gegeben wurde zu dem Zweck, diese formell zu beseitigen. Die Nichtigkeit konnte ihren
Grund haben im
Urteil selbst, namentlich
in seiner mangelhaften Form oder in seinem
Inhalt, indem es z. B. zu etwas Unmöglichem oder Unerlaubtem verurteilte oder
gegen den
Inhalt der
Akten oder gegen einen klaren Rechtssatz offenbar verstieß. Oder sie konnte liegen
in dem
Verfahren, auf welches das
Urteil sich gründete, so in der ungehörigen
Besetzung des Gerichts, in der mangelnden Prozeßfähigkeit
oder gesetzlichen Vertretung der Parteien oder in den
Bestandteilen des
Verfahrens. Im Civilprozeß insbesondere unterschied
man heilbare und unheilbare Nichtigkeit.
Wegen ersterer (querela nullitatis sanabilis) war Nicander nur innerhalb 10
Tagen nach der Urteilsverkündigung
zulässig, wegen letzterer (querela nullitatis insanabilis) 30 Jahre lang. Der
Strafprozeß gewährte Nicander wegen Verletzung
des Gesetzes, sofern ein Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewandt war, nach dem Vorbild der franz.
Kassation. Im heutigen deutschen
Civil- und
Strafprozeß wird die
Stelle der Nicander durch die Revision und die
Wiederaufnahme des
Verfahrens (s. diese
Artikel und
Nichtigkeitsklage) vertreten. -
Vgl. Skedl, Die Nicander in ihrer geschichtlichen
Entwicklung (Lpz. 1888).
Im heutigen österr.
Strafprozeß ist neben dem Rechtsmittel der
Berufung (s. d.) gegen die
Urteile der Gerichtshöfe erster
Instanz und der
Geschworenengerichte, jedoch nur wegen der in §. 281, Nr. 1-11,
und §. 344, Nr. 1-12, der Strafprozeßordnung einzeln aufgeführten Gesetzesverletzungen,
die Nicander an den Obersten Gerichts- und Kassationshof (s. d.) zulässig.
(Vgl. Österr. Strafprozeßordn. §§. 280-282, 284 fg., 343 fg., 33, 479 und Gesetz vom
die Klage auf Nichtigkeitserklärung eines Rechtsakts. Gegen nichtige
Urteile
insbesondere gewährte das frühere Prozeßrecht die Nichtigkeitsbeschwerde (s. d.).
Nach der
Deutschen Reichscivilprozeßordnung kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges
Endurteil abgeschlossenen
Verfahrens durch Nichtigkeitsklage erfolgen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
ein gesetzlich ausgeschlossener oder wirksam abgelehnter
Richter bei der
Entscheidung mitgewirkt hat, eine Partei in dem
Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war. über das Weitere s. Wiederaufnahme
des
Verfahrens. - Bei dem Erfinderpatent wird mit der Nichtigkeitsklage die gänzliche oder teilweise Vernichtung
eines
Patents beantragt, weil eine patentfähige Erfindung nicht vorliege, die Erfindung Gegenstand des
Patents eines frühern
Anmelders sei, oder weil der wesentliche
Inhalt der
Anmeldung den Einrichtungen oder dem
Verfahren eines
Dritten entnommen sei. Für das
Verfahren ist in erster Instanz das kaiserl.
Patentamt in
Berlin
[* 2] zuständig, im Berufungsverfahren
das Reichsgericht (Patentgesetz vom §§. 10, 28 fg.).
(Nikias), des Niceratus Sohn, athenischer Staatsmann und Feldherr, wurde nach
Perikles'
Tode
(429
v. Chr.) der Führer der Mittelpartei. Nicias war ein
Mann mit bürgerlichen und soldatischen
Tugenden, von redlichem
Wollen,
doch fehlte ihm der weite polit.
Blick und der rasche Entschluß. Durch ihn wurde im
Frühjahr 421
v. Chr. der nach ihm benannte
Friede mit
Sparta abgeschlossen, der den
PeloponnesischenKrieg für wenige Jahre unterbrach. Der Expedition
der
Athener nach
Sicilien widersetzte er sich vergeblich. Mit
Alcibiades und
Lamachus mußte er sogar 415 selbst den
Befehl übernehmen
und führte nach
Alcibiades'
Abberufung und
Lamachus'
Tod den Kampf gegen
Syrakus
[* 3] zunächst mit
Glück. Schließlich veranlaßte
seine Unentschlossenheit 413 aber die Gefangennahme und damit den
Untergang des athenischen
Heers; er selbst wurde in
Syrakus
hingerichtet.
(chem. ZeichenNi;
Atomgewicht 58,6), ein Metall, das sich nicht gerade häufig mit
Arsen, Schwefel und andern
Substanzen verbunden im
Rotnickelkies,
Weißnickelkies,
Haarkies, Nickelantimonglanz, als kieselsaures Nickeloxydul im Garnierit
und Pimelith findet und außerdem auch in manchen
Magnetkiesen und Schwefelkiesen sowie in vielen Kupferkiesen
und als Begleiter der meisten Kobalterze vorkommt. Die wichtigsten
Erze sind der
Rotnickelkies, Schwefelnickel und Garnierit.
Die Förderung von Nlckelerzen ist für die ganze Erde zu etwa 16000 t im Werte von etwa 2,2 Mill. M.
anzunehmen, von denen auf Europa
[* 4] bis 5000 t entfallen. Hiervon kommt etwa ein Drittel auf
Deutschland
[* 5] und zwar auf das Königreich
Sachsen
[* 6] und Westfalen.
