185000 Mann Reichswehr zum Dienst einberufen wurden. Am 30. Juli griff
General Krüdener die
Türken bei
Plevna nochmals an, wurde
jedoch blutig zurückgeschlagen. Die
Lage der russ.
Armee war somit Anfang
August sehr mißlich und konnte zu einer
Katastrophe
führen, falls
Osman Pascha von
Plevna her und
Mehemed Ali Pascha, der seit 18. Juli den Oberbefehl über die
türk. Hauptarmee führte, von Razgrad her gegen die untere Jantra zum
Angriff vorgingen. Aber
Osman Pascha blieb unthätig
in
Plevna stehen, dagegen drang
Suleiman Pascha18. Aug. gegen den
Schipkapaß vor, besetzte 20. Aug. das Dorf Schipka und stürmte 21. bis27. Aug. den
Paß
[* 2] selbst; zwar wiesen die
Russen alle
Angriffe zurück, doch blieb
Suleiman Pascha auf der Paßhöhe stehen, bombardierte
bis 17. Sept. die russ.
Stellung fast ununterbrochen und unternahm noch mehrere vergebliche
Angriffe.
Mehemed Ali führte nun das
Heer nach Razgrad und Eski-Džumaja zurück, worauf 2. Okt.Suleiman Pascha den Oberbefehl über die
türk. Ostarmee übernahm. Dieser bezog 20. Okt. ein verschanztes Lager
[* 3] bei Razgrad, während die
Russen wieder bis an die Linie des
SchwarzenLom vorgingen. Am 19. Nov. überschritten die
Türken mit etwa 12000 Mann
den
Lom, zerstörten Pirgos und drangen bis an die russ. Hauptstellung bei Mečka vor. Am 4. Dez. nahmen
die
Türken Marian, Slatarica und Elena, wurden jedoch 6. Dez. aus Slatarica zurückgeschlagen. Am 12. Dez. erneuerte
Suleiman den
Angriff gegen die russ.
Stellung bei Mečka, wurde jedoch abgewiesen, worauf sein
Heer in voller
Auflösung
nach Rustschuk floh.
Während dieser Kämpfe war
Osman Pascha, von dessen
Truppen 35000
Mann inPlevna (s. d.) und 5000 Mann bei Loveč standen, durch
das rumän.
Heer und die inzwischen ein getroffenen russ. Verstärkungen eingeschlossen und 10. Dez. zur
Kapitulation gezwungen worden.
Gurko und Karzow hatten das Land bis zum
Balkan hin von türk.
Truppen gesäubert
und 24. Okt. Dolnji-Dubniak und Gornji-Dubniak, 28. Okt. Teliš nach heftigem Kampfe genommen, auch die nach
Sofia führenden Balkanpässe
in ihre Gewalt gebracht. Am 14. Dez. erklärte auch
Serbien
[* 4] der
Pforte den
Krieg.
Die
Serben hatten 19. Dez. den Nikolauspaß, 24. Dez. Ak-Palanka und 28. Dez. Pirot nach heftigem Kampfe erobert, und von der Morava
her 23. Dez. die
Belagerung von
Nisch begonnen. Auch die Montenegriner waren seit Anfang
August gegen die türk.
Landwehren vorgegangen, hatten 8. Sept. die Garnison von
Nikšić zur Kapitulation gezwungen und bis Ende September sämtliche
Forts im Dugapasse erobert, auch alle
Angriffe der
Türken im Fürstentum zurückgeschlagen. Fürst
Nikita zwang auch Antivari
zur Kapitulation. Am 19. Jan. wurde Dulcigno, 29. Jan.Fort Lesendra am Skutarisee erobert, worauf
Nikita die
Bojana überschritt und
Skutari einschloß.
Am 9. Jan. wurde
Mehemed Ali mit dem Oberbefehl über alle
Truppen in der europ.
Türkei
[* 5] betraut und gleichzeitig angewiesen, mit
dem russ. Oberkommando einen Waffenstillstand abzuschließen. Am 19. Jan. wurde
Adrianopel geräumt und am folgenden
Tage durch
dieRussen besetzt; alle noch verfügbaren türk.
Truppen wurden in den befestigten Linien von
Tschataldschavor der Hauptstadt versammelt und dem
Befehl des
Mukhtar Pascha unterstellt. Während die russ.
Truppenbis in die unmittelbare
Nähe von
Konstantinopel
[* 6] vordrangen, begannen 27. Jan. zu
Adrianopel die Waffenstillstandsverhandlungen und gelangten 31. Jan. zum
Abschluß. Das russ. Hauptquartier wurde dann nach
San Stefano (s. d.) verlegt und dort 3. März zwischen
Rußland
und der
Türkei ein Präliminarfriede abgeschlossen, dessen Bestimmungen jedoch auf
Antrag der europ. Großmächte erst einem
europ.
Kongreß unterbreitet wurden, wo sie große Änderungen erlitten. (S.
Berliner Kongreß.)
[* 7]
Litteratur. C. von Sarauw, Der russ.-türk.Krieg 1877/78 (2. Ausg., Lpz. 1879);
Wilh.
Müller, Der russ.-türk.
