. Armee an der Eider und dem Danewerk Stellung genommen, und Dänemark verweigerte hartnäckig die Wiederaufhebung des dän.-schlesw. Grundgesetzes vom 18. Nov. So verbündeten sich Österreich und Preußen durch die Konvention vom zur Inpfandnahme Schleswigs und eroberte bis zum Juli ganz Jütland (s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1861), worauf 18. Juli zu Christiansfeld eine vorläufige Waffenruhe abgeschlossen wurde. Am 1. Aug. wurden die Friedenspräliminarien zu Wien [* 50] unterzeichnet, wodurch Christian IX. alle seine Rechte auf S. und Lauenburg an Österreich und Preußen abtrat.
Dagegen bewilligten die deutschen Großmächte einen Waffenstillstand auf drei Monate, während Jütland von den alliierten Truppen besetzt bleiben sollte. Die internationale Seite der schlesw.-holstein. Frage war damit in der Hauptsache gelöst; aber desto größer wurden die anderweitigen Verwicklungen. Neben dem Erbprinzen von Augustenburg war als zweiter Prätendent der Großherzog Peter von Oldenburg aufgetreten, und der Deutsche Bund hatte unter dem Druck der beiden deutschen Großmächte auf eine selbständige Politik verzichten müssen.
Tumultuarische Vorgänge zwischen preuß. und hannov. Soldaten in Rendsburg gaben die Veranlassung, daß die Preußen 21. Juli die Bundestruppen nötigten, diese Festung zu räumen. Inzwischen hatten die Verhandlungen 30. Okt. auf Grundlage der Präliminarien zum Frieden zu Wien geführt. (S. Wiener Friedensschlüsse.) Derselbe enthielt eine durchgreifende Grenzregulierung; es wurden die dän. Enklave Mögeltondern (acht Kirchspiele) nebst der dän. Insel Amrum und den dän. Teilen der Inseln Föhr, Sylt und Röm mit S. vereinigt, wogegen die schlesw.
Insel Arröe und zwölf Kirchspiele im äußersten Nordosten und Nordwesten des Landes (bei Kolding und Ripen) an Dänemark sielen. S. und Lauenburg sollten ferner von der dän. Gesamtschuld 29 Mill. dän. Thaler und die Rückerstattung der Kriegskosten an die deutschen Großmächte übernehmen. Am I.Dez, stellten Österreich und Preußen beim Bundestage den Antrag auf Zurückziehung der Exekutionstruppen, der 5. Dez. angenommen ward. Am legten die Bundeskommissare ihr Amt nieder und übergaben die Verwaltung Holsteins und Lauenburgs an die ¶
forlaufend
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preuß. Civilbehörde, die die Negierung in Kiel aufhob und nach alter Weise eine «Schleswig-Holsteinische Landesregierung» auf Schloß Gottorp einsetzte. Immer deutlicher gaben sich setzt die Ziele der preuß. Politik kund. Unterm erhielt das preuß. Kronsyndikat den Auftrag, ein Rechtsgutachten über die vorliegenden sämtlichen Ansprüche auf S. und Lauenburg zu erstatten. Acht Tage später (22. Dez.) richtete Baron Karl von Scheel-Plessen nebst 16 Genossen eine Adresse an den Wiener und Berliner [* 52] Hof, [* 53] die den «engsten Anschluß» S.s an die preuß. Monarchie als wünschenswert bezeichnete. Diese Adresse veranlaßte eine Gegendemonstration, die sog. Vierziger-Erklärung zu Kiel welche die sofortige «Konstituierung des schlesw.-holstein. Staates unter Herzog Friedrich VIII.» forderte. Dem gegenüber vereinigte sich die nationale Partei zu Rendsburg 12. Febr. über ein polit. Programm, worin alles Gewicht auf die bundesstaatliche Unterordnung S.s unter Preußen gelegt war. Seit dieser offenen Spaltung entbrannte in S. ein lebhafter Parteikampf. Andererseits fing Österreich jetzt an, der preuß. Politik mit größerer Entschiedenheit entgegenzutreten; eine österr. Depesche vom 10. Juli formulierte das äußerste Maß der an Preußen in S. einzuräumenden Zugeständnisse. Ein offener Bruch schien unvermeidlich; doch fand die Diplomatie in der 14. Aug. abgeschlossenen Konvention von Gastein ein Auskunftsmittel, wonach unbeschadet der Fortdauer der durch den Wiener Frieden gemeinsam erworbenen Rechte Österreich diese Rechte in Holstein, Preußen in Schleswig ausüben, Lauenburg dagegen definitiv an Preußen übergehen sollte. Bald darauf (11. Sept.) erstattete das preuß. Kronsyndikat das erforderte Rechtsgutachten. Dasselbe erklärte die auf dem Londoner Traktat von 1852 beruhende dän. Thronfolgeordnung auch in S. für rechtsgültig und Preußen und Österreich, als Rechtsnachfolger des Königs Christian IX., für nicht verpflichtet, Erbansprüche anderer Mitglieder des Oldenburger Hauses anzuerkennen. Am trat die durch den Gasteiner Vertrag geschaffene neue Ordnung ins Leben. Im Herzogtum