Stadt im
Kreis
[* 2] Sensburg des preuß. Reg.-Bez.
Gumbinnen,
[* 3] am
Talter Wasser und einem
Arm des
Spirdingsees, Sitz
eines Amtsgerichts (Landgericht Lyck),
[* 4] hatte 1890: 2255 E., darunter 40 Katholiken und 75 Israeliten, 1895: 2352 E., Post,
Telegraph;
[* 5]
bedeutende Schiffahrt, Fischfang und
-Handel (namentlich mit
Maränen).
finn. Nikolaink, gewöhnlich noch
Wasa, finn. Vaasa, genannt, Hauptstadt des finn.
LänsWasa, auf einer
Landzunge am Bottnischen
Meerbusen und an der Linie
Tammerfors-Nikolaistad der
Finn. Eisenbahnen, Sitz des Gouverneurs
und eines Hofgerichts, hat (1892) 10952 E., 1 evang., 1 russ.
Kirche, 2 Lyceen, 1 technische, 1 Navigationsschule, Schiffswerften
Baumwollspinnerei,
Handel mit Waldprodukten, guten
Hafen, Dampfschiffahrtverbindung mit den finn. Küstenstädten. Die Stadt
Wasa, 1611 gegründet, brannte 1852 nieder.
Neu-Wasa
wurde dem
Hafen näher gelegt und dem
KaiserNikolaus zu Ehren Nikolaistad genannt.
im 1. Jahrh. n. Chr. in
Syrien und
Kleinasien angeblich verbreitete Sekte. Der
Name wird zuerst in der Offenbarung
des
Johannes 2,6,15 genannt, wo der
Apostel gegen heidenchristl. Parteiführer in Pergamus eifert, die
sich über die von den Judenchristen geforderte
Beobachtung der Proselytengesetze, besonders der Enthaltung von Götzenopferfleisch
und von gewissen im Alten
Testament als
Unzucht bezeichneten ehelichen
Verbindungen, hinwegsetzten.
Der
Name Nikolaiten wechselt hier mit der dem Alten
Testament entlehnten Benennung
Bileamiten, soviel wie Volksverführer.
Das Mißverständnis späterer
Kirchenlehrer verband aber diese Nikolaiten mit dem Apostelg. 6,5 erwähnten
Armenpfleger
Nikolaus und stempelte sie zu einer gnostischen Sekte, die jede Art
Unzucht für erlaubt gehalten habe, um das
Fleisch «abzugebrauchen». Hieraus entstand im Mittelalter, als der
Cölibat aufkam, der
Ausdruck nikolaitische Ketzerei
für die Priester, die ihre Frauen nicht von sich wiesen oder der
Ehe wegen ihren
Stand verließen. - Nikolaiten hießen auch die
Adamiten
(s. d.) und Familisten (s. d.).
befestigte Hafenstadt im russ. Gouvernement Cherson, auf zwei Halbinseln in der
Nähe der
Vereinigung des
Bug mit dem Ingul, am
Bug-Liman und an der Eisenbahn
Charkow-Nikolájew, reicht mit den
Vorstädten weit in die
Steppe hinein, hat breite, gerade
Straßen, (1893) 77 481 E., in Garnison das 58. Infanterieregiment
Praga, das 7. donische Kosakenregiment, Festungsartillerie, den 5. Feldingenieurpark; 11 russ.,
je 1 kath., evang.
Kirche, talmud., karäische
Synagoge,
Knaben-, Mädchengymnasium, Realschule, Navigationsschule, Schule
für Hafenarbeiter, Marinebibliothek,
Sternwarte
[* 6] (1821 erbaut; unter 46° 58' 20" nördl.
Br., 31° 58' 31" östl. Länge von
Greenwich), Naturalienkabinett,
Theater,
[* 7]
Denkmal des
Admirals Greigh, mehrere
Kasernen, große Schiffswerften zur Erbauung von
Kriegsschiffen, 1
Kriegs-, 2 Handelshäfen, Ausfuhr von Getreide
[* 8] (1893: 49 Mill. Pud); 1888 liefen ein 862 Schiffe
[* 9] in
großer Fahrt und 449 Küstenfahrer; es liefen aus 753 und 340. Eine
Kette von
Forts und andern Befestigungen macht Nikolájew zu einer
der stärksten russ. Festungen. Es ist Sitz der
Admiralität, der Vicekonsuln verschiedener
Staaten, darunter
Deutschlands,
[* 10] und steht unter der
Verwaltung eines besondern Militärgouverneurs, der zugleich Oberkommandierender der Flotte
und der Häfen des
SchwarzenMeers ist.
2)
Bezirk im russ.-sibir. Küstengebiet, der
Insel Sachalin gegenüber, am Unterlauf des
Amur und am Ochotskischen
Meer, hat 132414,6 qkm, davon 2004 qkm Seen. -
3) Kreisstadt im
Kreis Nikolájewsk 1, am
Großen Irgis, hat (1891) 15071 E., 2 russ.
Kirchen, 1 israel. Bethaus, 2 Moscheen; Getreide-
und Viehhandel. -
Flecken (Slobode) im
KreisZarew des russ. Gouvernements
Astrachan, links an der. Wolga, Kamyschin gegenüber,
hat (1892) 13799 E., Post,
Telegraph, 4
Kirchen, Flußhafen;
Nikolaus I., derHeilige, der
Große (858-867), aus
Rom
[* 15] gebürtig, unter
Leo IV. Kardinal, benutzte die polit.
