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peratur, hinreichende und richtige Zuführung des Sauerstoffs der Luft) und vorteilhafte Wärmeabgabe an die Zimmerluft. Außerdem ift wünschenswert: Wärmeabgabe durch Leitung und milde Strahlung, Regulierbarkeit der Verbrennung dem Värmebedarfe entsprechend, einfache und sichere Bedienung, be- queme Reinigung der Heizflächen und Entrußung der Rauchwege. Ferner ist Wert zu legen anf eine mit dem Ofen event, zu verbindende Ventilation der Räume: Zuführung reiner, vorher erwärmter Luft und Abführung der verbrauchten Zimmerluft.
Obige Bedingungen werden am wenigsten erfüllt von der ältesten Lokalheizung, der offenen Feuer- stelle; auch bei der halboffenen Feuerstelle, dem Kamin (s. d.), ist die Wä'rmeausnutznng noch eine sehr geringe. Die eigentlichen Stubeuöfen mit ganz geschlossener Feuerung sind anßerordentlich mannigfaltig konstruiert. Man kann sie im allge- meinen einteilen in solche mit gewöhnlicher nnter- brochener Feuerung und solche mit ununterbrochener oder Füllfenerung.
Die Art der Erwärmung der Räume wird sehr durch das Ofenmaterial (gebrann- ter Thon oder Eisen [* 2] oder beides) beeinflußt. Der gebrannte Thon nimmt als schlechter Wärmeleiter nur laugsam die Wärme [* 3] der Feuergase auf und giebt sie noch langsamer an den zu erwär- menden Raum ab; je nach der Dicke der Ofenwand entwickelt er ein größeres oder geringeres Wärme- F'g. i. [* 1] Fig. 2. aufspeicherungsvermögen. Aus derartigem Material hergestellte O., Thon-, Kachel-, auch Berliner [* 4] Öfen [* 5] genannt, welche aus dem russischen und schwe- dischen Ofen hervorgegangen sind, erwärmen erst nach mehrern Stunden das Zimmer, dafür kann aber dieFeuerung nach verhältnis- mäßig kurzer Zeit eingestellt werden, und die im Ofen aufgespeicherte Wärme bc- wirtt ein nachhaltiges Er- wärmen des Raums.
Damit die aufgespeicherte Wärme uicht durch den Schornstein entweicht, muß dieser vom Ofen abgeschlossen werden, aber nicht hinter dem Ofen durch die sog. Ofenklappein der Rauchröhre, wodurch Kohlenoxydgasvergiftung (s. d.) entstehen kann, sondern vorn durch luftdicht schließende Ofen- thüren. Die gleichmäßige milde Wärmeabgabe, allcr- [* 1] Fig. 3. dings ohne Regelung derselben, läßt diesen Ösen für Wohnräume vorteilhaft erscheinen. Beistehende [* 1] Fig. 1 u. 2 zeigen zwei Längsschnitte eines gewöhn- lichen Berliner Ofens mit vertikalen und wagerechten Zügen; die Fünfeckform [* 1] (Fig. 3, im Querschnitt) bean- sprucht weniger Raum, ist aber teurer und weniger wärmeausnutzend. Während für Holz- und Preh- kohlenfeucrung ein Rost nicht unbedingt erforderlich ist, macht sich ein solcher sowie eine Isolierung des Feuerraums von der Ofenwand bei Stein- oder Braunkohlenfeuerung notwendig und zwar durch Eiufetzung von Chamotteplatten [* 1] (Fig. 1 u. 2) oder eines eisernen Feuerkastens, der sich unabhängig vom Ofenmauerwerk ausdehnen kann.
Das Wärmeleitungsvermögen des andern Ofen- materials, des Eifens, und zwar des dauerhaften [* 1] Fig. 4. [* 1] Fig. 5. Gußeifens, ist ungefähr 33mal so groß als das des Thons. Der eiserne Ofen giebt die aufgenommene Wärme also bedeutend schneller wieder ab als der Thonofen, er heizt fchnell, erkaltet aber auch schnell uach dem Erlöschen des Feuers. Deshalb hat man in eisernen O. beständig das Feuer zu unterhalten. Wegen der verhältnismäßig großen Wärmeabgabe find nur kleine Heizflächen, die event, noch mit Rippen versehen sein können, nötig, weshalb der eiserne Ofen weit billiger als der Thonofen ist.
Das Ausfüttern der O. mit Thon, um ein Erglühen der Wandungen zu verhindern, ist in ökonomischer Hin- sicht nicht rationell und verfehlt feinen Zweck. Die lästige Wärmestrahlung [* 6] der stark erhitzten Heizstächen läßt sich durch Blechschirme, besser durch feststehende Ummantelung beseitigen. Dieser Mantel dient gleich- zeitig dazu, die kalte Fußbodenlust an den Heiz- flächen des Ofens vorbeizuleiten oder am Fußboden dicht abschließend, den Ofen mit einem Frifchluft- kanal unter der Diele in Verbindung zu fetzen und direkt frifche Luft erwärmt ins Zimmer zu führen.