[* 7] Die Gewinnung von Nickel (als Metall) beträgt etwa 700 t im Werte von rund 3 Mill. M.,
davon für Europa allein über 500 t. DieDarstellung des metallischen Nickel geht häufig mit der von Kobaltprodukten
parallel und ist sehr langwierig und kompliziert; sie erfolgt entweder ausschließlich auf trocknem Wege, durch Ansammeln
des Nickel, Kobalts und Kupfers in einer
Arsen- oder Schwefelverbindung
(Speise oder
Stein), aus der durch Röstprozesse und reduzierende
Vorgänge endlich das Nickel metallisch gewonnen wird, oder auf nassem Wege durch Auflösen der
nickel- und kobalthaltigen Produkte in Säuren und
Trennung der gelösten Metalle durch chem. Agentien.
Die Trennungsmethoden werden von den Fabriken geheimgehalten. Das reine Nickel ist dem Kobalt sehr ähnlich, fast
silberweiß mit einem schwachen
Stich ins Gelbliche, strengflüssig, ziemlich hart, sehr dehnbar und politurfähig
und von 8,97 spec. Gewicht. Es läßt sich walzen, schmieden und zu
Draht
[* 8] ziehen. In seinem magnetischen Verhalten ist das
Nickel dem
Eisen
[* 9] analog, so daß im Telegraphenwesen die Eisenmagnete durch
Nickelmagnete ersetzt werden können. Im
Handel findet
es sich in Form von Würfeln (Würfelnickel) und Platten. Das
Kilogramm von ersterm kostet 4,5-5 M.; von
letzterm 6,5 M.
In seinen
Verbindungen ist das Nickel dem Kobalt durchaus ähnlich. Die Nickelsalze sind meist grün gefärbt, werden aber
beim Erhitzen und
Entwässern gelb. Die Nickelverbindungen erkennt man bei der Lötrohrprobe an ihrem Verhalten in der
Boraxperle
im Reduktionsfeuer. DiePerle wird dabei von ausgeschiedenem Metall grau gefärbt. (S.
Nickelchlorür,
Nickelcyanür,
Nickeloxyde,
Nickelsulfat,
Nickelsulfür.)
Bis zur Mitte des 19. Jahrh. beschränkte sich die Verwendung des Nickel, abgesehen
von den eine Zeit lang erfolgten Prägungen griech.-ind. Nickelkupfermünzen (s.
Nickellegierungen), ausschließlich auf die
Darstellung des Neusilbers (s. d.) oder
Argentans, das in versilbertem Zustande
als
Alfénide, Christoflemetall,
Chinasilber (s.
Alfénide) u. s. w. in den
Handel kam. Seitdem wird das Nickel massenhaft verwendet,
nämlich zu Münzen
[* 10] und zur galvanischen Vernickelung. Die Nickelmünzen (Scheidemünzen)
¶
Die deutschen Nickelmünzen bestehen aus 25 Teilen Nickel und 75 Teilen Kupfer;
[* 21] von denselben wiegen 160 Zwanzig-, 250 Zehn-
und 400 Fünfpfennigstücke je ein Kilogramm. Die Zwanzigpfennigstücke aus Nickelkupfer giebt es seit Febr. 1887. Bis Ende 1893 waren
geprägt 51,586 Mill. M., darunter 5,006 Mill. M. in Zwanzig-, 31,234 Mill. M. in Zehn- und 15,346 Mill. M. in Fünfpfennigstücken.
Neben dem hohen Preise des Nickel sind die große Härte der Münzlegierung und die Schwierigkeiten,
die mit der Verarbeitung desselben verbunden sind, Hauptvorteile der Nickelmünzen; sie bilden die beste Gewähr gegen Nickelgeldfälschungen;
die Härte bringt außerdem noch eine ungemein lange Dauer der Nickelmünzen mit sich und beschränkt daher die Kosten, die
dem Staate aus der Umarbeitung abgenutzter Scheidemünzen erwachsen, auf ein Minimum.
Eine zweite Verwendung des Nickel ist die Vernickelung des Eisens und Stahls auf galvanischem Wege. Man schlägt das Nickel gewöhnlich
aus Doppelsalzen durch den elektrischen Strom nieder, in denen das Nickel als Nickelchlorür oder als schwefelsaures Nickel enthalten
ist. Zuerst bei Feuerwaffen behufs deren Präservierung gegen Rost benutzt, hat die galvanische Vernickelung
bald allgemeine Anwendung gefunden, z. B. als Überzug bei allen dem Anlaufen unterworfenen Maschinenteilen, insbesondere an
Feuerspritzen
[* 22] und Pumpen,
[* 23] bei dem Wagenbau, bei Pferdeketten, Thürbeschlägen, Buchbeschlägen, Werkzeugen, chirurg.
Instrumenten, Schlüsselnu. dgl. In neuester Zeit hat man auch Schalen und Tiegel für chem. Zwecke aus
reinem Nickel hergestellt, die vielfach die kostspieligen Platinapparate ersetzen, ebenso Küchengeräte. (S. auch
Nickellegierungen.)
oder Antimonnickelglanz, ein bleigraues bis stahlgraues Nickelerz, erscheint in regulären Pentagondodekaedern,
angeblich auch in tetraedrischen Zwillingen, gewöhnlich aber in derben körnigen Massen. Nickelantimonkies ist eine dem Nickelarsenkies analoge
Verbindung von Nickel, Antimon und Schwefel, NiSbS oder NiSb2 + NiS2.
Man kennt es von mehrern Gruben
auf dem Westerwald, von Lölling, Rinkenberg, Waldenstein in Kärnten und Montenarba auf Sardinien.
[* 24]
oder Arsennickelglanz, ein zur Darstellung von Nickel benutztes Erz, reguläre Krystalle bildend, gewöhnlich
aber derb in körnigen Aggregaten von silberweißer, in Stahlgrau geneigter Farbe;
chemisch ist es in den
reinsten Varietäten NiAsS oder NiAs2 + NiS2.
auf galvanischem Wege hergestelltes vernickeltes Zinkblech, das wegen seines hohen und dauerhaften Glanzes
vielfach als Beschläge für Lederwaren, Musikinstrumente, Spiegel
[* 29] u. dgl. Verwendung findet.
