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Reef, soviel wie Reff (s. d.). ^[= s. Reff.]
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Reef, soviel wie Reff (s. d.). ^[= s. Reff.]
s. Reff.
(frz.), in der Wirklichkeit existierend, wirklich vorhanden: redlich, vertrauenswert (s. Real).
die großen, oft mit Dampf [* 2] getriebenen Werkstätten, wo die Schiffstaue verfertigt werden.
Der Name stammt von dem niederdeutschen Reep (engl. rope), d. i. Tau.
1) Kreis [* 3] im preuß. Reg.-Bez. Düsseldorf, [* 4] hat 523,82 qkm und (1890) 65807 (33949 männl., 31858 weibl.) E., 4 Städte und 40 Landgemeinden; Sitz des Landratsamtes ist Wesel. [* 5] –
2) Stadt im Kreis Rees, rechts am Rhein, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Duisburg), [* 6] ist Dampferstation und hat (1890) 3841 E., darunter 288 Evangelische und 61 Israeliten, Post zweiter Klasse, Telegraph, [* 7] kath. und evang. Kirche; Gerberei, Tabak-, Papier-, Schokolade- und Cichorienfabrikation, Ziegeleien, Feldbau und Schiffahrt. Bei dem Dorfe Meer oder Mehr, südöstlich von Rees, siegten die Alliierten unter Imhof über die Franzosen unter Chevert.
Stadt im Kreis Arnswalde des preuß. Reg.-Bez. Frankfurt, [* 8] nahe der pommerschen Grenze, links an der Ihna, an der Linie Kallies-Stargard in Pommern [* 9] (1894 im Bau) der Preuß.
Staatsbahnen, [* 10] Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Landsberg), [* 11] hat (1890) 3166 meist evang. E., Post, Telegraph;
mechan. Weberei, [* 12] Färberei, Gerberei, Mühlen, [* 13] Spiritus-, Getreide-, Woll- und Viehhandel.
Neuaufgabe und Weiterbeförderung eines auf einer Eisenbahnstation angekommenen Gutes nach einem weiter belegenen Orte. In der Regel erfolgt die Weiterbeförderung desselben Gutes ohne Veränderung, und unter dieser Voraussetzung wird die Reexpedition (gewöhnlich mit der Maßgabe, daß alsdann für den gesamten Transportweg ein direkter Tarif von der ursprünglichen Aufgabestation bis zur endgültigen Bestimmungsstation zur Anwendung gelangt) zu Gunsten größerer Zwischenhandelsplätze im Fall der Lagerung des Gutes in öffentlichen Lagerhäusern gewährt (Reexpeditionstarif).
Vielfach wird auch von einem strengen Identitätsnachweis der reexpedierten Güter abgesehen und nur die Weiterbeförderung einer gleichen Menge derselben Güter verlangt; oft ist aber auch die Vornahme von Veränderungen nachgelassen, z.B. die Verwandlung der Rohstoffe in Halb- oder Ganzfabrikate (Getreide [* 14] in Mehl). [* 15] Die Reexpeditionstarife gelten unter Umständen auch für die Weiterbeforderung der Güter auf andern Verkehrswegen, z.B. auf Wasserwegen, und heißen dann Umschlagtarife. (S. auch Eisenbahntarife, Bd. 5, S.889a.)
(holl.; frz. réfaction), im Eisenbahnfrachtwesen die Vergütung, welche bei verhältnismäßig starker Benutzung des Transportdienstes einer Bahn von seiten eines und desselben Befrachters diesem für jedes in Betracht kommende Jahr von der Bahnverwaltung gewährt wird. Für jeden Frachtposten ist zunächst der volle Tarifpreis zu entrichten; nach dem Jahresschluß wird aber der Gesamtbetrag nach den ermäßigten Sätzen berechnet und dem Befrachter der gezahlte Mehrbetrag als Refaktie zurückerstattet.
In der Regel ist die Gewährung einer Refaktie nur bei solchen Bahnen üblich, welchen durch andere Bahnen oder durch eine Wasserstraße Konkurrenz gemacht wird, und es ist dabei gewöhnlich die Einlieferung einer gewissen Mindestmenge von Gütern zum Transport im Laufe des betreffenden Jahres Voraussetzung. Sofern eine Refaktie im Tarif veröffentlicht und allgemein verbindlich ist, läßt sich wenig gegen dieselbe sagen: sie ist eben der so vielfach anderweit vorkommende Vorteil des ohnehin durch größeren Geschäftsumfang bevorzugten Großkaufmanns. In besondern Fällen darf auch wohl der Einzelne durch nicht öffentlich bekannte und nicht allgemein verbindliche Refaktie begünstigt werden;
im allgemeinen aber sind heimliche Refaktie verwerflich;
in Preußen [* 16] sind sie ausdrücklich verboten (s. Eisenbahntarife, Bd. 5, S. 889b).
– Als Abzug im Warenhandel bedeutet Refaktie soviel wie Fusti (s. d.).
(lat.), Wiederherstellung, Labung;
in Klöstern besonders die Mahlzeit nach vierundzwanzigstündigem Fasten.
(lat.), der gemeinschaftliche Speisesaal in den Klöstern. (S. Kloster, Bd. 10, S. 427d.)
(neulat.), Bericht (s. d.). ^[= und Berichterstatter. Im Handel bedeutet Bericht jede geschäftliche Mitteilung (s. Avis), im ...]
(neulat.), eigentlich derjenige, welcher einem andern Vorträge zum Behuf der Entscheidung zu halten (zu referieren) hat. In der neuern Gerichtssprache bezeichnet man damit Angestellte im Justiz- oder auch Verwaltungsfache, welche zwar nicht Mitglieder eines Kollegiums sind, aber verschiedene Funktionen solcher, zugleich als Vorbereitungsdienst für den Eintritt in das Kollegium, haben. Die Stellung ist nach Maßgabe der verschiedenen Gerichtsverfassungen verschieden.