Der einfachste eiserne Ofen ist der Kanonenofen [* 1] (Fig. 4, in etwas verbesserter Konstruktion), bei dem die Wärme der Rauchgase infolge des kurzen Wegs nur fchlecht ausgenutzt wird. Durch Einschaltung eines langen Rauchrohrs zwischen Ofen und Schorn- stein mit auf- und abwärts gehenden Zügen läßt sich eine Vergrößerung der Heizfläche und damit des Nutz- effekts erzielen; der Ofen erfordert aber dann einen, größern Zug, auch sind die Nohrkniee öfter zu ¶
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setzen. Zweckentsprechender ist der Etagcnofen [* 7] (Fig. 5) schon infolge der scharfen Ablenkung der Rauchgase, wodurch lebhafte Wirbelungen und Mi- schungen der kalten und wärmern Gase [* 8] entstehen. Die Dffnungen 9. werden häufig mit Gittern ver- sehen, damit die Zimmerluft sich erwärmend durch- streichen kann, sie werden auch als Nischen zum Warmstellen von Speisen u. s. w. benutzt. Um ein schnelles Erwärmen und längeres Nach- heizen zu erzielen, hat man die beiden Ofenmateria- lien, Eisen und Thon, in der Weise miteinander verbunden, daß man den Feuerkasten zur größern Haltbarkeit aus Eisen, den obern Aufsatz aus Kacheln, oft aber auch umgekehrt herstellt.
Der gußeiserne Teil dient zur raschen Erwärmung des Zimmers, der thönerne Teil zur Wärmeaufspeicherung. Oft bildet auch ein gußeiserner Ofen den Einsatz eines Kachelofens [* 7] (Fig. 6). Im erstern Falle ist die Wärme- aufspeicherung eine sehr geringe, im letztern Falle ist meist eine Reinigung des Ofens von auflagern- dem Staube unmöglich. In [* 7] Fig. 6 umströmt die Zimmerluft 22 von unten nach oben den eisernen Einsatz, wodurch ein Erglühen desselben vermieden und ein schnelles Erwärmen des Zimmers erzielt wird.
Die Nachteile der eisernen O. in der Form des Kanonen- und Etagenofens, daß sie eine beständige OW F'g- [* 7] Fig. 7. aufmerksame Bedienung erfordern, daß ihr Effekt ein sehr wechselnder ist, hat man durch die Kon- struktion der sog. Füllöfen zu beseitigen gesucht, bei welchen ein größerer Vorrat an Brennmaterial znr allmählichen Verbrennimg gelangt. Man unter- scheidet Halb füll- oder Regulieröfen und Füll- oder Dauerbrandöfen; beiden erstern erfolgt die Beschickung in einem größern Feuerraum, bei den letztern in einem besondern Füllschacht, aus welchem das Brennmaterial allmählich in den eigentlichen Feuerraum nachrutscht. Zur erstern Sorte gehört der einfache Meidingersche Ofen, welcher sich durch seine Zweckmäßigkeit und Billigkeit in der Anlage und im Betriebe auszeichnet. Der außen mit Rippen versehene, aus einzelnen Ringen zu- sammengesetzte Cylinder in der verbesserten Form [* 7] (Fig. 7) des Eisenwerkes Kaiserslautern [* 9] hat un- mittelbar über dem Boden einen Hals, welcher durch die luftdicht schließende, zur Regulierung des Zugs seitlich verschiebbare Thür a nach Bedarf ver- schlossen oder geöffnet werden kann.
Die Anordnung von Rost und Aschenkasten erleichtert das Entleeren der Asche. Der Cylinder hat oben einen Füllhals d zum Beschicken und Nachfüllen des Ofens. Zur Milderung der Wärmestrahlung ist der Cylinder mit zwei Blechmänteln umgeben, in welchen die am Fuß- boden lagernden kältern Luftschichten oder von außen zugeführte Frischluft am Ofen emporströmt. Die Bedienung dieses Ofens erfordert Aufmerksamkeit. Man füllt ihn bis unter den Rand des Füllhalfes mit Anthracit oder Koks in Nußgröße, legt etwas Anzündematerial auf, dann noch eine Hand [* 10] voll Koks oder Kohlen, zündet an und schließt die Füllthür.
So- bald die Füllung in Brand, schiebt man die Regulier- thür bis auf einen etwa 10 mm breiten Spalt zu. Gries und backende Kohlen können nur in kleinen Mengen aufgegeben werden. Durch Nachfüllen kann das Feuer fortwährend unterhalten werden. Ähnlich ist auch der fog. Pfälzer Ofen des Eisenwerks Kaiserslautern eingerichtet [* 7] (Fig. 8), welcher durch den Füllschacht 3. für beliebigen Brennstoff geeignet ist. H. Heim in Döbling bei Wien [* 11] fertigt Meidingeröfen recht zweckmäßig unter dem Namen Vestaöfen. Um jedes Brennmaterial, allerdings nur sür einige Brennstunden, bei geringerer Schütthöhe (bei größe- rer nur Koks oder Anthracit) zur Verwendung zu F'g [* 7] Fig. 9. bringen, eignet sich der dem bessern Kanonenofen ähnliche, nur mit einem höhern Brennstosfbehälter ausgeführte Negulierofen, wie er z. V. vom Eisen- werk Kaiserslautern unter Bezeichnung Kasernen- ofen sowie von Käuffer & Co. in Mainz [* 12] (Fig. 9) geliefert wird.