Deutschland erzeugt
jährlich 50-60000 Ctr. Nickelblech.
Nickelocker,
ein Mineral, das als Zersetzungsprodukt aus nickelhaltigen Kiesen hervorgeht, apfelgrüne
bis grünlichweiße flockige Efflorescenzen, aus zarten, kurz haarförmigen monoklinen Kryställchen zusammensetzt, auch
erdige Massen;
es ist in Säuren leicht lösliches wasserhaltiges arsensaures Nickeloxydul von der Formel Ni3As2O8
+ 8 H2O und findet sich z. B. zu Annaberg,
[* 30] Schneeberg und Saalfeld
[* 31] in Thüringen.
Chlornickel, wird krystallwasserhaltig als NiCl2 + 6 H2O durch Lösen von reinem Nickel in Salzsäure
und Verdampfen der Lösung in Form lebhaft grün gefärbter Prismen erhalten.
Beim Erwärmen verliert es das Wasser und geht
schließlich in das gelbe Nickelchlorür, NiCl2, über.
Cyankalium erzeugt in Lösungen von Nickelsalzen einen grünlichweißen Niederschlag, der
sich im Überschuß unter Bildung des Doppelsalzes Kalium-Nickelcyanür, Ni(CN)2.2 KCN + H2O, löst.
Die dem Kobaltidcyankalium
entsprechende Nickelverbindung existiert nicht.
Kupfer-Nickel-Mangan-Legierungen sind dem Neusilber sehr ähnlich und finden für technische Zwecke,
besonders als Antifriktionsmetall, Verwendung. Auch hat man kadmiumhaltiges Neusilber aus 69,9 Kupfer, 19,8 Nickel, 5,6 Zink
und 4,7 Kadmium zu Löffeln u. s. w. verarbeitet. Kupfer-Nickel-Zinn-Legierungen eignen sich zu Gußwaren. Zu Kunstgußartikeln
benutzt man das Arguzoid mit 56 Kupfer, 13,5 Nickel, 23 Zink, 4,7 Zinn, 3,5 Blei.
[* 32] Die weiße Nickelbronze,
eine Legierung aus Kupfer, Zink, Zinn und Nickel, mit mindestens 20 Proz. des letztern, ist bedeutend fester als Kupfer und
Messing, widerstandsfähig gegen atmosphärische Einflüsse und daher zu mathem., musikalischen und andern Instrumenten sehr
geeignet. Stahl wird durch einen Gehalt von 3 bis 4 Proz. Nickel härter und weniger oxydierbar (Nickelstahl,
Meteorstahl); daher findet derselbe Verwendung zur Herstellung von Panzerplatten, Geschützrohren und Schiffsschraubenwellen;
mit noch höherm Nickelgehalt (bis 25 Proz.) auch zu Werkzeugen und kleinern Maschinenteilen.
a. Nickeloxydul, NiO, schmutzig grüngraues Pulver, entsteht bei
schwachem Glühen des Hydrats, ist in Säuren leicht löslich zu
¶
mehr
Nickeloxydulsalzen. Das Kilogramm Nickeloxydul kostet 9 M. b. Nickeloxydulhydrat, Ni(OH)2, apfelgrüner Niederschlag, entsteht
beim Vermischen einer Oxydulsalzlösung mit Alkalihydrat, c. Nickeloxyd, Ni2O3, schwarzes Pulver, wird erhalten bei
schwachem Glühen von Nickeloxydulnitrat, giebt bei stärkerm Glühen Sauerstoff ab und wird zu Nickeloxydul. In Säuren löst
es sich zu Oxydulsalz unter Freiwerden von Sauerstoff; Oxydsalze existieren nicht. Das Kilogramm Nickeloxyd
kostet 12 M. d. Nickeloxydhydrat, Ni2(OH)6, entsteht als schwarzer Niederschlag beim Vermischen der Lösung eines Nickeloxydulsalzes
mit unterchlorigsaurem Natrium, NaClO. Nickeloxyde verwendet die Glasfabrikation.
[* 34]
Nickelvitriol, schwefelsaures Nickeloxydul, NiSO4, krystallisiert NiSO4 + 7 H2O, wird erhalten
durch Lösen von Nickel in verdünnter Schwefelsäure
[* 35] und Krystallisierenlassen. Es krystallisiert in grünen Krystallen und
bildet mit den Sulfaten der Alkalien Doppelsalze, von denen eines, das Nickelammoniumsulfat, NiSO4.(NH4)2SO4,
technische Bedeutung hat. Man erhält es, indem käufliches Nickel in Schwefelsäure gelöst und mit der entsprechenden Menge
von Ammoniumsulfat vermischt wird. Beim Erkalten der eingedampften Lösung krystallisiert das Salz
[* 36] in reichlicher Menge aus,
es wird mit kaltem Wasser gewaschen und durch Umkrystallisieren rein erhalten. Es dient zum Vernickeln von
Kupfer, Messing, Eisen u. s. w. Das Kilogramm Nickelsulfat kostet 1,5 M.
Nickelsulfid, einfach Schwefelnickel, NiS, fällt bei vorsichtigem Zusatz von Schwefelammonium zu Lösungen
von Nickeloxydulsalzen als schwarzer, im Überschuß des Fällungsmittels nicht ganz unlöslicher Niederschlag;
es löst
sich schwer in verdünnter Salzsäure und kommt in der Natur als Haarkies oder Nickelkies in gelben haarförmigen,
hexagonalen Krystallen vor.
Ein Schwefelarsennickel von der Zusammensetzung NiS2NiAs2 ist der Nickelglanz oder Nickelarsenkies
(s. d.).