Krieg 1877 (Stuttg. 1878);
Kuropatkin, Kritische Rückblicke auf den russ.-türk.
Krieg 1877/78 (3 Bde., Berl. 1885-90);
russ. Rossija, oder
Russisches Reich, Rossijskaja Imperija, auch Rossijskoje Gossudarstwo, Kaisertum und
Großmacht, umfaßt die größere östl. Hälfte Europas, Nordasien und den Nordwesten
Centralasiens mit zusammen 22430000
qkm,
d. i. ein Zweiundzwanzigstel der gesamten Erdoberfläche, ein Sechstel des gesamten Festlandes
und mehr als das Doppelte des Erdteils Europa. Von dem Flächenraum entfallen administrativ auf Europa
5900152, auf
Asien
[* 10] 16529852, geographisch (den
Ural
[Gebirge und
Fluß] und die Manytschlinie als Grenze zwischen Europa und
Asien genommen) auf Europa 5248790, auf
Asien 17181214, oder (wenn statt der Manytschlinie der Hauptrücken des
Kaukasus als
Grenze gesetzt wird) auf Europa 5515067, auf
Asien 16914947 qkm. -
Die Grenzlinie umfaßt 69245 km, wovon auf das Festland 19941 km (in Europa 4505) kommen. Die Grenze gegen Preußen ist 1183,
gegen Österreich-Ungarn
[* 21] 1225, gegen China 9372, gegen Afghanistan 811, Persien 1737, Türkei 505 km lang.
Bei der ungeheuren Ausdehnung
[* 22] bildet eine geschlossene, verhältnismäßig wenig durch Meereseinschnitte gegliederte Masse.
Die Ausdehnung der Begrenzung durch Meere würde äußerst günstig sein, wenn nicht klimatische Verhältnisse, geogr. Lage und
örtliche Untauglichkeit die Länge der für den Handelsverkehr nutzbaren Küsten auf eine verhältnismäßig
sehr beschränkte Strecke an der Ostsee, am SchwarzenMeer und am Großen Ocean verringerten. Auch ist die Bereicherung der Küsten
durch vorliegende Inseln nur gering. Ihr Gesamtumfang beträgt 238156 qkm, wovon 109984 auf das europäische Rußland kommen. In der
Ostsee sind die Ålandsinseln, Ösel und Dagö, im Stillen Ocean Sachalin nennenswert, im Nördlichen EismeerKolgujew, Nowaja Semlja, Neusibirien u. s. w.; letztere teilen die Unwirtbarkeit der
gegenüber liegenden Polargegenden des Festlandes.
Bodenbildung. Die Oberflächengestaltung bietet sehr bedeutende Gegensatze dar, von dem langen Gebirgsgürtel des Urals, dem
mächtigen Kaukasus, den Alpenlandschaften im südl. Sibirien, in Turkestan und in der Dsungarei bis herab
zu dem tiefsten Flachlande der Welt, das in der aralokaspischen Erdsenke nur wenig über, zum Teil sogar unter dem allgemeinen
Meeresniveau liegt. Die Bodenplastik des Europäischen R.s ist durch die größte Einförmigkeit charakterisiert.
Dasselbe zeigt mit Ausnahme des asiat. Grenzgebirges, des Urals, und des kleinen TaurischenGebirges in der
Krim nirgends ein eigentliches Gebirge, besteht vielmehr teils aus völlig ebenen, teils aus wellenförmigen oder hügeligen
Flächen, die im allgemeinen nur 100-200 m ü. d. M. liegen, und hat seine Abdachungen nach N., NW., S. und SO. Auch die Höhen
und Felsenkämme der seltsam zertrümmerten Seenplatte von Finland und Lappland erheben sich nirgends
viel über 300 m. Das übrige Rußland erscheint als ein im Centrum einigermaßen gehobenes,
nach den Peripherien zu sich allmählich senkendes und gleichwie von einem Rahmen von dem Ural, dem Donschen Hochplateau, dem
Krimschen Gebirge, den Ausläufern der Karpaten und den FinnischenHöhen eingesäumtes Gebiet.
Das Centrum wird von dem mittlern russ. Höhengebiet oder den Alaunischen Höhen eingenommen, welche sich
auf einer Strecke von 1380 km vom Waldaigebirge bis zum Donezschen Hochplateau ausbreiten. Es scheidet
die baltische Niederung
von den Flußgebieten des Dnjepr, der Wolga und des Don und dient als Quellgebiet für die Flüsse
[* 23] Niemen,
Düna, Lowat, Wolga, Oka, Don, Donez und Dnjepr. Im O. von diesen Höhen liegt das Thal
[* 24] der untern Oka und die Niederung, auf welcher
sich einige Nebenflüsse der Oka und des Don ergießen.
Dann folgt die Gruppe der Wolgahöhen, ein Hügelland, welches sich am rechten Ufer der Wolga von Nishnij Nowgorod
und Kasan
[* 25] bis Zarizyn und im W. bis Tambow erstreckt und in den Jergeni seine natürliche Fortsetzung findet. Die Wolgahöhen
nehmen in meridionaler Richtung 1170 km ein. Im SO. von diesen Höhen, am linken Ufer der Wolga, folgen die kaspischen Steppen.