Nach §. 2 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes vom muß der ersten jurist. Prüfung ein mindestens dreijähriges Studium der Rechtswissenschaft auf einer Universität (und zwar mindestens drei Halbjahre auf einer deutschen Universität) vorangehen und ein mindestens dreijähriger (in Preußen vierjähriger) Vorbereitungsdienst bei Gerichten, Rechtsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft folgen, ehe die zweite, die Fähigkeit zum Richteramt gewährende Prüfung abgelegt werden darf. In Preußen, Sachsen [* 17] und andern deutschen Staaten werden die Juristen im Vorbereitungsdienst Referendar genannt; in Baden [* 18] heißen sie Rechtspraktikanten, Referendäre dagegen die Gerichtsassessoren.
Wenn auch nicht mehr wie früher durch eine Zwischenprüfung ein Abschnitt im Vorbereitungsdienst gemacht wird (s. Auskultator), so haben doch die Referendar nach zweijähriger Beschäftigung gewisse besondere Rechte; so kann ihnen nach §. 25 der Deutschen Rechtsanwaltsordnung die volle Stellvertretung eines Rechtsanwalts, nach §. 139 der Strafprozeßordnung von einem als Verteidiger gewählten Rechtsanwalt mit Zustimmung des Angeklagten dessen Verteidigung übertragen werden.
Auch sind ihnen durch die Landesgesetzgebung vielfach einzelne richterliche Geschäfte übertragen. Der Regel nach haben sie weder Stimmrecht noch Besoldung; doch wird letztere, z.B. in Sachsen, ältern Referendar gewährt. In Preußen ist auf auch nur vorübergehende entgeltliche Beschäftigung der (1894: 3452) Referendar um so weniger Aussicht, als kaum ein Viertel der (1894:1693) Gerichtsassessoren (s. d.) entgeltlich beschäftigt wird. – Geheime Referendäre heißen in manchen Staaten hohe Ministerialbeamte, etwa gleich Staatssekretär.
(lat.), in der Schweiz [* 19] das verfassungsmäßige Recht des Volks, über die von den gesetzgebenden Versammlungen (für die gesamte Eidgenossenschaft: National- und Ständerat) entworfenen oder erlassenen Gesetze u.s.w. durch Abstimmung zu entscheiden.
Während in Graubünden und den sog. Landsgemeinde-Kantonen, in welchen ¶
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jedes Gesetz an offener Landsgemeinde durch Stim- menmehrheit angenommen oder verworfen wird, dieses Volksrecht althergebracht ist, hat es in den übrigen Kantonen erst feit 1803, im Bunde durch die Bundesverfassung von 1874 Eingang gefunden. Das eidgenössische Reflexbewegungen ist fakultativ, d. h. Gesetze und allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse wer- den nur dann dem Volk vorgelegt, wenn dies von 30000 Stimmberechtigten oder von 8 Kan- tonen verlangt wird. In den Kantonen heißt das Reflexbewegungen obligatorisch, wenn alle Gesetze und alle Ausgaben, welche eine bestimmte, in den einzelnen Kantonen verschiedene Summe übersteigen, der Volksabstimmung unterbreitet werden müssen: so in Zürich, [* 21] Bern, [* 22] Schwyz, Solothurn, [* 23] Basel-Land, Graubünden, Aargau, Tburgau und in den Lands- gemeinde-Kantonen Uri, Ob- und Nidwalden, Gla- rus und Appenzell [* 24] beider Rhoden.
Fakultativ heißt es, wenn, wie in eidgenössischen Dingen, Ge- setze und Beschlüsse ohne weiteres in Kraft [* 25] treten, sofern nicht binnen einer gewissen Zeit von einer be- stimmten Zahl von Stimmberechtigten (Veto) oder von Mitgliedern der gesetzgebenden Behörden die > Volksabstimmung verlangt wird: so in Luzern, [* 26] Zug, Basel-Stadt, Schasshaufen, St. Gallen, Tessin, Waadt, Neuenburg [* 27] und Genf. [* 28] Wallis hat nur ein partielles, auf Finanzfragen beschränktes Reflexbewegungen Nein repräsentativ-demokratisch ist einzig noch der Kanton Freiburg. [* 29] In Zürich, Zug, Solothurn, Vasel- Waadt und Neuenburg und ebenso in den Lands- gemeinde-Kantonen ist mit dem Reflexbewegungen die Initiative verbunden, d. h. das Volk hat nicht nur das Recht, über Gesetzesvorlagen zu entscheiden, sondern es darf auch eine gesetzlich bestimmte Zahl Stimm- berechtigter von sich aus Gesetzprojekte aufstellen, den Behörden zur Vorberatung und der Gesamtzahl der Stimmberechtigten zur Entscheidung zuweisen. (S. auch Plebiscit.) Referent (lat.), Berichterstatter (s. Bericht).
Referenz (lat.), Verweisung auf einen Auskunft- geber, Berufung, Bezugnahme auf jemand behufs Empfehlung. Referenzbücher, f. Auskunftsstellen. Referieren (lat.), sich auf etwas beziehen, be- richten. So spricht man im öffentlichen Dienst zu- nächst von Berichten (Relationen), welche Ge- richte oder Verwaltungsbehörden oder einzelne Beamte, seien es höhere oder Nnterbeamte, ihren Vorgesetzten oder den Kollegien über die Ausfüh- rung erteilter Aufträge erstatten. Im eigentlich jurist.-technischen Sinne versteht man aber unter Reflexbewegungen das Vortragen und Begutachten des Inhalts von Akten. (S.Bericht.) Die Neferierkunst bildete im schriftlichen Verfahren einen wichtigen Teil der yicaMschen Jurisprudenz.
Bei Verhandlungen, an denen Bevollmächtigte oder einzelne Mitglieder einer Interessengemeinschaft teilnehmen, spricht man davon, daß dieselben Vorschläge von anderer Seite bloß zum Reflexbewegungen (^ä i-elsreuäuni) nehmen, wenn sie erst die Ansicht des Machtgebers oder der Gemeinschaft einholen wollen und deshalb die Vertagung der Verhandlung beantragen. Reff, eine Vorrichtung, um die Segel der Stärke [* 30] des Windes gemäß zu verkleinern. Sie besteht darin, daß in gewissen Höhen quer durch das Segel eine Menge dünner Leinen gezogen ist, die es in Abteilungen teilen.