Nicker, Genickfänger, ein starkes Messer
[* 38] zum Abnicken, Aufbrechen und Zerwirken des Wildes. Es wird
entweder am Hirschfänger (s. d.) oder in einer besondern Lederscheide getragen.
Der zusammenzuklappende Nickfänger, der in die Tasche gesteckt wird, hat eine besondere Vorrichtung zum Festhalten der geöffneten
Klinge.
(Membrana nictitans), Blinzhaut, das dritte, fast allen Landwirbeltieren und unter den Fischen den Haien und
Rochen zukommende Augenlid. Bei zahlreichen Reptilien und den Vögeln ist es am größten, liegt hinter
dem untern Augenlid nach dem innern Winkel
[* 39] zu und kann durch einen, namentlich bei den Eidechsen
[* 40] recht kompliziert gebauten
Muskelapparat über die vordere Fläche des Augapfels weggezogen werden, die es bei dieser Gelegenheit zusammen mit der Feuchtigkeit
der Augendrüsen wie ein Schwamm abputzt, und es fungiert da, wo die eigentlichen Augenlider nicht
oder
nur wenig beweglich sind, wie bei den Reptilien, überhaupt statt dieser. Bei den Säugetieren, wo es oft eine besonders knorplige
Einlage hat, wird es nach und nach rudimentär, so daß es beim Affen
[* 41] und Menschen nur noch als eine kleine,
halbmondförmige Falte (plica semilunaris) im innern Augenwinkel, hinter dem Vereinigungspunkt von Ober- und Unterlid, zu
sehen ist.
(Spasmus nutans), Krampferscheinungen, die im Bereich des elften Hirnnerven (Nervus accessorius Willisii)
auftreten und diejenigen Muskeln
[* 42] der einen Körperhälfte erfassen, die den Kopf nach der Seite ziehen. Bei denAnfällen
erfolgen dann rasch mehrmals hintereinander schmerzhafte seitliche Bewegungen des Kopfes, so daß es das Ansehen hat, als ob derKranke jemand zunicke. In einzelnen sehr schweren Fällen besteht das Nicken zeitlebens. Als Ursachen werden Erkältungen, gewaltsame
Verdrehungen des Kopfes, Krankheiten der Halswirbel angeführt. Bei Kindern treten zur Zeit des Zahndurchbruchs
manchmal eigentümliche Nickkrämpfe, die Salaamkonvulsionen, auf, die meist Teilerscheinung der Eklampsie sind. Mit Nickkrämpfe nicht zu verwechseln
ist der Genickkrampf (s. d.). Die Behandlung der Nickkrämpfe gleicht der
der Eklampsie (s. d.).
Christoph Friedr., Schriftsteller und Buchhändler, geb. Zu
Berlin, erlernte seit 1749 in Frankfurt
[* 43] a. d. O. den Buchhandel und erweiterte mit großem Fleiß seine Bildung; 1752 kehrte er
nach Berlin zurück, befreundete sich 1754 mit Lessing und mit Moses Mendelssohn und schrieb die «Briefe,
den jetzigen Zustand der schönen Wissenschaften betreffend» (Berl. 1755; neu hg. von Ellinger,
ebd. 1894). Mit Mendelssohn gab er die ersten vier Bände der «Bibliothek der schönen Wissenschaften» (Lpz. 1757-60) heraus,
die Weiße in Leipzig
[* 44] fortsetzte, und ließ nun im Verein mit Lessing, Mendelssohn und Abbt die «Briefe, die
neueste Litteratur betreffend» (24 Bde., Berl.
und Stett. 1761-67) erscheinen.
Hierauf brachte Nicolai den Plan einer «Allgemeinen deutschen Bibliothek» (106 Bde., 1765-91) Zur Ausführung. Eine
Fortsetzung derselben war die zu Kiel
[* 45] erscheinende «Neue allgemeine deutsche Bibliothek», die vom 56. Bande an 1801 Nicolai wieder
redigierte und verlegte und 1805 schloß. Der schonungslose und herbe Ton und die mit den Jahren zunehmende
geistlose Nüchternheit dieser Zeitschrift beeinträchtigte mehr und mehr ihr Ansehen. N.s topogr.-histor. «Beschreibung von
Berlin und Potsdam»
[* 46] (Berl. 1769) konnte für die damalige Zeit als Muster gelten; seine «Anekdoten von Friedrich II.» (6 Hefte,
ebd. 1788 - 92) haben histor.
Wert. Von seinen Romanen, die dichterisch sehr tief stehen, ist der erträglichste «Leben und
Meinungen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker» (Berl. 1773-76; mit Kupfern von Chodowiecki). N.s «Beschreibung einer Reise
durch Deutschland und die Schweiz» füllt 12 Bände (1783-96). Mit dem Hasse des selbstgefälligen Bildungsphilisters bekämpfte
er die bedeutendsten litterar. Erscheinungen seiner Zeit. Sein «Feyner
kleyner Almanach vol schönerr echterr liblicherr Volckslieder» (Berl. 1777 u. 1778; Neudruck von G. Ellinger, ebd. 1887) sollte,
¶
forlaufend
318
Bürger gegenüber, das Volkslied lächerlich machen. Gegen Goethe und dessen «Werther» schrieb er «Freuden
des jungen Werthers. Leiden
[* 48] und Freuden Werther des Mannes. Voran und zuletzt ein Ge- spräch» (Berl. 1775). Schillers und GoethesAu- ! griffe in den «Fenien» (1797) riefen sofort eine breit- spurige
Gegenschrift N.s hervor. Auch gegeu Ha- mann, Herder, Garve, Lavater, vor allen aber gegen Kant und Fichte
[* 49] war sein Groll gerichtet. Er starb in Berlin. -
Vgl. N.s Selbst- biographie, hg. von Löwe (in den «Bildnissen jetzt
lebender Berliner
[* 50] Gelehrten», 1806),
und N.s Schrift «über meine gelehrte Bildung» (Berl. 1799); Göckingk,
N.s Lebeu und litterar.
