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Leipzig), [* 2] des Bundesrats und des Reichstags war 5U Berlin. [* 3]
Mit den vier, damals keinem engern Staatenbunde angehörigen süddeutschen Staaten (Bayern, [* 4] Württemberg, [* 5] Baden [* 6] und den linksmaini- schen und linksrhein. Gebietsteilen Hessens) wurden im Aug. 1860 und April 1867 vorerst noch geheimzu- haltende Bündnisverträge abgeschlossen, auf Grund deren im Fall eines Krieges diese Staaten ihre volle Kriegsmacht zur Verfügung stellten und die Herr- scher den Oberbefehl dem Könige von Preußen [* 7] über- trugen.
Ebenso gehörten auch diese vier Staaten dem erneuerten Deutschen Zoll- und Handelsverein an (s. Zollverein).
Der Nordenberg B. bestand dis zu der nach den Verträgen mit den süddeutschen Staaten erfolgten Proklamicrung der Wiedererrichtung des Deutschen Reichs. Über das Heer des Nordenberg B. s. Deutsches Heerwesen;
über die Bundesfestungen s. Deutsche [* 8] Bundes- festungen;
über die polit. Geschichte Deutschlands [* 9] in dieser Zeit s. Deutschland [* 10] und Deutsches Reich (Ge- schichte). -
Vgl. Verbandlungen des Reichstags des Nordenberg B. (Berl. 1867 - 70) und des Deutschen Reichstags (ebd. 1871 fg.);
Hiersemenzel, Die Ver- sassung des Nordenberg V. (3 Tle., ebd. 1867-70);
Archiv des Nordenberg B. und des Deutschen Zollvereins (hg. von Koller, Bd. 1 u. 2, ebd. 1868-69);
Hirth, Annalen des Nordenberg V. und des Deutschen Zollvereins für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik (3 Bde., ebd. 1868-70).
Norddeutscher Lloyd, größte Dampfschiff- fahrtsgesellschast der Welt, mit dem Sitz in Bremen, [* 11] gegründet 1857. Der Nordenberg L. begann seine Fahrten nut drei Dampfern nach England. 1858 wurde dic erste Neuyorker Linie eröffnet, 1866 ein wöchent- licher Verkehr mit den Vereinigten Staaten [* 12] ein- gerichtet. 1867 erhielt der Nordenberg L. die Beförderung der amerik.
Post. Bald folgte die Eröffnung neuer Linien, 1868 nach Baltimore, [* 13] 1869 nach Neu- orleans, 1875 nach Brasilien [* 14] und dem La Plata; letztere Linie wurde bald darauf in zwei selbstän- dige Linien geteilt.
Seit 1880 baute der Nordenberg L. für den Verkehr mit Neuyork [* 15] Schnelldampfer und hat deren (1896) 10 in Betrieb. 1886 übernahm die Ge- sellschaft den Betrieb der vom Reich unterstützten Reich spostdampferlinien nach Ostasien und Austra- lien mit Zweiglinien nach Japan, [* 16] Neuguinea und Sumatra;
letztere Linie erhält keine Reichsunter- stützung. 1890 wurde eine neue Schnelldampferlinie Genua-Gibraltar-Neuyork errichtet und 1892 durch eine Postdampferlinic Neapel-Ncuyork und eine Zweigverbiudung Genua-Neapel-Palermo erweitert. Ebenso trat 1892 neben dem Schnelldampferverkehr ein Postdampferverkehr Bremen-Neuyork ins Leben; 1893 folgte die Eröffnung der Nolandlinie zwischen Bremen und Neuyork.
Die Erbauung neuer Schiffe [* 17] ermöglichte es dem deutschen Fracht- und Passagier- Verkehr, aus der Weserkorrektion insofern Nutzen zu ziehen, als die Dampfer der Rolandlinie und der La- Plata-Linie seit 1893 vom Freihafen Bremen Stadt abgefertigt werden.
Gegenwärtig betreibt der Nordenberg L. 21 Schiffahrtslinien, nämlich 6 Linien nach Nord- amerika (2 Schnelldampfer- und 4 Postdampfer- linien), 2 Linien nach Südamerika [* 18] (Brasilien und La Vlata) sowie eine Zweigverbindung an der brasil. Küste, 2 Hauptlmien nach Ostasien und Australien [* 19] und 4 Zweiglinien im Anschluß an die ostasiat.
Haupt- linie, 3 Linien nach England und 3 andere europ. Linien.
Die Flotte zählt 72 Dampfer, darunter 17 Schnell- und Doppelschraubendampfer, mit einer Maschinenstärke von 191996 Pferdestärken und 217 222 Negistertons Gehalt;
mit den Neubauten beziffert sich der Naumgehalt auf etwa 302000 Re- gistertons.
Außerdem dienen dem europ. Verkehr 80Schleppkähnemitetwa 16000t Gehalt.
DerAn schaffungswert der Schisse beträgt etwa 122 Mill. M. Im Dienst der Gesellschaft stehen etwa 7000 Seeleute. 1895 wurden befördert 148525 Personen;
der Ver- brauch an Kohlen betrug mehr als 15 Mill. Centner, an Proviant 5^ Mill. M. Die Schiffe des Nordenberg L. durchliefen im transatlantischen Verkehr 1895 die Strecke von fast 2,7 Mill. Seemeilen, d. h. mehr als 121mal den Umfang der Erde.
Die Gesellschaft be- sitzt eigene Reparaturwerkstätten in Bremen und Bremerhaven mit zusammen etwa 1500 Arbeitern, Proviantamt, Weinkellereien und Dampfwäscherei in Bremen, serner eine Seemannskasse mit 2 Mill. M.Kapital, über den Namen s. Lloyd. (S.Karte: Dampfschiffabrtsverbindungen des Welt- verkehrs im Atlantischen Ocean, Bd. 4, S. 748.) -
Vgl. Lindeman, Der Nordenberg L., Geschichte und Handbuch (Vrem. 1892).
Norddeutsche Textil - Berufsgenosfen fchaft, s. Nordelbingen, s. Nordalbinger.
Norden, s. Himmelsgegenden.
1) Kreis [* 20] im preuß. Reg.-Bcz.