Die Regelung der Verbrennung ge- schieht durch ein Luftventil in der Aschenthür, welche, wie die Füllthür, luftdicht schließt. Teilweise Auskleidung des Feuerraums mit Chamottesteinen, Rippung der Heizflächen und Ummantelung zeigen die t). von E. Sturm in Würzburg [* 13] und H. Kori in Berlin. [* 14] Bei dem sog. Irischen Ofen liegen die Feuerzüge nicht über, sondern hinter dem Feuerherd. Der Ofen bleibt dabei verhältnismäßig niedrig, giebt also zweckmäßig die Wärme mehr an die untern kältern Luftschichten ab. [* 7] Fig. 10 zeigt eine für Kir- chen und große Säle gebräuchliche Ausführungs- form des Irischen Ofens. Verfertiger solcher Öfen sind ¶
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David Grove in Berlin, Iul. Wurmbach in Bocken- heim und das königl. Württembergische Hüttenamt Wasseralsingen. Auch diese O. können in leichte- ster Weise für Heizung [* 16] mit Luftumlauf (Cirkulation der Zimmerluft) und für solche mit Lufterneuerung (Zuführung frischer Luft) eingerichtet werden. Eine besondere Art der Füllösen bilden die Schachtöfen, welche insbesondere auch für grösiere Näume, als Schulen, Krankenhäuser u. s. w., ange- wendet werden und für die Beschickung mit magerer, [* 15] Fig. 10. gasarmer Kohle, Koks, Braunkohle, Torf eingerichtet sind.
Der schräge Füllschacht, wie in [* 15] Fig. 8, läßt das Brennmaterial allmählich nach dem Planroste rutschen, wo es zur Verbrennung gelangt. Die ge- ringe Verbrennungsschicht dort ermöglicht es, jedes ^ stückförmige Brenn- material zu verwen- den. Es gelangt hierbei die Kohle im untern Teile des Füllschachtes zur Verkokung, ihre Gase mischen sich mit den Rauchgasen, wo- bei eine möglichst vollkommene Verbren- nung und keine Nauch- und Ruhbildung be- wirkt wird.
Die erste Konstruktion rührt von Kä'uffer her, welcher auch eine besondere Luftzuführung durch Kanäle herbeiführte, die in den obern Ecken des Füllhalses einge- gossen sind. [* 15] Fig. 11 [* 15] Fig. ii. zeigt die gebräuchlichste Ausführungsweise der Schachtöfen von Käuffer & Co. in Mainz für kurze und Dauerfeuer, für beliebiges Brennmaterial und mlt regulierbarer Zuführung frischer Luft, die sich mit der fortwährend cirkulierenden Zimmerluft mischt. Bet einer andern Art Füllöfen wird eine große Menge Brennmaterial in einen lotrechten Schacht gebracht, aus welchem die Stücke allmählich in einen korbförmigen Feuerraum gleiten und dort abbrennen Durch den Korbrost wird das Anliegen des Brenn- materials an den Wandungen des Ofens verhindert. Diese Art Öfen ist zuerst von Amerika [* 17] nach Deutsch- land unter der Bezeichnung Crownjewel gekom- men und nur für Anthracit- oder Koksfeuerung ein- gerichtet, was bei Beurteilung dieser sonst recht guten Öfen, bei welchen das Feuer durch Glimmer- scheiben sichtbar ist, in Betracht zu ziehen ist. Eine neuere Konstruktion ist der Langesche Dauerbrandofen [* 15] (Fig. 12) von Wille & Co. in Berlin, bei dem die Kohle durch die mit regulierbarem Luftventil ver- sehene Thür a in den cylindri- fchen Schacht ein- gefüllt wird und auf dem Roste d ruht. Im In- nern des Schach- tes sind guß- eiserne Rippen e (s. den Grundriß) eingehängt und damit senkrechte Kanäle gebildet, welche nach dem Kohlenraum bin feine Spalten be- sitzen und nach unten hin offen sind.