Nachlaß (ebd. 1820); Lessmgs Jugendfreunde, hg. von Minor (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur»);
Herders VriefwechselmitN. (Berl. 1887).
(E. auch Nicolaische ! Buchhandlung.) Nicolai, Otto, Komponist, geb. zu Königsberg
[* 51] i. Pr., erhielt seine
musikalische Bildung unter BernhardKleins Leitung in Berlin, ging 1833 als Organist der preuß. Gesandtschaft
und königl. Stipendiat nach Rom.
[* 52] Er studierte hier unter Vaini gründlich die alten ital. Meister der Kirchenmusik, wandte
sich aber daneben der Opern- komposition zu. Seine Erfolge auf diesem Gebiete verschafften ihm die Kapellmeisterstelle am
Kärntner Thor in Wien.
[* 53]
Nachdem er sich 1838 nach Rom zu- rückbegeben und mit «Nnrico II» (1839),
«II ^6m- plai-io» (1840) und andern Opern Auffehen erregt hatte, folgte er 1842 einem zweiten Rufe nach Wien. Durch Gründung
der Konzerte der Philharmoniker schuf er sich in dieser Zeit seiner Amtsthätigkeit ein bleibendes Verdienst. 1847 ging Nicolsches als
Hofkapell- meister nach Berlin, wo kurz vor seinem Tode die ursprünglich für Wien komponierten «Lustigen
Wei- ber von Windsor», die seine Hauptoper und eins der besten neuern deutschen Bühnenwerke sind, znr Auf- führung
kamen. Er starb in Berlin. Nicolsches hat auch kirchliche Kompositionen für den Ber- liner Domchor fowie eine Reihe von
Liedern und Pianofortefachen gefchrieben. -
Vgl. Förster, O. Nicolsches (in «Westermanns Deutschen Monatsheften»,
1892); N.s Tagebücher, hg. von Schröder (Lpz. 1893).
Nicolai, Philipp, luth. Theolog und geistlicher Liederdichter, geb. zu Mengering-
hausen im Waldeckschen, wurde 1583 in Herdecke, 1588 in Alt-Wildungen, 1596 in Unna
[* 54] Pfarrer und starb als
Hauptpastor zu St. Katha- rinen in Hamburg.
[* 55] Seine berühmtesten Lieder sind: «Wie schön leuchtet der Morgenstern»
[* 56] und «Wachet auf, ruft uus die Stimme». N.s theol. Schriften gegen die Reformierten gehören zu den berüchtigsten Produkten
damaliger Polemik. -
Vgl. Curtze, N.s Leben und Lieder (Halle
[* 57] 1859).
ftille. Nicolaie (spr. -läh), franz. Dramatiker, s.
Clair- Nicolaifche Buchhandlung in Berlin, gc gründet1713 von Christoph Gottlob Nicolai, kam nach dessen Tode (1752) an seinen
auch als Schriftsteller bekannten Sohn ChristophFried- rich Nicolai (s. d.), der das Geschäft zu einem der angesehensten Berlins
machte. Nach des letztern Tode (1811) ging es über an dessen Schwiegersohn HofratDaniel Friedr. Parthey
(1745 - 1821), 1821 an des letztern Sohn, den Archäologen Dr. Gustav Parthey (s.d.). Dieser
verkaufte 1858 das
Sortiment, das sich unter der Firma «Nicolaische Buckhandlung (Borstell & Reimarus)» im Besitz von Fritz Borstell (geb. Besitzer seit 1863, gest. und Hans Reima- rus (geb. Mitbesitzer seit 1872) be- findet
und einen Lefezirkel hervorragender Erschei- nungen der deutschen, engl. und franz.
Littera- tur, mit gegen 5000 Lesern in Deutschland, unter- hält. Die «Nicolaische Verlagsbuchhandlung» ging
über: 1866 an August Eff ert (geb. in Stettin,
[* 58] gest. undL. Lindtner (geb. iu
Berlin, gest. 1872 an Efferts Schwiegersohn, RudolfStricker (geb. in Hebron-Damnitz in Pom- mern, gest.
und ist seit 1890 im Besitz von des letztern Erben. Der Verlag umfaßt die «Allgemeine Deutfche Bibliothek»
(208 Bde., 1765 -1806),
die sämtlichen Werke von Iustus Möser und TheodorKörner, das «Archiv für Naturgeschichte» (1835
fg.), naturwissenschaftliche, technische, histor., kunsthistor. Werke, in neuerer Zeit besonders Schul- bücher und Vorlagen
für Kunstindustrie und Heral- dik, von Autoren wie Berendt, Vopp, Erichson, Hildebrandt, Kämmerling,
W. von Kaulbach, FranzKern, Kreyßig, Lepsius, Michelet, W. von Raumer, Titz, Troschel u. a. -
Vgl. Friedel, Zur Geschichte der Nicolsches B. (Berl. 1891).
Nicolaithal, s. Visp. Nicolas, Saint,
[* 59] Städte, s. Samt Nicolas. Nicolay, Ludw.
Heinr., Freiherr von, Dichter, geb. zu Strahdurg, studierte daselbst die Rechte, wurde 1761 Privatfekretär
des russ. Ge- sandten in Wien, 1769 Erzieher, 1770 Kabinetts- sekretär des GroßfürstenPaul von Rußland, 1782 geadelt, 1796 kaiserl.