Aurich, [* 21] hat 394,75 ykm und 1890: 33002, 1895: 34576 (16724 männl., 17854 weibl.) E., 1 Stadt und 38 Landgemeinden. - 2) Kreisstadt im Kreis Nordenberg, an einem zum Nordseebusen Leybucht führenden Kanal, [* 22] an derLinie Em- den-Ievcr und der Nebenlinie Nordenberg- Norddeich (Ostfriesische Küsten- bahn) der Preuß.
Staatsbahncn, Sitz des Landratsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht Aurich), hatte 1890: 6759,1895: 6794 E., darunter 203 Katho- liken und 253 Israeliten, Post- amt erster Klasse, Telegraph, [* 23] Liudgerikirch e mit pracht- vollem bohem Chor (15. Jahrh.), reform. Kirche, Mennonitenkirche, kath. Kirche, Synagoge, Krieger- denkmal, Gymnasium, Gewerbeschule, landwirt- schaftliche Schule, höhere Mädchenfchule, Spar-, Vorschußkasse, Filiale der Ostfriesischen Bank, Ge- nossenschaftsbank;
Eisengießerei, [* 24] Geneverbrennerei, Fabrikation von Zuckerwaren, Schokolade, Tabak, [* 25] Cigarren, Essig, Senf und Cichorien;
Sägewerke, Holzhandel und Märkte.
Ostlich von der Stadt das Schloß des Grafen zu Inn und Knyphausen;
west- lich eine bedeutende Brauerei;
4 km nördlich Nord- deich, mit Nordcrncy durch Dampfer verbunden. Nordenberg, Vcngt, schwed. Genremaler, geb. zu Kompinkulla in der Provinz Vlekinge, kam 1843 als Malergehilfe nach Stock- holm, wo er Mittel fand, akademischen Unterricht zu benutzen. Er ging dann 1851 nach Düsseldorf [* 26] und weilte 1857-59 als Staatsstipendiat in Paris, [* 27] Nom und Neapel. [* 28]
Von Tidemand und der Düssel- dorfer Schule stark beeinflußt, liebt er die Dar- stellung des bäuerlichen Lebens.
Von seinen Bil- dern sind zu nennen u. a.: Abendmahlsfeier in einer schwed. Landkirche (1854; Nationalgalerie zu Kri- stiania), Organist in einer schwed. Dorfkirche (1861- Museum in Leipzig), Zebntcnempfang in Schonen (1862), .Hochzeitszug in Wärende (letztere beide im Stockholmer Nationalmuseum), Heuernte in Schwe- den, Heimkehr der Jäger (1878), Rettung Schiff- brüchiger (1883).
Seit 1860 in Düsseldorf ¶
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haft, wurde er 1866 Mitglied der Akademie in Stockholm. [* 30] Nordenburg, Stadt im Kreis Gerdauen des preuß. Reg.-Bez. Königsberg, [* 31] am rechtsseitigen Allezufluß Swine, der kurz zuvor den Norden- burger See verlassen hat, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Bartenstein), [* 32] hatte 1890: 2251,1895: 2207 meist evang. E., darunter 43 Israeliten, Post, Telegraph, Schlachthaus;
Herstellung von Zucker- zwieback, Ackerbau, Pferdezucht [* 33] und in der Umgebung Ziegeleien und Spiritusbrennereien.
Aordenfelt-Mitrailleuse, von dem schwed. Ingenieur und Wafsenteckniker Thorsten Nordenselt struktionen lassen sich in drei Klassen teilen: Gewehr- initrailleusen, einzöllige Mitrailleusen und Schnell- feuerkanonen.
Die Gewehrmitrailleusenvom Kaliber der Infanteriegewehre kommen mit einem bis zu zwölf Läufen vor, je nach dem zulässigen Gesamt- gewicht.
Eine fünfläufige Mitrailleuse ist für den Gebrauch als Landungsgeschütz wie aus Mast- körben bestimmt.
Von den einzölligen (25,4 mm) Mitrailleusen giebt es sechs verschiedene Modelle, darunter das verbreitetste die vierläufige, die von der engl. Admiralität zur Abwehr der Torpedoboote .angenommen ist.
Jeder der vier Läufe, die auf einem Nahmen nebeneinander liegen, hat ein Schloß.
Alle vier Schlösser werden gleichzeitig mittels eines Hebels bedient, der seitwärts heraustritt und vor- wie zurückbewegt werden kann.
Sind die Läufe ab- gefeuert, so befindet sich der Hebel [* 34] in der vorwärti- gen Lage;
derselbe wird alsdann allmählich zurück- geführt, wodurch die Läufe sich gleichzeitig öffnen und die leeren Patronenhülsen ausgeworfen werden. Durch Viedervorführen des Hebels werden die Länfe gleichzeitig geladen und fchußfertig gemacht.
Der letzte Teil dieser Bewegung bewirkt das Abfeuern eines Laufs nach dem andern in Pausen, die derartig verkürzt werden können, daß das Feuer einer Salve ähnlich wird.
Ein auf den Apparat aufgefetzter Ladetrichtcr speist die Läufe mit Patronen. Nordenfelt-Schnellfeuerkanonen sind eingeführt in England, Italien. [* 35]
Österreich, [* 36] Rußland, Türkei, [* 37] Spanien, [* 38] Sckweden und in außereurop.
Staaten. (S. Nordenfelt-Schnellfeucrkanonen.) - über das Geschoß [* 39] der Nordenfelt-Schnellfeuerkanonen f. Kartätsckgeschütze.
Nordenfelt-Schnellfeuerkanonen, die von 'Nordenfclt konstruierten Schncllfeuerkanoncn;
sie [* 29] Fig. i, besitzen einen etwas ungefügen, aber sehr einfachen und sicher wirkenden Verschluß, der sich ohne Werk- zeug auseinandcrnehmcn und zusammensetzen läßt. [* 29] .Fig. 1 Zeigt den Verschluß geschlossen. Er besteht aus dem eigentlichen Verschlußblock a, auf dejjen hinterer Fläche sich ein Keil d mit schwalbenschwanz- förmigen Nuten c vorschieben kann.