Bei zunehmendem Winde [* 31] ver- kleinert man das Segel bis zur ersten, zweiten oder dritten Abteilung, d. h. dem ersten, zweiten oder dritten Reflexbewegungen. Die Arbeit selbst heißt reffen, reefen (d. h. raffen, aufraffen) oder ein Reflexbewegungen einstecken, wäh- rend man bei abnehmendem Wind das Reflexbewegungen aussteckt. Um das Reffen zu erleichtern, sind in neuerer Zeit Cunninghamsche und Dyersche Patentresse auf Han- delsschiffen eingeführt worden, die es ermöglichen, vom Deck aus einen beliebigen Teil des obern Mars- fegels um die dazu eingerichtete Nahe (s. d.) zu rollen und es dadurch zu verkleinern, ohne Mannschaft hinaufzufchicken; doch bewähren sich diese Einrich- tungen nicht bei allen Schiffen.
Rahefegel werden nach der Rahe zu gerefft, Gaffelsegel nach dem Baume zu. Reffeln, s. Flachsspinnerei (Bd. 6, S. 858 d). Refftalje, eine Talje (s. Takel), die zum Reffen der Segel gebraucht wird. Reffyekanonen, Reffyegeschütze, lÜHnong ä6 ^6^6, die von dem franz. General de Reffye (fpr. -fih; geb. zu Strahburg, gest. zu Versailles) [* 32] während des Deutsch- Französischen Krieges von 1870 und 1871 und nach- her bis 1875 hergestellten Hinterlader-Feldkanonen (s. Geschütz, Bd. 7, S. 917 a). Außer diesen Feld- kanonen konstruierte Nessye auch eine 13,8 cm-Be- lagerungskanone; alle diese Kanonen haben einen Schraubenverschluß und verwenden in Kuchen ge- preßtes Pulver.
Auch die Mitrailleuse (^non ä. d^iisä (f. Kartätschgeschütze) zählt zu den Reflexbewegungen Reflektant (lat.), jemand, der auf etwas (z. B. eine Anstellung) seil: Augenmerk richtet. Reflektieren (lat.), zurückstrahlen, Lichtstrahlen zurückwerfen; auf etwas fein Augenmerk richten, in den Besitz von etwas zu kommen suchen; überlegen, nachdenken (s. Reflexion). [* 33] Reftöktor (lat.), eine an Lampen, [* 34] insbesondere auch an elektrischen Lampen angebrachte Vorrich- tung, um die Lichtstrahlen zurückzuwerfen, gewöhn- lich ein spiegelndes Rotacionsparaboloid aus ver- silbertem Kupfer, [* 35] in dessen Brennpunkt die Licht- quelle steht, deren Strahlen also durch Reflexion achsenparallel abgehen. In besonders großer Aus- führung wird der Reflexbewegungen als Scheinwerfer (s. d.) ver- wendet. Für dunkel gelegene Räume hat man Tageslichtreflektoren, bestehend aus einer spiegelnden, meist gewellten Glas- oder Metalltafel, welche vor dem Haus fo angebracht ist, daß das Licht [* 36] des hellen Himmels in den Raum hineinreflektiert wird. - Der von Horner erfundene Reflexbewegungen ist ein für flüchtige Terrainaufnahmen brauchbares und prak- tisches kleines Spiegelinstrument zum geometr. und auch graphischen Bestimmen vonWinkeln. - Reflexbewegungen heißt auch eine Art der Fernrohre (s. d., Bd. 0, S. 684d).
Reflöx (lat.), Widerschein, das Zurückstrahlen des Lichtes von einem Gegenstand und dadurch bewirkte Beleuchtung; [* 37] in der Physiologie, s. Reflexerschei- nungen. Reflexbewegungen, in der Physiologie solche Bewegungen, die durch die Erregung von Em- pfindungsnerven ohne Zuthun des Willens, unter Umständen selbst ohne Bewußtsein von dem Vor- gange, hervorgebracht werden. Sie entstehen so, daß auf die Reizung eines Empfindungsnerven durch Vermittelung gewisser Stellen des nervösen Centralorgans (Gehirn, [* 38] Rückenmark), die man des- halb Reflexcentren nennt, ein Bewegungsnerv in Thätigkeit gesetzt und eine bestimmte Bewegung ausgeführt wird. Bekannte Beispiele dieser Art sind das Niesen nach dem Kitzeln der Nase, [* 39] das Husten nach Reizung der Kehlkopfschlcimhaut, das ¶
spiel bei Gemütseindrücken. Es verengt sich die Pupille, wenn Licht in das Auge [* 41] fällt, und erweitert sich bei Beschattung des Auges;
ein Hautreiz übt einen beschleunigenden oder hemmenden Einfluß auf die Herzthätigkeit aus u. s. w. Auch Drüsenabsonderungen werden auf reflektorischem Wege ausgelöst, wie das Thränen des Auges bei äußern Reizungen, die Speichelsekretion bei Reizungen der Mundschleimhaut beweist (reflektorische Absonderungen).
Alle Referéndum besitzen das Eigentümliche, daß sie auch nach der Aufhebung des Bewußtseins zu stande kommen (im Schlafe, in der Hypnose und Chloroformnarkose).
Die Intensität der Reflexbewegung hängt teils von der Intensität des einwirkenden Reizes, teils von der Reflexerregbarkeit ab, d. h. von dem Grade der Reizungsfähigkeit der einzelnen Reflexcentren, die nach Alter, Temperament, individuellen Eigenschaften und nach dem Einfluß einer Reihe specifisch wirkender Substanzen verschieden ist.
Die Reflexthätigkeit ist nicht bloß erregend, sondern sie kann auch lähmend sein, d. h. der durch Reflex erregte Bewegungsnerv bringt durch seine Thätigkeit einen unter gewöhnlichen Verhältnissen bestehenden Zustand mehr oder minder zum Verschwinden (sog. Reflexhemmung).