Schleswig ward der General von Manteuffel, zum preuß. Militär- und Civilgouverneur ernannt. Unter ihm wirkte der bisherige Civilkommissar von Zedlitz als Regierungspräsident und eine «Schleswigsche Regierung» auf Schloß Gottorp. Im Herzogtum Holstein trat als kaiserl. österr. Statthalter der Feldmarschalllieutenant von Gablenz ein, der seinen Sitz in Kiel nahm; ihm war als Civiladlatus der Ministerialrat von Hoffmann beigeordnet, der an der Spitze einer «Herzoglich Holsteinischen Landesregierung» in Kiel stand. Seit Anfang 1866 trat der Zwiespalt der beiden Mitbesitzer immer deutlicher hervor. Am 1. Juni stellte Österreich die definitive Entscheidung der schlesw.-holstein. Frage dem Deutschen Bunde anheim und ließ durch den Statthalter die Holstein. Provinzialstände nach Itzehoe berufen. Eine preuß. Depesche vom 3. Juni erklärte dies für einen Bruch der Gasteiner Konvention. Am 7. Juni rückte der Gouverneur Manteuffel zur Wahrung der Rechte Preußens wieder in Holstein ein; 10. Juni verkündigte er die Auflösung der sog. Herzoglich Holsteinischen Landesregierung und die Ernennung des Barons Karl von Scheel-Plessen zum königlich preuß. Oberpräsidenten für S. Am 11. und 12. Juni gingen die österr. Truppen über die Elbe nach Harburg, [* 54] denen Erbprinz Friedrich folgte. Der Deutsche Krieg von 1866 (s. d.) und der Prager Frieden vom (s. Prag, [* 55] Bd. 13, S. 353 a fg.) entschieden über das Schicksal S.; doch wurde durch einen zu Wien zwischen Preußen und Österreich abgeschlossenen Vertrag Art. 5 des Friedensvertrags förmlich aufgehoben und außer Kraft gefetzt (s. Preußen, Bd. 13, S. 422 b fg.). Am kam ein Vertrag zwischen Preußen und Oldenburg zu stände, wodurch Großherzog Peter die Rechtsansprüche der Linie Holstein-Gottorp zu Gunsten des preuß. Königshauses aufgab.
Dafür erhielt er 1 Mill. Thlr., das Holstein. Amt Ahrensböck und einige anstoßende kleine Distrikte, die mit dem oldenb. Fürstentum Lübeck [* 56] vereinigt wurden. Schon vorher hatte die Einverleibung S.s in die preuß. Monarchie stattgefunden. Nachträglich gewährte die preuß. Krone dem Hause Schleswig-Holstein-Glücksburg für die auf Art. XI des Wiener Friedens begründeten Ansprüche durch Gesetz vom eine Abfindungsrente von jährlich 54000 M. Auch das herzogt.
Augustenburgische Haus, das seinen Rechtsansprüchen zu Gunsten Preußens entsagte und seine erlittenen Vermögensverluste geltend machte, erhielt durch Gesetz vom eine Schadloshaltung, im wesentlichen bestehend aus dem Schloß Augustenburg und einer Jahresrente von 300000 M. Seit 1891 bildet die Insel Helgoland einen Teil der Provinz S. Litteratur. Die Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesellschaft für vaterländische Geschichte hat eine Urkundensammlung (1839 fg.), eine Quellensammlung (1862 fg.), sowie Regesten und Urkunden (1885 fg.) herausgegeben und veröffentlicht eine «Zeitschrift» (Kiel 1871 fg.).
Vgl. ferner Christiani, Geschichte der Herzogtümer Schleswig und Holstein (4 Bde., Flensb. 1776-79);
ders., Geschichte der Herzogtümer Schleswig und Holstein unter dem Oldenburger Hause (Bd. 1 u. 2, Hamb. und Dessau [* 57] 1781-84; fortgesetzt von Hegewisch, Bd. 3 u. 4, Kiel 1801-2, und von Kobbe bis 1808, Altona 1834);
Waitz, S.s Geschichte (2 Bde., Gott. 1851-54);
ders., Kurze schlesw.-holstein. Landesgeschichte (Kiel 1861);
Handelmann, Geschichte von S. (ebd. 1873).
Über die neuere Zeit vgl. Droysen und Samwer, Die Herzogtümer S. und das Königreich Dänemark. Aktenmäßige Geschichte der dän. Politik seit dem J. 1806 (2. Aufl., Hamb. 1850); Lüders, Denkwürdigkeiten zur neuesten schlesw.-holstein. Geschichte (4 Bde., Stuttg. 1851-53); Möller, Geschichte S.s. Von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart (neue Ausgabe von Godt, 2 Bde., Altona 1888; 3. Abteil.: Von der Erhebung bis zur Gegenwart, von Godt, ebd. 1888); von Sybel, Die Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm I., Bd. 3 (Münch. und Lpz. 1889). Schleswig-Holsteiner Kanal, [* 58] s. Eiderkanal. Schleswig-Holsteinische Kriege, s. Deutsch-Dänischer Krieg von 1848 bis 1850 und Deutsch-Dänischer Krieg von 1864. Schleswig-Holsteinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zu Kiel, s. Land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaften. Schleswig-Holsteinische Marschbahn, von Elmshorn über Glückstadt, Itzehoe, Heide, Husum [* 59] und Tondern nach der dän. Grenze bei Ribe ¶