Wirren seiner Zeit zur Mehrung und Befestigung der päpstl. Gewalt. Er zwang Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene
Gemahlin Thietberga wieder aufzunehmen und seine Geliebte Waldrade zu entlassen. Dieser Ehestreit sowie das Zerwürfnis zwischen
dem Erzbischof Hinkmar von Reims
[* 16] und seinem
Bischof Rothad von
Soissons gab Nikolaus Gelegenheit, auf
Grund der
eben aufgekommenen Dekretalen des
Pseudoisidor (s. d.) auch der bisher fast unabhängigen frank.
Kirche seine Oberhoheit aufzudringen.
Dagegen gelang es ihm nicht, die
Bulgaren dauernd an
Rom zu fesseln. Durch die von ihm 863 über denPatriarchenPhotius (s. d.) von
Konstantinopel
[* 17] ausgesprochene
Exkommunikation veranlaßte er
die erste Spaltung der abendländ. und Morgenland.
Kirche. -
Vgl. Lämmer, Papst Nikolaus I. und die byzant.
Staatskirche seiner Zeit (Berl. 1857); Dümmler, Geschichte des
OstfränkischenReichs (2 Bde., Lpz. 1862-65; 2. Aufl., 3 Bde.,
1887-88); Chantel, Nicolas le
Grand et son siècle (Par. 1892).
Nikolaus II. (1058-61), geb. zu
Chevron in Savoyen, vorher Gerhard,
Bischof von
Florenz,
[* 18] wurde gegen den von der röm. Adelspartei
eingesetzten
Benedikt X. gewählt, setzte
Benedikt X. ab, übertrug 1059 die Papstwahl ausschließlich den Kardinälen und
bestrebte sich, die Cölibatsgesetze zur Geltung zu bringen. Im Abendmahlsstreite nahm er für die Transsubstantiationslehre
gegen
Berengar (s. d.) von
Tours
[* 19] Partei. In Robert
Guiscard gewann er einen Lehnsträqer und Beschützer seines unterital.
Besitzes.
Nikolaus III. (1277-80), aus dem Hause der
Orsini, seit 1244 Kardinaldiakon, ein Freund der
¶
mehr
Wissenschaften und gewandter Politiker, aber prachtliebend und Begünstiger des Nepotismus, erreichte es, daß Rudolf von
Habsburg allen kaiserl. Rechten über den Kirchenstaat entsagte; ferner zwang er Karl vonAnjou, auf die Reichsstatthalterschaft
in Toscana und auf den Titel eines röm. Senators zu verzichten. -
Nikolaus IV. (1288-92), früher Hieronymus von Ascoli, Kardinal und Bischof von Präneste, ein gelehrter Mann und eifriger Förderer
des Franziskanerordens, dessen General er war, sandte Missionare nach China
[* 22] und zu den Tataren, bemühte sich aber umsonst,
einen Kreuzzug zu stände zu bringen. -
Vgl. Langlois, Les registres de Nicolas IVe (Heft 1-7, Par. 1886-92).
Nikolaus, vorher Pietro Rainaluci oder Peter von Corbière, Minorit, wurde 1328 von Ludwig dem Bayern
[* 23] als Gegenpapst Johanns XXII.
eingesetzt, mußte sich 1330 unterwerfen, starb im Gefängnis und wird in der Reihe der Päpste nicht
gezählt.
I., russ. Nikolai Páwlowitsch, Kaiser von Rußland (1825-55), der dritte Sohn des KaisersPaul I. aus dessen
zweiter Ehe mit Maria Feodorowna (Sophia Dorothea von Württemberg),
[* 25] wurde 6. Juli im Schlosse
Gatschina bei Petersburg
[* 26] geboren und mit seinem jüngern BruderMichael (geb. 1798) durch den Grafen Lamsdorf erzogen. Während
der Regierung des ältesten BrudersAlexander blieb er den Staatsgeschäften gänzlich fern. Er vermählte sich mit
Charlotte (geb. gest. der ältesten Tochter
des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen,
[* 27] welche beim übertritt zur griech. Religion den NamenAlexandra Feodorowna erhielt.
Als Alexander I. starb, fiel Nikolaus infolge des Verzichtes des ältern Bruders, des GroßfürstenKonstantin (s. d.), der
Thron
[* 28] von Rußland zu. Eine Militärverschwörung (s. Dekabristen), die mit dem Thronwechsel ausbrach, aber
mit großer Strenge unterdrückt wurde, verbunden mit Anzeichen einer innern Zerrüttung, die das milde, schwankende Regiment
Alexanders zurückließ, übte auf die Regierungspolitik und den persönlichen Charakter des neuen Herrschers einen bedeutenden
Einfluß. Nikolaus suchte fortan durch strenge Disciplin die absolute Herrscherautorität herzustellen. Die erste Regierungsthätigkeit
Nikolaus war die Untersuchung der zahllosen Mißbrauche in der Staatsverwaltung; daran schloß sich seit 1827 die
Systematisierung des russ. Gesetzbuchs, die 1846 vollendet wurde. Wiewohl Nikolaus als
Beschützer der Bauern gegen den Adel galt, ließ er doch, seinem
System gemäß, die
Leibeigenschaft fortbestehen, unterdrückte Bauernaufstände mit furchtbarer Strenge, suchte aber die Stellung
der Hörigen durch Erlasse zu regeln und zu erleichtern. Die äußere Politik Nikolaus' war in den ersten Jahren
seiner Regierung vorzugsweise auf Asien
[* 29] gerichtet. Der Krieg mit Persien
[* 30] führte zu dem Rußlands Ländergebiet bedeutend erweiternden
Frieden von Turkmantschai während der siegreiche Kampf gegen die Türkei
[* 31] ihm im Frieden
zu Adrianopel (Sept. 1829) nebst Länder- und Geldentschädigung den freien Verkehr auf der Donau, im Schwarzen und Mittelländischen
Meere brachte. Bald darauf begannen im europ. Westen die polit. Bewegungen von 1830, welche die nationale Erhebung des Königreichs
Polen im Gefolge hatten. Nikolaus hob die poln. Verfassung von 1815 auf und verwandelte Polen in eine russ. Provinz.