Dahin gehört die Lähmung des Herzens und der Atembewegung durch äußere oder psychische Reize, das Erblassen des Angesichts bei heftigem Schmerz u. dgl. Unter krankhaften Einflüssen kann die Reflexthätigkeit geschwächt oder gesteigert sein. So entstehen bei gewissen Rückenmarkskrankheiten, bei der Vergiftung mit Strychnin auf die leichteste Berührung die heftigsten Krämpfe, während unter andern Zuständen auch ein starker Reiz keine Bewegung hervorruft.
Mitunter werden durch einen Reflex Bewegungen komplizierter Art ausgelöst, denen der Charakter der Zweckmäßigkeit, ja des willkürlich Beabsichtigten zukommt (geordnete Reflexe);
bisweilen werden durch ihn sogar anhaltende Krämpfe ausgelöst (Reflexkrampf).
Bis zu einem gewissen Grad lassen sich manche Referéndum (Husten, Niesen u. a.) durch den Willen unterdrücken.
in der Physiologie alle diejenigen Erscheinungen, die innerhalb des lebenden Körpers ohne Zuthun des Willens und des Bewußtseins durch einen Reflex, d. h. durch die Übertragung der Erregung eines Empfindungsnerven auf einen Bewegungs- oder Drüsennerven entstehen.
Man unterscheidet reflektorische Absonderungen und reflektorische Muskelerregungen. (S. Reflexbewegungen.)
[* 33] (lat.), Überlegung, oder die der bestimmten Entscheidung vorhergehende Erwägung des Für und Wider; allgemeiner: die Betrachtung eines Objekts aus mancherlei Gesichtspunkten. Oft liegt in dem Worte aber der Nebensinn des Achtens auf sich selbst und sein eigenes Thun, des wachen Selbstbewußtseins, im Unterschied von einem unreflektierten, d. h. naiven Verhalten.
In der Physik bezeichnet Reflexion («Zurückbeugung») die Zurückwerfung der Wellenbewegung [* 42] des Wassers, des Schalls, des Lichts und der strahlenden Wärme [* 43] von einer dazu geeigneten Fläche.
Die Lichtstrahlen werden an spiegelnden Flächen (s. Spiegel) [* 44] reflektiert (s. nachstehende Abbildung). Bildet der auf den Punkt n (den Einfallspunkt) einer solchen Fläche ss' fallende Strahl fn mit dem auf den Spiegel gefällten Lot pn (Einfallslot) den Winkel [* 45] i (Einfalls- oder Incidenzwinkel), so wird derselbe unter dem gleichen Winkel r (Reflexionswinkel) gegen das Lot reflektiert. Hierbei bleibt der reflektierte Strahl nd dem einfallenden und dem Lot in derselben Ebene, der Einfalls- oder Reflexionsebene. Diese Gesetze gelten auch für die Wärmestrahlen. - Über totale Reflexion s. Brechung. [* 46]
Da die Licht- und Wärmestrahlen der Sonne [* 47] nur geradlinig gehen, würde nur an den direkt getroffenen Stellen Helligkeit und Erwärmung bemerkbar sein können, während es dicht daneben an abgeblendeten Orten kalt und finster sein müßte. Hier kommt aber zu Hilfe die Spiegelung [* 48] und Ausstrahlung des Lichts von den direkt getroffenen Gegenständen. Eine Wand, ein Dach [* 49] können einen finstern Raum erleuchten, indem sie, hell von der Sonne beleuchtet, Strahlen nach diesem Raum aussenden.
Wesentlich wirken in dieser Beziehung auch alle in der Luft suspendierte Körperchen, als feine Wassertröpfchen, Eisnädelchen und Staub. Alle diese Körper verbreiten das Licht, ihren verschiedenen Lagen und Stellungen entsprechend, nach allen möglichen Richtungen hin. Sie bilden ein System einer sehr großen Zahl kleiner Spiegelchen, welche das bewirken, was wir als allgemeine Tageshelligkeit oder diffuses Licht bezeichnen. Die Stärke des diffusen Lichts wächst mit der Größe der Beimengungen der Luft, also mit deren Unreinheit, welche die direkte Strahlung vermindert. Staub und Wassertröpfchen wirken also ausgleichend auf die Verteilung der Wärme. Die Intensität der von diesen Körperchen reflektierten diffusen Strahlen ist nicht gering zu veranschlagen, sie wird zu ein Viertel des direkten Sonnenlichts angegeben.
[* 33] ^[Abbildung]
s. Goniometer. ^[= Instrumente zur Bestimmung der Neigungswinkel (Kantenwinkel) zweier Krystallflächen. Man unterschei ...]
Bezeichnung für den Prismenkreis (s. d.) und für den Spiegelkreis (s. d.).
(lat.), zurückwirkend, rückbezüglich.
s. Pronomen. ^[= (lat.) oder Fürwort, der grammatische Name für eine Wortklasse, die ursprünglich sehr verschieden ...]
krampfartige unwillkürliche Bewegungen (Zuckungen oder Starrkrämpfe), die auf Reizung sensibler Nerven [* 50] eintreten (s. Krampf und Reflexbewegungen).
s. Lähmung. ^[= (Akinesis, Paralysis), in der Medizin derjenige Zustand, bei dem die Muskelthätigkeit durch ...]
(neulat.), planmäßige Umgestaltung bestehender Einrichtungen mit Abstellung der sich zeigenden Übelstände.
Reformer (engl. reformers), im allgemeinen Bezeichnung für alle die, welche auf dem Wege der Refórm bestimmte Gebiete der Gesetzgebung fortzubilden suchen (wie in Deutschland [* 51] die Steuer- und Wirtschaftsreformer, s. Agrarier; in England die Reformer auf dem Gebiete der Wahlgesetzgebung).
(lat.), Zweig der Franziskaner (s. d.). ^[= die Mitglieder des von dem heil. Franz von Assisi gestifteten Bettelmönchsordens. Sie heißen ...]
in pejus (lat.), Änderung zum Nachteil, s. Rechtskraft.
