ihrerseits Feldwachen oder selbständige
Unteroffizierposten vorschiebt. Zur eigenen Sicherheit stellt dasselbe einen Schnarrposten
(s. d.), nötigenfalls auch einen oder mehrere Doppelposten (s. d.)
zu Fuß aus. Pikétt war früher die Bezeichnung für eine meist aus Infanterie bestehende
Abteilung der
Vorposten, die für die
Nacht zur event. Unterstützung der Feldwachen bereit gehalten wurde. Eine
Truppenabteilung «auf Pikétt stellen» heißt soviel als dieselbe
für sofortige Verwendung bereit halten.
oder
Pikul (engl. pecul oder picul, span. pico), etwa einem europ.
Centner entsprechendes Handelsgewicht
Ost- und Südasiens, in 100
Catties geteilt. (S.
Catty.) Der verbreitetste
P.ist der chinesische von 133 ⅓ engl. Handelspfund = 60,179 kg;
Pikrate, eine
Klasse der
Explosivstoffe (s. d.); infolge ihrer großen
Brisanz dienen sie meist Sprengzwecken,
seltener werden ihre ballistischen, forttreibenden Eigenschaften ausgenutzt. Der Grundstoff der Pikratpulver, und
oftmals allein verwandt, ist die
Pikrinsäure (s. d.), neuerdings namentlich zum Füllen von
Sprenggeschossen in
mehrern
Artillerien eingeführt. Von den
Verbindungen der
Pikrinsäure sind die pikrinsauren
Alkalien allein oder meist in Mischungen
mit andern oxydierenden Körpern schon seit längerer Zeit unter verschiedenen Benennungen als
Spreng- und Treibmittel bekannt.
(S.
Designolles Pulver,
Fontaines Pulver,
Baboeufs Pulver,
Borlinettos Pulver,
Heraklin,
Grünes Pulver.) Erst in neuester Zeit
jedoch (seit 1885) ist, namentlich durch die Erfindungen des franz. Chemikers
Turpin, dem Pikratpulver auch außerhalb
Frankreichs wieder erhöhte
Aufmerksamkeit zugewandt worden, wozu das
Geheimnis, mit dem seitens
der
Franzosen das
Melinit umgeben wurde, und die großartigen Leistungen, welche ihm zugeschrieben wurden, das meiste beitrugen.
(S.
Turpins Sprengstoffe,
Melinit,
Lyddit.) Alle diese Erfindungen bezwecken nicht mehr, wie die ältern
Pikratpulver, ein Schießpulver
[* 3] herzustellen, sondern haben nur die Verwendung als Füllmaterial von
Sprengstoffen im
Auge
[* 4] und erstreben,
für diese Verwendung die hohe
Brisanz der Pikratpulver derart einzuschränken, daß eine Explosion bei der Fabrikation, Aufbewahrung,
Handhabung und selbst bei dem starken
Stoße, den die
Sprenggeschosse mit ihrer Füllung beim Abfeuern
des Schusses im Rohre erleiden, mit vollkommener Sicherheit ausgeschlossen ist.
C6H2(NO2)3.OH, Trinitrophenol, Trinitromonoxybenzol, Weltersches
Bitter, durch die Einwirkung
von
Salpetersäure aus
Phenol entstehende Säure. Sie krystallisiert in hellgelben Blättchen, die sich schwer in kaltem Wasser,
leicht in heißem Wasser und inAlkohol lösen, schmilzt bei 117° und verpufft beim raschen Erhitzen.
Besonders explosibel sind ihre
Salze, die
Pikrate. Sie findet besonders zum
Gelbfärben und in
Verbindung mit Anilingrün
(Jodgrün),
Indigkarmin oder
Berliner Blau
[* 5] zum Grünfärben von
Seide
[* 6] und
Wolle Anwendung und wird technisch in großer Menge dargestellt,
da sie außer zumFärben auch noch zur Bereitung der
Pikratpulver (s. d.) und des
Melinits (s. d.) dient.
Außerdem wird sie als Füllung moderner
Sprenggeschosse in reiner Form verwendet.
Ob P. als Hopfensurrogat in der
Brauerei
Verwendung gefunden hat, wie behauptet worden ist, ist nicht erwiesen. Eine der Pikrinsäure sehr ähnliche und mit
ihr homologeVerbindung ist die aus dem
Kresol dargestellte Trinitrokresylsäure
(Trinitrokresol), deren
Alkalisalze vielfache Verwendung zum
Gelbfärben finden. Aus der Pikrinsäure sowohl als auch aus der Trinitrokresylsäure wird das
Granatbraun (s.
Isopurpursaures Kalium) gewonnen. Letzterer Körper kommt, da er schon bei schwacher Reibung
[* 7] mit Heftigkeit
explodiert, in Teigform (en pâte) und, um das Austrocknen zu verhüten, mit etwas
Glycerin gemischt in
den
Handel.
ein neben dem
Cocculin (s. d.) in den Kockelskörnern (s. d.)
enthaltener nicht basischer
Bitterstoff, der durch
Ausziehen der
Körner mit siedendem
Alkohol und Krystallisierenlassen erhalten
werden kann, nachdem man die neben dem Pikrotoxin in demAuszuge enthaltenen fremden Körper durch
Bleiacetat entfernt
hat. Es krystallisiert in
Nadeln,
[* 8] die einen intensiv bittern
Geschmack besitzen und höchst giftig wirken.
ein hölzerner, steinerner oder eiserner 0,9 bis 1,20 m hoher Pfeiler
in Pferdeställen, welcher zwei Pferdestände trennt und an welchem der Lattierbaum (s. d.)
hängt;
in der Reitbahn zwei hölzerne Pfeiler, die etwa drei Schritt voneinander entfernt und mit
Ringen versehen sind, in
denen die Trensenzügel eines an der
Hand
[* 9] zu dressierenden
Pferdes eingeschnallt (piliert) werden;
bei Holztreppen
die gedrehte und meist verzierte
Säule, an welcher die Handleiste befestigt ist;
bei Gaslampen das kleine Messingsäulchen,
das zur
Verbindung des
Brenners mit dem Gasarm sowie zum Aufschrauben der Garnitur für Cylinder und
Schirm dient.
(frz.), Wandpfeiler, die aus einer
Wand oder aus der
Ecke von
Wänden hervortretenden Pfeiler,
welche zur Verstärkung
[* 10] der
Mauern, Unterstützung von
Architraven oder auch bloß als
Unterbrechung der großen leeren
Fläche
gebraucht werden (S. Lisenen,
Anten.)
der nordöstlichste Bergstock der Emmengruppe in den
Berner Alpen, erhebt sich südlich von Luzern,
[* 11] westlich von
Stans,
auf der Grenze der schweiz. Kantone Luzern
und
Unterwalden und besteht aus Kalksteinen der Kreide- und Nummulitenformation.
Von seinen zahlreichen Gipfeln sind das Tomlishorn (2133 m), der Esel (2123 m) und das Klimsenhorn (1910 m) die bekanntesten.
Früher
¶
forlaufend
146
abergläubisch gemieden, wird der Pillau semer herr- lichen Aussicht wegen sehr häufig besucht.
Die be- gangensten Wege sind
derjenige von Alpnach-Stad am Südfuß und der von Hergiswyl am Ostfuß des Bergstocks, die beide in 3^-4 Stunden zum Esel
führen.
Seit 1889 führt die Pilatusbahn (s. d.) hinauf.
Der Sage zufolge trägt der Pillau seinen Namen
nach dem Landpfleger Pontius Pilatus (s. d.).
In Wirklichkeit ist Pillau -- Mktu8, der mit einem Hut
[* 13] Bedeckte.
Die Wolkenbildung
am Pillau gilt als wetterprophezeiend.
Pilatus, Pontius, 26-36 n. Chr. röm. Pro- kurator von Iudäa, ist namentlich durch seine
Be- teiligung an der Kreuzigung Jesu bekannt geworden. Seine despotische Regierung führte schließlich
auf Andringen der Juden seine Abberufung herbei. Nach den Evangelien wäre er von der Unschuld Jesu überzeugt gewesen und nur
dnrch Drohungen der Juden zu dessen Verurteilung bewogen worden. Die spätere kirchliche Sage erzählt von einem Be- richt des
Pillau an KaiserTiberius über die Wunder- thaten Jesu und die Umstände bei seiner Hinrich- tung;
schon um
die Mitte des 2. Jahrh, erdichtete man unter seinem Namen einen Brief an den Kai- ser und behauptete, daß «Akten des Pillau» in
den röm. Archiven aufbewahrt seien. Im Anfange des 4. Jahrh, wurden heidn.
Pilatusakten voll Schmä-
hungen gegen Christus erdichtet, denen einige Zeit nachher christl. Akten entgegengestellt wurden.
Nach der Sage soll Pillau sich
in der Verzweiflung über das an Christus begangene Unrecht das Leben genom- men haben oder unter Nero enthauptet worden sein.
Nach einer noch jüngern Legende soll sein Leichnam in den Tiber, danach, als er dort Überschwem- mungen
und Ungewitter angerichtet hatte, in die Rhone geworfen, und zuletzt in den kleinen düstern Waldsee der Vründlenalp unweit
des Pilatus (s. d.) bei Luzern
gebracht worden sein, wo er noch jetzt namentlich am
Karfreitag spuken foll.
Die Pilatus- legende behandelt ein mittelhochdeutsches Gedicht aus der Anfangszeit
der ritterlichen Dichtung in kräftiger Sprache
[* 14] und patriotischer Gesinnung frei nach einer lat. Quelle
[* 15] (hg. von Wcinhold im 8. Bde.
der «Zeitschrift für deutsche Philologie», Halle
[* 16] 1877). -
Vgl. Crcizcnach, Legenden und Sagen von Pillau im 2. Bde.
der «Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur» (Halle 1876).
Pilatusbahu, die einer Aktiengesellschaft ge- börende Zahnradbahn (4,6 ^m) von Alpnach-Stad am Vierwaldstätter
See auf den Pilatns.
Die Anfangs- station liegt in 440 m, die Endstation Pilatus-Kulm in 2068 m Höhe.
Die Herstellungskosten
betrugen 2 315000 Frs., während das Aktienkapital der Ge- sellschaft 2 850000 Frs. beträgt, da dieselbe außer der
Bahn auch noch Hotels auf Pilatus - Kulm betreibt.
Sie wurde eröffnet und be- förderte (1893) 29476 Personen, wofür 193397
Frs. vereinnahmt wurden.
Die Betriebsausgaben be- trugen 98090 Frs., die Dividende infolge des gleich- falls günstigen Hotelbetriebs 4 Proz.
Pilau (oft fälschlich Pillau), auch Pilaf, das allgemein übliche und beliebteste orient.
Gericht aus
körnig gekochtem Reis mit Hammelfleisch.
Pilchard (engl., spr. piltsch-), s. Sardine. Pilcomayo, rechter Nebenfluß des Paraguay
[* 17] in Südamerika,
[* 18] entspringt in den Cordilleren des boli- vian. Depart. Potosi, bildet vom 22." südl. Br. an die Grenze
zwischen
der Argentinischen Republik Gober- nacion de Formosa und Paraguay, durchfließt süd- östlich den Gran
[* 19] Chaco und mündet, etwa 1100 km lang, der Stadt Asuncion gegenüber.
Die Ufer des Pillau sind zwischen 24. und 21.° 1-7 m hoch,
die Tiefe fchwankt zwischen 1 und 5 m. Im August ist er schon sehr seicht.
Ein Drittel des Laufes ist wäh-
rend 9 Monaten schiffbar;
Versuche den Pillau abwärts von Voli- via aus zu befahren sind mißglückt.
?i1eus (lat.), bei den Römern eine Filzkappe, besonders von Fischern, Schiffern und Handarbei- tern getragen. Pilger oder
Pilgrim (vom lat. per^i-inus, d. i. Fremder), die ans Andacht nach fernen heiligen Orten Wallfahrtenden,
in der christl. Kirche beson- ders die Wallfahrer nach Jerusalem
[* 20] oder überhaupt nach Palästina.
[* 21]
Das christl. Pilgerkleid bestand
in einem braunen oder grauen Gewand;
der Pilger- hut mit breitem Rand war mit Meermuscheln ge- ziert; der Pilgerst ab war
ein langer, oben mit einem Knopfe, unten mit einer Spitze, an der Seite mit einer Kugel versehener Stab;
[* 22]
die Pilger- flasche(Gurde) war ein ausgehöhlter Kürbis.
[* 23] Pilgermuschel oderIakobsmuschel (?6ct6n ^codaeuä ^,.), s. Kammmuschel.
Pilgram.
1) Bezirkshauptmannschaft in Böb- men, hat 1185,71 ^km und (1890) 88 763 (43095 männl., 45 668 wcibl.) czech. E.
in 125 Gemeinden mit 279 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Kamenitz, Patzau, Pillau und
Pocatek. - 2) Pillau, czech. I^IKi-iinov, königl. Stadt und Sitz der Bezirks- hanptmannschaft sowie eines Bezirksgerichts (418,93
qkm, 29851 czech. E.), nahe der Wasserscheide zwi- schen Elbe und Donau, an der Linie Iglau-Ober- Cerekwe-Tabor der Österr.
Pilgrim, s. Pilger. ?i1i (lat.), die Haare
[* 26] (s. d.).
Pilibhit, Hauptstadt des Distrikts Pillau in den indobrit.
Nordwestprovinzen, 48 km im NO. von Bareli (s. d.), am linken Ufer des
Garra, mit (1891) 33 799 E. (19 881 Hindu, 13 847 Mohammedaner), hat zwei große Marktplätze, eine Dschami'
Mas- dschid (Moschee), eine engl. Schule und ein Sara'i (Unterkunftshaus für Eingeborene).
Schiff- und Bootbau hat nachgelassen, seit das holzreiche Trans- Earda-Tara'i
(Marschland) an Nepal abgetreten ist. Hauptausfuhrartikel sind: Reis, Borax
[* 27] und Pfeffer aus Kumaon und Nepal,
Honig, Wachs, Pech, Wolle und etwas Katechu.
Mit Bareü ist Pillau durch eine Eisenbahn verbunden. sPilar.) Pilieren (frz.), stampfen,
zerstoßen. (S. auch Pilit, Gestein, s. Olivin.
[* 28] Pilken, s. Leinenfischerei. Pillau, Gericht, f. Pilau.
Pillau, Stadt nebst Festung
[* 29] und Badeort im Kreis
[* 30] Fischhausen des prenß. Reg.-Bez. Königs- berg, am Pillauer
Tief und auf dein Südende einer 9 km langen, der Frischen Nehrung gegenübertreten- den Landzunge, an der Linie Königsberg-Pillau
(46,i km) der Ostpreuß.
Südbahn, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Königsberg),
[* 31] Hauptzollamtes, Artille- riedepots,
einer Fortisikation und Hafenbauinspek- tion, hat (1890) ohne die Festungsbesatzung 3303 E., darunter 53 Katholiken,
in Garnison das 2. Ba- taillon des Infanterieregiments HerzogKarl von¶
forlaufend
147
Mecklenburg-Strelitz Nr. 43 und das 3. Bataillon des Fußartillerieregiments von Hindersin Nr. 2, Post zweiter Klasse/Telegraph,
Ncalprogymnasium, bö- bere Mädchen- und Navigationsschule;
Segelfabri- tation, Reederei, Fischerei,
[* 33] Vernsteinfischcrei und
Ece- bandel.
Der Störfang und -Export war um 1724 sehr bedeutend. 1731-32 liehen sich viele Flücht- linge aus Salzburg
[* 34] als
Gewerbtreibende hier nieder. Pillnitz bildet den Vorbafen von Königsberg und bat einen Leuchtturm.
Das Glatt
oder Pillauer Tief (550 m lang, 6 in tief), infolge eines Sturms entstanden, bildet den Eingang zum Frischen Haff
(s. d.) und ist gegen S. und N. durch gewaltige Molen begrenzt. 2 Km im NO. das mit dem benachbarten Wogram
vereinigte Dorf Alt- Pillau mit etwa 4000 E. Östlich hiervon eine während der Occupation zur Zeit Friedrichs d. Gr. von den
Nüssen erbaute turmartige, als Seezeichen dienende Landmarke. - Am erschien Gnstav Adolf von Schweden
[* 35] auf der Reede
von Pillnitz und nahm die unbedeutenden Befestigungen in Besitz, die er wesentlich erweiterte.
Aus der hier-
durch entstandenen Niederlassung ging die Stadt Pillnitz, die ihren Namen dem frühern Velowe oder Alt-Pillau verdankt, hervor.
Die
Festung wurde 1626-35 von den Schweden besetzt gebalten.
Fried- rich Wilhelm I. erhob Pillnitz zur Stadt. Pillnitz wurde 1758 von
den Russen genommen und bis 1763 behauptet;
während dieser Zeit wnrde der Russische
[* 36] Damm zum Schutz des Hafens und die Landmarke
hergestellt. In die Zeit von 1795 bis 1796 fällt die Anlegnng der Fcstungsplantage. 1807 wurde Pillnitz von Oberst
Herrmann gegen die Franzosen (unter Et.-Hilaire) verteidigt, welche die Festung beschossen.
Durch Vertrag
vom ward sie für die Dauer des Krieges mit Ruß- land Napoleon eingeräumt, aber durch Kapitulation des
franz. Generals Eastella den Russen unter Sievers überliefert und an Preußen
[* 37] zurückgcgebeu. Zu beiden Seiten des Pillauer
Tiefs sind starte Küstenforts
[* 38] und landeinwärts mehrere Außenwerke erbaut, die in Gemeinschaft mit einer
Seeminensperre die Einfahrt in das Frische Haff verteidigen und Stadt und Festung nach der See- und Landseite schützen.
Pillauer Tief, s. Pillau und Frisches Haff. Pillen (?iwlli"),
erbsengroße Kügelchen, die aus knetbarem Stoff bestehen, in
den Arzneistoffe ein- gehüllt sind.
Man giebt Arzneimittel in Pillen- form in der Regel, wenn sie sich
in anderer Form nicht gut nehmen lassen, und auch zur Erzielnng einer genauen Dosierung.
Meist sind die Pillnitz für den innerlicken
Gebrauch bestimmt, manchmal auch für andere Zwecke (Zahnpillen u. s. w.).
Die Herstellung der Pillnitz erfolgt in der Weise, daß
die wirtsamen Be- standteile für sich oder mit einem Bindemittel zu einer dildsamen Masse gestoßen werden, aus der dann auf
dcr ^vV^ninc^chine die Pillnitz geformt werden. Zu diesem Zwecke werden durch Rollen
[* 39] mit der Hand oder im Großbetrieb durch besonders
konstruierte Pressen zunächst Pillenstränge von gleichmäßiger Dicke hergestellt und diese mit Hilfe
des Scbneide- zeugs der Pillenmaschine zugleich zerschnitten und gerundet.
Das Schneidezeug der Pillenmaschine, das meist
aus Eisen
[* 40] besteht, setzt sich aus zwei genau aufeinander passenden Teilen zusammen, welche je 30 oder mehr halbeylindrische
Kanäle dicht neben- einander tragen, so daß je zwei
derselben in eine scharfe Schneide auslaufen.
Bei der Handpillen- maschine sind beide Teile des Schneidezeugs ent- weder flach oder muldenförmig gerundet, bei den Maschinen
für den Großbetrieb hingegen entweder auf drei Walzen oder auf eine Walze und eine um dieselbe gebogene Platte verteilt.
Durch Gegen- ^ einanderbewcgcn der Schneiden mit allmählich er- starktem Druck wird die Schueidarbcit
soweit voll- endet, daß es nur noch mäßigem Rollens der Pillnitz gegeneinander unter leichtein Druck bedarf, um
die Kugelgestalt der Pillnitz zu vervollkommnen.
Als Binde- mittel für die Pillenmassen dienen in der Regel Sühholzpulver und
^üftholzsaft, auch Pflanzen- ^ ertrakte, für zersctzbare Körper (wie Höllenstein) ! sammcnscbmelzen mit
gelbem Wachs verdickt.
Die ! Pillnitz werden im allgemeinen mit Värlappsamen,manch- z mal anch mit Zimmetpulver u. s. w.
bestreut.
Außer- dem überzieht man die Pillnitz häufig zur Verdeckung des Geschmacks mit Gelatine, Zucker,
[* 41] Blattsilber oder Blattgold.
Um Pillnitz für den Magensaft unlöslich zu machen und erst im Darm
[* 42] zur Wirkung gelangen zu lassen, überzieht
man sie mit einer Lösung von Horn- stosf (Keratin, s. d.) oder mit geschmolzenem Salol. Offizinell sind die eisenhaltigen
Aloepillen, die Eisenpillen und die Ialapenpillen. - Pillnitz von Morison, s. Geheimmittel.
1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Gum- i binnen, hat 1060,34 ykm und (1890) 46664 (22480 ! männl., 24184 weidl.)
E., 2 Städte, 245 Land- , gemeinden und 54 Gutsbezirke. - 2) Kreisstadt im ' .^reiv Pillnitz, an der Nebeillinie
Tilsit-Stallupönen der Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamteö, eines Amtsgerichts (Landgericht Insterburg)
[* 44] und einer
Reichsdanknebenstelle,' hat (1890) 2869'evang. ^ E., Post zweiter Klasse, Telegraph,
[* 45] Präparanden- ! anstalt;
Eisengießerei
[* 46] und Maschinenfabrik, Pferde- und Viehmärtte. ! Pillnih, königl. Lustschloß und Kammergut in der Amtsdauptmaunschaft
Dresden-Neustadt der ^ Kreishauptmannschaft Dresden,
[* 47] Sommeraufenthalt i des Königs von Sachfen, liegt etwa 7 kni oberhalb
Dresden am rechten Elbufer bei dem Dorfe Pillnitz l fürst JohannGeorg IV. kaufte 1693 das alte Schloß von
Heinrich von Bünau und schenkte es seiner Geliebten, der Gräsin von Rochlitz, nach deren Tod es an die Kammer siel. August II.
be- ! lehnte damit 1705 die Gräsin Cosel. Opüter war ! es der Sommeraufentbalt des Feldmarschalls Ru- i towski.
August II.
erweiterte es bedeutend, und 1788 ! -92 wurde es renoviert. An Stelle des alten, 1818 ! Hinter dem Dorfe
Pillnitz der romantische Friedrichs- grund und eine 1788 angelegte künstliche Burgruine, ilnwcit Pillnitz derPohrsberg oderPorsberg (355
m) und da^ Dorf Hosterwitz (558 E.), beliebte Som- merfrische, mit einer Besitzung des Prinzen Georg und dem
Keppschloß, Eigentum der Großherzogin ^ von Mecklenburg-Strclitz, im romantischen Kepp- ' gründ. - Im Schloß zu Pillnitz wurde 25. bis die
Fürstenversammlung gehalten, bei welcher BaiserLeopold II., Friedrich Wilhelm II. von Preußen ! und der Graf von Ärtois Maßregeln
gegen die Fran- zösische Revolution besprachen. In dieser sog. Pill- nitz er
Konvention wurde beschlossen, jedem An- griff von feiten Frankreichs und der Revolution ge- meinscbaftlicb entgegenzuwirken,
und 27. Aug. an die BrüderLudwigs XVI. eine Erklärung gegen die 10*
¶
mehr
Revolution abgegeben, die als Grundlage der ersten Koalition gegen Frankreich gilt. -
Vgl. von Minckwitz, Geschichte von Pilatus (Dresd.
1893).
(spr. -lóng), Col de, fahrbarer, 1550 m hoher Paß
[* 49] zwischen der Wildhorngruppe und der Simmengruppe der Freiburger
Alpen,
[* 50] am Nordfuß des Oldenhorns (s. Diablerets), verbindet das Ormontsthal im schweiz. Kanton Waadt
[* 51] mit dem obern
Sagnethal im Kanton Bern.
Vahl., Pflanzengattung aus der Familie der Rutaceen (s. d.).
Von den wenigen hierher gehörigen, im tropischen
Amerika
[* 52] und Ostindien
[* 53] einheimischen Sträuchern ist die Stammpflanze der offizinellen Jaborandiblätter (Folia Jaborandi), der
brasilische Pilocarpus pennatifolius Lemaire, wichtig.
Der wirksame Bestandteil der Blätter, die im Aufguß als
kräftiges schweiß- und speicheltreibendes Heilmittel dienen, ist das Pilokarpin (s. d.).
eine Verbindung von der Zusammensetzung C11H16N2O2, der wirksame Bestandteil in den Blättern
und Zweigen der Jaborandipflanze (s. Pilocarpus), eine weiche, Zähe, klebrige, farblose Masse, welche mit Schwefel-, Salz-
und Salpetersäure leicht lösliche, gut krystallisierte Salze bildet.
Das salzsaure Pilokarpin (Pilocarpinum
hydrochloricum) wird, subkutan injiziert, als stark schweiß- und speicheltreibendes sowie als pupillenverengerndes Heilmittel
vielfach benutzt.
oder Lotsenfisch (Naukrates), eine zur Abteilung der Makrelen gehörende Fischgattung, die einen gestreckten, länglichen,
mit kleinen Schuppen bedeckten und am Schwänze seitlich gekielten Körper, einen abgestutzten Kopf, eine
einzige Rückenflosse und vor derselben mehrere freie unverbundene Strahlen hat. Der gemeine Pilot (Naukrates ductorL.), der
15-30 cm lang, bläulichweiß, mit drei bis fünf breiten, dunkelblauen Querbändern gezeichnet ist und vier freie Rückenstrahlen
besitzt, lebt in den gemäßigten und tropischen Meeren und ist unter den Seeleuten deshalb berühmt,
weil er immer als Begleiter größerer Haifische erscheint, für deren Führer er von den Schiffern gehalten wird. Die
Alten glaubten, er schwimme den Schiffen voraus, um ihnen den Weg in den Hafen zu zeigen. Was ihn veranlaßt, in
so gefährlicher Nähe zu verweilen, ist unbekannt. Nach Mayens Vermutung lebt er von dem Auswurf der Haifische; Hasselquist
fand dagegen Fische
[* 54] in dem Magen
[* 55] des Pilot. Der Pilot ist außerordentlich gefräßig, schnell und nicht leicht zu fangen, liefert
aber ein wohlschmeckendes Gericht.
Ferdinand, Lithograph, geb. zu Homburg
[* 58] in der Pfalz, gest. zu München,
[* 59] gab bald nach Erfindung der Lithographie durch Senefelder zusammen mit Strixner eine große Anzahl von Lithographien nach Handzeichnungen
alter Meister heraus, sowie von 1815 an ein lithogr. Galeriewerk
der Galerien zu München und Schleißheim und seit 1853 zusammen
mit Löhle ein gleiches der Alten Pinakothek in München.
Ferdinand, Maler, Sohn des vorigen, geb. zu München, bildete sich an der MünchenerAkademie namentlich
unter Schorn, dann unter dem Einfluß seines Bruders. Von seinen Werken sind fünf Wandgemälde im Nationalmuseum zu München,
darunter Die Blüte
[* 60] Augsburgs, ferner Die Heerschau der Königin Elisabeth (im Maximilianeum daselbst) und
einige Fresken im Rathaus zu Landsberg
[* 61] am Lech hervorzuheben. Viel als Illustrator (Schiller- und Shakespeare-Galerie) thätig,
zeichnete und malte er im letzten Jahrzehnt vorzugsweise auch für König Ludwig II. von Bayern;
[* 62] so malte er in der BurgNeu-Schwanstein
den Sängerkrieg auf der Wartburg.
Karl von, Historienmaler, geb. zu München, Bruder des vorigen, erhielt den ersten
Kunstunterricht von seinem Vater, machte seit 1841 seine Studien auf der Akademie zu München und übernahm nach dem Tode seines
Vaters die Leitung der Kunstanstalt. Als Maler hatte er sich zuerst mit einigen Genrebildern bemerklich gemacht, wie: Die sterbende
Wöchnerin (1849) und Die Amme, welche mit ihrem vornehmen Milchkinde ihr eigenes hinsiechendes Kind aufsucht
(1853). Der erste größere Auftrag, den er erhielt, ging dahin, in der Reihenfolge histor.
Bilder, welche König Maximilian II. für das Maximilianeum ausführen ließ, den Beitritt des Kurfürsten Max I. zur kath.
Liga (1609) zu malen. Das 1854 vollendete Bild bekundet den Einfluß der Belgischen Schule, welche er wie
jene des Delaroche 1852 in Antwerpen
[* 63] und Paris
[* 64] kennen gelernt hatte. Den Ruf P.s begründete aber erst sein 1855 gemaltes Meisterwerk:
Seni vor derLeiche Wallensteins (in der NeuenPinakothek zu München; s. Tafel: Deutsche Kunst
[* 65] VIII,
[* 48]
Fig. 6).
Piloty wurde Ehrenmitglied der Akademie und 1856 an derselben Professor. Es folgten nun bald nacheinander: Der Morgen vor derSchlacht
am Weißen Berge bei Prag
[* 66] (1857; Schloß Uhlstadt in Franken) und Wallensteins Ermordung (1858). Nach wiederholtem Studienaufenthalt
in Paris reifte während einer ital. Reise 1858 die Idee zu dem Bilde: Nero nach dem BrandeRoms (vollendet
1860; im Nationalmuseum zu Budapest),
[* 67] welchem später Der TodCäsars (1865; Museum in Hannover)
[* 68] folgte.
Von P.s Bildern sind ferner zu nennen: Galilei im Kerker (1861; Städtisches Museum zu Köln),
[* 69] Gottfried von Bouillon nach
der Einnahme Jerusalems zum HeiligenGrabe wallfahrtend (1861; Maximilianeum in München), Columbus als Entdecker
Amerikas (1866; GalerieSchack), Wallensteins Zug
gen Eger,
[* 70] Die Äbtissin von Frauenchiemsee vor einer Rotte plündernden Kriegsvolks
(1868; Museum zu Königsberg), Maria Stuart empfängt die Verkündigung ihres Todesurteils (1869), Der Dauphin Ludwig XVII.
beim Schuster Simon.
Nachdem Piloty 1869 eine Berufung zum Direktor der BerlinerAkademie abgelehnt hatte, malte er das große BildThusnelda im Triumphzug des Germanicus (1873; NeuePinakothek in München. Wiederholung im Metropolitan-Museum zu Neuyork).
[* 71] Hieran
schließt sich das Riesenbild, in welchem Piloty im Auftrage der Stadt München die Munichia verherrlicht, umgeben von den hervorragenden
Männern, welche die Kulturentwicklung der bayr. Hauptstadt charakterisieren,
ein künstlerisches Unternehmen, bei
¶
PilzeIIISchizomyceten oder Bakterien: 1. Beggiatoa alba; a Fäden, b Schraubenform, c Stäbchenform, Kokkenform. 2. Crenothrix
Kühniana; a Faden,
[* 77] b Stäbchenform, c Kokkenform, d Kokkenzoogloea. Phycomyceten: 3. Mucor mucedo (Kopfschimmel); a Mycel mit
Sporangienträgern, b Sporangium mit den Conidiensporen, c Zygospore. 4. Saprolegnia monoica; a Rasen auf einer Fliege,
b Faden mit Zoosporangium und Oogonien, c Zoosporangium, sich
entleerend, d Oogon mit Antheridien, e desgl. mit fertigen Oosporen.
Perisporiaceen: 5. Fumago salicina (Rußtau); a Mycel mit Gemmen,
[* 78] b Fruchtformen, Conidien und Schlauchfrüchte. 6. Aspergillus
glaucus [Eurotium herbaricorum]; a Hyphe mit Conidienträger C, Ascogon A und Ascogonanlagen A1 undA2, b
Basidien des Conidienträgers, Conidien abschnürend, c Ascus mit Ascosporen. 7. Penicillium glaucum (Pinsel- oder Brotschimmel).
¶
PilzeIV Pyrenomyceten: 1. Cordyceps militaris (Keulensphärie); a aus einer Raupe hervorwachsende Perithecienträger,
b Conidienfrüchte [Isaria farinosa]. 2. Xylaria hypoxylon (Holzpilz); a Perithecium, b Ascus. Discomyceten: 3. Peziza (Becherpilz);
a Peziza tuberosa, das Apothecium sprosst aus einem Sclerotium hervor, Peziza vesiculosa, c Peziza convexula, Apothecienquerschnitt,
d
Teil daraus stärker vergrößert. Hymenomyceten: 4. Agaricus campestris (Champignon), Entwicklung der Früchte
(a-c) und Sporen (d, e). 5. Merulius lacrymans (Thränen- oder Hausschwamm). Gasteromyceten: 6. Clathrus cancellatus (Gitterschwamm). 7. Geaster
hygrometricus (Erdstern); a geschlossen, b geöffnet. 8. Lycoperdon piriforme (Birnenstäubling).
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welchem neben der kompositionellen auch die große Begabung P.s für die Porträtmalerei hervortritt (1879).Gleichzeitig vollendete er die Letzte Fahrt der Girondisten. Darauf folgten noch: Die klugen und die thörichten Jungfrauen
(1881; Metropolitan-Museum in Neuyork), Unter der Arena (1882), Der Rat der Drei in Venedig
[* 81] (1885) und als letztes unvollendet
gebliebenes Werk: Der TodAlexanders d. Gr. in Babylon (Nationalgalerie in Berlin).
[* 82] Piloty hatte als Nachfolger W. von Kaulbachs 1874 die
Direktion der Akademie übernommen, wodurch sich sein Lehreinfluß keineswegs verminderte. Aus seiner Schule, welche darauf
ausging, die Talente nach ihrer individuellen Eigenart zu pflegen und weiter zu bilden, ist die Mehrzahl
der hervorragendsten KoloristenDeutschlands,
[* 83] wie Defregger, Lenbach, HermannKaulbach, GabrielMax, Makart, Benczur, Gierymski u. a.,
hervorgegangen. Er starb in München.
1) Bezirkshauptmannschaft in Böhmen,
[* 85] hat 966,05 qkm und (1890) 139 231 (68 976 männl., 70 255 weibl.) czech.
E. in 144 Gemeinden mit 179 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Blowitz, Pilsen und Rokitzan. -
2) Pilsen, czech. Plzeň, königl. Stadt, nach Prag die größte Stadt Böhmens, liegt an den FlüssenMies und Radbusa und an den
Linien Gmünd-Eger und Dux-Pilsen-Eisenstein der Österr. Staatsbahnen und Prag-Furth im Walde der Böhm. Westbahn,
ist Sitz der Bezirkshauptmannschaft, eines Bezirksgerichts (343,05 qkm, 81811 meist czech. E.), Kreisgerichts, Revierbergamtes,
Zollamtes, k.k. Eisenbahnbetriebsamtes, einer Finanzbezirksdirektion, Handels- und Gewerbekammer sowie der 19. Infanterietruppendivision
und 37. Infanteriebrigade. Pilsen hatte 1830:9004,1850:10302,1869:25009,1880:38 883 und 1890: als Stadt 9778, mit
den Vorstädten 50221 meist czech. E. (8071 Deutsche), darunter 408 Evangelische und 2527 Israeliten,
in Garnison 3 Bataillone des 35. böhm. Infanterieregiments «Ritter
von Sterneck».
Die Stadt ist gut gebaut und hat Standbilder des 1854 verstorbenen Bürgermeisters Martin Kopecky, 1861 von der brauberechtigten
Bürgerschaft errichtet, und des Naturforschers Joseph Smetana, 1875 von der Stadt errichtet, mehrere
kath. Kirchen, darunter die got. Bartholomäuskirche (1292) mit dem höchsten Turme (102 m) in Böhmen, eine evang. Kirche, Synagoge,
Franziskanerkloster, ansehnliches Rathaus im Renaissancestil (1556) mit dem Bankettsaale, wo Wallensteins GeneraleTreue schwuren,
ein Gemeindemuseum mit Waffensammlung, kunstgewerbliches und archäol.
Museum, je ein deutsches und czech. Theater,
[* 87] allgemeines Krankenhans, Bürgerspital und Waisenhaus. Von
Unterrichtsanstalten besteben ein deutsches Staatsgymnasinm der Prämonstratenser in Tepl, ein czech. Staatsgymnasium, je
eine czech. und deutsche Oberrealschule, je eine czech. und deutsche Staatsgewerbeschule, je eine czech. und deutsche höhere
Handelslehranstalt, czech. Lehrerbildungsanstalt, czech. Ackerbauschule und zwei höhere Mädchenschulen.
Die Industrie erstreckt sich auf Eisenwalzwerke, Drahtzieherei, Glockengießerei, zwei Maschinen-, drei
Leder-, je zwei Papier, Preßhefe- und Wagenfabriken, Spiritusraffinerien, Dampfmühlen, Kaolinschlämmerei, Glashütte, Dampfsäge,
Fabrikation von Nägeln, Emaillegeschirr, Kupfer-, Metall- und Holzwaren, Öfen,
[* 88] Porzellan- und Thonwaren,
[* 89] Sprengstoffen, Leder,
Wagen, Chamottesteinen und Malz, Syenit-, Granit-, Marmorschleiferei und Mühlsteinhauerei.
Das der brauberechtigten Bürgerschaft gehörige Bürgerliche Brauhaus und die Aktienbrauerei liefern
das berühmte Pilsener Bier; eine Genossenschaftsbrauerei ist (1893) gegründet. Das Bürgerliche Brauhaus bildet einen eigenen
Stadtteil mit Eisenbahngleisen, großen Kellern (6 ½ km lang) und einer Jahresproduktion von (1893) 565800 hl; die Aktienbrauerei
braute 242800 hl. Es bestehen Filialen der Böhmischen Escompte-Bank, der Osterreichisch-Ungarischen Bank, Zivnostenská Banka,
städtische Sparkasse, sowie bedeutende Jahrmärkte. In der Nähe der Stadt die neue Provinzialstrafanstalt
für 900 Sträflinge und die neue Wasserleitung,
[* 90] ferner bedeutende Steinkohlengruben, Eisenwerke, Glasfabriken und Thonschlämmen. 2 km
entfernt der Vergnügungsort Lochotin mit Stahlquelle, Park und Badeanstalt,
[* 91] gegründet von Kopecky. - Pilsen war früher befestigt,
hielt in den Hussitenkriegen mehrfache Belagerungen aus und wurde 1618 von Mansfeld erstürmt. Auch Wallensteins
Verschwörung spielte zum Teil in Pilsen, und 24 Anhänger desselben wurden 1634 auf dem Marktplatze hingerichtet. - Vgl. Statist.
Bericht über die volkswirtschaftlichen Zustände des Pilsener Kammerbezirks 1886-90 (Pils. 1893). ^[Abb.]
[* 73] (Mycetes, Fungi), in der Botanik eine der beiden großen Abteilungen der Thallophyten. Sie unterscheiden sich von
den Algen
[* 97] dadurch, daß sie niemals Chlorophyll führen. Die Pilze sind demnach nicht im stande, die Kohlensäure der Luft zu assimilieren,
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sondern müssen einen Teil ihrer Nährstoffe aus bereits gebildeten organischen Verbindungen entnehmen; sie können deshalb
nur entweder als Parasiten oder Saprophyten leben.
Die sehr zahlreichen Arten der Pilze zeigen sowohl in ihren äußern Formen wie in ihrer Lebensweise bedeutende Unterschiede,
so daß die ganze Abteilung naturgemäß in fünf Gruppen zerfällt: die Schizomyceten (Spaltpilze) oder
Bakterien (s. d.), die Myxomyceten
[* 99] (s. d.) oder Schleimpilze, die Phycomyceten (s. d.) oder Algenpilze, die Ascomyceten (s. d.)
oder Schlauchpilze und die Basidiomyceten (s. d.) oder Basidienpilze.
Bezüglich der Anzahl der überhaupt bekannten Pilze läßt sich kaum eine bestimmte Angabe machen, da sehr viele
Arten hinsichtlich ihres Entwicklungsganges und der dabei vorkommenden Erscheinungen des Generationswechsels
noch zu ungenau bekannt sind. Immerhin wird man annehmen dürfen, daß gegen 10000 Formen existieren. IhreVerbreitung ist
eine außerordentlich weite, da überall, wo noch Pflanzen und Tiere leben können, auch Pilze die nötigen Bedingungen für ihre
Entwicklung finden.
Einige Formen, besonders gewisse Schimmelpilze und Hefepilze, sind Kosmopoliten. Besonders häufig treten
Pilze an solchen Orten auf, wo durch reichlich gebotene organische Nahrung und viel Feuchtigkeit die günstigsten
Bedingungen für Wachstum und Fortpflanzung gegeben sind. Wie schnell unter solchen Verhältnissen oft die Verbreitung gewisser
Pilzformen stattfinden kann, zeigt z. B. die Einwanderung der die Kartoffelkrankheit hervorrufenden
PhytophthorainfestansDeBy. (s. Phytophthora) und ebenso auch das rapide Umsichgreifen mancher Epidemien,
die durch Bakterien verursacht werden (s. unten). Da die meisten Pilze vollkommen ohne Beleuchtung
[* 100] vegetieren können, so trägt
auch dieser Umstand dazu bei, die räumliche Ausbreitung derselben zu erleichtern.
Jedenfalls haben auch schon in den frühern Perioden der Erde die Pilze eine ausgedehnte Verbreitung gehabt,
doch sind nur wenige davon im fossilen Zustande erhalten. Man hat in mehrern Hölzern, aus der Steinkohle und auch aus andern
Formationen nicht selten Mycelien von Schmarotzerpilzen gefunden, auch auf fossilen Blattresten lassen sich häufig noch
parasitische Formen nachweisen, doch können diese einzelnen Reste im ganzen wenig Aufschluß über die
früher vorhandene Pilzvegetation geben.
Im gewöhnlichen Leben bezeichnet man als Pilze oder Schwämme
[* 101] nur eine bestimmte Anzahl von Arten aus den Gruppen der Basidiomyceten
und Ascomyceten, die durch die Größe und Gestalt ihrer Fruchtkörper besonders auffallen. Viele werden als Nahrungsmittel
[* 102] genossen. Ihr Nährwert ist früher wegen ihres reichen Gehalts an Stickstoffverbindungen überschätzt
und dem des Fleisches nahezu gleichkommend erachtet worden. Dies ist indes ein Irrtum, da nur ein geringer Teil ihrer Stickstoffsubstanz
aus Eiweiß besteht und sie überdies nur unvollkommen im menschlichen Darm ausgenutzt werden.
Man darf deshalb die Pilze hinsichtlich ihres Nahrungswertes nur den Gemüsen gleichstellen. Die
eßbaren Pilze (hierzu Tafel: Pilze I: Eßbare Pilze; zur Erklärung vgl. die ArtikelChampignon, Hallimasch, Parasolschwamm, Stockschwamm,
Lactarius, Eierschwamm, Steinpilz, Kapuzinerpilz, Polyporus, Hydnum,Clavaria, Helvella, Morchella und Trüffel) werden in der
verschiedenartigsten Zubereitung genossen,
meistens werden dieselben als Gemüse gekocht oder mit Butter gebacken.
Einige Arten, wie die Trüffel, die Morcheln, der Musseron u. a., werden bloß als Gewürze zu andern Speisen verwendet. Zur Aufbewahrung
eignen sich die Pilze am besten im getrockneten Zustande oder in Essig eingemacht.
Allerdings liegt bei Verwendung von Pilze zur Herstellung von Speisen in manchen Füllen die Gefahr einer Verwechselung
mit giftigen Formen nahe, doch ist die Anzahl der wirklich giftigen Pilze (hierzu Tafel: Pilze II: Giftige Pilze; zur Erklärung
vgl. die Artikel Pantherschwamm, Fliegenpilz, Knollenblätterschwamm, Schwefelkopf, Speitäubling, Lactarius, Satanspilz, Hexenpilz
und Phallus) gegenüber der Anzahl der eßbaren oder doch wenigstens unschädlichen eine äußerst geringe.
Die Wirkung der in den Pilze auftretenden Gifte auf den menschlichen Organismus ist eine verschiedene und
macht sich oft erst nach 4-5 Stunden bemerkbar; gewöhnlich tritt zuerst ein Gefühl von Ekel, Übelkeit, Leibschmerzen, heftiges
Erbrechen und Durchfall ein, später folgen Ohnmachten, Krämpfe, Schwindel, Delirien u. dgl. und schließlich tritt in schweren
Vergiftungsfällen der Tod ein. Die wichtigsten Gegenmittel sind zunächst Entfernung der genossenen Pilze durch
Brechmittel oder mittels der Magenpumpe sowie durch Abführmittel (Ricinusöl), sodann Anwendung von gerbstoffhaltigen Abkochungen
(von Eichen- oder Weidenrinde, Galläpfeln, Tannin, schwarzem oder grünem Thee, Kaffee); nach Entleerung der Pilze wendet man Hautreize
(Senfteige, Essigwaschungen) und belebende Mittel (Hoffmanns Tropfen, starken Wein, Kampfer) an. Bei der
besonders gefährlichen Vergiftung mit dem Fliegenpilz verordnen die ÄrzteAtropin als Gegengift.
Die chem. Zusammensetzung der hierbei in Betracht kommenden Gifte ist noch sehr wenig untersucht. Viele derselben sind in
Wasser löslich und man kann deshalb manche giftige Pilze durch längeres Extrahieren mit Wasser, Wein, Essig,
Alkohol oder Salzwasser unschädlich und genießbar machen, doch gehen dabei auch viele Nährstoffe in Lösung, so daß
der Nährwert der Pilze dadurch bedeutend herabgesetzt wird. So können die Morcheln, im frischen Zustand genossen, giftig wirken,
während sie nach wiederholtem Aufsieden, Überspülen mit heißem Wasser und gehörigem Ausdrücken ohne Schaden
genossen werden können.
Ebenso kann das Gift der Morcheln durch längeres Trocknen verflüchtigt werden; getrocknete Morcheln sind nach vierbis fünfmonatigem
Liegen ganz giftfrei und können ohne weitere Vorsichtsmaßregeln verspeist werden, während sie nach zwei- bis dreimonatiger
Trocknung immer noch schädliche Wirkungen entfalten können. Das einzig sichere Mittel, um Verwechselungen zu
vermeiden, ist eine genaue Kenntnis der wenigen wirklich giftigen Pilze, und diese Kenntnis läßt sich bei einigem
Fleiße sehr bald erreichen, da nur etwa zwei oder drei giftige Formen mit eßbaren ArtenÄhnlichkeit
[* 103] zeigen.