Von nun an führte Nikolaus im ganzen Umfang seines Reichs den strengsten Absolutismus durch. Die Einschränkung der wissenschaftlichen
Thätigkeit auf das rein praktische Bedürfnis, die Herabdrückung des Unterrichts und der Bildung zur Abrichtung für den
öffentlichen Dienst, die Fesselung der einheimischen, die strenge Überwachung der fremden Presse
[* 32] waren
die Folgen dieses polit. Systems. Es begann ferner die Russifizierung der übrigen Nationalitäten und die systematische Bekehrung
der Protestanten und Katholiken zur orthodoxen Kirche. 1840 mußte auch die griech.-unierte Kirche ihre Vereinigung mit der orthodoxen
eingehen.
Nach außen hin ward die Bezwingung der freien Bergvölker im Kaukasus nach der poln. Revolution mit gesteigerter
Energie, wenn auch ohne vollständigen Erfolg betrieben. (S. Kaukasische Kriege.) Bei aller diplomat. Klugheit, die Nikolaus in den
auswärtigen Verhältnissen beobachtete, erfuhr in den orient. Wirren von 1840 sein Übergewicht in Bezug auf die Türkei eine
Schmälerung, da das Schicksal des OsmanischenReichs durch Vertrag der Mächte unter die Obhut Europas gestellt
wurde.
In den polit. Stürmen von 1848 und 1849 bewahrte Nikolaus eine zuwartende Haltung. Durch die Intervention in Ungarn
[* 33] hoffte er die
österr. Politik mehr als je an sein Interesse zu fesseln, gewann Dänemark
[* 34] durch sein Auftreten gegen die Bestrebungen Deutschlands
bezüglich der Elbherzogtümer, trat in dem preuß.-österr. Zerwürfnis bei den zwei Zusammenkünften in Warschau
[* 35] 1850 als
Schiedsrichter auf und sprach im SinneÖsterreichs für Niederwerfung jeder Art von «Revolution». 1853 glaubte
er den Zeitpunkt gekommen, mit seinen längst vorbereiteten und zur religiösen Angelegenheit des russ.
Volks erhobenen Plänen gegen die Türkei hervorzutreten.
Napoleon III. vereitelte dieselben und brachte eine Koalition gegen Nikolaus zu stände, der sich sogar Österreich
[* 36] nicht ganz entzog,
während Preußen besonders auf BismarcksRat sich fernhielt. (S. Orientkrieg.) Mitten im Kriege, der darüber ausbrach und eine
für Rußland verhängnisvolle Wendung nahm, starb Nikolaus 2. März zu Petersburg. Ein Reiterstandbild
Nikolaus' (von Clodt, 1859) steht auf dem Marienplatz in Petersburg (s. Tafel: Russische Kunst
[* 37] I,
[* 20]
Fig. 5). Seinen Namen führt das brandend.
Kürassierregiment Nr. 6.
Auf dem Throne folgte ihm sein ältester Sohn Alexander II. (s. d.);
außerdem hinterließ er noch drei Söhne: Konstantin (s. d.),
Nikolaus (s. o.) und Michael (s. d.), und drei Töchter: Maria, geb. 18. (6.) Aug. 1819, vermählt mit dem
Herzog von Leuchtenberg, nach dessen Tode in morganatischer Ehe mit
¶
Nach dem Tode seines Vaters bestieg er den Thron. Am 26. (14.) Nov. vermählte er sich mit der
Prinzessin Alix (als Kaiserin Alexandra Feodorowna) von Hessen
[* 41] (geb. in Darmstadt
[* 42] als vierte Tochter des Prinzen
Ludwig von Hessen, des spätern GroßherzogsLudwig IV.). Dieser Ehe entsproß eine Tochter Olga, geb. 15. (3.) Nov. 1895. Am vollzog
sich unter Entfaltung größten Glanzes die Krönung des Monarchenpaares in Moskau,
[* 43] doch wurde das Fest in der furchtbarsten
Weise durch einen Unglücksfall getrübt, indem bei einem Volksfest auf dem Chodynkafelde 30. Mai 3-4000 Menschen erdrückt und
niedergetreten wurden.
Wenn auch die russ. Politik unter Nikolaus im allgemeinen die unter
Alexander III. eingeschlagene Richtung weiter verfolgte und die Verbindung mit Frankreich aufrecht erhielt, so wurde doch ein
milderes Verfahren gegen die fremden Nationalitäten und Konfessionen
[* 44] eingeschlagen und auch ein besseres Verhältnis zu Österreich
und Deutschland
[* 45] angebahnt, wozu die Besuche an beiden Kaiserhöfen, die 1896 stattfanden, und denen sich
Reisen nach Dänemark, England und Frankreich anschlossen, wesentlich beitrugen. -
russ. Nikolaj Nikolájewitsch, Großfürst von Rußland, geb. 8. Aug. als dritter Sohn des Kaisers
Nikolaus I., trat jung in den Militärdienst, nahm am Krimkriege teil und wurde später Oberkommandant der Garden. Im Russisch-Türkischen
Kriege von 1877 bis 1878 führte er den Oberbefehl der Donauarmee und wurde nach Abschluß des Friedens
zu San Stefano zum
Generallieutenant
ernannt. Sein Ansehen wurde schwer erschüttert durch seine Verbindung mit betrügerischen Armeelieferanten
während des Krieges, (über das Verhalten des Großfürsten im Türkenkriege vgl. Lose Blätter aus dem Geheimarchiv der russ.