(lat., d. h. Umgestaltung, Verbesserung), die gegen das Papsttum und die mittelalterliche Kirche gerichtete große Bewegung des 16. Jahrh., die von Deutschland ausging und, nachdem sie anfangs den größten Teil von Europa [* 52] ergriffen hatte, wenigstens im german. Norden [* 53] eine wesentliche Neugestaltung des Kirchenwesens herbeiführte. Der Widerstand gegen die äußere Macht der päpstl. Hierarchie reicht tief ins ¶
Mittelalter zurück. Die unbeschränkte Gewalt, welche die Päpste als «Statthalter Gottes auf Erden» über alle christl. Fürsten und Völker beanspruchten; die Politik, mit der sie alle polit. Händel im Interesse ihrer Machterweiterung ausbeuteten;
die ausschließliche Jurisdiktion, die sie sich über alle Personen und Güter der Geistlichkeit in allen Ländern beilegten;
die endlosen Abgaben, die sie in allen Ländern erhoben und immerfort mehrten;
der Übermut der Geistlichen und Mönche dem Laienstande gegenüber, die geringe Bildung des geistlichen Standes und die Verweltlichung seiner Lebensweise: diese Gebrechen waren in verschiedenen Perioden der frühern Geschichte Gegenstand des Angriffs gewesen.
Seit der Wegführung der Päpste nach Avignon und dem großen Schisma der Kirche (s. Papst, Bd. 12, S. 874 a) hatte sich der Verfall mit außerordentlicher Raschheit ausgebreitet und drohte alle kirchliche Ordnung und Sitte aufzulösen. Diese Mißstände riefen zu Anfang des 15. Jahrh. die Konzilien zu Pisa, [* 55] Konstanz [* 56] und Basel [* 57] hervor, die sich außer der Abstellung des Schismas auch die Reform der Kirche «an Haupt und Gliedern» zur Aufgabe gesetzt hatten. Diese Reformversuche, aus dem Schoße des Klerus selbst hervorgegangen, sollten nur die Kirchenautorität vom Papst auf die Konzilien übertragen; sie gingen über die äußere Verfassung und Disciplin nicht hinaus und berührten weder das kirchliche Dogma noch das Princip der ganzen Kirchenautorität. Es gelang den Päpsten, auch die schon notgedrungen zugesagten Reformen größtenteils wieder zu vereiteln.
Indessen bereitete sich eine allgemeine Umgestaltung des ganzen mittelalterlichen Lebens vor. An die Stelle des alten Lehnswesens trat die Erstarkung des Landesfürstentums, dessen polit. Interessen oft mit den päpstl. Ansprüchen in Widerstreit kamen; der Verfall des Rittertums, das Emporkommen der Zünfte in den Städten und die dumpfe Gärung im Bauernstande bedrohten die Grundlagen der bisherigen socialen Ordnung. Zugleich erschütterte die Ausbreitung der Wissenschaften durch die nicht lange vorher erfundene Buchdruckerkunst das mönchische und kirchliche Monopol mittelalterlicher Bildung.
In diese Gärung fiel der Streit über den Ablaß, den der Augustinermönch Martin Luther (s. d.) begann. Der prachtliebende Papst Leo X. hatte 1514-16 in den nordischen Reichen Ablaß verkündigen lassen, dessen Ertrag zu einem Kriege gegen die Türken und zur Erbauung der Peterskirche in Rom [* 58] bestimmt sein sollte. Dieser Ablaß wurde 1517 im Erzbistum Magdeburg [* 59] durch den Dominikanermönch Johann Tezel (s. d.) ausgeboten, der mit den Ablaßzetteln einen förmlichen Handel trieb. Da geschah es, daß einige Bürger zu Wittenberg, [* 60] als sie bei Luther zur Beichte kamen, die von Luther ihnen auferlegte Buße nicht leisten wollten, indem sie von Tezel erkaufte Ablaßzettel vorzeigten.
Dies war der nächste Anlaß zu den berühmten 95 Streitsätzen (Thesen) über Buße und Ablaß, die Luther an die Thür der Schloßkirche zu Wittenberg anschlagen ließ mit dem Erbieten, dieselben gegen jedermann in öffentlicher Disputation zu verteidigen. Die Streitsätze waren gegen Tezel gerichtet, und Luther behauptete darin, daß der Papst nicht die Strafen der Sünden im Jenseits (Fegefeuer), sondern nur die nach den Kirchengesetzen für Sünden auferlegten Büßungen (die kanonischen Strafen) erlassen könne; daß aber die Vergebung der Sünde bei Gott und der Erlaß der jenseitigen Pein von dem Bußfertigen nicht durch Bußwerke, sondern durch den Glauben an die durch Christi Tod geleistete Genugthuung erlangt werde.
Dabei warf Luther am Schlusse die Frage auf, warum doch der Papst, wenn er die Macht habe, von der Pein des Fegefeuers zu befreien, diese Wohlthat nicht allen Gläubigen und umsonst zu teil werden lasse, wie dieses die Pflicht der christl. Liebe unstreitig von ihm fordere. Mit diesem Angriff wurde nicht nur die geltende Praxis des röm. Kirchentums angetastet, sondern auch von Luther, der sich an der Heiligen Schrift und an Augustins strenger Lehre [* 61] gebildet hatte, der tiefe Gegensatz angedeutet, in dem sich eine ernste Frömmigkeit zu dem ganzen veräußerlichten Kirchenwesen befinden mußte.
Die Art, wie Rom den kühnen Mönch zum Schweigen zu bringen suchte, schürte nur das Feuer. Der Federkrieg, den Tezel, Eck und Sylvester de Prierias gegen Luther führten, bestärkte diesen nur in seinem Gegensatze gegen das kirchliche Satzungswesen, und ebenso erfolglos war die hochfahrende Art, mit der Kardinal Cajetanus (1518) Luther zur Ruhe zu bringen versuchte. Der durch den päpstl. Kammerherrn K. von Miltitz vermittelte Waffenstillstand ward bald durch die Kampfesungeduld der Gegner gebrochen. Die Disputation zu Leipzig [* 62] (Juni 1519) zwischen Luther, Eck und Karlstadt brachte den Gegensatz auf seinen schärfsten Ausdruck: Luther sah sich gedrängt, die Konsequenzen seiner Sätze zu ziehen, die unbedingte Autorität des Papstes und der Konzilien und damit das ganze Princip des röm. Katholicismus zu verwerfen. Als alleinige Autorität galt ihm fortan nur die Heilige Schrift. Hiermit hatte die Reformation ihr Losungswort erhalten.