Das Öffnen geschieht durch Drehen des Handhebels ä mit der Coulisse 6 um den festen Punkt l. Die Coulisse zwängt bei dieser Drehung den Bolzen F des Keils und dadurch diesen letztern selber so lange abwärts, bis dieser Bolzen am andern Ende des Coulissenschlitzes An- lage findet und zugleich die ein- zelnen Absätze des Keils die An- lage im Kcilloch verlieren.
Von ^" [* 29] Fig. 2. diesem Augenblick an bewirkt die weitere Drehung der Coulisse ebenfalls ein Drehen des Keils und des mit ihm zufammenhüngenden Vcrschlußblockes, bis der Verschluß völlig geöffnet ist (s. [* 29] Fig. 2). Durch das Abwärtsgleiten des Keils auf dcm Ver- schlußblock geschieht zugleich das Spannen des Ver- schlusses, indem die schrägen Flächend des Keils den Schlagbolzen i an seinen Nasen 1c zurückdrängen und so die Blattfeder 1 spannen. Der Abzugshebel m dient zugleich dazu, den Bolzen in seiner gespannten Stellung festzuhalten, indem sich sein Haken u unter der Einwirkung des andern Armes 0 der Blattfeder vor den Ansatz des Bolzens legt. Das ,^, Abfeuern geschieht selbstthätig durch den / ^ Knaggen p der Coulisse, oder aber durch ^^ ^ Anziehen der Abzugsschnur ci, indem der ^ ^^ lange Arm des Abzugshebels nach rück- wärts bewegt wird. Das Auswerfen der abgeschossenen Patronenhülse ge- schieht durch einen zweiarmigen, um r drehbaren Auswerfer 8; dieser wird durch einen außerhalb des Nohres hängenden Arm, an den beim Öfsnen des Verschlusses ein Knaggen des Handhebels an- schlägt, in Thätigkeit gesetzt. Die Kanonen mit vorbeschriebenem Verschluß weisen nachstehende Kaliber auf: 3,2, 3,8, 4.2, 4,7, 4,9, 5,7, 6,1, 6,3, 7,5 und 10,7 cm. Diese Zahlen sind ziemlich wahllos und dem augenblicklichen Bedürf- nis angepaßt, die dazugehörigen Nohrlängen er- geben ein noch bunteres Bild; dieselben wechseln nämlich zwischen 24 bis 48 Kaliber, doch so, daß z. V. die 5,7 cm-Kanone allein in 7 verschiedenen Nohrlängcn vorkommt. Von einem eigentlichen Sy- stem kann daher kaum die Nede sein; doch ist den Nordenfelt-Schnellfeuerkanonen ¶
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ein hoher Grad von praktischer Brauchbarkeit nicht ' abzubrechen, was auch ihr Vorkommen in vielen Armeen und Marinen erklärlich macht. Nordenskiöld (spr.-schöld), Nils Adolf Erik, Freiherr von, Geognost und Polarfahrer, geb. inHelsingfors, begleitete seinen Vater Nils Norderney, Chef des finländ.Berg- und Hüttenwesens, auf Reisen in Finland und im Ural, studierte inHel- singfors, begab sich 1857 nach Stockholm, wo er 1858 Professor und Vorsteher der Mineralog.
Samm- lungen wurde. Norderney nahm darauf an allen wissen- schaftlichen arktischen schwed. Expeditionen teil, von denen die beiden ersten (1858 und 1861) unter der Leitung Torclls, die beiden folgenden (1864 und 1868) unter N.s Anführung ausgeführt wurden. Die drei ersten Expeditionen hatten nur kleine nor- weg. Fahrzeuge zur Verfügung- zu der vierten aber rüstete der Staat den stark gebauten, von dem Ka- pitän Freiherrn von Otter befehligten Postdampfcr Sofia aus, der 81° 42' nördl. Br., den nördlichsten bis dahin von einem Fahrzeuge be- wchten Punkt, erreichte.
Durch diese Expeditionen wurde die spitzberg.
Inselgruppe genauer erforscht. In den Zwischenzeiten beschäftigte sich Norderney mit der Be- arbeitung der mitgebrachten geolog.
Schätze. (Über die genannten Reisen Torells und N.s vgl. Die schwed. Expeditionen nach Spitzbergen und Bären- Eiland; aus dem Schwedischen übersetzt von Pas- sarge in der «Bibliothek geogr. Reisen und Entdeckun- gen», Bd. 5, Jena [* 41] 1869.) Für die Reichstags- periode 1870 - 72 wurde Norderney von Stockholm in die Zweite Kammer gewählt, wo er in liberalem Geiste wirkte. 1870 drang er in Grönland auf dem Binnen- cise etwa 45 km vor, auch entdeckte er die drei größ- ten bis jetzt bekannten Meteoriten, die er auf 500, 200 und 90 Ctr. schätzte, an der Südseite der Disko- Insel und kehrte mit reichen Sammlungen nach Schweden [* 42] zurück.
Diese Reise beschrieb Norderney unter dem Titel «IledoF^reiäs kör 6ii expeäition tili Qrönwnä ^ 1870» (Stockh. 1871).
Die fünfte schwed. Expedition ging unter seiner Leitung Mitte Juli 1872 von Tromsö ab und überwinterte an der Mosselbai auf Spitzbergen (79° 53' nördl. Br. und 16° 4' östl. L. von Greenwich), von wo er mit einigen Begleitern Frühjahr 1873 auf Schlitten erst nach den nördlich von Spitzbergen gelegenen Sieben- inseln und dann von da über das Binneneis des Nordostlandes nach der Winterstation zurückfuhr. 1875 fuhr Norderney durch das Karische Meer nach der Mündung des Ienissei und wiederholte diese Reise 1876. Den größten Ruhm erwarb sich indessen Norderney durch die Durchführung der Nordostdurchfahrt ent- lang der Nordtüste Sibiriens 1878-79 auf dem DampferVcga.
DcrKönig vonSchweden,derKaus- inannOskar vonDicksonund der sibir.Grubenbesitzer A. Sibiriakow unterstützten die Expedition, die von Göteborg [* 43] abging.