Regierung, Lpz. 1882.) Eine Verteidigung seines Verhaltens (1880 in Paris
[* 46] in der «NouvelleRevue» erschienen)
zog ihm den Verlust aller militär. Ämter zu. Wegen seiner Verschwendung wurde er 1882 unter Vormundschaft gestellt und auf
ein Monatsgeld von 7000 Rubel beschränkt. Nikolaus starb 25. (13.) April 1891 zu Alupka in der Krim.
[* 47] Er war seit 6. Febr.
mit der Prinzessin Alexandra von Oldenburg
[* 48] vermählt. Aus dieser Ehe entstammen: Nikolaus, geb. 18. (6.)
Nov. 1856, der 1877-78 am Russisch-Türkischen Kriege als Ordonnanzoffizier seines Vaters teilnahm und jetzt Generallieutenant
und Generalinspecteur der Kavallerie ist, morganatisch vermählt mit einer Witwe Burinin; Peter, geb. 22. (10.) Jan. 1864, seit 7. Aug.
vermählt mit Miliza, Prinzessin von Montenegro, Rittmeister im Gardeulanenregiment.
die ihm den Ehrentitel eines «Doctor planus et utilis» eintrug. Im Gegensatz
zu den meisten mittelalterlichen Kommentatoren nimmt Nikolaus hauptsächlich die Gesetze der Sprache
[* 51] zur Richtschnur
der Auslegung. Luther ist durch ihn sehr gefördert worden, daher das Wort: «Si Lyra non lyrasset, Lutherus non saltasset» (lateinisch,
«Hätt' Lyra nicht auf der Leier gespielt, hätt' Luther nicht die Lust zum Tanzen gefühlt»).
1) Bezirkshauptmannschaft und Gerichtsbezirk in Mähren,
[* 52] hat 396,08 qkm und (1890) 38148 (18350
männl., 19798 weibl.) meist deutsche E., 29 Gemeinden und 29 Ortschaften. -
2) Nikolsburg, czech. Mikulov, Stadt und Sitz der Bezirkshauptmannschaft sowie des Bezirksgerichts, am Fuße
der Polauer Berge und an der Linie Lundenburg-Zellerndorf der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, hat (1890) 8210 E., darunter 1323 Israeliten,
die eine eigene Gemeinde bilden, ein Kollegiatkapitel, Piaristenkollegium, zwei Synagogen, Staats-Obergymnasium,
Bürgerschule, Spital, Waisenhaus, Armenanstalt; starken Weinbau und beträchtlichen Handel mit Kalksteinen und gebranntem Kalk.
Mitten in der Stadt auf einem Felsen das fürstl.
Dietrichsteinsche Schloß mit einer Bibliothek (20000 Bände), einem Naturalienkabinett und einem ungeheuren Faß.
[* 53] AndereGebäude
sind die got. Kollegiatkirche und die 1784 abgebrannte, 1840 wiederhergestellte
fürstl. Gruftkirche mit Prachtportal. Unmittelbar bei der Stadt ist der HeiligeBerg mit 16 Passionskapellen und der Sebastianskirche
in byzant. Stil. Nikolsburg war seit 1575 im Besitze der Fürsten Dietrichstein. Zu Nikolsburg wurde 1622 der Friede zwischen Kaiser Ferdinand
II. und Bethlen Gabor, zwischen Preußen und Österreich der Waffenstillstand und Präliminarfriede, der
Waffenstillstand zwischen Preußen und Bayern abgeschlossen.
¶
forlaufend
373
Nikomedes, mehrere Könige von Bithynien: Nikotin I. rief 277 v. Chr. die Kelten aus Thrazien nach Asien und gründete Nikomedia (s. d.).
Nikotin II. Epiphancs gelangte durch Aufruhr und Ermordung feines vom Volke gehaßten Vaters Prusias' II. 149 v. Chr. zur Regierung
und starb 91. Des vorigen Sohn Nikotin III. Philopator wurde gegen seinen Stiefbruder Sokrates und Mithridates
d. Gr. von den Römern unterstützt, im ersten Mi- thridatischen Kriege durch Mithridates zweimal vertrieben, aber von den Römern
beidemal 90 und das zweitemal durch Sulla 84 wieder eingesetzt.
Bei feinem Tode 74 v. Chr. vermachte er fein Reich den Römern und veranlaßte dadurch den dritten Mithridatifchen
Krieg. Nikomedia, die Hauptstadt von Bithynien (s. d.), wurde 264 v. Chr.
vom König Nikomedes I. an Stelle der durch Lysimachus zerstörten alten megarischen Kolonie Astakos, im innersten Winkel
[* 55] des
Astakener Golfes (jetzt Bufen von Ismid), erbaut. Sie er- wuchs zu einer dcr blühendsten und prächtigsten Städte der Alten Welt,
und mehrere der spätern röm. Kaiser, wie Diocletian und Konstantin d. Gr., der daselbst starb, residierten
dort. Nikotin wurde durch häufige Erdbeben,
[* 56] 25)9 n. Chr. auch durch die Goten schwer mitgenommen. Nikotin ist
die Vaterstadt des Schriftstellers Arrianus und die Todesstätte Han- nibals.
Ruinen der alten Stadt finden sich noch in und bei der heutigen Stadt Ismid (s. d.).
Nikon, russ. Patriarch, geb. 1605 in Weljami- now bei Nifhnij Nowgorod,
wurde weltlicher Prie- ster und trat dann in das auf einer Infel im WeißenMeere gelegene Anfersche Kloster. Als Abt eines Klosters
bei Moskau zog er die Aufmerksamkeit des Zaren Alerej Michailowitsch auf sich, wurde 1646 zum Archimandriten
des Klosters Nowospask in Moskau und 1649 zum Erzbiscbof von Nowgorod erhoben, wo er durch feine Entschlossenheit zur Un- terdrückung
eines Aufruhrs wesentlich beitrug. Am wurde er Patriarch von Rußland.