Im N. werden letztere von den Gehängen des Obschtschij-Syrt begrenzt. Weniger erforscht ist die
nördl. oder uralisch-baltische Landeserhöhung der ältern Geographen.
Nach der üblichen Darstellung setzt sie sich an die dem nördl. Ural vorgelagerte, in mehrern Punkten zu 250-320 m ansteigende
Berglandschaft von Perm und Wologda und zieht westwärts bis in die Nähe der Ostsee, und zwar zunächst
als Wasserscheide zwischen der Polar- und kaspisch-pontischen Abdachung unter dem Namen des nordruss. Landrückens bis zu dem
Quellgebiet der Wolga, der Düna und des Dnjepr, d. i. dem sumpfigen Plateau der Waldaihöhe. Die westl. Fortsetzung des Waldaiplateaus
bildet ein breiter Damm erhöhten Terrains, nämlich einerseits der litauische Landrücken, der 2-300 m
Höhe hat; andererseits der livländ. Landrücken.
Der erstere geht gegen W. in die ostpreuß. Seenplatte über. Das Asiatische Rußland ist in seinem nordwestl. Teil (Westsibirien)
ein Tiefland, das sich zum Eismeer senkt. Auch geht es vom Oberlauf des Ob und vom Unterlauf des Jenissei an in Gebirgsland
über, das im S. zum Teil Alpencharakter hat, aber nach N. zu an Höhe abnimmt. Längs der ganzen Nordküste
zieht sich, selbst weit ins Europäische Rußland hinüber greifend, die Tundra hin. Das Jablonojgebirge mit seiner Fortsetzung,
dem Stanowojgebirge, bildet die Wasserscheide zwischen dem Eismeer und dem Stillen Ocean. Südlich geht das westsibir.
Tiefland durch die Kirgisensteppe über: nach W. zu (zwischen dem Südende des Uralgebirges und dem KaspischenMeer) in die
Ebene des Europäischen R.s und nach S. zu in die SteppenTranskaukasiens und Turkestans, die von dem Westrande Centralasiens
begrenzt werden. Ausläufer des letztern reichen sogar bis in die Kirgisensteppe. (S. auch Sibirien.)
Bewässerung. KeinLand der Erde besitzt so viele und so wasserreiche Ströme wie Rußland. Von den Flüssen gehen in die Ostsee, welche
ein Flußgebiet von 968110,5 qkm beherrscht, der Torneå mit dem Muonio an der schwed. Grenze, der Kemi, Uleå, Kokema (oder
Kumo), Kymmene in Finland; ferner die Newa, Luga, Narowa, Pernau, Salis, die livländ.
oder Treyder Aa, die Düna, die kurländ. oder BullerAa, der Niemen und die Weichsel. In dasSchwarzeMeer, mit einem Flußgebiet
von 747795,4 qkm in Europa und 37425,7 qkm in Asien, fällt zunächst mittels der Donau, deren Mündungen die russ. Grenze
berühren, der Pruth, der Grenzfluß gegen Rumänien, dann unmittelbar der Dnjestr, der Bug, der Dnjepr,
der Kuban, der Rion;
ins Asowsche Meer, mit einem Flußgebiet von 559394 qkm, der Don mit dem Manytsch, die Jeja und der Kalmius;
Flußgebiet von 1876599,1 qkm in Europa und 1181538,2 qkm in Asien, die Kura mit dem Aras, der Terek, die Wolga mit ihren Nebenflüssen
Oka und Kama, der Ural oder Jaik und die Emba; in den Aralsee, mit einem Flußgebiet von 1867579,3 qkm, der Syr-darja und der Amu-darja,
dessen unterer Lauf russisch ist; in den Balchaschsee der Ili, in den Baikalsee die Selenga. Zum Gebiet
des Polarmeers, mit einem Flußgebiet von 1254166,1 qkm in Europa und 10785640,1 qkm in Asien, gehören im Europäischen Rußland die
Onega, Dwina, der Mesen und die Petschora, in Asien der Riesenstrom Ob mit dem Irtysch, der Jenissei mit der
dreifachen Angara, die Chatanga und Anabara, der Olenek, die Lena (mit dem Witim, Wiljuj, Olekma, Aldan u. s. w.), die Jana,
Indigirka und Kolyma.
Zum Gebiet des Großen Oceans, mit einem Flußgebiet von 2533790 qkm, gehört der Anadyr und der Amur. In den Steppenländern
giebt es auch wahre Oasenflüsse, umwuchert von Strauchwuchs, Salz- und Sodakräutern. Dieselben strömen
im Frühling bei der Schneeschmelze wasserreich, versiegen dagegen in der Sommerglut fast völlig. Solche sind unter vielen
andern der Tschu inTurkestan, der Große und KleineUsen in der KaspischenSteppe, die sich in Salzseen verlieren und sich selbst
schon weit vor der Mündung mit dichten Salzschichten überziehen.