Luther begann den Kampf gegen die röm. Kirchenautorität nunmehr mit aller Macht und Leidenschaft. Er schrieb 1520 die Schriften «An den christl. Adel deutscher Nation», «Von der babylon. Gefangenschaft der Kirche» und «Von der Freiheit eines Christenmenschen». In der ersten forderte er mit Übergehung der Fürsten den Kaiser und den deutschen Adel auf, selbst Hand [* 63] anzulegen an eine durchgreifende «Besserung des geistlichen Standes»; in der zweiten griff er die päpstl.
Gewalt selbst und die das Evangelium verdunkelnden Satzungen der Kirche mit den schärfsten Waffen [* 64] an. Er verkündigte an Stelle der hierarchischen Ordnung das allgemeine Priestertum aller Getauften und verwarf die Lehre von der Wandlung und dem Meßopfer, die Siebenzahl der Sakramente, die Verweigerung des Kelchs an die Laien im Abendmahl. Desgleichen bekämpfte er die sündentilgende Kraft des Fastens, der Ehelosigkeit, des Mönchslebens und der Klostergelübde, das priesterliche Meßopfer, die Seelenmessen, das Fegefeuer, die Letzte Ölung u. s. w. Vergebens bot Rom nun seine letzten Waffen gegen ihn auf.
Luther zur Seite stand die neue humanistische Bildung, durch Melanchthon, Hutten u. s. w. vertreten, und der wiedererwachte Unwille der deutschen Nation gegen die röm. Kirchenpolitik und Finanzkunst sowie gegen geistliche und weltliche Unterdrückung, wie er durch die Erhebung der Bauern (s. Bauernkrieg) zum Ausdruck kam. Die röm. Bannbulle vom wurde von Luther in Wittenberg öffentlich verbrannt. Kaiser Karl V., der ein gläubiger Anhänger der Kirche war und überdies aus polit. Motiven damals zu Rom hielt, beschied den Reformator auf den Reichstag nach Worms. [* 65] ¶
Am 17. und erschien Luther dort vor Kaiser und Reich. Er verweigerte standhaft den Widerruf und ließ die Reichsacht über sich ergehen. Die päpstl. Bulle verhallte in Deutschland ohne Wirkung. Gegen die Folgen der Reichsacht wurde Luther durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen von Sachsen auf der Wartburg geborgen. Bald jedoch eilte er nach Wittenberg, wo während seiner Abwesenheit unter Führung von Karlstadt und andern Schwärmern, die den Gottesdienst störten und die Bilder mit Gewalt aus den Kirchen beseitigen wollten (daher Bilderstürmer genannt), die wildeste Zügellosigkeit eingerissen war.
Luther suchte durch seine Predigten die Gemüter zu beruhigen und das Werk der Reform fortzusetzen. Schon 1523 gab er eine neue Ordnung des Gottesdienstes heraus, die an einigen Orten eingeführt, jedoch nicht beibehalten wurde. 1524 ließ er die für das Schulwesen so wichtig gewordene Schrift ergehen: «An die Ratsherren aller Städte Deutschlands, [* 67] daß sie christl. Schulen aufrichten und halten sollen». 1525 weihte er zum erstenmal einen Geistlichen, Rörer, womit er die Unabhängigkeit der Weihe der neuen Geistlichen von der Ordination durch die kath. Bischöfe begründete.
Ein zweiter wichtiger Schritt Luthers war, daß er, wie viele seiner Anhänger aus dem Klerus vor ihm, sich verheiratete. In demselben Jahre starb Kurfürst Friedrich von Sachsen. Ihm folgte sein Bruder Johann, der sich offen für die Reformation erklärte. Auf Luthers Aufforderung, sich des Kirchenregiments anzunehmen, ließ der Kurfürst Johann 1527-29 eine allgemeine Kirchenvisitation halten und das neue evang. Kirchenwesen unter landesherrlicher Hoheit (Summepiskopat) einrichten. In ähnlicher Art schritt die auch in Hessen, [* 68] Braunschweig-Lüneburg, Ansbach, [* 69] Anhalt [* 70] sowie in vielen Reichsstädten vor.
Eine heftige Protestation der evang. Stände auf dem Reichstage zu Speyer [* 71] gegen dessen Beschlüsse über die kirchlichen Reformen brachte den Anhängern der neuen Lehre den allgemeinen Namen Protestanten (s. Protestantismus) ein. Noch aber fehlte ihr ein öffentlicher Ausdruck ihrer Grundsätze, den alle Reichsstände, welche die Reformation angenommen hatten, anerkannt hätten. Sie bekam ihn 1530 durch die von Melanchthon verfaßte, von Luther gebilligte Augsburgische Konfession (s. d.), die von den prot.
Ständen als ihr und ihrer Geistlichen und Unterthanen Glaubensbekenntnis unterschrieben und dem Kaiser auf dem Reichstage in Augsburg [* 72] feierlich übergeben wurde. Die Konfession wurde später von allen Reichsständen, die sich der deutschen Reformation anschlossen, festgehalten, daher diese in den Reichsverhandlungen nun als Augsburgische Konfessionsverwandte bezeichnet wurden. Auch im Auslande, wo die Reformation Eingang fand, wurde vielfach, wie in Preußen, Kurland, [* 73] Livland, Finland, Schweden, [* 74] Norwegen und Dänemark, [* 75] die Augsburgische Konfession angenommen, während in der Schweiz (s. Reformierte Kirche), in Frankreich (s. Hugenotten) und in England (s. Anglikanische Kirche) die gegen das Papsttum gerichtete Bewegung eine mehr oder weniger von der deutschen Reformation unabhängige Entwicklung nahm.