Aleres schenkte ihm anfangs ein unbegrenztes Ver- trauen; als aber Nikotin, der wegen feiner
Strenge, mit der er gegen die Gegner feiner Reformen einfchritt, verleumdet wurde, den Zaren gegen fick eingenom- men fah, legte
er gegen den Willen desfelben feine Patriarchenwürde nieder, begab sich 1658 in das Woskressenfkijkloster und trat in offene
Opposition gegen den Zaren. Alerej berief die Patriarcken von Alerandria und Antiochia zu einem Konzil,
das Nikotin seiner Würde entsetzte und als Mönch in das Kloster Therapont bei Bjelosersk ver- bannte , während es
seine Herstellung der Terte der alten Kirchenbücher wie überhaupt seine Reformen billigte und feine Gegner verfluchte. Zar
Feodor Alerejewitfch erlaubte ihm, nach dem Woskressenskij- kloster zurückzukehren, aber Nikotin starb
auf der Reife dahin zu Iaroslaw Die von ihm durchgeführte Verbesserung des verderbten Textes der flaw. Kirchenbücher
und damit zusammen- hangende Veränderungen riefen den Abfall der fog. Altgläubigen (f. Raskolniken) hervor. -
Vgl. Schu-
scherin, Leben N.s (im 17. Jahrh, verfaßt, hg. von Kofadawlew, Petersb.
1784; neue Aufl. 1817; deutsch von Bacmeister, Riga
[* 57] 1788);
Die ausführlichste Biographie N.s giebt Makarius, Russ. Kirchengeschichte, Bd. 13 (1882);
ders., Der Patriarch Nikotin
und die Verbesserung der Kirchenschrif- ten und Ritualien (Mosk.
1881); neue Materialien zu feinem Prozeß gab Hübbenet aus den Akten dos Staatsarchivs in Petersburg (Petersb. 1884). Nikopöl,
Flecken im rusf. Gouvernement und Kreis Iekaterinoflaw, rechts an dem Dnjepr, hat (1892) 10100 E., darunter viele Israeliten
und Mennoniten, Post, Telegraph, 2 russ. Kirchen, 2 Synagogen, Flußhafen, Werft für Kabotage- fchiffe; Handel
mit Weizen, Hanf, Flachs u. a. Nikopöli, türk. Nigbebolü, auch
Nebul, Stadt im Fürstentum Bulgarien,
[* 58] Distrikt Oistov, ehemals Festung,
[* 59] an der Donau, Sitz eines griech. Bischofs, zählt
(1888) 5156 E., darunter 3745 Türken und 168 fpan. Juden. Auf der westl. Höhe liegt die vernachlässigte Citadelle. Nikotin ist
Dampffchiffahrts- station und trieb früher bedeutenden Handel mit der Walackei. Die Umgegend erzeugt
geschätzten Wein. - Die Festung wurde berühmt durch die Nieder- lage, die König Sigismund von Ungarn hier mit dem franz.-ungar.
Kreuzheere durck die Türken unter Bajazet I. erlitt. 1444 bestürmte Wladislaw von Ungarn die Stadt vergeblich.
Am wurde sie von den Russen erobert, welche hier auch die Flotte der Tür- ken zerstörten. 1877 wurden
die Werke verstärkt und mit gezogenen Geschützen armiert. Das 9. russ. Armeekorps umzingelte die türk. Division
Hassan Pascha in Nikotin und erstürmte die stark befestigten Stellungen vor Nikotin, worauf Hassan Pascka 16. Juli kapitulierte.
Das vom KaiserTrajan zum Andenken an seine Siege über die Dacier gegründete Mcopolis aä lätrum in ^106313, inferior lag
auf dem Ruinenfeld von Stari-Nikup (Alt-Nikopoli), unweit von der Mündung der Rusica in die Iantra, nördlich von der Stadt
Tirnova. Nikopolis, Stadt in Epirus, s. Actium. - Nikotin, Stadt in Ägypten, s. Alerandria (Bd. 1,
S. 374 d). - Nikotin, Stadt in Palästina,
[* 60] s. Emmaus.
Nikotialnn, s. Nikotin. Nikotm, (^tIIi4^.2, eine flüchtige organische Base, die sich in den Blättern und im Samen
[* 61] des Tabaks
(s. d.) findet. Man erhält es, wenn man den eingedickten
wässerigen Auszug der Blätter mit Alkohol ausziebt, dann die gewonnene weingeistige Lösung unter Zusatz von Wasser destilliert
bis zur Verdampfung des Alkohols, mit Kali versetzt und mit Lither schüttelt. Aus der ätherischen Lösung wird das Nikotin durch
Verdunsten des Äthers und dann durck vorsichtige Destillation
[* 62] in einem Strome von Wasserstoffgas über
gebranntem Kalk gewonnen.
Das reine Nikotin ist eine farblose ölige Flüssigkeit, von 1,03 spec. Gewickt, scharfem Geruch und brennendem Geschmack. Es siedet
bei 247° (I, löst sich in Wasser, Weingeist und Äther und ist ein tödliches Gift. In den Tabaksblättern findet sich das
Nikotin in Gestalt eines Salzes. Trockner Schnupftabak enthält un- gefähr 2 Proz. Nikotin; trockne entrippte Tabaksblätter
2,0 bis 7,9 Proz. Die Menge des Nikotin in den Tabaks- blättern fcheint zu der Güte der Blätter in keinerlei Beziehung zu stehen.