Solche Salzseen, unter denen der Elton und der Baskuntschaksee im Gouvernement Astrachan die berühmtesten sind, hat Rußland in
jenen Steppengebieten unzählige, und es verdankt ihnen einen großen Teil seines Salzgewinns. An Seen ist Rußland überhaupt sehr
reich. In seinem europ. Teil nehmen sie in den 50 russ. Gouvernements, das Asowsche Meer und den Siwasch
mit inbegriffen, einen Raum von 104800,9 qkm ein. Darunter sind der Ladoga und der Onega die zwei größten des Erdteils,
außerdem der Peipus-, Ilmen- und Weiße See (Bjeloosero) besonders bemerkenswert.
Das Gouvernement Olonez allein zählt an 1500 Seen, die 20936,6 qkm einnehmen. Die meisten Seen (zusammen
47829,3 qkm) hat aber Finland, wo in manchen Gegenden die Landfläche von der Wasserfläche überwogen wird. Auch in Asien
hat Rußland die beiden größten Seen des Erdteils und der Erde überhaupt, den Kaspi- und den Aralsee, außerdem die großen Becken
des Baikal, Balchasch und den Issyk-kul. Die Kanäle konzentrieren sich im nordwestlichen Europäischen
Rußland und bilden zwei Hauptsysteme, ein östliches und ein westliches.
Das westl. Hauptsystem verbindet die Ostsee mit dem SchwarzenMeer durch den Beresinakanal (zwischen Dnjepr und
Düna), den Oginskischen Kanal
[* 27] (zwischen Dnjepr und Niemen) und den Dnjepr-Bug-Kanal (zwischen Dnjepr und Weichsel). Außerdem
werden noch Weichsel und Niemen durch den Augustowokanal (s. d.) verbunden. In Finland vereinigt der Saimakanal den Saimasee
mit dem FinnischenMeerbusen und in Sibirien das Ob-Jenissei-Kanalsystem (s. d.) den Ob mit dem Jenißei.
Mineralquellen
finden sich im Kaukasus (im Kreis
[* 28] Pjatigorsk), in Lipezk, Slawjansk, Sergijewsk (Gouvernement Samara), Staraja Russa,
in den westl. Gouvernements, an vielen Orten Sibiriens u. a.
Klima.
[* 29] Bei einer Breitendifferenz von 42° sind die Temperaturverhältnisse natürlich sehr verschieden. Doch wechselt
das Klima im Europäischen Rußland, ungeachtet auch hier der Breitenunterschied des Kontinents zwischen
43° 21' und 69° 56' nördl. Br. (Nordgrenze des russ. Lapplands) nicht weniger als 24° 35' beträgt, nicht in dem Maße,
als nach den klimatischen Unterschieden Westeuropas zu erwarten wäre, und die Übergänge sind überall allmählich und
unmerklich.
Die Gleichförmigkeit der Bodenverhältnisse, das Fehlen von Gebirgen und tief einschneidenden Oceanen
wirkt hier bedeutend auf die Gleichmäßigkeit des Klimas ein. Durch die ausgedehnten und ununterbrochenen Landmassen bedingt,
ist das russ. Klima ein entschieden kontinentales. In Sibirien giebt es zwar alpine Regionen, aber alle höhern Gebirgsmassen
außer dem Ural liegen im Süden, und ungerechnet die langgestreckten Meeresküsten im Norden
[* 30] macht sich doch
auch hier kein Seeklima geltend, weil auch hier, wie im Europäischen Rußland, die Beweglichkeit des wellenschlagenden
Meers den größten Teil des Jahres fehlt, indem die langdauernde Eiskruste nur einige Monate auftaut, der OstenSibiriens aber
durch Gebirgsketten von dem Einflusse des Meers abgeschlossen ist.
Überdies bleiben auch die weiten Tundren und Steppensümpfe manche Jahre hindurch 6 m tief und darüber
fest gefroren. Im allgemeinen senken sich daher die Isothermenkurven von Westen nach Osten in steter Zunahme dem Süden zu,
und die unter gleicher Breite
[* 31] mit Polen liegenden Länder des östl. Teils vom Europäischen Rußland, wie die Gouvernements Saratow,
Pensa, Simbirsk, Ufa und Orenburg, haben kaum noch das Klima der Ostseeprovinzen, die LänderSibiriens kaum
noch das von Finland und Lappland.
Ein besonderes klimatisches Revier bildet das Generalgouvernement Kaukasien, wo die Temperaturverhältnisse wesentlich von
den Niveauverschiedenheiten bedingt sind und bei dem vorherrschenden Hochlandscharakter der beschränktere Raum der tiefern
Thäler und Küstenebenen wirklich warmes, zum Teil heißes Klima hat. Im allgemeinen ist in Rußland allerorts
im Sommer eine Temperatur von + 30° C. und im Winter von - 30° C. möglich, eine Ausnahme bieten lediglich der Kaukasus und
die Ufer des Pontus. Es handelt sich aber um die Zeitdauer der Wärme
[* 32] oder der Kälte.