Teilnehmer waren der Lieutenant Palander (Kapitän der Vega), Lieute- nant Vrusewitz, der Botaniker Kjellman, der Zoo- loge Stuxberg, der Arzt Almquist u. a. Nachdem die Vega unter vielen Gefahren die Nordküste Si- biriens umfahren, fror sie Ende Sept. 1878 unter 67,5" nördl. Br. und 173" 23' westl. L. von Green- wich nordwestlich von der Veringstraße ein und tonnte erst ihre Reise fortfetzcn, zu gleicher Zeit als die Ieannette unter Kapitän de Long den mißlungenen Versuch machte, durch die Vering- straße nach dem Norden vorzudringen.
Anfang Sept. 1879 traf Norderney in Japan ein und fuhr von hier durch den Sueskanal [* 44] nach Europa [* 45] zurück. Der König von Schweden erhob ihn April 1880 in den Freiherrcnstand.
Der Bericht über seine epoche- machende Reise erschien zugleich in mehrern Sprachen (deutsch u. d. T. «Die Nmsegelung Asiens und Europas auf der Vega», 2 Bde., Lpz. ^1882; «VeZa.- 6xp6äition6N8 vetenLkapüZH i3icttiiF6i86l», 5 Bde., 1882-87; Bd. 1 auch deutsch, Lpz. 1883; «Studien und Forschungen», ebd. 1885, sowie «N.s Vega- fahrt», bearb. von Erman, 2. Aufl., ebd. 1890). Am ging Norderney in Göteborg auf dem schwed. Postdampfcr Sofia abermals zur See und landete 1. Juli im Auleitsivitsjord in Westgrön- land, von wo er 4. Juli bis 4. Aug. auf der grönländ. Eiswüste weiter vordrang als irgend jemand vor ihm. Am 17. Aug. wurde die Rückreise angetreten, und nachdem er der erste gewesen, dem es geglückt, durch das die Eüdosttüste versperrende Eis [* 46] zu dringen und an der Küste zu landen, traf er am 9. Sept. in Reykjavik ein. über diefe Reise ver- öffentlichte er «Grönland. Seine Eiswüsten im In- nern und seine Ostküste» (Lpz. 1886).
Seine letzten Publikationen galten der ältern Kartographie.
Sein «^acLiiuii6-Htl5l3 rill 1 ^läLt^liiäwria» (Stockh. 1889) enthält die wichtigsten (51 Haupt- und 84 Nebenkarten) Karten, die vor 1600 gedruckt sind. Von dem «Faksimile-Atlas» erschien auch eine engl. Ausgabe.
Zum amerik. Jubiläum veröffentlichte Norderney «lliära^ tili ^oixIenZ iUäätH KartoFrati» (Stockh. 1892) mit den ältesten Karten von Nordamerika. [* 47] -
Vgl. Die Nordpolarreisen Adolf Erik N.s 1858 -79 (autoris. deutsche Ausg., Lpz. 1880).
Nordenskiöld-Meer, Teil des Nördlichen Eis- meers an der Nordküste Sibiriens, zwischen der östl. Taimyrhalbinsel und den Neusibirischen Inseln, vom 120. und 130.° östl. L. von Grecnwich durch- schnitten. In dasselbe münden Chatanga, Anabara, Olenek und Lena.
Nordenskiöld umschiffte in der zwei- ten Hälfte des Aug. 1878 die südl. Gestade des Norderney Norderdithmarschen, s. Dithmarschen.
Norder-Fehnkanal, s. die Tabelle znm Artikel Fehn- und Moorkolonien (Bd. 6, S. 629) und Vcrum. Norderney, 13 km lange und bis 2 Km breite Nordseeinsel an der Küste von Ostfriesland, gehört zum preuh.
Reg.-Vez. Aurich der Provinz Hanno- ver, hat 20 c^km Fläche und im gleichnamigen Dorfe auf der Eüdwestecke in etwa 644 Häusern 1895: 3988 E., meistens Fischer und Schiffer.
Die Ost- hälfte von Norderney besteht aus 10-15 m hohen Sand- dünen, zwischen denen fruchtbares, angebautes Land liegt. Am Eüdrande steht seit 1874 ein 60 m hober Leuchtturm. Norderney hat seit 1801 eine Eeebade- anstalt, die jetzt von den deutschen Nordseebädern am besuchtesten ist (jährlich etwa 16000 Kurgäste), da es im NW. und Norderney ausgezeichneten Strand, kräf- tigen Wellenschlag, mildes Klima [* 48] und gutes Trink- wasser besitzt.
Ferner giebt es gut eingerichtete, fis- kalische Warmbad ehäuser und in den Dünen das 1886 eröffnete stattliche Nationalhospiz für 250 Kin- der (auch Ninterstation).
Das Bad [* 49] ist vom 1. Juni bis 15. Okt. geöffnet, doch ist jetzt für Skrofulöse und Brustlcidendc auch eine Winterkur eingerichtet.
Während der Ebbe kann man vom Lande durch das seichte Watt zu Fuß nach Norderney gehen, übrigens sind Dampferverbindungen mit Geestemünde (Vremer- haven), Hamburg, [* 50] Emden [* 51] und Norddeich an der nahen Küste, wo die 6 km lange Eisenbahn von Nor- den endet, vorbanden.
Zum Schutz gegen ¶
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Sturm-416
fluten wurde 1858 vom nordwestl.
Strande bis fast zur Georgshöhe ein Damm von großen Steinen aufgeführt. -
Vgl. Berenberg, Das Nordseebad Nordhausen [* 53] (3. Aufl., Norden 1895);
Flügge, Verhaltungs- regeln beim Gebrauche der Seebäder, insbesondere für die Badegäste auf der Insel Nordhausen (12. Aufl., ebd. 1879); Die Nordseeinsel Nordhausen (Emden 1882);
Beneke, Die sanitäre Bedeutung des verlängerten Ausent- halts aus den deutschen Nordsecinseln, insonderheit auf Nordhausen (Norden 1881; 2. Ausg. 1886).