Zur Entlee- rung des Aschen- kastens ä ist die Thür 6 vorge- sehen. Schorn- steinrohr k führt die Feuergase ab. Zur bessern Wär- meverteilung und Verminde- [* 15] Fig. 12. rung der Wärmestrahlung ist der Füllschacht mit dem Cirkulationsmantel Z umgeben. Derselbe läßt unten freien Raum für die Lufteinströmung und ist oben mit einer durchbrochenen Vekrönung versehen, inner- halb welcher sich ein Wassergefäß zur Luftbefeuch- tung befindet. Das Brennmaterial wird im obern Teile des Füllschachtes hierbei einer trocknen Destil- lation unterworfen, beim Niedersinken allmählich in Koks verwandelt und schließlich völlig rauchfrei ver- brannt. Die entwickelten Destillationsgase werden von den senkrechten Kanälen aufgenommen, mischen sich hier mit atmosphärischer Luft, welche durch a einströmt, und gelangen hoch vorgewärmt in die auf dem Roste ruhende Koksglut, wo sie vollständig ver- brennen. - Füllöfen mit gußeisernem Ein- satz und Kachel bau bei guter Ausnutzung des Brennmaterials, angenehm andauernder Wärme- abgabe und in schöner dekorativer Ausstattung bauen Hausleiter & Eisenbeis in Nürnberg, [* 18] auch G. Wurm [* 19] in Frankfurt [* 20] a. M. Einen Füllofen mit Prehkohlen- feuerung fertigen Emil Wille & Co. in Berlin. Eine Lüftung der Räume kann durch Vorwär- mung der Zuluft sehr einfach an den Mantelöfen, aber auch ohne Mühe an jedem Kachelofen durch Kanäle im Ofen bewirkt werden; im erstern Falle muß dafür Sorge getragen werden, daß der Mantel nicht zu eng den Ofen umschließt und sich letzterer leicht von auflagerndem Staube reinigen läßt. Für eine regel- mäßige Lüftung ist aber auch die Anordnung von Abluftkanälen nötig, die am besten neben die ¶
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treffenden Schornsteine gelegt werden. Die Abluft durch die Öfen direkt den Schornsteinen zuzuführen, ist nicht zu empfehlen, da Rauch und Ruh in die Zimmer treten können, auch der Zug in dem Schorn- stein darunter leidet. Hiernach sind die unter dem Namen Ventilationsöfen,Gesundheitsöfen u. s. w. in Handel kommenden t)fen zu beurteilen. Bei den O., welche gleichzeitig zum Heizen undKochen benutzt werden, ist hauptsächlich darauf zu sehen, daß die beim Kochen erzeugten Wasser- dämpfe von einem über dem Kochherde des Ofens angebrachten Dunstmantel aufgefangen und sicher abgeführt werden.
Einen solchen Zlmmerkochofen für Arbeiterwohnungen zeigt Tafel: Kochherde und Kochmaschinen [* 22] II, [* 21] Fig. 4. Das Leuchtgas [* 23] zur Zimmerheizung zu ver- wenden, ist in ökonomischer Beziehung bis heute noch sehr unvollkommen gelungen. Bei den Gas- kaminen brennen leuchtende, also auch starke Wärme ausstrahlende Flammen vor einem blanken spiegelnden Reflektor. Die konzentrierende Wirkung der Reflektoren kommt indessen nur den unmittelbar vor dem Ofen stehenden Personen zu gute.
Wirkung und Nutzeffekt aleicht den gewöhnlichen Kaminen. Vei den ältern Konstruktionen wurden die Verbrcn- nungsprodukte nicht einmal abgeführt, wie es z. B. auch bei den Natron-Carbonöfen geschieht, was selbst bei Ausstellung in weiten großen Räumen, Kirchen u. s. w. bedenklich, in kleinen Räumen ge- radezu gesundheitsgefährlich ist. Vei demNieskeschen Natron-Carbonofen passieren die Verbrennungs- produkte einen Kasten mit Kalk u. a. und sollen darin absorbiert werden, was aber nur teilweise geschieht. Es wird hierbei nicht bedacht, daß der hauptsächliche Zweck eines Ofens die Trennung der Wärme von den durch den Schornstein abzuführenden Verbrennungs- produkten ist, was beim Gasofen um fo nötiger ist, da z.B. zur Erzeugung von 20000 Wärmeeinheiten fast 4cdm Leuchtgas erforderlich sind, die beim Ver- brennen 2,2 cdiii Kohlensäure entwickeln.
Die neuern Gasöfen hat man so konstruiert, daß die Verbren- nungsprodukte vor ihrer Abführung in den Schorn- stein im Ofen einen langen Weg zurücklegen, auf wel- chem sie ihre Wärme an die eine Seite der Wandungen abgeben, während die andere Seite die aufgenom- mene Wärme an die Zimmerluft abgiebt. Auf diese Weise hat man es wohl erreicht, die in den Schorn- stein gehenden Gase stark abzukühlen, aber damit den Mißstand eines zu schwachen Auftriebes im Schornstein herbeigeführt.
Eine geringe, etwa durch den Windstoß erzeugte rückläufige Bewegung der Verbrennungsprodukte bringt ein Erlöschen der Flammen und damit Explosionsgefahr hervor. Gasheizung eignet sich deshalb nur in manchen Fällen für Küche, Badezimmer, gelegentliches Heizen kleinerer und größerer Lokale, zur Tem- perierung derselben sowie aushilfsweise oder zur Unterstützung einer andern Heizung. Erwähnens- wert sind die Strahlöfen der Deutschen Kontinental- Gasgesellschaft in Dessau, [* 24] der Ofen von Kutzscher- Zschetzschingk, der Gasofen von Cor, der Regene- rativofen von Friedrich Siemens, der Karlsruher Schulofen.