Der fpecisifche Geruch des Tabaksdampfes wird besonders durch einen andern in den trocknen Tabaksblättern
enthaltenen Stoff, das Nikotianin (Tabakskampfer), hervorge- bracht. Das über den trocknen Blättern destillierte Wasser scheidet
beim Stehen weiße, blätterige Kry- stalle des Nikotianins ab, die wie Tabaksdampf riechen, ähnlich schmecken und in geringer
Menge nicht giftig wirken.
¶
Niksar, auch Niksara oder Nigissar, Stadt im nordöstl.
Kleinasien, im türk. Wilajet Siwas, unweit rechts vom Germilü
(dem Lykos der Alten) in 590 m Höhe, hat 9000 E. (ein Viertel Christen), Handel mit Seide
[* 64] und Reis.
Auf dem Hügelrücken nördlich
von der Stadt ausgedehnte Reste einer Burg, vielleicht aus der Seldschukenzeit.
N., höchst wahrscheinlich
das antikeKabira (s. d.), war in der röm. Kaiserzeit als Neocäsarea Hauptstadt des Pontus Polemoniacus, wo 314 eine große
Kirchenversammlung abgehalten wurde.
(spr. -schitsch), befestigte Stadt in Montenegro, auf einem isolierten Hügel in der fruchtbaren Ebene der obern
Zeta gelegen, mit 3000 E. Niksic war für die Türken höchst wichtig, da sich sein Gebiet wie ein Keil zwischen
den östl. und westl. TeilMontenegros hineinzog;
es wurde 1877 von den Montenegrinern erobert und verblieb ihnen.
einer der längsten Ströme der Erde, in Afrika,
[* 65] der heilige FlußÄgyptens, kommt aus dem Victoria-Njansa;
als Quellfluß wird jetzt allgemein der Kagera oder Alexandra-Nil (s.d.) betrachtet. Aus dem Victoria-Njansa fließt nach Nil der
Kivira oder Somerset-Nil, der zunächst die Riponfälle bildet und dann die beiden Seen Gita Nsige und Kodscha durchströmt;
bei Mruli, wo der Strom bei einer durchschnittlichen Tiefe von 3 bis 5 m eineBreite
[* 66] von 900 bis 1000 m erlangt
hat, wendet sich derselbe scharf nach Nil und behält 80 km lang, bis Fauvera, diese Richtung bei.
Hier wendet er sich nach W. und stürzt in einer mit den Karinafällen beginnenden Reihe von zwölf Stromschnellen,
deren letzte die 36 m hohen Murchisonfälle sind, die zweite Hochlandstufe zum Albertsee hinab, den er bei Magungo erreicht.
Von S. her führt der Issango oder Semliki dem Albert-Njansa die Gewässer des dritten Nilquellsees, des Albert-Eduard-Sees,
zu. Am Nordende des Albertsees, unter 2,5° nördl. Br., fließt der 400–1500 m breite Strom als Bahr
el-Djebel aus dem See nach Nil In dem ersten Teile dieser Strecke bis Dufilé ist er, durch Bergketten eingeengt, schiffbar;
hinter Dufilé beginnt der Durchbruch durch die Randgebirge der zweiten Hochlandstufe in neun Stromschnellen, die die Schiffahrt
unmöglich machen; bei Ladò, der Hauptstadt der ehemaligen Äquatorialprovinz, tritt der Strom, nachdem
er von Dufilé 200 m gefallen ist, in das ostsudanische Flachland und verliert seinen Charakter als Bergstrom.
Von Nebenflüssen hat er auf dieser Strecke den Assua und eine Reihe von Bergströmen aufgenommen. In der nur von niedrigen
Erhebungen unterbrochenen Ebene bildet er Inseln, Nebenarme und Kanäle; in unzähligen Windungen strömt
er zwischen flachen Ufern träge nordwärts bis 9° 29' nördl. Br., wo er nach der Vereinigung mit dem Bahr el-Ghasal (s. Gazellenfluß),
der von W. kommt, nach O. umbiegt. Zur Regenzeit verwandelt der mächtig angeschwollene Strom die Niederung nördlich von
Ghaba-Schambeh in einen bis 100 km breiten See, nach dessen Verschwinden der Nil, durch Grasbarren,
Setts genannt, gezwungen, oft seinen Lauf verändert; das ganze Terrain zwischen dem Nil und seinem Parallelarm, dem Seraf,
bildet die eigentliche Sumpfregion des obern Nilsystems.
Nach einem 150 km langen, östlich gerichteten Laufe, auf dem er sich wieder mit dem Seraf verbindet,
nimmt der Strom den ihm fast entgegengerichteten Sobat
auf, der ihn nach NO. drängt, und heißt von hier ab Bahr el-Abiad, d.
i. WeißerNil (eigentlich klarer Nil), im Gegensatz zum trüben, Bahrel-Asrak oder BlauenNil, mit dem sich jener nach einem 845 km
langen, nordwärts gerichteten Laufe bei Chartum (in 15° 36' nördl. Br.) verbindet. Dieser entspringt
als Abaï in 10° 55' nördl. Br. in Abessinien in 2800 m Höhe, ergießt sich in den Tanasee (1755 m), verläßt ihn, 200 m
breit und 3 m tief, an der Südseite, beschreibt einen Halbkreis um das Gebirgsland Godscham und fließt
vom 10. Breitengrade nach NW.; auf dieser Strecke nimmt er links den Djemma und Didessa, rechts den 560 km langen Dinder und
den Rahat auf.
Während der Weiße Nil dem Strom seine Dauer giebt und verhindert, daß er im Unterlaufe während des Sommers versiegt, verdankt
Ägypten dem Blauen Nil (in Gemeinschaft mit dem Atbara) jenen fruchtbaren Nilschlamm, auf dessen Vorhandensein
die Fruchtbarkeit der Tiefebene beruht, und das jährlich wiederkehrende Hochwasser, wodurch das Land immer von neuem befruchtet
wird. Nach der Vereinigung des Bahr el-Abiad und des Bahrel-Asrak beginnt der Nil den Durchbruch durch das durchschnittlich 330 m
hohe Sandsteinplateau der libysch-arab. Wüste.