Norderoog, unbewohnte Hallig westlich von Nordesk, Fluß, s. Esk. Mlworm. Nordfjord, einer der schönsten Fjorde an der Westküste Norwegens, gegen Süden durch mehrere Gletscher der Iostedalsbrä begrenzt, 70 km lang. Die Ufer find wegen der vorzüglichen Pferde [* 54] (Fjord- pferde) berühmt. Nordfriesen, im Mittelalter auch Strand- friefen genannt, german. Volksstamm an der West- küste von Schleswig [* 55] und auf den vorliegenden Inseln, der seine Sprache [* 56] und Eigenart größtenteils bis auf den heutigen Tag bewahrt hat.
Man unterscheidet zwei spraä)lich und auch sonst verschiedene nordfries. Stämme:
1) die festländischen Nordhausen in dem Marsch- lande und auf der Vorgeest zwischen Husum [* 57] und Tondern, dazu auch die Halligleute und früher auch die Eiderstedter, Nordstrander und Pelwormer, die seit dem 17. Jahrh, die plattdeutsche Sprache ange- nommen haben;
2) die Bewohner der Inseln Sylt, Föhr, Amrum und Helgoland. [* 58] Nordfriesische Inseln, s. Friesische Inseln. Nordfriesische Sprache und Litteratur, die Sprache und Litteratur der Nordfriesen (s. o.).
Man unterscheidet, entsprechend der Zweiteilung der Nord- friesen, zwei verschiedene nordfries. Sprachen, deren jede wiederum in eine Reihe von erheblich verschie- denen Mundarten zerfällt.
Die nordfries. Sprache ist heute noch lebendig, wenn sie auch jetzt immer mehr vor der deutschen Sprache zurückweichen muß. In Eiderstedt und auf Pelworm und Nordstrand ist die nordfries. Sprache seit dem 17. Jahrh, ausge- storben.
Die erst in neuerer Zeit gesammelten Volks- überlieferungenbieten besonders einenreichen Sagen- schatz. -
Vgl. C. P. Hansen, Beiträge zu den Sagen, Sitten, Rechten und der Geschichte der Nordfriesen (Sylter Texte mit deutscher Übersetzung; Teezbüll 1880).
Nordfries. Sprichwörter hat M. Nissen gesammelt: 1)6 treFks I^indlinF (10 Hefte, Stede- sand 1873 - 83).
Festlandsfries. Gedichte von M. Nissen: v6 tresko Hemätin.
Der fries. Spiegel, [* 59] mit einer hochdeutschen Übersetzung (Altona [* 60] 1868). Eine Anthologie von Gedichten von Amrum und Föhr bieten die von Bremer herausgegebenen ^errEn^ lrn 0NN-6NA 8tack"n üd kirnen (Bd. 1 u. 2, Halle [* 61] 1888 u. 1896);
vgl. auch seine und Iirrins'i^ri-enF knöinreiiZ ^.Iiemnack (3 Jahrgänge, Halle 1893 - 95). Zur nordsries. Grammatik vgl. Venösen, Die nordfries. Sprache nach der Moringer Mundart (Leid. 1860);
Lyngbye, 0 m ^oi-älriLiäk i LbkkinF oZ llviääinA Q6rr6ä6i- (Kopenh. und Lpz. 1858); Johansen, Die nordfries. Sprache nach der Föhrin- ger und Amrumer Mundart, mit Texten (Kiel [* 62] 1862); Bremer, Einleitung zu einer amringisch-föhringischen Sprachlehre (Norden und Lpz. 1888);
Outzen, Glos- sarium der sries.
Sprache, besonders in nordfries. Mundart (Kopenh. 1837);
^. .1. ^i-^ton 8w vünt^is (Halle 1896) in söhringiscker Sprache. Nordfriesland (im Mittelalter 1'risiH mwoi-, Westenland), der schmale, stäche Landstrich an der Westküste Schleswigs zwischen Tondern im N. und Husum im S. nebst den vorliegenden Nordfriesischen Inseln (s. Friesifche Infeln) und den Halligen (s. d.), mit diesen von großen Sandbänken umlagert, welche die «Tiefen» genannten Wasserstraßen durchziehen.
Die fast gar nicht gegliederte Küste ist baumlos, von Gräben durchzogen und durch Deiche geschützt.
Das Festland erstreckte sich ehemals viel westlicher, dock hat es namentlich durch die mit Nordweststürmen ver- knüpften Springfluten bedeutend verloren, besonders um 1300 und 11. Okt. 1631;
die Niederungen wurden vom Meere weggespült, und es blieben nur die höher gelegenen Teile als Inseln und Sandbänke zurück. Früher wurde auch die Halbinsel Eiderstedt (s. d.) zu Nordhausen gerechnet. -
Vgl. M. A. Heimreichs Nordsries. Chronik (3. Ausg., von Falck, 2 Tle., Tond. 1819); I. G. Kohl, Die Marschen und Inseln der Herzog- tümer Schleswig und Holstein (3 Bde., Lpz. 1846); C. P. Hansen, Der Sylter-Friese (Kiel 1860);
ders., Chronik der fries. Uthlande (2. Aufl., Garding 1877);
Ch. Iensen, Die Nordfriesifchen Inseln vor- mals und jetzt (Hamb. 1891).
Vgl. auch die vorzüg- liche histor.
Karte von den Nordfriesischen Inseln, der kontinentalen Marsch zwischen Hever und Kö- nigsau sowie von der Friesischen Vorgeest, redigier: für die Zeit von 1643 bis 1648, von Geerz (Berl. und Kiel 1888).
ftahnen. Nordfünensche Eisenbahn, f. Dänische Eisen [* 63] Nordgermanen, die Bewohner von Dänemark, [* 64] Schweden, Norwegen und Island [* 65] (s. Germanen und Ostgermanen), über die Sprache der Nordhausen s. Nordiscke Litteratur und Sprache. Nordhaufen, Stadt und Stadtkreis (21,? gkm) im preuß. Neg.-Bez. Erfurt, [* 66] an der zur Helme [* 67] qehen- ^ den Zorge und den Linien Ottbergen-Nordhausen (132,9 km), Halle-Nordhausen-Cassel (217,6 km, und Nordhausen-Erfurt (79,4 km) der Preuß. Staatsbahnen, [* 68] ist Sitz des Landratsamtes des Kreises Graffchaft Hohenstein, [* 69] eines Landgerichts (Oberlandes- gericht Naumburg [* 70] a. d. Saale» mit 14 Amtsgerichten (Ar- tern, Bleicherode, Dingelstedt, Ellrich, Groß- bodungen, Heiligenstadt, Heringen, Ilfeld, Kel- bra, Nordhausen, Rohla, Sangerhausen, [* 71] Stolberg [* 72] am Harz und Worbis), eines Amtsgerichts, Hauptsteuer- amtes, Eisenbahnbetriebsamtes, einer Handels- kammer und einer Reichsbankstelle. Nordhausen besteht aus Unter-und Oberstadt, hatte 1890:26 847 E., darunter 1224 Katholiken und 493 Israeliten, 1895: 27535 (12968 männl., 14567 weibl.) E., Postamt erster Klasse und Zweigstelle, Telegraphenamt, 7 evang. Kirchen, darunter die St. Blafiuskirche mit 2 Ge- mälden von Lukas Cranach, und einen kath. Dom, eine Neptunsfäule von Nietschel, Luther-, Krieger- denkmal, Gymnasium, Realgymnasium, höhere Mädchenschule, städtisches Museum und bedeutende Industrie, besonders berühmte (etwa 70) Brenne- reien (Nordhäuser Korn, s. d.), Fabrikation von Sprit, Kautabak, Cigarren, Kaffeesurrogaten (Cichorien und Lutzescher Gesundheitskaffee), von Leder, Chemikalien, Zucker, [* 73] Tapeten und Weber- waren (Kattun);
Eisengießereien und Maschinen fabriken, Brauereien, Mälzereien, Kunst- und Han- delsgärtnereien, Gctreidehandel und Ausfubr von Fleischwarcn. - Nordhausen wird 929 zuerst urkundlich er- wähnt. 962 stiftete daselbst Mathilde, die Mutter ¶
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Die Stadt Nordische war reichsfrei und gehörte zum Niedersächsischen Kreise. [* 75]
Durch den Reichsdeputationshauptschluß verlor es 1803 seine Selbständigkeit und kam an Preußen. 1807 fiel es an das Königreich Westfalen [* 76] und 1813 wieder an Preußen. -
Vgl. Förstemann, Urkundliche Geschichte der Stadt Nordische (Nordh. 1828-40);
ders., Kleine Schriften zur Geschichte der Stadt Nordische (Tl. 1, ebd. 1855);
Lesser, Histor. Nachrichten von der ehemals Kaiserlichen und des Heiligen Römischen Reichs Dreien Stadt Nordische (umgearbeitet und fortgesetzt von Förstemann, ebd. 1860);
Girschner, Nordische und Umgegend (ebd. 1891);
Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. [* 77]
Heft 11: Die Stadt Nordische (Halle 1887);
Eckart, Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordische (Lpz. 1895);
Lemcke, Führer durch Nordische und Umgebung (2. Aufl., Nordh. 1896).
Nordhausen-Erfurter Eisenbahn (69,11 km), 1867 genehmigte und eröffnete Bahn, die 1887 nebst der 1874 eröffneten und 1882 von der Nordhausen-Erfurter Eisenbahngesellschaft erworbenen Saale-Unstrut-Bahn Straußfurt-Großheringen (52,77 km) verstaatlicht und der königl. Eisenbahndirektion zu Frankfurt [* 78] a. M. unterstellt wurde. Nordhäuser Korn, ursprünglich ein in Nordhausen, welches seit langen Jahren Sitz einer ausgedehnten Branntweinbrennerei ist, hergestellter reiner Kornbranntwein (s. d.).
Der Ruf des Nordische K. ist darin begründet, daß vielfach noch nach altem Verfahren erst ein schwächerer Branntwein (Lutter) hergestellt wird, der nachher durch eine zweite Destillation [* 79] (Wienen) verstärkt wird;
es wird dadurch das eigentliche Aroma des Kornbranntweins besser erhalten.
Meistenteils ist der als Nordische K. verkaufte Branntwein Kartoffelspiritus, dem durch Zusatz von Kornfuselöl oder allerhand künstlichen Gemischen («Nordhäuser Korngrundstoff», «Nordhäuser Kornessenz», «Nordhäuser Kornwürze») ein dem echten N.K. ähnlicher Geschmack gegeben wird.
Besonderer Wert wird bei dem echten Nordische K. auf das Alter der Ware gelegt, da ein abgelagerter, auf dem Fasse gereifter Nordische K. mildern Geschmack annimmt. Nordhäuser Schwefelsäure, [* 80] s. Schwefelsäure.
Nordholland, Provinz der Niederlande, [* 81] die Halbinsel im W. vom Zuidersee und die Inseln Terschelling, Vlieland und Texel umfassend, bedeckt 2770 qkm mit (1892) 877896 E., d. i. 311 auf 1 qkm, davon 57 Proz. in Mittel- und Großstädten. 56 Proz. des Bodens sind Wiese, Wald nur 2,3, Feld nur 14 Proz. Gewaltige Dünen und Deiche schützen die fruchtbare Marsch vor Überflutung.
Moore sind nicht selten (s. Haarlemer Meer).
Landwirtschaft und Viehzucht [* 82] sind hoch entwickelt, daneben Gartenbau, Leinenindustrie, Schiffbau und seine Nebengewerbe, Brennerei u. s. w. Die größten Städte sind: Amsterdam, [* 83] Haarlem, [* 84] Hoorn und Alkmaar.
Geschichte s. Holland. Nordhorn, Stadt im Kreis Grafschaft Bentheim des preuß. Reg.-Bez. Osnabrück, [* 85] 5 km von der niederländ. Grenze, an der Vechte und dem Ems-Vechte-Kanal, aus dem hier der Südnordkanal abzweigt, an der Nebenbahn Bentheim-Neuenhaus (Bentheimer Kreisbahn), Sitz eines Hauptzollamtes, hatte 1890: 1899,1895: 2041 E., darunter 497 Katholiken und 39 Israeliten, Post, Telegraph, Rektoratsschule;
Baumwollspinnereien, drei Baumwollwebereien, Pappschachtel-, Mostrichfabrik, eine Cichoriendarre, Mahl- und Schneidemühlen, Ölmühle, Molkerei, Schiffbau und Handel mit Holz, [* 86] Torf, fetten Schweinen, Kälbern, Schinken, Butter und Eiern. Nordische Litteratur und Sprache.
Unter den nordischen Sprachen versteht man die Sprachen der german. Bevölkerung [* 87] des skandinav. Nordens.
Sie gehören daher Zu den german. Sprachen und bilden unter diesen, als die nordgermanischen (s. Germanische Sprachen, Bd. 7, S. 866 a.) oder skandinavischen oder nordischen, gegenüber der gotischen und den deutschen, eine eigene Abteilung;
mit der gotischen und den niederdeutschen (sächsischen, englischen, holländischen u. s. w.) stehen sie in ihren sog. tonlosen Konsonanten auf gleicher (der zweiten) Lautstufe;
eigentümlich ist ihnen die Neigung für Suffixe, die im angehängten Artikel und im Passivum zu Tage tritt, wie andererseits der Mangel mancher, allen übrigen german. Sprachen gemeinsamen Präfixe: be-, ge- u. s. w. Unter dem Namen nord. Sprachen begreift man die schwedische, die dänische, die norwegische und die isländische.
Diese Sprachen sind aus einer gemeinsamen Muttersprache hervorgegangen, die man das Urnordische zu nennen pflegt. In finn. Lehnwörtern und Runeninschriften sind Reste des Urnordischen erhalten.
Erst seit dem 10. Jahrh. spaltet sich diese gemeinsame Sprache des Nordens in mehrere Zweige. Die physischen wie die histor.
Verhältnisse der skandinav. Länder und Inseln haben später jede ihrer Sprachen in mehr oder minder eigentümlicher Weise sich entwickeln lassen.
Die isländische Sprache, d. i. die Sprache, welche man bei der Einnahme der Insel (874-930) mit aus Norwegen brachte und welche hier seit dem Ende des 12. Jahrh. durch umfängliche litterar.
Anwendung zu fester Ausbildung gedieh, wird noch jetzt fast ganz in derselben Form gebraucht, wie sie sich in der isländ.
Litteratur des 13. und 14. Jahrh. vorfindet.
Die dänische Sprache empfängt teils infolge der Nachbarschaft, teils durch die Hansa, die Reformation, das oldenb. Regentenhaus, durch deutsche Litteratur und Wissenschaft so frühzeitig, so andauernd und in so intensiver Weise Einwirkung deutscher Sprache, der plattdeutschen wie der hochdeutschen, daß sie, wenig zwar aus grammatischem, um so mehr auf lexikalischem Gebiet den mindest nord. Charakter sich bewahrt hat. In geringerm Grade bat diesen deutschen Einfluß unter teilweise ähnlichen Verhältnissen die schwedische Sprache erfahren.
Die norwegische Sprache ist bis zu Ende des 13. Jahrh. im Südwesten fast genau dieselbe wie die isländische, im Norden wie die schwedische, doch sie verliert als Schriftsprache bald ihre Ursprünglichkeit.
Fälschlicherweise bezeichnet man die Sprache der Litteraturdenkmäler des 13. und 14. Jahrh. als altnordische.
Diese Bezeichnung müßte auch das Altdänische und Altschwedische mit umfassen, allein die Sprachdenkmäler dieser beiden Zweige, die sich schon in den ältesten Zeiten von den norwegisch-isländischen unterscheiden, begreift man fast nie in jenem Ausdruck.
Was man Altnordisch nennt, ist namentlich die alte Sprache Islands und der westl. Bezirke Norwegens.
Die alten Isländer selber nannten diese Sprache entweder im Bewußtsein ihrer Herkunft die norrœna, d. h. die norwegische (nicht nordische), demzufolge die heutigen norweg. Grammatiker sie die altnorwegische (oldnorsk) nennen, oder mit einem den lat. Autoren des Mittelalters entlehnten Ausdruck: dönsk tunga, wörtlich zwar: dän. Zunge, dem Gebrauche nach jedoch ¶
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lediglich: nord. Zunge, d. h. Sprache des skandinav. Nordens.
Diese altnorweg.-isländ.
Sprache behauptet in der german. Sprachwissenschaft, obwohl ihre Schriftdenkmäler um mehrere Jahrhunderte jünger sind als die der got., deutschen und sächs. Sprachen, sowohl durch die Altertümlichkeit und scharf ausgeprägte Eigenheit ihres Laut- und Flexionssystems als auch durch die unvergleichliche Fülle ihres Wortschatzes einen gleich hervorragenden Platz. (Vgl. Möbius, über die altnord. Sprache, Halle 1872; Noreen, De nordiska Språken, Stockh. 1887.) Ihre Grammatik, schon den alten Isländern Gegenstand gelehrten Studiums, erhielt, abgesehen von dem Versuche des Isländers Nordische Jónsson (1651), eine wissenschaftliche Bearbeitung zuerst durch den Dänen R. Kr. Rask, sodann durch Jak. Grimm in seiner Deutschen Grammatik;
neuerdings haben teils norweg. Gelehrte (Munch, Unger, Aars, Bugge), teils isländische (Gíslason, Thorkelsson, Fridriksson), teils dänische (Wimmer), auch deutsche (Brenner) und schwedische (Noreen) schätzbare grammatische Arbeiten geliefert.
Von Wörterbüchern sind zu nennen das Lexikon von Björn Haldörsson (Kopenh. 1814), eins für die poet.
Sprache von Sveinbjörn Egilsson (ebd. 1860) und drei für die Prosa: vom Isländer Erik Jónsson (ebd. 1863), vom Norweger Fritzner (2. Aufl. 1883 fg.) und vom Isländer Gudbrand Vigfússon (Oxf. 1869 fg.).
Deutsche Hilfsbücher zur Erlernung der altnord.
Sprache verfaßten Dietrich (2. Aufl., Lpz. 1864), Friedrich Pfeiffer (ebd. 1860) und Th. Möbius (Analecta norrœna, 2. Aufl., ebd. 1877, und Altnord. Glossar, ebd. 1866). Die Litteraturen der nord. Sprachen sind nach Alter, Umfang, Gehalt wesentlich voneinander verschieden.
Die schwed. und die dän. Litteratur beginnen, abgesehen von Runeninschriften, gegen das Ende des 13. Jahrh., und was sie an originaler Produktion aufzuweisen haben, beschränkt sich in den ersten Jahrhunderten auf Schriften des praktischen Bedürfnisses: Gesetze, Urkunden, Genealogien, chronikalische Aufzeichnungen, Arzneibücher u. dgl.;
der übrige Bestand sind mehr oder minder freie Übersetzungen und Bearbeitungen teils biblischer und geistlicher Schriften, teils fremder Romane, Unterhaltungsbücher, Historien u. s. w. Auch die altnorweg.
Litteratur bietet im ganzen nicht viel mehr.
Nur zeigen sich hier in der Wikingerzeit die Anfänge der Skaldendichtung und der Einfluß des von Norwegen aus besiedelten Island, der namentlich die Geschichtslitteratur zu einer gewissen Entfaltung bringt.
Seit dem 14. Jahrh. hört in Norwegen überhaupt fast jede litterar.
Thätigkeit auf;
im 18. Jahrh. stehen einige hervorragende Dichter in dän. Diensten, und erst seit Anfang unsers Jahrhunderts hat sich eine neue, speciell norweg. Litteratur entwickelt.
Von allen nord. Stämmen hat allein der isländische in alter Zeit eine Fülle wertvoller originaler Schöpfungen in Poesie und Prosa erzeugt. -
Vgl. F. W. Horn, Geschichte der Litteratur des skandinav. Nordens (Lpz. 1879);
Schweitzer, Geschichte der skandinav. Litteratur (Bd. 1, ebd. 1886);
Rosenberg, Nordboernes Aandliv (3 Bde., Kopenh. 1878-85).
(S. Dänische Sprache und Litteratur, Isländische Sprache und Litteratur, Schwedische Sprache, Schwedische Litteratur.) Nordische Mythologie, die Wissenschaft von dem heidn.
Glauben und Kultus der nordgerman.
Völker, beruht in ihrer jüngsten Entfaltung vorzugsweise auf isländ., weniger auf norweg., dän. und schwed. Quellen. In ihren Grundzügen, die wir namentlich aus den volkstümlichen Erzählungen aller nord. Völker aus alter und neuer Zeit kennen, deckt sie sich mit der Deutschen Mythologie (s. d.), doch ist sie bald ihre eigenen Wege gegangen und hat in der Wikingerzeit fremden, selbst christl. Einfluß zu erfahren gehabt. Die drei Schichten mythischer Vorstellung und religiöser Verehrung, die wir bei fast allen heidn.
Völkern finden, haben wir auch bei den Nordgermanen.
Die Seele vermochte sich vom Leibe zu trennen, sie erschien in allerlei Gestalten, namentlich als Fylgja, dem Menschen im Traume, sie lebte nach dem Tode fort, konnte wiederkommen, bald in der Gestalt eines Bären, Adlers, Wolfs, bald in der eines Schwanes (Schwanjungfrauen, s. d.), bald als Geist u. dgl. Sie lebte fort in den Scharen der Walkyren (s. d.) und Einherjer (s. d.).
Deshalb brachte man Verstorbenen Opfer, die namentlich auf dem Grabhügel stattfanden. In Hügeln und Steinen, Hainen und Wasserfällen hielten sich besonders diese Geister auf;
hier Haufen sie als Alfen und erhalten das Alfenopfer.
Die Dämonen zeigen sich bald als Riesen, bald als Elbe.
Namentlich ist die Vorstellung riesischer Mächte in der Nordische Mythologie stark ausgeprägt. Im Meere hausen die Riesen Ägir, Hlér, Gymir, Mimir.
Unter allgemeinem Namen leben die Dämonen des Wassers als Marmennill (Meermann), Margygr (Meerfrau), Nykr (Nix) bis heute fort. über die Winde [* 89] gebietet der Riese Hraesvelgr (Leichenschwelg) in Adlersgestalt, in der Luft hausen Kari, ein anderer Dämon der Winde, Thjazi, d. i. der Fresser, Thrymr, d. i. der Lärmer.
In der Luft leben ferner die Lichtelfen, Versinnlichungen der milden Sonnenstrahlen, über das Feuer gebietet der Riese Surtr, in der Erde wohnt die Hel mit ihrem Geschlechte, auf den Bergen [* 90] eine Masse von Riesen, mit denen Thor zu kämpfen hat.
Auch die Wasserfalle sind von dämonischen Wesen belebt.
In den Bergen arbeitet der kunstfertige Zwerg (dvergr) Kleinode und Waffen [* 91] für Götter und Menschen;
unter ihnen hat der in Niederdeutschland ausgebildete Völund (s. d.) die größte Bedeutung erhalten.
Daneben kannte man aber auch im Norden seit uralter Zeit persönliche Gottheiten.
Wie die alten Deutschen verehrten auch die Nordgermanen nach dem zuverlässigen Berichte des Procopius den Tür als höchsten Gott.
Ihm wurden Menschenopfer gebracht;
im Januar wurde ihm zu Ehren das höchste Fest gefeiert. Im alten Sigtuna oder Altupsala im Schwedenlande stand sein Heiligtum, der heiligste Ort in ganz Upland und den angrenzenden Landschaften.
Hier hat sich die Verehrung des alten Himmelsgottes bis zum Ausgang des Heidentums erhalten, man verehrte ihn unter dem Beinamen Freyr, d. i. Herr.
Ein zweites Hauptheiligtum dieses Gottes ist im norweg. Gebiet der Throndhjemr. Am ganzen norweg. Gestade wurde schon frühzeitig Thor als Hypostase des Himmelsgottes verehrt.
Von Haus aus Gott des Gewitters, war er bald zur ethischen Gottheit geworden, der dem norweg. Bonden in allen Lebenslagen beistand und ihm vor allem im Kampfe gegen die riesischen Dämonen half. Unterdessen brachten zur Zeit der Völkerwanderung von Norddeutschland nach Skandinavien vordringende Völkerstämme die Verehrung des niederdeutschen Wodan (Odin) nach dem Norden.
Trotz der Unterwerfung dieser südgerman.
Gauten durch die ¶