Staatsrat, 1798 Direktor der Akademie der Wissenschaften und 1801 Geheimrat und Mitglied des Kabinetts. Nach KaiserPaulsTode
zog er sich auf sein Gnt Monrepos bei Wiborg
[* 60] in Finland zurück, wo er starb. Am höchsten stehen
seine Fabeln und seine kleinen, nach WielandsMuster verfaßten Poet. Erzählungen. An seine «Vermischten Gedichte und prosaischen
Schriften» (8 Bde., Verl. 1792-1810) schließen sich seine
wertlosen «Theatralischen Werke» an (2 Bde.,
Königsb. 1811). -
Vgl. von Gerschau, Aus dem Leben des Freiherrn von Nicolsches (Hamb. 1834).
Nicölo, veraltetes Musikinstrument, s. Schalmei. Nicolo de Malte, Komponist, s. Isouard. Nicolsches Prisma
[* 61] oder kurzweg Nicol
(nach dem Erfinder, dem engl. Physiker Nicol be- nannt), zwei Doppelspatprismen (s. beistehende
[* 47]
Figur ascl) und
ä^d c), deren polierte Trennungs- flächen dc mit Canadabalsam aneinander gekittet sind. Wenn nun ein
Lichtstrahl mn auf die rhombische Fläche ^6 fällt, so zer- legt er sich vermöge der Doppel-
[* 62] brechung (s. d.)
im Kalkspat
[* 63] in zwei entgegengesetzt polarisierte (s. Po- larisation) Strahlen, und zwar in einen gewöhnlich oder ordent- lich
und in einen ungewöhnlich oder außerordentlich gebrochenen Strahl, wobei der Brechungs- exponent des
ersten 1,06 ist, jener des zweiten Zwischen 1,48 und 1,00 veränderlich erscheint. Da nun der Brechungsexponent des Ca- nadabalsams
(1,54) lleiner als jener (1,"6) des ordentlichen Strahls ist, so wirkt die Valsamschicht auf den ordentlichen Strahl wie ein
schwächer
¶
mehr
319 brechendes Mittel, weshalb er bei p derart total reflektiert wird, daß er nicht in das bei s befindliche Auge
[* 65] gelangen
kann. Letzteres findet dagegen bei dem außerordentlichen oder extraordinären Strahl n s statt, der bei o durch die Balsamschicht
hindurch in den andern Teil des Prismas gelangt, denselben bei r verläßt und zum Auge bei s geht. Die
Nicolai P. lassen also nur die extraordinären Strahlen, deren Schwingungen parallel zu seinem Hauptschnitte a e d g sind, durch
und sind undurchsichtig für die ordentlichen Strahlen, deren Schwingungsrichtung senkrecht gegen jenen Hauptschnitt erfolgen.
Zur Herstellung von Nicolai P. müssen statt der Flächen a e, g d, die am Spaltstück mit der Kante e d Winkel
von 71° bilden, andere unter 68° angeschliffen werden, und der Schnitt c b muß senkrecht gegen diese erfolgen. Für mineralog,
und petrographische Untersuchungen sind die Nicolai P. (in Verbindung mit dem Mikroskop)
[* 66] ein unentbehrliches Hilfsmittel
geworden.
Stadt (und Kreis,
[* 68] 94783 E.) in der ital. ProvinzCatania auf Sicilien, zwischen den beiden Quellflüssen des
Salso, in wilder Gebirgsgegend, 867 m hoch, auf dem jäh abstürzenden Monte-SanGiovanni gelegen, ist Bischofssitz, zählt
(1881) 14941, als Gemeinde 15460 E. und hat eine Salzmine und mehrere Schwefelquellen.
(spr. -koh),Jean Nicot, Sieur de Villemain, franz. Diplomat und Gelehrter, geb. 1530 zu Nimes,
[* 69] stand bei Heinrich II.
und Franz II. in großer Gunst. Nicot wurde 1560 in diplomat.
Eigenschaft an König Sebastian von Portugal
[* 70] gesendet. In Lissabon
[* 71] lernte er die Tabakspflanze kennen und brachte sie von dort nach Frankreich. Nicot starb Von seinen
litterar.
Arbeiten ist der «Trésorde la langue française» (Par. 1606; Rouen
[* 72] 1618) als das erste ausführliche
franz. Wörterbuch hervorzuheben.
Hafenstadt im Kreis Monteleone der ital. ProvinzCatanzaro in Calabrien, am Golf von Gioja und
an der Linie Reggio-Tropea, ist Bischofssitz und hat (1881) 5189, als Gemeinde 6978 E.
Giovanni, ital. Staatsmann, geb. zu Sambiase (ProvinzCatanzaro), studierte die Rechte und beteiligte
sich, noch ganz jung in die Umtriebe des JungenItaliens
[* 73] (s. d.) hereingezogen, 1848 an dem AufstandCalabriens, 1849 als Offizier
an dem Verteidigungskampf von Rom und 1857 an der gegen die Bourbonen gerichteten Unternehmung nach Sapri, die ihm die Galeere
eintrug. Von Garibaldi 1860 befreit, trat er zur Verjagung der Bourbonen aus Neapel,
[* 74] dann im Krieg von 1866 und bei der Unternehmung
auf Rom 1867 unter dessen Fahnen.
Seit 1860 war er als Vertreter von Salerno Mitglied der Kammer, gehörte zuerst der äußersten Linken
an, entwickelte sich aber immer mehr zu einem Manne der Ordnung. Unter Depretis Minister des Innern (März 1876) geworden,
machte er sich namentlich um Sicilien verdient durch Unterdrückung der Mafia (s. d.), aber auch verhaßt durch
seine durchgreifende Art und mußte schon im Dez. 1877 zurücktreten, um nun zum gefürchteten Gegner der folgenden Ministerien
zu werden, bis Crispi ans Ruder kam. Unter Rudini (Febr. 1891 bis Mai 1892) war er wieder Minister des Innern. Er starb Nicotera war
ein echter Vertreter der hochstrebenden neuern Demokratie. –
Vgl. Giordano, La vita ed i discorsi diGiovanniNicotera (Salerno 1878);
rechter Zufluß des Mains, kommt vom Taufstein im Vogelsgebirge in Oberhessen, fließt südwestlich
durch Oberhessen und mündet nach 98 km bei Höchst, 8 km westlich von Frankfurt. An größern Zuflüssen hat die Nidda rechts
Horloff und Wetter
[* 77] und links Nidder, sämtlich im Vogelsgebirge entstehend.