Der sog. sechste Katarakt oberhalb Schendi vermag selbst bei niedrigem Wasserstande der Schiffahrt
keine ernstlichen Hindernisse zu bereiten; erst jenseit Ed-Damer (17° 40' nördl. Br.), wo der Nil seinen letzten Nebenfluß,
den 1230 km langen Atbara, aufnimmt, beginnt die Reihe der Stromschnellen, die sich bis Assuan hinziehen
und die Schiffahrt auf 1800 km seines Laufes unterbrechen: die drei Katarakte zwischen Schendi und El-Kab, gewöhnlich als
fünfter Katarakt bezeichnet;
sieben Katarakte, 75 km lang, zwischen der Insel Mograt und dem Berge Barkal, genannt die vierten;
neun Katarakte zwischen der InselDal und Wadihalfa, die
man gewöhnlich als den zweiten und großen Katarakt bezeichnet, und endlich der erste Katarakt zwischen der InselPhilä und
Assuan;
die Niveaudifferenz, die der Strom auf dieser ganzen Strecke überwindet, beträgt 250 m;
bei Assuan fließt der Nil in 101 m
Meereshöhe, so daß auf die letzten 1125 km von hier bis zur Mündung 101 m Gefälle kommen.
Die Breite
wechselt auf dieser Strecke häufig; bei Schendi ist er 165 m, oberhalb der Atbaramündung 320 m und unterhalb des fünften
Katarakts 460 m breit; nördlich von Wadihalfa verbreitert er sich und zwischen Esneh und Kairo
[* 67] ist er
500–2200 m breit. Die Breite des Flußthales schwankt zwischen Abu-Hammed und Edfu zwischen 500 und 1000 m; nördlich von
Edfu verbreitert es sich auf 3 km und behält bis Kairo eine wechselnde Breite von 4 bis 28 km. In der S-förmigen Krümmung,
die der Nil bei Damer beginnt, umfließt er bis Ambukol auf drei Seiten die Bajudasteppe und durchbricht
bis Korosko die Bergzüge der Nubischen Wüste; die bisweilen scharfen Biegungen des Stroms oberhalb Korosko sind durch die
gegenseitigen Lagerungs- und Streichungsverhältnisse des Sandsteins und seiner krystallinischen Unterlage bedingt.
Von 27,5° nördl. Br. an begleitet den Nil links der Jussuf-(Josephs-)Kanal, ein Rest altägypt. Wasserbauten,
mit zahlreichen Verbindungsarmen, und bewässert das zwischen beiden liegende Land; im Norden
[* 68] endet der Kanal
[* 69] im Fajum, dessen
Wasserüberfluß der 40 m unter dem Meeresspiegel liegende Birket¶
mehr
375 el-Kerun aufnimmt. Für die geregelte Wasserverteilung des Nilwassers ist dieses natürliche Reservoir von der größten
Bedeutung. Im NW. von Kairo, 19,7 km davon entfernt, in 10,7 m Meereshöhe, beginnt das am Meere 270 km breite Delta,
[* 71] durch
welches zahllose Wasserarme und Kanäle das Nilwasser zum Meere führen. Der 1000 m breite Strom teilt sich
unterhalb Schubra in verschiedene Arme, deren die Alten sieben zählten (der pelusische, tanitische, mendesische, bukolische
oder phatnitische, sebennytische, bolbitinische und kanopische), während jetzt nur zwei wirkliche flußartige Mündungsarme
vorhanden sind, nämlich der von Rosette oder Raschid und der von Damiette oder Damyat.
Der kanopische und pelusische, ganz am Ost- und Westrande des Deltas mündend, waren im Altertum die Hauptmündungen,
ihre Wasser haben sich aber neue Betten gesucht; der pelusische mündet jetzt durch den phatnitischen bei Damiette, und der
kanopische durch den von Menschenhand gegrabenen bolbitinischen. Der bedeutendste Kanal ist der dem alten kanopischen Laufe
ähnlich gehende Mahmudijehkanal, welcher 77,7 km lang und 30 m breit, den Rosettearm mit Alexandria verbindet;
der kurze Menufkanal (Bahr el-Farunije) verbindet im S. den Rosette- und Damiettearm;
der tanitische Arm ist in den Muis, der pelusische in den Abu el-Menegge-Kanal umgewandelt. Im ganzen wird
das 22194 qkm große Delta von 13440 km langen Kanälen durchzogen, welche die Hochwasser aufnehmen können.
Die Gesamtlänge
des Stroms ist, wenn der Alexandra-Nil als Hauptquellfluß angenommen wird, 5940 km, der direkte Abstand zwischen Quelle
[* 72] und
Mündung 4120 km. Sein Stromgebiet bedeckt 2810300 qkm. (S. die Karten: Deutsch-Ostafrika, Äquatorial-Afrika
[* 73] [beim ArtikelAfrika] und Ägypten.) Die Nilerde (Gef) oder der getrocknete Nilschlamm, welcher in Ägypten überall auf Meeressand,
also dem Boden eines alten Ästuars, ruht, überragt in steilen Uferwänden bei niedrigstem Wasserstande den Fluß in Oberägypten
um 8 m, bei Kairo um 4,5 m. Die Mächtigkeit der Alluvionen beträgt in Ägypten 10–12 m, an der Spitze
des Deltas aber 13–16 m. Die Breite des kulturfähigen Schwemmlandes im eigentlichen Nilthal übersteigt nirgends 15 km.