Ein ferneres wichtiges Moment für die Reformation wurde Luthers Übersetzung der Bibel [* 76] in die deutsche Sprache. Sein Neues Testament erschien zuerst 1522, die vollständige deutsche Bibel 1534. Außerdem hat namentlich das von Luther in ganz neuer Weise gepflegte deutsche Kirchenlied die Ausbreitung der Reformation sehr gefördert. Die rechtliche Stellung der deutschen Reformation war lange Zeit eine unsichere. Gegenüber den Bedrohungen durch Karl V. und die kath. Stände traten die ihr anhängenden Reichsstände zu Schmalkalden [* 77] zu einem Defensivbündnis zusammen (s. Schmalkaldischer Bund).
Dieser Bund unterlag zwar, als der Kaiser 1546 und 1547 Gewalt gegen die Protestanten brauchte; allein der neue Kurfürst zu Sachsen, Moritz, besiegte den Kaiser später wieder, worauf auf dem Reichstage zu Augsburg der Religionsfriede (s. d.) zwischen dem Kaiser und den kath. Reichsständen und den der Augsburgischen Konfession verwandten Ständen zu stande kam. (S. auch Deutschland und Deutsches Reich, Bd. 5, S. 176 b fg.) Damit bekam die Reformation die rechtliche Anerkennung ihrer Existenz im Deutschen Reiche, und die Jurisdiktion der kath. Bischöfe und des Papstes über die Protestanten war aufgehoben. Freilich wurden von der kath. Kirche alsbald energische Maßregeln zur Unterdrückung des Protestantismus ergriffen. (S. Gegenreformation.)
Inzwischen hatte sich unter den Anhängern der Reformation selbst heftiger Zwiespalt erhoben. Luther und Zwingli (s. d.) waren schon frühzeitig über die Lehre vom Abendmahl zerfallen, und alle Versuche zur Ausgleichung blieben ohne Erfolg. Nach Luthers Tode entstand ein noch heftigerer Streit zwischen den schroffen Anhängern Luthers und der Schule Melanchthons, der in der Lehre vom Abendmahl (s. d.), vom freien Willen des Menschen und seiner Mitwirkung bei der Bekehrung die echte Lutherische Lehre verlassen zu haben beschuldigt wurde.
Diese Streitigkeiten zu schlichten, ließ Kurfürst August von Sachsen die sog. Konkordienformel (s. d.) aufsetzen, verbreitete sie 1580 nebst der ungeänderten Augsburgischen Konfession und deren Apologie, den Heiden Katechismen Luthers und den von Luther für den Konvent zu Schmalkalden 1537 aufgesetzten Artikeln als Symbolische Bücher (s. d.) und führte den Religionseid ein, der alle Geistliche eidlich verpflichtete, den Symbolischen Büchern gemäß zu lehren.
Das Beispiel Kursachsens fand bald in den meisten deutschen Ländern, die die Reformation eingeführt hatten, Nachahmung. Die innere Entwicklung des reformatorischen Princips wurde dadurch gehemmt und die Einheit seiner Bekenner gelähmt. Der Dreißigjährige Krieg drohte die ganze Gestaltung des religiösen Lebens der Gewalt der Waffen zu überantworten. Doch stellten die Bedingungen des Westfälischen Friedens (1648) die rechtliche Existenz des neuen Bekenntnisses fest. Inzwischen erwuchs aber aus dem reformatorischen Geiste eine neue Erweckung des geistigen Lebens in Deutschland. Die ganze Nationalkultur Deutschlands, wie sie sich im 18. Jahrh. ausgebildet hat, ist daraus hervorgegangen und ebenso auch die sittliche Erweckung, die bis ins Innerste des Volkslebens eingedrungen ist und auf die alte Kirche wesentlich zurückgewirkt hat.
Vgl. außer den ältern Hauptwerken von Sleidanus (s. d.) und Seckendorf (s. d.) Woltmann, Geschichte der Reformation in Deutschland (2. Aufl., 3 Bde., Altona [* 78] 1817);
Marheineke, Geschichte der deutschen Reformation (2. Aufl., 4 Bde., Berl. 1831-34);
Hagen, [* 79] Deutschlands litterar, und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter (3 Bde., Erlangen [* 80] 1841-44);
Neudecker, Geschichte des evang. Protestantismus (2 Bde., Lpz. 1844-46);
Kahnis, Die deutsche Reformation (Bd. 1, ebd. 1872);
Maurenbrecher, Studien und ¶
Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit (ebd. 1874);
Häusser, Geschichte des Zeitalters der Reformation 1517-1648 (2. Aufl., Berl. 1879);
Maurenbrecher, Geschichte der katholischen Reformation (Bd. 1, Nördl. 1880);
Ranke, Deutsche [* 82] Geschichte im Zeitalter der Reformation (6. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1880-81);
Hagenbach, Kirchengeschichte von der ältesten Zeit bis zum 19. Jahrh., Bd. 3 (5. Aufl., hg. von Nippold, ebd. 1887);
von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation (in Onckens «Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen», Berl. 1887-90);
Egelhaaf, Deutsche Geschichte im 16. Jahrh. (Stuttg. 1887-92);
ders., Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (3. Aufl., Berl. 1893);
Lamprecht, Deutsche Geschichte, Bd. 5 (ebd. 1894);
vom kath. Standpunkte aus Döllinger, Die Reformation (3 Bde., Regensb. 1846-48; Bd. 1 in 2. Aufl., 1851);
im ultramontanen Geiste Janssen, Geschichte des deutschen Volks seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 2 u. 3 (15. Aufl., Freib. i. Br. 1889-91).
das in der evang. Kirche zur Erinnerung an den an dem Luther (s. d.) die 95 Thesen anschlug, gefeierte Fest.
In den meisten evang. Landeskirchen wird das Reformationsfest jetzt am Sonntage nach dem 31. Okt. begangen.