Die erstere ist im Norden selbstverständlich kürzer, die letztere anhaltender, während im Süden das umgekehrte Verhältnis
stattfindet. Es herrschen wechselnd Nord- und Nordostwinde sowie Süd- und Südostwinde vor. Niederschläge giebt es im Durchschnitt
400-800 mm; im Norden des KaspischenMeers und Aralsees ein Minimum von 100 mm, am westl. Ufer des SchwarzenMeers ein Maximum von 1500 bis 2000 mm. Nach Süden und Osten zu vermindern sich die Niederschläge. Die Zahl der Schneetage
in Petrosawodsk beläuft sich auf 114, in Jalta auf 7,3. (S. auch den folgenden Abschnitt.)
Pflanzen- und Tierwelt. Den klimatischen Verhältnissen entsprechend läßt sich das Europäische Rußland in
einige charakteristische Pflanzen- und Tierregionen einteilen. (Vgl. die Karten: Pflanzengeographie I und Tiergeographie.)
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0071a
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mehr
1) Der arktische Landstrich im Norden des Polarkreises hat über acht Monate lang Winter, so daß das Meer von Ende September
bis Mitte Juni mit Eis
[* 35] bedeckt ist. Der kurze Sommer vermag, obwohl die Sonne
[* 36] teils gar nicht, teils nur für kurze Zeit untergeht,
nur eine dürftige Vegetation vom Tundracharakter (s. Tundra) zu erhalten. Die Zwergbirke ist häufig;
Grünerlengesträuch wird erst im Bereich der nördlichsten Birken- und Nadelwälder häufig. Von Bodenkultur kann nicht die
Rede sein. Die Tierwelt ist auf Renntiere, Eisbären, Füchse und anderes Pelzwild, auf Seehunde, Eidergänse, Strandvögel
und Fische
[* 37] beschränkt, welche letztere die Nahrung der übrigen einheimischen Tiere, des Menschen und
des ihn begleitenden Hundes bilden.
2) Die zweite (kalte) Vegetationszone breitet sich am Westabhang des Urals aus und umfaßt die Gouvernements Archangelsk, Wologda,
Olonez bis zum Onegasee, Wjatka und Perm. Hier ist die Heimat der sibir. Nadelhölzer:
[* 38] sibir. Tanne,
[* 39] Zirbelkiefer, Lärche, Fichte
[* 40] zusammen mit Birke und nordischen Gesträuchen. Im Holzreichtum liegt hier der Wert des Landes. Der Winter
dauert streng anhaltend 6-7 Monate, und das Gefrieren des Quecksilbers ist etwas Gewöhnliches. Je östlicher desto kälter.
In Perm unter 58° nördl. Br. liegt der Schnee
[* 41] zu Ende November schon mannshoch.
Die atmosphärischen Niederschläge sind mäßig und in östl. Richtung abnehmend. Gewitter kommen nicht
selten vor, sind aber meist von kurzer Dauer. Die mittlere Jahreswärme für die ganze Zone kann man zu etwa 3° C. annehmen.
Dies ist die nördlichste russ. Kulturzone für den Anbau von Gerste,
[* 42] Hafer
[* 43] und Roggen. Im Norden
dürftig und unsicher im Erfolg, wird der Getreidebau gegen die Südgrenze hin umfangreich und ergiebig.
Auch Kartoffeln und Flachs sind wichtige Kulturpflanzen. Neben Raubwild, den Bären, Vielfraß, Wölfen, Füchsen und Luchsen
tritt schon das Edelwild auf, wie Elen,
[* 44] Rehe, wilde Schweine.
[* 45] Die Zucht der Haustiere beginnt gleichfalls und nimmt südwärts
an Umfang zu.
3) Die dritte (gemäßigte) Vegetationszone reicht vom westl. Olonez einerseits bis Kurland
[* 46] und Polen, andererseits
über Moskau
[* 47] bis Tambow und Kasan, allgemein bis zur Südgrenze der Kiefer und der Laubhölzer gegenüber den Steppenlandschaften.
In ihr herrscht noch Wald, aber vom baltischen Charakter; ihr Winter hat durchschnittlich 10° Kälte als Januarmittel, dabei
hat sie schon deutlich hervortretende Frühlings- und Herbstzeit, trockne und heiße Sommer, meist sehr
beständige Witterung, ebenfalls vorherrschende Ost- und Westwinde, verhältnismäßig geringe Niederschläge, selten Gewitter,
und bei einer mittlern Jahreswärme von etwa 5,5° C. eine reichere Flora und Fauna als die andern Zonen.
Unter den Bäumen herrscht hier besonders die Linde vor, der echt mittelruss. Baum, dessen Juliblüte die
Hauptweide für die häufig gehaltenen Bienen abgiebt. Auch liegt hier das vornehmste Gebiet des Ackerbaues, und zu den Getreidearten
der nördl. Zone kommt noch der Weizen. Außerdem ist der Hanfbau von Bedeutung. Für die Obstkultur
eignet sich dieser Landstrich schon mit Erfolg. Die Tiere des nördl. Landstrichs sind
meistenteils auch
über diesen mittlern verbreitet, unter den Raubtieren namentlich der Wolf. Unter den Wiederkäuern besitzt diese Zone noch
eine sehr seltene Tierart in dem großen Urwalde von Bjelowjesh (s. Bjelowjesher Heide), den Auerochsen oder Wisent, welcher
übrigens auch noch im Quellgebiet des Kuban im Kaukasus vorkommt; auch das Elentier findet sich hier sowie
in den großen Wäldern Litauens, Livlands und Esthlands, überhaupt in der Waldregion des nördlichen R.s und in den großen
Wäldern Sibiriens.