Bei diesem letztern (in der Anordnung von Wolpert und Eisele; Fabrikant: Warsteiner Hütte), [* 21] Fig. 13, durchziehen die aus einem Kranz von Leuchtbrennern entwickelten Heizgase schrau- benförmig einen engen doppelwandigen Hohlcylin- der und entweichen dann ins Abzugsrohr bei etwa 25" 0. In den Zwischenraum eines eisernen Man- [* 21] Fig. 13. tels, welcher die Strahlung bricht, wird der Heiz- cylinder von der Luft des Raums umspült, während Frischluft im innern Cylinder vorgewärmt wird.
Der Zutritt von Frischluft kann durch einen Dreh- schieber am Ofenfuß ganz abgeschlossen und mittels der seitlichen Schieber kann eine Um- laufstellung bewerk- stelligt werden. Die Krone des Ofens ist mit einem Verdun- stungsbecken versehen und die Schlitze am Ofensuß sind mit Glim- merscheiben geschlos- sen. Besonders bemer- kenswert ist die Eisele- sche Hahnsicherung. Zum Auzünden des Gases muß der Zünd- brenner durch einen Schlitz herausgedreht werden, erst dann kann der Haupthahn geöff- net werden.
In den Schulzwischenstunden und zum Beginn der Gasbeleuchtung wird der Ofen abgestellt. Eine verhältnis- mäßig billige Heizung (auch zum Kochen und Trocknen), angenehme milde Wärmeabgabe ohne das tägliche zeitraubende Feueranmachen bei spar- samem Nachtbetriebe ergiebt der Grudeofen [* 21] (Fig. 14), in welchem Grude in feinkörnigem Zu- stande verbrannt wird. Die Grude glimmt unter Luftzutritt, und es entsteht eine Temperatur bis zu 400° ^. ohne Rauchentwicklung.
Die Grude wird in einen ausziehbaren Kasten auf eine Unter- lage von Asche gebracht, welche als schlechter Wärme- leiter eine zu starke Abkühlung des Brennstoffs und damit ein Erlöschen des- selben verhindert. Das Anzünden erfolgt nach Besprengen mit Spiritus [* 25] oder mit Hilfe eines glü- hend gemachten Eisens. Durch Bedecken der glü- henden Masse mit Äsche kann sie längere Zeit, also z. B. während der Nacht, in langsamem Glimmen erhalten werden. Bei Ent- fernung der Asche kann lästige Staubentwicklung durch Benutzung der von Pauly angefertigten Schaufeln und Eimer vermie- den werden, oder es fällt die Asche bei dem Kei- delschen Ofen durch eine mittels Handgriff frei gemachte Öffnung im Glutkasten in einen Aschen- kasten. Ausführungen in verschiedener Form und Größe liefern Richard Pauly in Berlin, Aug. BeulZ- hausen in Leipzig, [* 26] Keidel & Co. in Friedenau- Verlin und G. Hoffmann in Berlin. Fig. 14 zeigt einen derartigen Ofen mit zwei Glutkästen. Über einige Preise von A. f. Heizungs- und Lüf- tungsanlagen. - Litteratur s. Heizung. ^ [* 21] Fig. 14. ¶
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Ofenbruch, s. Gichtschwamm. Ofenfarbe, der zum Schwärzen der Öfen ver- wendete Graphit (s. d.). Ofenhorn, Gipfel des Sankt Gotthard [* 28] (s. d.). Ofenpaß, Poststraße (39 km) der Münsterthaler Alpen [* 29] im schweiz. Kanton Graubünden, [* 30] steigt von Zeruez (1497 m) in: Unterengadin zu dem einsamen Wirtshaus (1804 m) am Ofenberg (roman. il Fuorn) hinauf, erreicht über die Alp Buffalora die Paßhohe Sü Som oder das CierfserIöchlein (2155 in, Wasser- scheide zwischen Inn und Etsch) und zieht durch das Münsterthal nach Münster [* 31] (1248 m) hiuab.