In postpliocäner Zeit stellte das heutige Nilthal einen weit landeinwärts sich erstreckenden schmalen Meeresgolf dar, dessen
Höhenmarken sich durch Bohrmuschellöcher und Konchylienlager aus jener Zeit in der heutigen Höhenzone
von 70 m ü.d.M. an beiden Rändern der das Nilthal begrenzenden Felsabstürze erhalten haben.
Der Nil überschwemmt nicht direkt seine Thalebene, sondern das kulturfähige Land ist durch Dämme in Bassins zerteilt, in
die das Wasser durch Kanäle geleitet wird; sind sie gefüllt, so wird es zu dem unterdes niedriger gewordenen
Strome oder zu niedriger gelegenen Abteilungen abgelassen. Das für die Kultur günstigste Mittel des höchsten Wasserstandes
(zu Herodots Zeiten 18 Ellen) ist jetzt nach langjährigen Beobachtungen eine Höhe von 7½ bis 8 m am Nilmesser (s. d.) von
Roda, die eintritt, wenn das Maximum der Flußschwelle des Weißen und Blauen Nil zusammenfällt.
An der südlichsten Spitze des Deltas ist der Barrage du Nil gebaut, ein Stauwerk in Form von Brücken
[* 74] über die beiden Nilarme,
von Mougel, dem franz. Ingenieur MehemedAlis, ausgeführt. Dieser jetzt Kanâtir (d. i. Brücken) genannte Bau sollte die Wasser
zu allen Jahreszeiten
[* 75] aus
gleicher Höhe erhalten und die Schöpfmaschinen überflüssig machen. Doch
auch nach der Vollendung durch den Engländer Scott 1890 kann das Bauwerk bei weitem nicht das Verlangte leisten. Deshalb
beschloß die ägypt. Regierung, durch den Bau eines großen Sammelbeckens oberhalb des ersten Katarakts eine Niveauerhöhung
des Nil herbeizuführen; doch scheiterte dieser Plan an dem Einsprüche Deutschlands und Frankreichs.
Der Nil hieß bei den alten Ägyptern in der heiligen Sprache Jeter-o («Der große Fluß»),
koptisch Jero, Jaro, daher auch
hebräisch Jeôr. Der griech. Name Neilos ist wahrscheinlich von dem semit. Nahal («Fluß») durch phöniz. Vermittelung hergeleitet
worden; wenigstens stammt er ebensowenig aus dem Ägyptischen wie die dem Lande gleichnamige Bezeichnung
des FlussesAigyptos bei Homer. Die heutigen Araber nennen ihn Bahr, wie jedes große Wasser, oder auch el-Nil; die anwohnenden
Nubier nennen ihn Tossi oder auch Nil-tossi, worunter vornehmlich der volle, überfließende Strom verstanden wird.
Der Nil wurde von den Ägyptern, später auch von Griechen (Neilos) und Römern (Nilus)
[* 76] göttlich verehrt.
Von den erstern wurde er mannweiblich mit Bart und weiblichen Brüsten dargestellt und von blauer Hautfarbe. Man pflegte den
obern Nil von dem untern durch besondere Blumensymbole zu unterscheiden. Er hatte einen eigenen Tempel
[* 77] zu Nilopolis, und sein
Hauptfest wird unter dem Namen Niloa erwähnt. In der griech.-röm. Kunst ist er in der Gestalt eines
liegenden Flußgottes bekannt, um welchen 16 Kinder spielen, die 16 Ellen der Nilschwelle symbolisch bezeichnend (die berühmte
Kolossalgruppe im Vatikan;
[* 78] s. Flußgötter und Tafel: Griechische Kunst II,
[* 70]
Fig. 10).
Nach der ältesten Nachricht, welche wir durch Eratosthenes (200 v.Chr.) haben, kommt der Nil aus Seen
im S., unter dem Namen Asta-Pus (Weißer Nil);
dieser vereinigt sich mit dem Asta-Sobas (Blauer Nil), und weiterhin fließt ihm
der Asta-Boras (Atbara) zu.
Ptolemäus, ohne Zweifel auf arab. Nachrichten fußend, teilt mit, daß das Wasser aus zwei
Seen komme, welche einige Grade südlich vom Äquator liegen;
die Abflüsse beider vereinigen sich in 2°
nördl. Br. in einem See;
aus diesem fließt der Asta-Pus nach Nil, welcher sich in 12° nördl. Br. mit dem Nil (d. h. offenbar
mit dem Strome aus Abessinien) vereinigt.
Die arab. Geographen des Mittelalters nennen als Quellgegend der Nilwasser
die Komr-Berge. Komr heißt damals die von dem aus Ostasien stammenden Komr-Volke bewohnte, sehr große Komr-Insel, welche
östlich zur Seite Afrikas liegt, ein Name, der noch in dem der Comoren erhalten ist. Dieser Insel gegenüber liegt das Komr-Gebirge,
und zwar in 2,5° südl. Br. zunächst das Almolattham (jetzt Kilima-Ndscharo oder nach Stanley der Ruwenzori).
Die Wasser aus diesen Bergen
[* 79] gehen nach zwei Seen im S. des Äquators; die aus diesen abfließenden vereinigen sich in einem
nördlich vom Äquator gelegenen See, und aus ihm kommt der Nil. Jetzt, wo die Frage nach dem «Haupte
des Nil», die jahrtausendelang Gegenstand des Erforschens gewesen ist, endgültig gelöst
ist, zeigt sich, daß diese ältern Vorstellungen wenig von der Wirklichkeit abweichen, über die neuern Forschungsreisen
und die Lösung des Nilproblems s. Afrika (Bd. 1, S. 190).
Vgl. Klöden, Das Stromsystem des obern Nil (Berl. 1856);