4) Die letzte Zone ist die der Grassteppen, ausgedehnt über das Unterlaufsgebiet der Wolga, des Don und Dnjepr, am
letztern Flusse nur noch bis zum 50.° nördl. Br., und sich in Bessarabien bis zur Donaumündung vorschiebend. Die südl. Krim
nimmt Teil an der Mittelmeerflora. Ein kalter stürmischer Winter wechselt hier mit einem heißen, stets längere Zeit über
20° C. im Monatsmittel haltenden und trocknen Sommer; der blumenreiche Frühling tritt rasch ein, überall
blühen Tulpen und andere Zwiebelgewächse, AdonisvernalisL.,Iris.
Abgesehen von den traurigen Salzwüsten in der ProvinzAstrachan und weiterhin am südl. Fuße des Urals ist das Land da, wo
die schwarze Erde («Tschernosem») den Boden bildet, einer reichen Getreidekultur fähig, und die Sommerhitze beschleunigt die
Reife von Mais, Melonen u. s. w. Die Viehzucht
[* 48] ist die Hauptnahrungsquelle der meist asiat.
nomadisierenden Bevölkerung.
[* 49] Neben den gewöhnlichen Haustieren tritt auch das Kamel auf. Charakteristisch für die Steppen
sind die Saigaantilope, Jerboas und Schakale. (S. auch noch Europa, Sibirien, Krim, Kaukasus u. s. w.)
Bevölkerung. Eine Volkszählung im westeurop. Sinn soll in Rußland erst 1896 stattfinden. Bis dahin sind von
Zeit zu Zeit amtliche Abschätzungen (Revisionen) vorgenommen worden. Solcher Revisionen liegen zehn vor: die erste (1722)
ergab 14 Mill., die vierte (1782) 28 Mill., die siebente (1815) 45 Mill., die zehnte (1858) 74 Mill. E. Die Bevölkerung in
den J. 1885 und 1894 betrug:
Es ergiebt sich also 1894 gegen 1885 ein Zuwachs von 17562439 Seelen.
Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist sehr verschieden: im allgemeinen kommen auf 1 qkm 5,63 E.;
in dem mittlern, westl. und
südwestl.
Teil des Europäischen R.s ist die Dichtigkeit am stärksten und
¶
mehr
nimmt nach Norden, Osten und Süden ab. Im äußersten Norden und in den wüsten SteppenCentralasiens wird sie ganz gering.
Der dichter bevölkerte Strich geht im Europäischen Rußland durch die Gouvernements Bessarabien, Podolien, Kiew,
[* 51] Tschernigow, Poltawa,
Charkow, Kursk, Woronesch, Orel, Kaluga, Tula, Rjasan, Pensa, Tambow, Moskau, Simbirsk und Kasan, wo 35-75
E. auf 1 qkm kommen. In den poln., im Moskauer und in den südwestl. Gouvernements kommen sogar manchmal 85 E. auf 1 qkm.
In keinem Lande ist das Übergewicht der ländlichen Bevölkerung (86 Proz.) über die städtische (14 Proz. der Gesamtbevölkerung)
so stark wie in Rußland. Das Städteleben ist am meisten entwickelt im äußersten Westen R.s
und in Polen, am wenigsten im äußersten Norden, Nordosten, in Sibirien und in Finland. Es giebt 1317 Städte, darunter die
Hauptstädte Petersburg
[* 52] und Moskau, und 5366072 Flecken und Dörfer. Zu den ältesten Städten gehören: Nowgorod, Pskow, Kiew,
Jaroslawl, Moskau, Smolensk, Tschernigow;
ferner (diese jedoch nicht von den Russen, sondern von andern
Völkern begründet) Eriwan, Tiflis, Warschau,
[* 53] Riga
[* 54] und Kasan. 16 Städte haben über 100000, 62 über 20000, 589 von 5000 bis 20000 E.
Folgende Städte haben über 50000 E.:
Dem Geschlecht nach waren (1885) 54063353 männl. und 53888042 weibl.
E. Auf 100 Männer kommen im eigentlichen Rußland (außer Polen und Finland) 101, in Polen 96, im Kaukasus 114,
in Finland 104, in Sibirien 107 und in Centralasien 111 Frauen. Dem Beruf nach zerfällt die Bevölkerung in den erblichen Adel
(700000), in den geistlichen Stand (600000), den persönlichen Adel
und den Beamtenstand (400000), in Kaufleute,
städtische Gewerbetreibende u. a. (8½ Mill.), Dorfbewohner (112 Mill.) und Militärstand
(5 Mill.). Die Bewegung der Bevölkerung im J. 1891:
Bei einer Verteilung auf die Bevölkerung der Gouvernements und Gebiete sind auf 1000 E. 47 Geburten und 33 Todesfälle zu
rechnen, im Europäischen Rußland betragen diese Ziffern 48 und 33. Im allgemeinen kommen in Rußland (ohne Sibirien und Centralasien)
auf 100 geborene Mädchen 108,7 Knaben, und auf 100 Geburten überhaupt 2,9 uneheliche. In den J. 1881-90
wurden jährlich im Durchschnitt geboren 3419902 beiderlei Geschlechts, darunter 1752116 Knaben und 1667786 Mädchen. Von
der Gesamtzahl waren 90951 unehelich. In demselben Zeitraum starben jährlich durchschnittlich 2496323 Personen, darunter 1284047
männl. und 1212281 weibl. Ehen wurden jährlich im Mittel geschlossen 657790. Der jährliche Zuwachs der
Bevölkerung war 923574. Die Auswanderung betrug 1816-52: 50000; 1853-89: 350000; 1890: 85239 und 1892: 74620 Personen.