Eisenbahn, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Gießen)
[* 78] und Kreisbauamtes, hatte 1890:
1781, 1895: 1822 E., darunter 49 Katholiken und 91 Israeliten, Postamt zweiter Klasse, Telegraph,
[* 79] Fernsprecheinrichtung, Vorschuß- und
Kreditverein;
Rot- undWeißgerberei, Papierfabriken und bedeutende Kunsttischlerei. 4 km westlich das Solbad Salzhausen mit
Saline, Sol-, Schwefel-, Lithion- und Stahlquellen und ein Braunkohlenbergwerk.
BartholdGeorg, Geschichtsforscher, Kritiker und Philolog, Sohn des folgenden, geb. zu Kopenhagen,
[* 84] wurde von seinem Vater, besonders aber durch eigenes Studium vorgebildet, kam 1793 nach Hamburg zu J. G. Busch, dem Vorsteher
der Handelsakademie, und studierte 1794–96 in Kiel die Rechte und Philosophie. 1796 wurde er Privatsekretär
des dän. Finanzministers Ernst Schimmelmann, setzte 1798 seine Studien in London
[* 85] und Edinburgh fort, trat 1800 in den dän.
Staatsdienst und erhielt 1804 die Direktion der Bank. 1806 trat Niebuhr in den preuß. Staatsdienst über, wo
er Mitdirektor der Seehandlung wurde.
Vom März bis April 1809 verhandelte er in Holland wegen einer preuß. Anleihe. Nach seiner Rückkehr wurde er Staatsrat und
Sektionschef für das Staatsschuldenwesen. Mit den Finanzplänen Hardenbergs nicht einverstanden, erbat er 1810 seinen Abschied
und hielt als Mitglied der Akademie der Wissenschaften an der BerlinerUniversität Vorlesungen über röm.
Geschichte; 1813 trat er wieder in den Staatsdienst und wurde 1816 zum preuß. Gesandten am päpstl. Hofe ernannt, wo er die
Unterhandlungen über die Organisation der kath. Kirche in Preußen
[* 86] führte, infolge deren die CirkumskriptionsbulleDesaluteanimarum 1821 erlassen wurde. 1823 ging Niebuhr an die UniversitätnachBonn.
[* 87] Er starb N.s Hauptwerk
ist die«Röm. Geschichte» (Bd. 1–3, Berl.
1811–32 u. ö.; neue Ausg., ebd. 1873), die
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forlaufend
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ältere Geschichte bis zum Kampfe mit Karthago
[* 89] umfassend, worin Niederalpen nicht nur die Unhaltbarkeit dessen, was bisher sür beglaubigte
Thatsache galt, nachzuweisen, sondern auch aus der Masse von Sa- gen, Mutmaßungen und Verfälschungen das aus- zuscheiden suchte,
was als unverfälschtes Element angesehen werden kann. Niederalpen ist hierdurch ein Haupt- begründer
der eigentlichen histor. Kritik geworden. Eine Fortsetzung des von Niederalpen selbst Begonnenen gab aus dessen Vorträgen
Leonhard Schmitz in den «I^6ctur68 011 tlie liistor^ ol Nonis troni tde iirst
?unio ^ar to tti6 äsatk olOonstantink d^ V. (^. ^l.» (2 Bde., Lond.
1844; deutsch von Zeiß, 2 Bde., Jena
[* 90] 1844-46) heraus. Durch N.s Anregung entstand auch die von Platner
und Bunsen unternommene «Beschreibung der Stadt Rom», welche wichtige Bei- träge von Niederalpen enthält. Nach seinem Tode erschienen
N.s «Vorträge über die röm. Geschichte, an der
Uni- versität Bonn gehalten» (hg. von Isler, 3 Bde., Verl. 1846-48),
«Vorträge über alte Geschichte» (hg. von M. Niebuhr, 3 Bde.,
ebd. 1847 - 51), «Vorträge über alte Länder- und Völkerkunde» (hg. von Isler, ebd. 1851) und «Vorträge über röm.
Altertümer» (hg. von demselben, ebd. 1858). Seine «Geschichte des
Zeitalters der Revolution» (2 Bde., Hamb.
1845) beruht auf den 1829 in Bonn gehalte- nen Vorträgen. Von seinen philol. Arbeiten sind zu erwähnen:
die kritische Ausgabe der Werke des Fronto (Berl. 1816),
ferner von zwei bis dahin un- gedruckten Bruchstücken der Reden
des Cicero für Fontejus und Nabirius (Rom 1820), eines Bruch- stücks des Merobaudes (2. Ausg., Bonn 1824) und die «In8crjption68
KudiengsL» (Rom 1821). Mit Böckh und Brandis begründete Niederalpen 1826 das «Rhein. Museum für Philologie, Gefchichte
und grieck. Philo- sophie», auch rief er seit 1828 eine neue Bearbei- tung des «Corpus
8ci'ipt0ruin iii8t0ria6 V^an- tin3.6» ins Leben. Seine «Kleinen histor. und philol. Schriften» erschienen in zwei Bänden in
Bonn 1828 -43, die «Nachgelassenen Schristen nichtphilol.
In- halts» in Hamburg 1843. Sehr anziehend sind auch die «Griech. Heroengeschichten. An
seinen Sohn erzählt», von diesem (Hamb. 1842; 11. Aufl., Gotha
[* 91] 1896) herausgegeben. -
Vgl. Lebensnachrichten über Niederalpen aus Briefen desselben und aus Erinne- rungen einiger seiner nächsten
Freunde (3 Bde., Hamb. 1838-39);
Classen, Niebuhr (Gotha 1876);
Eyssenhardt, B. G. Niederalpen (ebd. 1886).