Ofensau, oder kurz Sau, in der praktischen .Hüttenkunde gebräuchliche Vezeichnnng für solche in metallurgischen Öfen auftretende metallische Ab- scheidungen, die nicht ein beabsichtigtes Produkt darstellen, sondern durch fremde Einflüsse, nament- lich falschen Osenbetrieb entstehen. So bekommt man denn Rohschmelzen in der Kupfergewinnung [* 32] die Eisensau (s. Kupfer, [* 33] Vd. 10, S. 812d). Ein nicht abfließender Nest im Martinofen oder eine ganze wegen zu niedriger Temperatur erstarrte («eingefro- rene») Charge wird ebenfalls als Sau bezeichnet. Ofenvogel, s. Töpfervogel. Offenau, Dorf im Oberamt Neckarsulm des württemb. Neckarkreises, am Neckar, an der Linie Neckarelz-Iagstfeld der Bad. [* 34] Staatsbahnen, [* 35] hatte 1890: 763,1895:818 E., darunter 29 Evangelische; Wein- und Tabakbau und Saline Clemenshall mit Solbad. Offenbach. [* 36]
1) Kreis [* 37] in der Hess. Provinz Starken- burg, hat 376,66 likm, 1890: 93090, 1895: 101956 E., 10 Städte und 25 Landgemeinden. - 2) Offenbarung am Main, Kreisstadt im Kreis Offenbarung, am linken Ufer des Maius, 5 km östlich von Frankfurt, mit dem es durch elektrische Straßenbahn verbunden ist, an der Linie Bebra-Frankfurt der Preuß. Staatsbahnen und der Neben- linie Offenbarung. - Dieburg - Reinheim (39,5 km) der großherzoglich Hess. Nebenbahnen, Sitz des Kreisamtes, eines Amtsge- richts (Landgericht Darmstadt) [* 38] nebst Kammer für Handelssachen, Hauptsteueramtes, einer Handelskammer und Neichsbanknebenstelle, hatte 1801: 5704, 1880: 28449, 1890: 35085 C'., darunter 11680 Katholiken, 1359 Deutschkatho- liken und 936 Israeliten, 1895: 39470 (20067 männl., 19403 weibl.) E., in Garnison das 3. Ba- taillon des Infanterieregiments Prinz Karl Nr. 118, Postamt erster Klasse, Telegraph, [* 39] 2 evang., je eine franz.-reform., kath. und deutschkath.
Kirche, Syna- goge, Isenburgisches Schloß (1770-72), Palais des Fürsten Isenburg - Birstein, Gymnasium, Real- schule, höhere Mädchen-, Kunstgewerbe- und ge- werbliche Fachschule, Handelsschule, Armenhaus, Stadtbad, Krankenhaus, [* 40] eine Natron-Lithionquelle (seit 1888), Wasserleitung, [* 41] Kanalisation, Gaswerk, elektrische Beleuchtung. [* 42] Die Einwohner trieben an- fänglich fast bloß Ackerban, bis sich mit Übersiede- lung des Hofs des Fürsten von Isenburg um 1685 eine Hof- und Beamtenaristokratie zu bilden be- gann. Zu Ende des 17. Iabrh. siedelten sich franz. Auswanderer an, meist Weber, Strumpfwirker und Kappenmacher und Posamentierer. Die An- lage eigentlicher Fabriken begann erst 1774 mit der Begründung der noch bestehenden Schnupf- tabakfabrik der Gebrüder Vernard, der die Firma Johann Andre (s. d.) folgte. Durch den Anschluß des Großherzogtums an den Zollverein blühten Handel und Verkehr auf, und jetzt ist Offenbarung die bedeutendste Fabrikstadt (etwa 400 Fabriken) des Landes, vor allem in Portefeuillewaren. Es bestehen Gerbereien, Maschinenfabriken, Eisen- und Gelbgießereien, Trikot- und Börsenwebereien, Gold- und Silberspinnerei, Schriftgießereien, be- deutende Fabrikation von Stahl-, Schuh-, Sattler-, Gürtler- und Cellnloidwaren, Achsen und Wagen, Tabak, [* 43] Schmirgel, Posamenten, Glanzleder, Vunt- und Glanzpapier, Parfümerien, Chemikalien (Anilin, Vleiweiß u. a.), Leim, Lackfarben, Firnis, Drucker- schwärze, Wachs- und Stearinkerzen, Wachstuch, Cichorien, Filz, Hüten und «Offenburger Pfeffer- nüssen». Die Stadt hat einen Bankverein, eine Agentur der Bank für Süddeutschland, einen Verein Kreditreform, städtische und private Sparkasse. Die Anlage eines Sicherheitshafens in Verbindung mit der Fortführung der 1890 begonnenen Mainkanali- sation ist geplant. - Offenbarung wird zuerst 977 genannt, stand anfangs unter kaiserl. Vögten und kam schließ- lich an die Grafen, später Fürsten, von Isenburg- Virstein. Mit der Mediatisierung des Fürstentums Isenburg (1815) wurde Offenbarung dem Großherzogtum Hessen [* 44] einverleibt. -
Vgl. Königfeld, Geschichte und Topographie der Fabrik- und Handelsstadt Offenbarung (Offenb. 1822);
Pirazzi, Bilder und Geschichten aus O.s Vergangenheit (ebd. 1879);
L. Schmidt, Führer durch Offenbarung (ebd. 1891).
Offenbach, Jakob, Komponist burlesk-komi- scher Operetten, geb. zu Köln, [* 45] von israel. Abkunft, studierte 1835-37 auf dem Kon- servatorium in Paris [* 46] und war dann Violoncellist in verschiedenen Theaterorchestern, zuletzt in dem der Operg. comi^us. Seit 1841 veröffentlichte er mehrere kleine Violoncellkompositionen, die Beifall erhielten. Er ging 1848 nach Deutschland, [* 47] kehrte 1850 nach Paris zurück und eröffnete 1855 eine eigene Vübne, die er V0uif68-?ai'i3i6N3 benannte nnd wo er seine Operetten zur Aufführung brachte. Er besuchte mit seiner Truppe mehrmals die franz. Provinzen, England und einige Städte Deutsch- lands, später allein auch Amerika. Offenbarung starb zu Paris.
Die bekanntesten seiner Operetten sind: «Die Verlobung bei der Laterne», «Orpheus [* 48] in der Unterwelt» (1858),
«Die schöne Helena» (1864), «Blaubart» (1866),
«Die Großherzogin von Gerol- stein» (1867). Es sind Stücke mit parodistischer Tendenz, mit scharfem Witz, zuweilen frivol und ge- mein, immer aber lebendig und flott durchgeführt. Von ähnlicher Natur ist die Musik, die ohne Rück- sicht auf Schönheit und Pietät nach drastischem Aus- druck strebt und zu diesem Zweck, das Beispiel Aubers überbietend, mit Vorliebe Elemente der niedrigsten Volksmusik (Cancan u. s. w.) benutzt. Durch Geist und dramat. Charakter steht aber Offenbarung auch musikalisch hoch über seinen Nachahmern und ist in der Geschichte der komischen Oper einer der kecksten Erfinder.
Für seine edlern Anlagen zeugen seine ersten Operetten (besonders «Fortunios Liebes- lied»),
wie auch sein letztes Werk, die romantischen «Oont63 ä6 Hotlniann» (1880). Offenbarung, eine göttliche Kundgebung an die Menschen. Der Glaube an göttliche Offenbarung ist so alt wie die Religion. Schon das heidn. Altertum glaubte, daß alles höhere Wissen und Können der Menschen auf göttlicher Mitteilung beruhe, und hielt nicht nur die Neligionsstister und Seher der ¶
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Zukunft, sondern auch die Weisen, Künstler und Dichter für angehaucht vom göttlichen Geist oder für inspiriert. (S. Inspiration.) Enger abgegrenzt auf das specifisch religiöse Gebiet war der Offenbarungs- glaube bei den .Hebräern. Nach alttestamentlicher Anschauung ist Offenbarung jede Mitteilung des göttlichen Willens an die Träger [* 50] des Bundes, den Gott init dem auserwählten Volk geschlossen hat. Wie Gott mit Adam und Eva auf sichtbare Weise im Para- diese verkehrte, so offenbarte er sich den Patriarchen durch Engel und Gesichte, dem Moses im brennen- den Dornbusch, und in der Gesetzgebung am Sinai stiftete er selbst seinen Bund mit dem Volke.
Dem Mosaismus der Folgezeit galten die Propheten (s. d.) als die von Gott berufenen und inspirierten Verkün- diger seines Willens an Israel, seiner Verheißungen und Drohungen. Das nacherilische Judentum dehnte dann den Begriff göttlicher Offenbarung auf Inhalt und Form der in einem heiligen Codex zusammengestellten alt- Testamentlichen Schristen aus, ohne darum aufzu- hören, an unmittelbare Kundgebungen Gottes durch Stimmen vom Himmel, [* 51] Engelserscheinungen und andere Wunderzeichen zu glauben.
Derselbe Osfen- barungsglaube ging auch ins älteste Christentum über. Das Leben Jesu erschien als eine fortlaufende Kette wunderbarer Offenbarung; aber auch die Apostel und Propheten des Neuen Bundes redeten und handelten, «wie der Geist Gottes ihnen es eingab», also als Träger unmittelbarer Offenbarung Gottes, und in der Folge- zeit galten die Beschlüsse der Kirchenversammlungen als eingegeben vom Heiligen Geist. Die kirchliche Tradition ist nach der Lehre [* 52] der röm.-kath. Kirche gewissermaßen eine fortgesetzte Offenbarung, daher unfehlbar und durch manche Zeichen und Wunder als gött- liche Wahrheit beglaubigt, die dem Worte Gottes in der Heiligen Schrift ebenbürtig zur Seite tritt.
Dagegen galt der altprot. Theologie die göttliche Offenbarung, die man immer ausschließlicher als übernatür- liche Lehrmitteilung übervernünftiger Wahrheiten faßte, in den Schriften des Alten und Neuen Testa- ments als abgeschlossen. Als Empfänger dieser un- inittelbaren Offenbarung gelten jetzt ausschließlich die mit den Verfassern der biblischen Schriften identifizierten Propheten und Apostel. Da also nur vermittelst der Schrift von der göttlichen Offenbarung Kunde vorhanden ist, so ist nach der prot.
Dogmatik die Offenbarung für uns nur kath. Lehre von der ununterbrochenen Offenbarung Gottes in der Kirche als den vorgeblichen unmittelbaren Er- leuchtungen Gottes, deren die «Schwarmgeister» sich rühmten, gegenübertreten soll. Neben dieser übernatürlichen Offenbarung kennt die altprot. Theologie ebenso wie die Scholastik des Mittelalters auch eine natürliche und versteht unter letzterer die freilich durch die Sünde geschwächte natürliche Erkenntnis Gottes durch Vernunft und Gewissen.
Eine eingehendere Erörterung des Offenbarungs- begriffs entstand erst um die Mitte des 18. Jahrh. Während die ältere Dogmatik die von Gott unmit- telbar inspirierte Heilige Schrift als «Princip der Theologie» oder als Grundlage alles religiösen Er- kennens betrachtet hatte, fah sich die Apologetik ge- nötigt, diese Schristautorität selbst erst aus Ver- nunftprincipien zu begründen. Zuerst ging man auf den allgemeinen Begriff einer göttlichen Offenbarung zurück, sah sich aber bald genötigt, Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit derselben zu verteidigen. Es handelte sich dabei teils um den- übervernünftigen Inhalt, teils um die übernatürliche Form der gött- lichen Offenbarung. In ersterer Beziehung wurde es im Auf- klärungszeitalter zur herrschenden Meinung, daß es sog. übervernünftige Wahrheiten gar nicht gebe, da das übervernünftige zugleich widervernünstig sei, die Vernunft aber allein entscheiden könne, ob etwas göttlich offenbart sei oder nicht.
Hierdurch war der wesentlichste Inhalt des kirchlichen Dogmas beseitigt, da die Lehren [* 53] über Dreieinigkeit, Menschwerdung Gottes, Erbsünde, stellvertretende Genugthuung u. s. w. der ältern Dogmatik selbst als der natür- lichen Vernunft widersprechende galten. Auch die Supranaturalisten verteidigten die «Glaubensge- heimnisse') immer schwächer und mattherziger. Da- gegen hielten die Nationalisten nach dem Vorgange von Kant die Möglichkeit einer übernatürlichen (oder wie man jetzt sagte, unmittelbaren) MiNeikmg ver- nünftiger Wahrheiten fest und stritten nur über die Notwendigkeit einer solchen göttlichen Veranstaltung und über die Kriterien ihrer Erkennbarkeit. Fichte [* 54] fand in dem »Versuch einer Kritik aller Offenbarung" die Be- dingung, unter der das Eintreten einer übernatür- lichen Offenbarung notwendig werde, in dem Falle erfüllt, daß durch das überhandnehmen des Bösen in der Welt die allgemein sittlichen Wahrheiten dem Menschen- geschlecht sich völlig verdunkelt hätten.
Lessing, der über die Offenbarung spottete, «welche nichts offenbart», be- trachtete doch in der «Erziehung des Menschenge- schlechts» die übernatürliche Offenbarung als vorläufige Mit- teilung von Wahrheiten an die Menschen, zu deren Verständnis aus natürlicher Vernunft dieselben erst nach und nach zu gelangen vermöchten. Obwohl daher seines ursprünglichen Inhalts völlig entleert, blieb der Begriff der Offenbarung als übernatürlicher gött- licher Mitteilung fertiger Verstandeserkenntnisse un- angetastet.
Aber auch diese Vorstellung wurde durch die nachkantische Philosophie vernichtet. Nachdem schon Hamann, Lavater, Herder und Goethe (die beiden erstern in der Absicht, den Offenbarungs- begriff in Schutz zu nehmen) anf die Verwandtschaft der religiösen und künstlerischen Inspiration auf- merksam gemacht hatten, führte Schleiermacher den Begriff der religiöfen Offenbarung auf eigentümliche und neue Erfahrungen des religiösen Lebens und auf die schöpferische Begeisterung religiöser Genien zurück, behauptete also anstatt einer äußern wunderbaren Mitteilung fertiger Verstandeserkenntnisse ein in- neres, psychologisch vermitteltes Wirken des gött- lichen Geistes im Menschengemüt.
Für Hegel war die Offenbarung ein Denken Gottes im Menschengeiste, das in der «offenbaren Religion» zum Sichselbsterfassen des unendlichen Geistes im endlichen Denken ge- steigert sei. Die moderne Restaurationstheologie ist Schritt für Schritt zu der Vorstellung übernatür- licher Belehrung zurückgekehrt, hat diefelbe aber durch Hinzufügung einer übernatürlichen Beglaubi- gung Gottes durch wunderbare Geschichtsthatsachen (Manifestation) zu ergänzen, wo nicht gar zu ver- drängen gesucht, während die Alten umgekehrt den Glauben an jene Geschichtswunder auf die Inspira- tion der Bibel, [* 55] also auf die wunderbare Belehrung begründeten.
Dagegen betrachtet die freie Theologie der Gegenwart Offenbarung und Religion als Wechselbegriffe. Offenbarung ist hiernach das dem religiösen Bewußtsein zu Grunde liegende Sichknndgeben des göttlichenGeistes im Menschengeiste, das, geschichtlich mit der geistigen und sittlichen Entwicklung der Menschheit fortschrei- tend, im Christentum von der Kundwerdung der all- gemeinen sittlichen Weltordnung Gottes zur Kund- werdung der Heils- und Reichsordnung Gottes ¶