Nationalitäten. Rußland umfaßt ungefähr 112 Völkerschaften. Nach der Darstellung von Rittich, von der die in den Einzelartikeln
enthaltenen Angaben allerdings hier und da abweichen, zerfällt die Bevölkerung des RussischenReichs in 56296281
Russen (s. d.; davon im Europäischen Rußland 34389871 Großrussen, 14193665
Kleinrussen und 3592057 Weißrussen, im Asiatischen Rußland 4120688 Russen überhaupt), 4971475 Polen (davon im Europäischen Rußland 4764713), 7614 Serben, 93685 Bulgaren, 7790 Czechen,
also Slawen überhaupt 61196845; ferner 811051 Litauer, 623700 Schmuden oder Samogitier, 1047929 Letten, also litauische
Völker überhaupt 2482680; 77132 Griechen, 648464 Rumänen, 1036 Franzosen, also von der griech.-lat. Völkergruppe zusammen
726632; 997643 Deutsche
[* 55] (davon 8876 in Kaukasien, 5296 in Sibirien und Centralasien; über die deutschen Kolonien s. Deutsche Sprache,
Bd. 5, S. 86 a), 273021 Schweden (davon in Finland allein 264093), 188 Engländer, also aus der german.
Gruppe zusammen 1270852; 585072 Armenier (davon in Kaukasien allein 550872), 23232 Kurden, 75909 Osseten, 656400 Tadschik,
Perser, Hindu u. a., 111654 Zigeuner, also aus der iran.
Gruppe zusammen 1452267; 1736554 Georgier, Mingrelier, Lesgier und andere kaukas. Bergvölker; 2580912 Juden (davon in Kaukasien
16622, in Sibirien und Centralasien 12145), 10250 Araber (in Centralasien), also vom semit. Stamm zusammen
2591162; 302277 Karelier, 1710274 Finno-Karelier, 48028 Tschuden, 746522 Esthen, 2541 Liven, 7497 Lappen (Summa der sog. baltischen
Finnen 2807139), 791954 Mordwinen, 259745 Tscheremissen, 240490 Wotjaken, 67315 Permier, 85432 Syrjanen, 2300 Ostjaken, 9897 Wogulen, 12031 Samojeden,
also der Völker der ugrisch-finn. Gruppe zusammen 4276303; 2148391 Tataren, 755868 Baschkiren, 1443 Bessermjanen, 136463
Meschtscherjaken, 126023 Teptjaren, 569894 Tschuwaschen, 2455828 Kirgisen, 104162 Karakalpaken, 159500 Kuramen, 324100 Kara-Kirgisen
oder Buruten, 71968 Kumüken, 95041 Nogaier, 379207 Turkmenen, 5500 Dunganen, 594200 Usbeken, 8510 Bucharen, 39000 Tarantscha, 80000 Jakuten, 135000
Sojoten, also aller Völker der türk. (turanischen) Gruppe zusammen 8190098;
407285 Kalmücken (davon
im Europäischen Rußland 107531), 208000 Burjaten, also der Völker der mongol. Gruppe zusammen 615285;
tungusischen Gruppe zusammen 68900; 7000 Tschuktschen und Namollo, 4500 Korjaken, 2000 Kamtschadalen, 3000 Ainus, 6000 Giljaken, 1000 Jukagiren, 1000 Jenissei-Ostjaken,
also der Hyperboräer oder Arktiker zusammen 24500; endlich 17100 Chinesen, 3000 Japaner, 3500 Koreaner. Im Verhältnis zur
Gesamtbevölkerung (nach der Ziffer bei Rittich) kommen auf die Russen 66,67 (im Europäischen Rußland 73,01,
Großrussen allein 48,12) Proz., Polen 5,67 (im Europäischen Rußland 6,67) Proz., Deutschen 1,18 (im Europäischen Rußland 1,38) Proz.,
Juden 3,06 (im Europäischen Rußland 3,59) Proz., litauischen Völker 2,94 (im Europäischen Rußland 3,47) Proz., iranischen Völker 1,71
(im Europäischen Rußland 0,22, in Kaukasien 15,24) Proz., kaukas. Bergvölker 2,06 (in Kaukasien 37,05) Proz.,
baltischen Finnen 3,33 (im Europäischen Rußland 3,93) Proz., ugrisch-finn.
Völker überhaupt 5,07 (im Europäischen Rußland 5,93) Proz., türk.