(lat.), wer eine Reformation bewirkt;
reformatōrisch, umgestaltend, verbessernd.
die von den Führern der Opposition 1847 und 1848 in mehrern Städten Frankreichs veranstalteten Festmahle, wobei in Reden und Toasten die Gebrechen des herrschenden Regierungssystems aufgedeckt und als Rettungsmittel Reform und Ausdehnung [* 83] des Wahlrechts verlangt wurde. Auf ein verjährtes Gesetz von 1790 gestützt, suchte die Regierung diese Reformbankette zu verbieten; aber trotz des Verbots trafen die Führer der Linken Anstalten zu einem neuen Reformbankett, das im 12. Arrondissement von Paris [* 84] abgehalten werden sollte. Als die Regierung militär. Maßregeln dagegen traf, erhob sich das erregte Volk und führte nach erbittertem Straßenkampfe den Sturz des Königtums herbei. (S. Frankreich, Bd. 7, S. 104.)
eine jede Bill in England, mit der eine Reform beabsichtigt wird; in engerm Sinne versteht man darunter eine der Parlamentsreformbills von 1832, 1867 und 1884/85. In den Jahrhunderten ihres Bestehens war die engl. Parlamentsverfassung, soweit sie eine Vertretung des Volks gewähren sollte, ihrem Zweck immer mehr entfremdet worden. Viele Wahlorte waren zu verfallenen Flecken herabgesunken, während aufblühende Welthandelsplätze, wie Leeds, [* 85] Birmingham, [* 86] Manchester, [* 87] ohne Vertreter blieben.
Die sog. «nomination boroughs» standen entweder unter dem Einfluß der Krone und der großen adligen Grundherren, oder die wenigen Wähler verkauften ihre Stimme. Eine Besserung dieser Zustände war unerläßlich; aber ein halbes Jahrhundert lang sträubten sich die Bevorrechtigten dagegen. 1770 schlug zuerst Chatham eine Vermehrung der Grafschaftsvertreter vor; gründlicher ging Wilkes 1776 zu Werke. Nach mehrern andern Vorschlägen brachte William Pitt 1782 den maßvollen Antrag ein, zunächst nur einen Prüfungsausschuß zu ernennen, drang aber nicht durch und gab nach einem erneuten Versuch den Reformplan ganz auf.
Tor unermüdlichste Vorkämpfer der Parlamentsreform wurde darauf Grey; aber seine und seiner Freunde wiederholte Anträge fielen schon im Unterhaus. 1820 nahm Lord Russell den Kampf auf; aber wenn das Unterhaus den maßvollsten Vorschlägen zustimmte, so wies das Oberhaus auch diese ab. Die Bewegung, die infolge der franz. Julirevolution (1830) auch England ergriff, ließ die populären Forderungen anschwellen, doch wurde ein neuer Antrag des alten Reformers Grafen Grey 1831 von den Lords abgelehnt, und erst ein dritter Entwurf wurde Gesetz.
Durch diese erste Parlamentsreform wurden die 56 kleinsten Wahlflecken beseitigt, andere erhielten statt zwei nur einen Vertreter; bisher unvertretene Städte wurden je nach ihrer Große durch einen oder zwei Abgeordnete vertreten und ebenso wurde die Vertreterzahl der größern Grafschaften erhöht. Die ganz willkürlichen städtischen Wählerkorporationen wurden beseitigt; jeder Besitzer oder Mieter einer im Wahlort befindlichen Wohnung oder eines sonstigen Gebäudes von 10 Pfd. St. Zinswert wurde Wähler. Auf dem Lande war der Census abgestuft nach der Form des Besitzes, ob freies Eigen, Erbpacht, lange oder kurze Zeitpacht. Die Wählerzahl, die zuvor etwa 400000 betragen hatte, war ungefähr verdoppelt worden; den Ausschlag gaben jetzt im Unterhause die mittlern Klassen der Bevölkerung. [* 88]
Zwanzig Jahre ruhte nach diesem Abschluß die Reformfrage, bis sie Lord Russell mit neuen Verbesserungsvorschlägen, die aber nicht zur Ausführung gelangten, 1852 und 1854 wieder in Fluß brachte. Ihr energischster Wortführer wurde Disraeli (s. Beaconsfield), der Unterhausführer im konservativen Kabinett Derby, der seine Bill dem Unterhause vorlegte. Am 15. Juli fand sie im Unterhause, 6. Aug. im Oberhause Annahme und erhielt 15. Aug. durch königl. Bestätigung Gesetzeskraft.
Die zweite Reformbill 1867 gab jedem ein Jahr in einer Stadt ansässigen und steuerzahlenden Householder und auf dem Lande jedem Inhaber, sei es Mieter oder Besitzer, eines Gutes von 12 Pfd. St. Zinswert das Wahlrecht. Der nicht selbständige Aftermieter in der Stadt mußte eine Wohnung von 10 Pfd. St. Zinswert haben. Das Ergebnis war eine Vermehrung der Wähler um etwa 2 Millionen; die arbeitende Bevölkerung der Städte war in weitestem Kreise [* 89] herangezogen worden, mehr als auf dem Lande; dafür aber waren 33 Stadtvertreter gestrichen, 25 neue Grafschaftsvertreter geschaffen worden. Das Unterhaus stand auf bedeutend verbreiterter demokratischer Grundlage.
Über kleinere Reformen, wie Einführung der geheimen Wahl, schritt man fort zur dritten Reform von 1884/85 unter dem liberalen Ministerium Gladstone in der «Representation of people Act» von 1884 und dem Gesetz über die Verteilung der Wahlbezirke von 1885. Radikal wurde mit der althistor. Verteilung der Vertretung aufgeräumt, und an ihre Stelle traten nach festländischem Vorbild Wahlkreise nach der Bevölkerungszahl, deren jeder einen Vertreter stellt. Auch die Ausgleichung der Wählerzahl zwischen städtischen und ländlichen Bezirken ist gerechter: nach der zweiten Reform wählten durchschnittlich 70800 Grafschaftswähler gegenüber 41200 städtischen einen Abgeordneten, jetzt durchschnittlich 52800 gegenüber 52700. Auch das Wahlrecht ist gleichmäßiger, wenn auch die Form des «Wohnhaus-Wahlrechts» beibehalten wurde. Der höchste Census auf dem Lande beträgt gleich dem städtischen nur 10 Pfd. St. Zinswert des Gutes bei einjähriger Ansässigkeit. Die Wahl ist geheim und ¶