Niebuhr, Carsten, Forschungsreisender, geb. zu Lüdingworth im Lande Hadeln, trat 1760 als Ingenieurlieutenant
in dän. Dienste
[* 92] und wurde 1761, als der König Friedrich V. von Dänemark
[* 93] eine Gesellschaft Gelehrter auf feine Ko- sten
nach Arabien reisen ließ, um dieses Land zu er- forschen, derselben für das Fach der Geographie beigegeben. Binnen Jahresfrist
starben sämtliche Mitglieder diefer Gesellschaft mit Ausnahme N.s, der die Reise allein fortsetzte, von der er erst 1767 zurückkehrte.
Niederalpen wurde 176" Ingenieurkapitän, 1778 Wirkl.
Iustizrat und Landschreiber zu Meldorf in Süderdithmarfchen und 1808 Etatsrat. Er starb zu
Meldorf. Niederalpen war der erste Rei- sende, der die Methode der Mond
[* 94] ab stände auf dem festen Lande zu Längenbestimmungen anwandte
und damit sehr genaue Längen erzielte. Durch genaue Aufnahme des nördl. RotenMeers wurde Niederalpen der Begründer der neuen
Weltstraße über Sues nach Indien. Mit Hilfe seiner
Karte wagte es zuerst Kapitän Holford 1772, von Kalkutta
[* 95] bis Sues zu
segeln. Seine Kopien der Keilinschriften aus Ninive dienten Grotefend 1802 für seine ersten Versuche zur Entzifferung diefer
Schrift. Die Ergebnisse der arab. Reise veröffentlichte er in der «Beschreibung von Arabien» (Kopenh. 1772),
in der «Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern» (2 Bde., ebd. 1774-78; Bd.
3: «Reisen durch Syrien und Palästina»,
[* 96] hg. von Gloyer und Olshausen, Hamb. 1837) sowie in der Ausgabe von P. Forskals «v68clipti0N63
Äiumaliuin 6tc.» (Kopenh. 1775) und dessen «^lora
ak^Maco-NradicH» (ebd. 1776). Eine Biographie N.s hat sein Sohn BartholdGeorg Niederalpen verfaßt (Kiel 1817).
Niebuhr, Markus Carsten Nikolaus von, preuß. Staatsmann, Sohn von BartholdGeorg Niederalpen, geb. zu Rom, studierte Rechts-
und Staats- wissenschaften zu Kiel, Bonn, Halle und Berlin, arbeitete dann als Hilfsarbeiter im Ministerium der geistlichen und
Unterrichtsangelegenheiten und redigierte 1848^49 den konservativen «Magdebur- ger Korrespondenten»; auch
war er Mitarbeiter an der «Kreuzzeitung». 1850 wurde Niederalpen zum
Regie- rungsrat ernannt, im Nov. 1850 in polit.
Mission nach Kurhessen gesandt und 1851 Geh. Negierungs- rat im Hausministerium und Kabinettssekretär im Civilkabinett des
Königs, auf den der von reaktio- nären und altständischen Anschauungen ganz er- füllte Mann einen nicht
geringen Einfluß gewann. 1852 ging er, um mit Bunsen über die innere Politik zu konferieren, nach London. 1854 ernannte ihn
der König zum Kabinettsrat und Mitglied des Staatsrats und erhob ihn bald darauf in den Adels- stand. Vorübergehend war er
von 1852 bis 1853 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Der berüchtigte Depeschendiebstahl 1855, der hauptsächlich
geheime Papiere betraf, die zum Teil Niederalpen anvertraut gewefen waren, wirkte auf sein Gemüt so erschütternd, daß er 1857 einer
Geisteskrankheit verfiel, der er zu Oberweiler bei Vadenweiler erlag. Von N.s litterar. Arbeiten sind die Schriften
über Bank- wesen (Hamb. 1846) und die «Geschichte Assurs und Babels» (Berl. 1857) hervorzuheben.
Xisos (frz., spr. niähß), Nichte. Nied, linker Zufluß der Saar,
entsteht in Deutsch- Lothringen bei Contchen aus der Französischen und Deutschen Niederalpen und mündet 10 kin unterhalb Saar- louis
nach 98 kiu. Niedenstein, Stadt im Kreis Fritzlar des preuß. Neg.-Vez. Cassel, an der Wiehoff, hatte 1890: 608 meist
evang. E., darunter 123 Israeliten, 1895: 642 E., Postagentur und Fernsprechverbindung. Niederalpen
(LH8868-^1p68), Departement in: südöstl. Frankreich, nordöstlichster Teil der Provence, grenzt im N. an das Depart. Oberalpen,
im O. an Italien
[* 97] und das Depart. Seealpen, im S. an Var, im W. an Vaucluse, im NW. an Dröme, hat 6954,18
(nach Berechnung 6987) ykm, (1891) 124285 E. (5209 weniger als 1886) und zerfällt in die 5 Arron- dissements Varcelonnette,
Castellane, Digne, Forcal- quier, Sisteron mit 30 Kantonen und 250 Gemeinden. Hauptstadt ist Digne. Die Bevölkerung nimmt seit 1836 (159045
E.) stetig ab und ist die dünnste von Frankreich (kaum 18 E. auf 1 Hwn). Etwa fünf Sechstel des Landes
werden von den westl. Aus- läufern der Seealpen erfüllt, die sich in vielfachen Ketten nach dem Nhönebecken verzweigen.
Die Verg- züge von Lure und Aiguines trennen den alpinen nördl. Teil (wo der Mont-Chambeyron 3400 in
hoch
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