(turanischen) Völker 9,70 (im Europäischen Rußland 4,15, im Kaukasus 22,17, in Sibirien und Centralasien 50,75) Proz., mongol. Völker
0,73 (im Europäischen Rußland 0,15, Kaukasien 0,83, in Sibirien und Centralasien 5,68) Proz.
Der Religion nach sind griechisch-orthodox 90 Mill., Raskolniken (s. d.) 10 Mill.
(offiziell mit 2½ Mill. angegeben, aber sogar auf 15 Mill. geschätzt), römisch-katholisch (in Polen und den südwestl.
Gouvernements) 8½ Mill., evangelisch, besonders lutherisch (in Finland, den Ostseeprovinzen, deutschen Kolonien) 5 Mill.,
armenisch-katholisch und armenisch-gregorianisch 4 Mill.;
ferner an Nichtchristen: 6 Mill. Mohammedaner, 4 Mill. Israeliten und Karäer und 2½ Mill. Buddhisten
(Lamaiten) und Heiden.
Landwirtschaft. Der Ackerbau ist die Hauptquelle des russ. Nationalreichtums. Die ländliche Bevölkerung bildet den Kern der
russ. Nation. Früher unterschied man im ganzen drei Hauptabteilungen der Bauern:
1) freie Bauern, zu denen die Bauern-Eigentümer, die Kolonisten und die Bauern-Pächter gehörten;
3) die Leibeigenen, und zwar die Bauern der kaiserl. Familie (Apanagebauern) und die gutsherrlichen. Durch das kaiserl.
Manifest vom 3. März wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. Die Bauern wurden frei und erhielten
von den Adligen Grundstücke zur Sicherstellung ihrer Existenz gegen eine Geldablösung, die in der Weise stattfand, daß
der Betrag der Frondienste zu 6 Proz. kapitalisiert wurde. Für 80 Proz.
dieser Summe erhielten die Herren durch die Regierung 5 Proz. Zins tragende Papiere, welche damals 20 Proz.
unter pari standen. Eine höhere Zahlung erhielt der Gutsherr nur dann, wenn die Bauern freiwillig auf die Ablösung eingingen.
Die Bauern ihrerseits haben der Regierung für deren Vorschuß 49 Jahre lang jährlich 6 Proz. dieser vorgeschossenen Beträge
zu entrichten, womit Verzinsung und Amortisation gedeckt wird. Genauere Angaben über die Landwirtschaft
giebt es nur für das Europäische Rußland. Die Menge des Grundbesitzes beträgt hier 418816935 Dessätinen (= 1,0925 ha), wovon 406896927
auf das eigentliche Rußland, 11087201 auf Polen, 832807 auf Finland kommen. Im eigentlichen Rußland (außer dem Donischen Gebiet, wo
alles Land dem donischen Kosaken Wojßko gehört) sind 112,568 Mill. Dessätinen Ackerland, 160,122 Wald,
66,882 Wiesen und Weiden und 88,502 Mill. Unland.
Dem Staat und der kaiserl. Familie gehören 158,547 Mill. Dessätinen, den Bauern 135,904, Privatleuten 98,959, Kirchen, Klöstern,
Städten
und andern Instituten 8,8 Mill. Dessätinen. Dabei ist die Verteilung so, daß mehr als die Hälfte
der Ländereien im Norden und Nordosten dem Staate, in den mittlern und südl. Gouvernements den Bauern und in den westl. und
südwestl. Gouvernements sowie in den Ostseeprovinzen persönlichen Eigentümern gehört. Der Preis der DessätineGrund und
Boden beträgt 25-150 Rubel. 1892 waren in 66 Gouvernements und Gebieten mit 113 Mill. Dessätinen im Privatbesitz 97573 Güter
bei Kreditinstituten verpfändet mit mehr als 45 Mill. DessätinenLandes oder 40 Proz. des gesamten privaten Grundbesitzes.
Der Ackerbau ist am meisten vertreten im Gebiet der schwarzen Erde und in den dichter bevölkerten Gegenden, am wenigsten
im äußersten Norden. Die Hauptbetriebsart ist die Dreifelderwirtschaft mit Körnerbau; doch kommt auch
Vielfelderwirtschaft, Brache u. a. vor. Mit Getreidepflanzen werden alljährlich besät (in zehnjährigem Durchschnitt) 64663961
Dessätinen, davon 23929445 (37 Proz.) mit Roggen, 12922127 (19,9 Proz.)
mit Hafer, 10721115 (16,6 Proz.) mit Weizen, 4612754 (7,1 Proz.) mit
Gerste.
Im J. 1893 betrug die Gesamternte aller Brotfrüchte 403189100 Tschetwert, davon kamen auf Roggen 32,4,
auf Hafer 28,7, auf Gerste 12,9, auf Sommerweizen 12, auf Winterweizen 4,3, auf Hirse 3,5, auf Buchweizen 2,3, auf Mais 1,6,
auf Erbsen 1,2, auf Dinkel 0,5 Proz. Mit Kartoffeln waren (1893) 2828847 Dessätinen bebaut, die eine Ernte von 132225900 Tschetwert
ergaben. Die Ausfuhr an Getreide
[* 60] betrug: