914 rechtigung im letztern
Sinne wurde für das alte
Reich im Princip durch den Westfälischen Frieden sichergestellt, drang
aber innerhalb der Einzelstaaten erst im 19. Jahrh. durch und beherrscht jetzt die deutschen
Verhältnisse praktisch ganz, indessen theoretisch derselbe schon überholt ist durch den weiter reichenden
Gedanken der
Religionsfreiheit
und der Unabhängigkeit aller bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte vom Religionsbekenntnis (Reichsgesetz
vom –
Vgl.
Mejer, Lehrbuch des deutschen Kirchenrechts (3. Aufl., Gött.
1869);
Richter, Lehrbuch des Kirchenrechts (8. Aufl., Lpz. 1886);
Jetzt versteht man unter Park oderLandschaftsgarten
eine nach den Regeln der Gartenkunst mit
Bäumen und Sträuchern bepflanzte größere
Fläche. (S. Gartenkunst und Gartenstil.)
– Militärisch nennt man Park eine
Stelle, wo
Geschütze,
[* 2] Fahrzeuge, Munition oder sonstige Kriegsbedürfnisse angesammelt
werden;
bisweilen versteht man unter Park auch die angesammelten Gegenstände selbst.
Mungo, Afrikareisender, geb. zu Fowlshiels bei
Selkirk in
Schottland, ging 1792 als Hilfswundarzt nach
Indien, kehrte 1793 zurück, reiste 1795 im
Auftrag der
AfricanAssociation nach der engl.
Faktorei Pisania am
Gambia, wo er die Mandingosprache erlernte, durchstreifte die Königreiche Walo,
Bondu, Kadschaga, Kasson,
Kaarta und das
Land derUlad-Amer. In letzterm geriet er 1796 in Gefangenschaft, aus der er landeinwärts entfloh. Im Juli 1796 erblickte er
den
Niger, dessen Lauf er verfolgte.
Den Weg westwärts nehmend, kam er September im Königreich Manding zu Kamilia an, wo er erkrankte und
sieben
Monate verweilen mußte. Ein Sklavenhändler brachte ihn Juni 1797 wieder nach Pisania, im Dezember traf er in
London
[* 4] ein. Er beschrieb diese
Reise in den «Travels in den interior districts ofAfrica» (Lond. 1799; deutsch Hamb. 1799). Hierauf
ließ er sich 1801 als Wundarzt in
Schottland nieder; 1805 trat er eine neue
Reise an. Er ging im April
von
Gorée aus nach dem Innern; doch nur mit 11 seiner 30 europ. Begleiter gelangte er im
August zum
Niger nach
Bammako.
Von Sansandig sendete er seine
Tagebücher und
Briefe nachGambia. Er baute ein
Boot und erreichte das Königreich
Sokoto, wo er an einem
Flusse angegriffen wurde. Er suchte sich durch Schwimmen zu retten und ertrank. Durch Sklavenhändler
kam 1806 die
Kunde von seinem
Tode nach
Gambia. Die Nachrichten von dieser zweiten
Reise nebst einer Lebensgeschichte P.s erschienen
zu
London 1815 (deutsch von
Büttner, Sondersh. 1821). –
hinter den lat.
Namen von
Tieren, besonders Foraminiferen,
Abkürzung für WilliamKitchenParker, einen engl.
Zoologen und Anatomen, geb. 1823, gest. 1890;
außerdem hinter naturhistor.
Namen auch
Abkürzung für JamesParkinson, einen
engl. Paläontologen, gest. 1824.
(spr. páhrkahnj),Groß-Gemeinde und Hauptort eines Stuhlbezirks (33471 E.) im ungar.
KomitatGran,
[* 6] am linken
Ufer der Donau, gegenüber von
Gran (s. d.), mit dem es durch eine neue Eisenbrücke
verbunden ist, aln
den Linien
Marchegg-Budapest und Párkány-Léva
(Station Párkány-Nána) der
Ungar.
Staatsbahnen,
[* 7] hat (1890) 2417 kath.
magyar. E.;
Theodor, nordamerik. unitarischer Theolog, geb. zu Lexington in Massachusetts,
studierte auf dem Harvard College zu
Cambridge, bildete sich besonders an den
Schriften der deutschen
Rationalisten
und wurde 1837 Prediger einer Unitariergemeinde zu West-Roxburg. Die radikal-freisinnigen
Ansichten, die er in seinen Predigten,
besonders in einer (Mai 1841) zu
Boston
[* 8]
«Über das Bleibende und das Vergängliche im
Christentum» gehaltenen, seit 1840 auch
in der Zeitschrift «Dial» entwickelte, erregten vielfach
Anstoß und führten zu einer Krisis in dem damals konservativ gerichteten Unitarismus.
Von einer
Reise nach England und
Deutschland
[* 9] zurückgekehrt, siedelte er 1845 nach
Boston über, wo er als Prediger der kongregationalistischen
Gemeinde wirkte und namentlich dem Kampfe gegen
Trunksucht und
Sklaverei seine Kräfte widmete. Parker reiste 1859 nach
Italien,
[* 10] wo er zu
Florenz
[* 11] starb. Vollständige
Ausgaben seiner Werke erschienen in
London (14 Bde., hg. von F. Parker Cobbe
1863–71) und
Boston (10 Bde., 1870), ein
Teil der erstern ins Deutsche
[* 12] übersetzt von Ziethen in
Leipzig
[* 13] (5 Bde., 1854–61).
Die bedeutendsten seiner
Schriften sind: «Discourses on matters pertaining to religion» (Bost. 1842 u. ö.;
deutsch von
Wolf, Kiel
[* 14] 1848),
«Tensermons on religion» (Bost. 1852; deutsch Lpz. 1853),
«Sermonson theism, atheism and the popular theology» (Bost. 1853),
«Speeches, addresses and occasional sermons» (4 Bde.,
ebd. 1852–55). Die 1849 von ihm begründete «MassachusettsQuarterly Review» leitete Parker bis 1852. Im J. 1870 erschienen u.d.T. «HistoricAmericans» Essays über
Washington,
[* 15]
Franklin,
Adams und
Jefferson. –
Sir William, engl.
Admiral, geb. 1781, ward schon 1801
Kapitän und kommandierte, nachdem er 1830 zum
Konteradmiral
avanciert war, 1832 das engl.
Geschwader im
Tejo. 1835 wurde er zum Lord der
Admiralität ernannt, welchen Posten er 1841 verließ,
um den Oberbefehl der Seemacht gegen
China
[* 17] zu übernehmen. In
Verbindung mit den Landtruppen unter Gough
eroberte er
Tschusan, Ningpo, Tschapu, erzwang den Eingang in den
Yang-tse-kiang und erschien endlich vor Nan-king, worauf
der Friede geschlossen wurde. Parker ward 1844 zum
Baronet erhoben und erhielt bald darauf den Oberbefehl der Flotte im Mittelländischen
Meer. 1850 wandte er sich nach
Athen
[* 18] und nötigte durch eine
Blockade der griech. Häfen die dortige Regierung, sich den Forderungen
Englands zu fügen. Nachdem er 1851 zum
Admiral der
BlauenFlagge befördert worden, legte er das Kommando nieder, war eine
Zeit lang Hafencommandeur in
Devonport, wurde 1863
Admiral der Flotte und starb
(spr. -börg),Hauptort des County
Wood im nordamerik.
Staate Westvirginien, am
Ohio, über den eine Eisenbahnbrücke
(2,1 km) führt,
¶
forlaufend
915
an der Mündung des Little Kanawha, Bahnkreu- > zungs^punkt, mit Dampfschiffahrt, höhern Schnlen, Olrafstnerien, Eisengießerei,
[* 20] Mühlen
[* 21] und (1890) 8408 E. Die Umgegend ist reich an Petroleum, natürlickem Gas, Kohle, Salz
[* 22] und Eisen.
[* 23] Parkesieren, s. Silber
(Gewinnung).
Parkesm, s. Parksin. Parkött (Parquet, frz.), ein hölzerner Fuß- bodenbelag (s. Fußboden);
in reform. Kirchen der Raum im Schiff,
[* 24] in welchem die Kirchenväter sitzen; in den Theatern der zwischen
Orchester und Parterre gelegene Teil des Zuschauerraums;
bei den franz. Gerichtshöfen der Platz oder das sämtliche Personal
der Richter und an der PariserBörse der den ver- eidigten Maklern (a^6nt8 ä6 ekan^) vorbehaltene eingeschränkte
Raum, im Gegensatz zur Coulisse is. d.).
Parkettieren, das Belegen eines Fuh- dodens mit Parlament Parkgarten, s. Blumenpark.
Part-Hack,
Pfcrdeart, s. Zack. Parkieren (frz.), das geordnete Auffahren der Fahrzeuge eines Truppenteils zum Park (s. d.). Parkprozeß,
s. Silber (Gewinnung).
Parksln oder Parkesin, ein nach dem Erfinder A. Parkes in Birmingham
[* 25] benanntes Fabrikat,
wel- ches als Surrogat für Kautschuk und Guttapercha durch die Londoner Weltausstellung von 1862 be- kannt wurde;
es besteht
angeblich aus einem Ge- menge von Schießbaumwolle und fettem Ol (Rici- nusöl), dem man für manche Zwecke Schellack oder Kopallack
zusetzt, und ist hart wie Horn, zugleich aber geschmeidig wie Leder.
Zur Verminderung der Brennbarkeit
fügt man der Masse etwas Chlorzink oder wolframsaures Natrium hinzu.
Dasselbe hat zurIsolierung von Telegraphendrühten Anwendung
gefunden.
Auch bezeichnet man mit Parlament öfters das Celluloid (s. d.). Parkwache, s. Innenwachen.
Parlamönt (engl. Mriiainßnt,
vom mittellat. pHi-IiaiuEntum), die aus England übernommene Be- zeichnung für Volksvertretungen, die für
die Rats- versammlungen der engl. Barone seit Mitte des 13. Jahrh, mehr und mehr in Gebrauch kam. über die Entwicklung des
englischen Parlament s. Englische
[* 26] Verfassung (Bd. 6, S.148);
über das heute geltende Recht s. Großbritannien
[* 27] und Irland (Bd. 8, S.
412). Eine frühe Nachbildung des englischen Parlament war das Parlament von Irland, das zunächst in dem kleinen der
engl. Krone unterworfenen Bezirk um Dublin,
[* 28] dem Pale, eingerichtet wurde und sich mit der engl. Herrschaft über Irland erweiterte.
Jakob I. verlieh allein 40 Flecken das Vertretungsrecht, so daß 1613 dem irischen Oberhaus mit 122 Mitgliedern ein Unterhaus
mit 232 Mitgliedern gegenüberstand.
Unter Cromwell wurden die Katholiken und damit die große Masse der
Iren von ihrem eigenen Parlament allsgeschlossen, und dies unsinnige Verhältnis blieb bestehen, bis das irische
Parlament 1801 durch die Union mit dem englischen sein bedeutungsloses Dasein en- dete. Seit längerer Zeit ist jedoch in Irland eine
starke Bewegung im Gange, die darauf abzielt, von neuem ein selbständiges irisches Parlament zu schaffen. (S.
Home-Nulers.) Selbständig neben dem englischen hatte bis zur Vereinigung 1707 das schottische Parlament bestanden. Hier traten seit
Robert I. auch Städtevertreter neben die geistlichen und weltlichen Großen, ohne jedoch nur annähernd diesen gegenüber
eine Bedeutung wie ihre engl. Genossen gewinnen zu können. Die Lords herrschten
völlig in dem gemeinsam tagenden Parlament, wie im Staat überhaupt.' Erst Wilhelm III. verschaffte dem bürgerlichen Element
das
Über- gewicht, bis das I'. 1707 das schottische Parlament im großbritannischen aufgehen ließ. Eine ganz andere Bedeutung gewann
das Parlament in Frankreich.
Dort führte vor alters insbesondere diesen Namen der alte Pairshof (s. Pairs), der
die Streitigkeiten der Reichsunmittelbaren entschied, den Reichsrat vorstellte, sich aber mit der Zeit zur Reichsversammlung
des Adels und der Geistlichkeit überhaupt erweiterte.
Aus der Reichsversammlung trat schon gegen die Mitte des 12. Jahrh,
ein vom König ernannter Ausschuß hervor, der die Prozesse der Großen verhandelte und die Gestalt eines
Reichsgerichts annabm.
Die Barone und Prälaten, die in «dieser Kommission das Richteramt nur als Lehnsdienst versahen, ließen
es sich gern gefallen, daß ihnen der König seine Hofbeamten und rechts- kundigen Räte beiordnete. Allmühlich bemächtigten
sich diese Juristen der Geschäfte und drückten dem Parlament, wie man die Gerichtskommission
des Reichstags vorzugsweise nannte, den Charakter eines königl. Obertribunals auf. Unter Ludwig IX. wurden die Gerichte im
Krongebiete angehalten, an das Parlament zu appellieren, und auch die Parteien aus den Terri- torien der Großen thaten dies gern,
weil das Parlament die Rechtspflege gründlich übte, statt der Zwei- kämpfe den Zeugenbeweis
annahm und dem Rich- terspruche Nachdruck zu verschaffen wußte. Scholl wurden die Gesetze, Urteile und Ordonnanzen auch in
Registern aufgezeichnet, die nach dem Anfangs- wort Olim hießen (hg. von Veugnot, Par. 1840, und von Boutaric, ^.ct68 äu parlLment,
ebd. 1868). Immer noch war das Parlament eine zwar vom König be- rufene, jedoch von der Reichsversammlung
abhängige Kommission, die nach dem altgerman. Rechtsgrund- satze, daß das Recht an Ort und Stelle gepflogen werden muß, im
Lande herumzog. Erst als Phi- lipp IV. 1302 die Reichsversammlung in die Reichs- stände (s. ^tat8 ^6ii6i-Hux) umschuf,
wurden die richterlichen Funktionen förmlich von ihr getrennt. Das Parlament, in seiner doppelten Eigenschaft als
Pairs- gericht und königl. Obertribunal, nahm seinen festen Sitz in Paris.
[* 29] Hier eröffnete es jährlich zwei große Gerichtssitzungen
und sandte von hier aus regel- mäßig Kommissionen zur Abhaltung der Lehns- gerichtstage (Feaccaria, 6c1iiHui6l8) nach Rouen
[* 30] und Troyes; für den Süden ward 1302 ein Parlament in Toulouse
[* 31] eingesetzt. Kraft
[* 32] ihres Privilegiums er- hielten sämtliche Pairs Sitz
und Stimme im neuen Parlament, wovon sie aber selten Gebrauch machten. Unter Philipp V. wurde 1319 den Prälaten der
Eintritt ins Parlament entzogen. Weil sich die Geschäfte sehr häuf- ten, mußte der König 1320 die
Gerichtssitzungen permanent erklären und den Räten jährliche Besol- dung bewilligen. Um den großen Zudrang der Ju- risten
zu hindern, die beim Eintritt Ritter (militez litsriNi, ck6vali6i'8'63-i6tti'68 oder 6n loix) wurden, beschränkte Philipp
VI. 1344 die Zahl der Räte auf 78 und die der Präsidenten auf drei und erteilte dem Parlament zugleich das
Recht, dem König bei Erledi- gungen neue Mitglieder zu präsentieren, was aber schon Karl VII. 1439 für immer abschaffte.
In dem ersten Jahrhundert wurden die Voll- machten der Räte jährlich erneuert. Ludwig XI. be- ! nutzte dies, um besonders die
Präsidenten beliebig ! abzusetzen, sah sich aber 1468 zu einem Gesetz ge- ! nötigt, wonach fortan die
Parlamentsglieder nur 58*
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forlaufend
916
durch richterliches Urteil ihre Stellen verlieren konn- ten. Mit Einziehung der Kronlehen und dem Er- werb fremder Länder errichteten
die Könige, zur Be- förderung der Krongewalt und der Staatseinheit, auch in den neuen Gebietsteilen Parlament, die mit dem Pariser
zusammen eine Korporation bildeten. Nach cinem ersten Anlaufe von 1302 wurden 1443 zu Tou- louse, 1453 zu
Grenoble,
[* 36] 1462 zu Bordeaux,
[* 37] 1477 zu Dijon,
[* 38] 1499 zu Rouen, 1501 zu Air, 1553 zu Rcnnes, 1620 zu Pau,
[* 39] 1633 zu Metz,
[* 40] 1686 zu Douai, 1422 und 1676 zu
Döle und Besancon, 1538 und 1762 zu Trsvour und 1775 zu Nancy
[* 41] Parlament gegründet.
Das Parlament der Hauptstadt wußte jedoch durch sein Alter und seine Verbindung mit dem Hofe, die Größe seines Gerichtssprengels,
durch be- sondere Privilegien, endlich durch den Grundsatz, daß es der Rechtsnachfolger des alten Pairshofs sei, besonderes
Ansehen zu behaupten. Diese angebliche Rechtsnachfolgerschaft muhte dem Pariser Parlament auch in palit. Beziehung
eine nützliche Deckung geben. Das Parlament war als eine Waffe des Königtums gegen die Seignorialgerichtsbarkeit emporgekommen,
nur das Königtum hatte ihm seine große Stellung ver- liehen; seitdem es aber diese besaß, arbeitete es daran, das vom Herrscher
verliehene Amt zum per- sönlichen Besitze zu machen und eine selbständige privilegierte Körperschaft
auch der Krone gegenüber zu werden.
Das Mittel dazu gab ihm die durch Gewohnheit festgewurzelte Befugnis, die königl. Er- lasse
in seine Register einzutragen (6ni-6Fi8tr6in6nt) und auf diese Weise zu publizieren. Der Krone war es erwünscht gewesen, durch
diese Eintragung in die Bücher einer angesehenen, aber von ihr selbst ab- hängigen Körperschaft ihre
Gesetze vor der öffent- lichen Meinung bekräftigen zu lassen. Das Parlament aber machte aus dieser Form eine Wafse,
es machte aus dem Rechte der Eintragung ein Recht der Prüfung und der Zurückweisung und erhob sich gegen unlieb- same Ordonnanzen
zur Ablehnung, die es durch Vorstellungen (i-6monti-anc68) begründete.
Durch königl. Gegenwart (s. I^it ds^uätice) erzwang dann häufig
die Regierung die Eintragung. Diese Politik befolgte das Parlament schon gegen Lud- wig XI., mehr noch gegen Franz I. Die Konflikte
nahmen seitdem kein Ende. Gestärkt wurde die Stellung der Parlament dabei durch die seit Ludwig XII. sich einbürgernde Käuflichkeit
der Stellen. Da der Staat nie mehr die Kaufsummen, die nun jeder Nachfolger seinem Vorgänger zurückzahlte,
wieder- erstatten konnte, so wurden die Parlamentsglieder vermöge ihres Eigentumsrechts gewissermaßen un- antastbar.
Heinrich IV. erlaubte endlich, mit Ein- führung der sog. Paulette, die Vererbung der Ämter. Es bildete sich durch beide Maßregeln
eine Parlamentsaristokratie (nol)i6386 cl6 i-odsj; große Iuriftenfcrmilien behielten Generationen hindurch
die Amter in ihren Händen; Mißbrauche entstanden unleugbar, während andererseits der ^tandesgeist eine im ganzen wirksame
und reine Aufsicht über die Sittlichkeit der Gcsamtkörperschaft ausübte. In den Religionswirren großer Teil des Kampfes
gegen die Ketzer zu; die «Magistratnr» (Richterfchaft) war im
ganzen über- aus katholisch-konservativ.
Erst die span. Ausschrei- tungen der Liga (s. d.)
trieben die doch stets fran- zösisch gesinnten Parlament auf die Seite Heinrichs IV. Richelieu veranlaßte Ludwig XIII., in dem I^it
äe Mstice von 1640 den Parlament jede polit. Gewalt ein für allemal abzusprechen. Die Parlament rächten
sich, indem
sie das TestamentLudwigs XIII. vernichteten und der Königin Anna die ungeteilte Regentschaft
über- ließen. Weil jedoch die Regentin an Mazarins Hand
[* 42] die straffe Politik der vorigen Regierung fort- setzte, verbanden
sich die Parlament mit den unzufriedenen Großen und veranlaßten dadurch die Unruhen der Fronde (s. d.), aus denen
die königl. Gewalt nur um so stärker hervorging.
Ludwig XIV. drückte die Parlament zu gewöhnlichen Gerichtshöfen herab. Dennoch hatten sie, als der König 1715 starb,
ihre frühere Bedeutung nicht vergessen, und das Parlament von Paris vernichtete sogleich die testamentarischen Bestimmun- gen des
Königs, degradierte dessen legitimierte Söhne, sprach dem Herzog Philipp von Orleans die absolute Regentschaft
zu und erhielt zum Lohne aus- drücklich das Remonstranzrecht zurück. Von da ab hat es nicht aufgehört, zu opponieren und
der Re- volution die Wege zu bereiten.
Sein Widerstand gegen die gefährlichen Finanzprojekte Laws (s. d.) erweckte den Zwiespalt mit dem Hofe aufs neue. Das Parlament von
Paris hielt eigenmächtige Plenarver- sammlungen (unions), faßte und veröffentlichte Be- schlüsse (arrötZ), die denen des
Staatsrats entgegen- liefen, stellte endlich die Iustizpflege ein und wurde darin von den Parlament der Provinzen
unterstützt. Der Regent nahm hingegen, auf Dubois' und ÄrgensonsRat, der Korporation die polit. Befugnisse und ver- bannte
das Parlament auf kurze Zeit von Paris nach Pon- tcise.
Mit der Mündigkeit Ludwigs XV. begannen die Streitigkeiten von neuem. Gerechter Einspruch gegen Mißbrauche der königl. Politik
vereinigte sich mit dem Kampf für den Iansenismus und mit der selbstsüchtigen Ablehnung aller Versuche der Finanzminister,
eine gerechtere, ausnahmslosere Besteuerung durchzusetzen. ( Frankreich, Bd. 7, S. 92.) Nur gegen die Jesuiten
waren die Parlament mit der Regierung der Pompadour und Choiseuls einig; gleich darauf verschärfte sich der Gegensatz wieder.
Der Kanzler Maupeou (s. d.) schritt bis zur Auf- lösung der Parlament fort
(1771); den unter ungeheurer Er- regung des Landes errungenen Erfolg der Krone opferte indes Ludwig XVI.
sofort nach seiner Thron- besteigung durch Herstellung der alten Korporationen. Bald zeigte es sich wieder, daß die Parlament die
Lage des Staates und die Bedürfnisse der Nation nicht be- griffen. Sie verhinderten die Neformbestrebungen des Königs, Malesherbes',
Turgots, Neckers und stellten sich in Verbindung mit dem hohen Adel nock den letzten Besferungsversuchen
des ^ncisn i-ögimc; entgegen.
Der Konflikt mit Lomenie de Briennc, der hieraus erwuchs, gab den Parlament eine letzte Popu- larität ; sie zerstörten diese durch
Widerstand gegen den dem,dritten Stande günstigen Stimmmodus auf den I^tatä ALH6r3.ux. Mit den übrigen alten Gewalten, die
sie so lange befehdet hatten, fielen auch die Parlament; die Nationalversammlung hvb sie 1790 auf.
Vgl. Voltaire, HiZtoirs än Mi-Ienient äs ?ari8 (Par. 1769);
Hertz, Voltaire und die franz. StrafrechtZpflege im 18. Jahrh.
(Stuttg. 1887).
¶
forlaufend
917
über das Frankfurter Parler, das Erfurter Parler und das deutsche Zollparlament s. Deutschland und Deutsches Reich (Geschichte). Parlamentär
(frz. imrleinenwirs), ein an den Feind zu Anknüpfung von Verhandlungen, Mit- teilung wichtiger
Nachrichten, Aufforderung zur Kapitulation u. s. w. Abgesandter. Der Parler ist ge- wöhnlich
ein Offizier, der sich durch eine vor ihm ge- tragene Stange mit weißem Tuche oder durch das Bla- sen (Trommeln)
eines ihn begleitenden Trompeters (Tambours) als Parler kenntlich macht und nach Kriegs- recht unverletzlich ist.
Anlangende Parler werden stets mit großer Vorsicht behandelt, da sie zuweilen bei überbringung unwesentlicher Nachrichten
den Zweck der Rekognoscierung verfolgen. Sie werden bei den Vorposten angehalten; ein Offizier nimmt ihnen
gegen Quittung die Depeschen ab oder läßt sie, falls sie mündliche Aufträge an höhere Befehlshaber überbringen, mit
verbundenen Augen auf Umwegen zu diesen und wieder zu den Vorposten zurückführen. Im Seelriege künden sich Parler durch eine
befondere Parlamentärflagge ihres Bootes an. Parlamentarier, Mitglied eines Parlaments, besonders ein
solches, das die parlamentarische Thätigkeit als Beruf wählt.
Parlamentarisch, das Parlament betreffend, sich darauf beziehend, ihm gemäß;
fo spricht man von parlamentarischer Beredsamkeit,
von parlamentari- schen Ausdrücken, parlamentarischer Geschäftsord- nung u.s.w.;
parlamentarische Regierungs- form ist soviel
wie Parlamentarismus (s. Konsti- tutionelles System);
unparlament arisch, gegen den parlamentarischen
Ton oder Brauch verstoßend.
Parlamentarismus, s. Konstitutionelles Sy- Parlamentieren, unterhandeln. j^stem. Parlamentsborough
(engl. ?^iaw6ntar)' Loi'ouAli), s. Voi'ou^Ii. Parlamentsgebäude, Gebäude, in dem die Volks- oder Landesvertreter ganzer Staaten
oder einzelner Landesteile zur Ausübung ihrer Obliegen- heiten tagen. (Hierzu die Tafeln: Parlaments- gebäude I und II.)
Muster ist wie für die konstitu- tionelle Verfassung, so auch für den Bau der Parler, England gewesen. Neben
der damals noch vor den Thoren von London liegenden Westminsterabtei bauten die engl. Könige 1097 die Weftminsterhalle, den
Sitz des alten engl. Parlaments. Um 1400 umgebaut, erhielt sich dieser großartige 73:20m messende
Saal bis heute.
Später fügten die Könige noch eine Reihe von Bauten an diese Halle,
[* 44] welche 1834 vor Beginn des Neubaues
des engl. Parla- inentshauses abgebrochen wurden. Barry erbaute dies im spätgot. Stil; es wurde 1847 vom Ober- baus, 1852 vom
Unterhaus bezogen und war 1868 äußerlich fertig gestellt. Die alte Weftminsterhalle bildet jetzt den
Vorsaal, durch den man in die Cen- tralhalle unter dem Mittelturm gelangt. Nördlich liegt das Unterhaus mit seinen Nebengemächern,
südlich das Oberhaus mit der Königsgalerie. Die Ostfront erhebt sich in 275 in langer Front gegen die Themse (s. Taf. II,
[* 43]
Fig. 1). Die Einrichtung ist auch jetzt noch nicht vollendet (s.
London, Bd. 11, S. 280). - Ahnlich großartig ist das Parler der
Ver- einigten Staaten von Amerika,
[* 45] das Kapitol zu Washington (s. Tafel: Amerikanische Kunst I,
[* 43]
Fig. 7), zu dem GeorgeWashington
selbst 1793 den Grundstein legte; 1851-69 wurde es durch Walter und Clark erweitert. Das Haus der Repräsentanten
und die Staatcnkammer bilden die neu angebauten getrennten Flügel, während die Mitte die große Rotunde mit
der mächtigen
Kuppel und Festräume einnehmen. Der Stil ist der eines strengen Klassi- cismus. - Das Pariser Parler ((^nidi-6 äes äeMek) entstand
aus dem ältern Palais Bourbon und wurde 1828-33 von de Ioly für seinen Zweck eingerichtet; der Senat
tagt im Palais Lurembourg (s. d.). Der Reichstag des alten DeutschenReichs hatte anfangs kein festes Heim, sondern wanderte
von Stadt zu Stadt; aber auch als er in Negensburg 1663- 1803 Sitz nahm, kam es bei den traurigen innern Verhältnissen nicht
zu einem würdigen Bau.
Nach 1871 wurde der Bau eines Neichstagshauses in Berlin
[* 46] in Aussicht genommen, indem zwei Wett- bewerbe ausgeschrieben wurden.
Im ersten erhieltL. Bohnstedt,^im zweiten Parler Wallot und Fr. Thiersch die ersten Preise. 1884 begann der Bau nach dem in Hochrenaissance
gehaltenem Entwürfe Wallots (s. Tafel: Parlamentsgebäude I). Der Bau bildet ein Rechteck mit Kuppel, breitem
Flügel in der Hauptachse, in welchem hintereinander die Festhalle, der Sitzungssaal und die Treppe
[* 47] für den Bundes- rat liegen.
An die Halle schließen sich längs der Hauptfacade die Festsäle und Restaurationsräume an, an 'die Treppe die Säle für
den Reichstags- vorstand und den Bundesrat. Für die Presse,
[* 48] das Publikum sowie für Kommissionssitzungssüle,
Bi- bliothek, Post u. s. w. ist reichlich gesorgt (Kosten rund 25 Mill. M.). - Das Reichsratsgebäude
für Wien
[* 49] (s. Taf. II,
[* 43]
Fig. 2) schuf 1874-83 Theophilus von Hansen (s. d.) Dort liegt der Festsaal in der Mitte, das Herrenhaus
links, das Abgeordneten- haus rechts, beide in der Außenarchitektur kräftig hervorgehoben. Die Bauformen
sind die des edlen hellen.^Stils. Die Kosten betrugen 7^ Mill. Fl. Das Reichsratshaus zu Budapest,
[* 50] 1885-96 nach Plänen von
Steindl erbaut, hat den Stil jenes zu London. - In Rom
[* 51] wie in Stockholm
[* 52] ist ein Neu- bau geplant.
Kleinere Parler für Provinziallandtage u. s. w. sind in
neuerer Zeit viele gebaut worden, so in Hannover
[* 53] (von Wallbrecht 1878-80, Kosten 1,5 Mill. M.), in Berlin (Landeshaus der Provinz
Brandenburg,
[* 54] von Ende und Böckmann, 1888 voll- endet), in Danzig
[* 55] (von denselben 1882 - 85), in Düsseldorf
[* 56] (von Raschdorff
1876-79), in Brunn (von Hefft und Raschta 1875-78, Kosten 1,6 Mill. Fl.), in Straßburg
[* 57] (von Hartel und
Neckelmann). Von großer Wichtigkeit ist beim Parler die Gestaltung des Sitzungssaales.
Dieser ist im DeutschenReichs- tagshause rechtwinklig. In der Achse einer Schmal- seite sitzt auf hohem Podium das Präsidium,
ihm zur Seite der Bundesrat und zu Füßen die Schriftführer; vor diesen stehen die Tische der Stenographen.
Von hier aus erheben sich amphitheatralisä) die Sitze der Abgeordneten, die durch Wege keilförmig abgeteilt sind. Nach alter
Sitte sitzen die konservativen Par- teien rechts, die oppositionellen links vom Präsi- denten; das Centrum nimmt in der
Mitte Platz. ?a. r1a.nÄo (?ai-Iant6, ital., «sprechend»),
eine mehr recitativische, sich dem Sprechen nähernde Singweise; Parlando-Arie, s.
Arie. Parlatorlum (neulat.), in Klöstern der fürUnter- redungen mit Besuchern bestimmte vergitterte Raum. Parler, Arler, berühmte
Steinmetzenfamilie des Mittelalters. Der bedeutendste aus ihristPeter Parler von Gmünd,
[* 58] geb. 1333, gest. um 1397 zu Prag,
[* 59] der 1356 von
KaiserKarl IV. zum Dombaumeister von Prag ernannt wurde. Er erlangte dort eine ^ angesehene Stellung, baute
den Chor des Doms¶
forlaufend
918
und der Allerheiligenkirchc zu Prag, der Kirche zu Kolin,
[* 61] am Schloß Karlstein und an der Prager Moldaubrücke. In einer angeblich
verstümmelten Inschrift über seiner Büste am Dom wird sein Vater als HeinrichArler ausBolonia bezeichnet; man hat angenommen,
daß es «Parler» und «Colonia»,
also aus Köln
[* 62] heißen müßte, da auch Peter Parma
[* 63] mit einer Kölnerin verheiratet war. Doch glaubt man
neuer- dings, daß Boulogne die Heimat der Familie sei. Dieser HeinrichP. baute die Kreuzkirche zu Schwä- bisch-Gmünd, deren
Grundstein 1351 gelegt wurde.
Gewisse Anzeichen lassen vermuten, daß Heinrich Parma der Südfranzösischen Schule nicht fern gestanden habe. Johannes von Gmüno,
wohl der BruderPeters, war 1357 am Münster
[* 64] zu Basel,
[* 65] 1359 an jenem zu Freiburg
[* 66] thätig; Heinrich von Gmünd, wohl dessen Sohn, war 1387 in Brunn
thätig und beteiligte sich 1391-92 am Dombau zu Mailand.
[* 67] Die SöhnePeters, Johann Parma, Wenzel Parma und Paul P von denen der erstere 1380 Dombaumeister
in Prag war, scheinen mit dem Beginn der hussitischen Wirren die Hauptstadt Böhmens verlassen zu haben. Mit der Familie Parma sucht
man in Verbindung zu bringen die ihrer Person und ihrer Bedeutung nach noch nicht genügend aufgeklärten Jung Herren von Prag,
welche im 15. Jahrh, mehrfach als Lehrer in der Gotik bezeichnet werden. -
Vgl. Klemm, Württemb.
Baumeister
und Bildhauer bis zum 1.1750 (Stuttg. 1882); Neuwirth, Die Wochen- rechnungen und der Betrieb
des Prager Dombaues (Wien 1890); ders., Peter Parma von Gmünd, Dom- baumeister in Prag, und seine Familie (Prag 1891).
Parley (spr. -le),Peter, s. Goodrich. I'a.riia.lNVnt (engl., spr. pährliment),
s. Parla- Parlier, s. Polier. sment. Parlieren (frz.),
sprechen. ?a.r!onr (engl., spr. pahrler), Sprechzimmer, Empfangszimmer
für Gäste. Parma, vormals souveränes Herzogtum Ita- liens, grenzte entlang dem Po an die österr. Lom- bardei, im O. an
Modena, im S. an Toscana, im W. an das Königreich Sardinien
[* 68] und umfaßte zu- letzt 6200 ^m mit (1857) 499835
E. Seit 1860 ist Parma dem Königreich Italien einverleibt und eingeteilt in die zur Emilia gehörigen Provinzen Parma (s. den
folgenden Artikel) und Piacenza, wahrend der Distrikt Pontremoli der Provinz Massa - Carrara des Compartimcnto Toscana zugeteilt
worden ist.
Die Städte Parma (s. d.) und Piacenza, welche der Papst Julius II. mit ihrem Gebiet dem Herzogtum Mailand
in der Zeit von 1511 bis 1513 entriß und dem Kirchenstaat einverleibte, machte Paul III. zu einem erblichen Herzogtum, um
damit 1545 seinen Sohn Pier Luigi Farnese (s. d.) zu belehnen; nach dessen Ermordung wurde Pia-
cenza von den Spaniern besetzt; das von päpstl. Truppen besetzte Parma aber gab Julius III. schon 1550 an Pier Luigis Sohn Ottavio
zurück und Pia- ccnza erhielt dieser dann von Philipp II. von Spa- nien 1558 wieder.
Unter den Farnesen führte nun Parma und Piacenza das nach außen bedeutungslose Leben eines ital. Kleinstaates,
dessen Ruhe nur der Krieg um Castro unterbrach. Nach dem Er- löschen des Mannsstammes der Farnesen mit Her- zog Antonio (1731)
wußte es Elisabeth, die Ge- mahlin Philipps V. von Spanien,
[* 69] eine Tochter des ältesten Bruders des HerzogsAntonio, durchzusetzen,
daß ihr Sohn DonCarlos die Herzogtümer Parma und Piacenza erhielt, die er aber 1735-38 an KaiserKarl VI.
als Entschädigung für das im Wiencr Frieden ihm zugefallene Königreich
beider Sicilien überließ. Im Aachener Frieden von 1748 trat
Maria Theresia die 1745 von den Spaniern erober- ten, 1746 aber zurückgewonnenen Herzogtümer nebst Guastalla an Elisabeths
zweiten Sohn Von Philipp ab, mit der Bedingung der Rückgabe an Osterreick, falls der Mannsstamm dieses
Infanten erlöschen oder einer seiner Nachkommen den sicil. oder span. Thron
[* 70] besteigen sollte. Auf Philipp folgte 1765 dessen
Sohn Ferdinand, der beim Eindringen der Franzosen in Italien durch einen Frieden mit der Republik sich
den Besitz seines kleinen Staates erhielt; doch sprach der Friede von Campo- Formio ein nördlich vom Po gelege-
nes Gebietsstück der cisalpinischen Republik zu. Die Angliederung des im Lune'viller Frieden bestätigten Herzogtums an
Frankreich erfolgte 1802 nach dem Tode Ferdinands auf Grund einer Vereinbarung, die zwifchen
Frankreich und Spanien zu Madrid
[* 71] getroffen worden war und die Ent- schädigung von Ferdinands Sohn, DonLudwig, mit dem aus dem
Großherzogtum Toscana ge- schaffenen Königreich Etrurien festfetzte.
Parma, Pia- cenza und Guastalla wurden nun zunächst an Mo- reau zur Verwaltung übergeben, dann Frankreich vollständig einverleibt; doch wurde der Herzogstitel von Parma mit den Einkünften an Cam- bacsrös und der von Piacenza
an Lebrun als Lehen gegeben; als franz. Verwaltungsbezirk bildeten Parma und Piacenza nach dem Dekret vom das Departement
Taro; das Herzogtum Guastalla hatte Napoleon schon seiner Schwester Pauline zur Regierung
und Nutzung übergeben.
Durch den Pariser Frieden von 1814 und die Wiener Konareßakte von 1815 kamen die Herzog- tümer Parma, Piacenza und Guastalla als
souveränes Eigentum an die bisherige Kaiserin von Frankreicb, Erzherzogin MariaLouise, die den Titel Kaiserin und Majestät
behielt. Dieser Verfügung widersprach jedoch der König von Spanien, der die Herzogtümer für die ehemalige
Königin von Etrurien, die Infan- tin Maria Luife von Spanien, zurückverlangte und deshalb seinen Beitritt zur Wiencr Kongreßakte
ver- weigerte.
Infolge davon wurde durch einen bc- sondern, zu Paris abgeschlossenen Vertrag festgesetzt, daß die Herzogtümer
(mit Aus- nahmedes am linken Poufer liegenden Teils, der mit dem Besatzunsssrecht in der Festung Piacenza
dem Hause Osterreich verblieb) nach dem Tode der Kaiserin Maria Louise an die Nachkommenschaft der Königin von Etrurien fallen
sollten, die sich bis dahin mit dem Fürstentum Lucca
[* 72] begnügen mußte. Nach dem Erlöschen dieses Hauses aber
sollte Parma an Osterreich, Piacenza an Sardinien hennsallen.
Die Kaiserin Maria Louise regierte im ganzen mild; trotz- dem erhoben sich ziemlich ernste Unruhen 1831,1833 und 1846, die
jedoch durch österr. Truppen rasch niedergeschlagen wurden. Als Maria Louise starb, nahm Karl II. (s. d.), der
Lucca an Toscana abgetreten hatte, von seinen Erblanden Besitz. Gegenüber der nationalen Bewegung in Italien
hielt Karl II. zu Österreich,
[* 73] und so brach eine Revolution aus, infolge deren der Herzog19. April das Land verließ,
um nicht mehr zurück- zukehren. Doch ward seine Autorität schon im Aug. 1848 durch die österr. Waffen
[* 74] wiederhergestellt und Parma nunmehr einem strengen Militärreannent unter- worfen. Nach der Abdankung Karls II., 14. März¶
forlaufend
919
1849, trat dessen Sohn, HerzogKarl III. (s. d.), die Regierung an, der sich ganz von seinem Günstling,
dem Engländer Ward, leiten ließ. Nach seiner Er- mordung 26./27. März 1854 übernahm seine Witwe Luise Marie Therese, als
Vormündern: seines Sohn- chens Robert I., die Regierung. Die Versuche dieser wackern und begabten Mau,
durch ein wohlwollen- des Regiment die Bevölkerung zu versöhnen und auch den nationalen Anforderungen gerecht zu werden,
führten zu mehrfachen Reibungen mit Österreich.
Nachdem sie trotz ihrer Neutralitätserklärung sich nach der Schlacht von Magenta gezwungen gesehen hatte, das Land zu verlassen
ver- einigte sich Parma mit Modena und der Nomagna unter der Regierung Farinis (s. d.)
zum Gouvernement Emilia, das dann, nachdem sich bei allgemeiner Volksabstimmung im März 1860 eine große Majori- tät für
die Angliederung ausgesprochen hatte, durch Dekret des Königs Victor Emanuel II. mit dem König- reich Sardinien vereinigt
wurde.
G.B.Ianelli,vi2i0NHri0 di0 Fr3.iic0 äei?a,rmiFiaiii iiiustri (Genua
[* 76] 1877-82); R. Di Soragna, ^Mio^i-HÜa Ztorica 6 ZtHtutarili.
äeiis provincie ?arm6^8i, Bd. 1 (Parma 1886).
Parma.
1) Provinz im Königreich Italien, in der Landschaft Emilia, grenzt im N. an die Provinz Cremona, im O.
an Reggio Emilia, im S. an Massa-Carrara und Genua und im W. an Pia- cenza, hat 3240 (nach Strelbitskij 3310) ykm mit (1881)
267306, nach einer Berechnung 1894) 272900 E., d. i. 83 E. auf 1 cikm, und zer- fällt in die 3 Kreise
[* 77] Borgo San Donnino,
Borgo- taro und Parma mit zusammen 50 Gemeinden. Die Provinz ist in dersüdl. Hälfte vom Apennin durch- zogen, der sich im Monte-Orsaro
bis 1830, im Monte-Silara bis 1861 m erhebt und gegen den Po, der im N. die Grenze bildet, abflacht, und wird bewässert
von den Nebenflüssen des Po: Ongina (Grenzfluß), Taro mit Ceno und Stirone, Parma mit Cinghio
und Vaganza und der Enza (Grenzstuß), sowie zahlreichen Kanülen. Im Gebirge wird Vieh- zucht getrieben, die Ebene liefert
Getreide,
[* 78] Wein, Obst, Käse sowie Wurstwaren und Seide.
[* 79] Die In- ^ ^- dustrie erstreckt sich auf Her- (MU^^^"^) stellung von
Eeidenwaren, Schuhwaren, Papier und Hü- ten. Die Eisenbahnlinien be- rühren die Hauptstadt. - 2) Hauptstadt
der Provinz Parma, an dem zum Po gehenden Flusse Parma, an den Linien Bo- logna-Piacenza,P.-Casalmag- giore-Piadena (40 km) und
Parma-Suzzara (44 km) des AdriatischenNetzes, sowie Parma- '^pezia (120 km) des Mittelmeernetzes, mit Dampf- straßenbahnen nach
Fontanellato und Busseto,Rocca- bianca, Langhirano und Traversetolo, ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, Appellationshofs,
Tri- bunals erster Instanz, einer Handelskammer sowie der Infanteriebrigade «Pisa»
[* 80] und hat (1881) 45217, nach einer Berechnung 50600 E., in Garnison das 29. und 30. Infanterie-
und 6. Ka- vallerieregiment, breite Straßen,
mehrere Brücken
[* 81] und eine fast die ganze Stadt umgebende Allee
(Rampari).
Matten durch die Stadt führen die alte Via. Emilia, jetzt Via Vittorio Emanuele, die Via Mazzini, Via Lamarmora und Via M. d'Azeglio,
im ganzen 2,2 km, am Westende der ersten die Piazza grande mit den Standbildern Correggios von Ferra- rini
(1870) und Garibaldis von Calandra (1893); auf der Piazza della Steccata das Denkmal des in Parma geborenen Malers Mazzola, genannt
Par- meggianino, von Chierici (1879), an der Piazza della Prefettura das Standbild Victor Emanuels II. Von den über 60 Kirch en
sind bemerkenswert die 1058 begonnene lombard.-roman. Kathedrale (il Duomo), mit Zusätzen des 13. Jahrh.,
die in der acht- eckigen Kuppel die berühmte, aber sehr beschädigte Himmelfahrt Maria und 6 Löwen
[* 82] aus rotem Mar- mor an
den Portalen enthält; das Baptisterium aus Veroneser Marmor ist im gleichen Stile, 1196-1270 erbaut, achteckig mit drei rundbogigen
Portalen, fünf Stockwerken und acht Pyramiden und einein Glockentürmchen von Benedetto Antelani auf dem
flachen Dache; die Kirche eines alten, jetzt als Kaserne dienenden Benediktinerklosters San GiovanniEvan- gelista, ein schöner
Kreuzbau der Renaissance, mit Kuppel (Fresken von Correggio, 1521-24), drei Schiffen und zwei Kapellenreihen, 1510 von Bernardo
Zaccagni erbaut, die Facade 1604 von Simone Moschino dem Jüngern von Orvieto, der Turm
[* 83] 1614 von G. B. Magnani;
die Madonna della Stcccata, 1521-39 nach dem Muster der Peters- lirche von Zaccagni erbaut, ein griech. Kreuz
[* 84] mit runden Abschlüssen,
mit Kuppel und vier Halb- kuppeln; das ehemalige Benediktinerinnenkloster Convento di San Paolo, jetzt Erziehungsanstalt, mit
Fresken von Correggio (1518-19) in einem Zimmer.
In der Kircbe das Denkmal des Grafen Neipperg, zweiten Gemahls der Herzogin Luise, von Bartolim.
Von weltlichen Gebäuden sind zu erwähnen der unvollendete Palazzo della Pilotta, 1597 von den Farnese begonnen, mit Altertümersammlung,
Gemäldegalerie (Correggio, Holbein,
[* 85] Cima da Conegliano), großer Vidliowca Platina. (225400 Bände, 5000 kleinere Schriften, 1757 Handfchrif-
ten, darunter zahlreiche orientalische), 1865 durch die Vereinigung der 1769 von Herzog Philipp II. von Bourbon gegründeten
Vidlioteca. ?ai'm6N86 und der von Lucca nach Parma übergeführten Lidlio- tsca.
Platina gebildet; das Teatro Farnese, 1618 -19 von Aleotti erbaut, neuerdings restauriert, für 4500 Zuschauer; der Palazzo
del Giardino, am Ende des ehemaligen herzogt. Gartens, jetzt Militär- schule, 1564 von Ottavio Farnese
erbaut, mit Fresken von Agostino Carracci. Unterrichts- und BildungsWesen. In Parma lehrten schon 1272 Gilio Milidürii und Albert
Galeottus jurist. Disciplinen. Die Versuche der Stadt, ein Generalstudium zu gründen, scheiter- ten im 14. Jahrh.;
die Gründung der Universität erfolgte nach amtlichen Quellen 1512. Nachdem sie in der ersten Hälfte
des 19. Jahrh, eingegangen war, wurde sie neu eingeweiht. Sie hat eine jurist., mediz.-chirurg.
und mathem.-naturwissen- schaftliche Fakultät und 1890/91: 62 Docenten und 272 Studierende. Zu ihr gehören eine Veterinär-
und eine pharmaceutische Schule, Sternwarte,
[* 86] ein botan. Garten
[* 87] und naturhistor. Museum. Ferner hat die
Stadt ein bischöfl. Seminar, landwirtschaftliches
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