ist, hat sich an vielen Orten bis heute erhalten, z. B. die
Bauernspiele in Oberammergau in
Bayern.
[* 2] (S. Oberammergau,
Passionsspiele
und
Lutherfestspiele.) Sammlungen französischer Mysterien veranstalteten Monmerqué und
Michel
(Théâtre français au
moyen âge,
Par. 1840) und Jubinal (2 Bde., ebd.
1837); deutsche Mysterien veröffentlichte Mone,
Altdeutsche Schauspiele (Quedlinb. 1841) und Schauspiele des
Mittelalters (2 Bde., Karlsr. 1846)
und
Kummer,
ErlauerSpieleWien
[* 3] 1882).
Vgl. Hase,
[* 4] Das geistliche Schauspiel (Lpz. 1858);
(grch.). In der
Religion der alten Griechen hießen diejenigen, die in die geheimen Gottesdienste und
deren symbolische Bedeutung (s.
Mysterien) eingeweiht waren,
Mysten, d. h.
Geweihte. Daher stammt der Sprachgebrauch, der mit
Mystik das aller
Religion eigentümliche Bestreben bezeichnet, mit der Gottheit in unmittelbare und wahrnehmbare Berührung zu
gelangen. Dasselbe trägt im
Heidentum vorwiegend einen sinnlich-religiösen Charakter. In der alten christl.
Kirche gab die
Feier der
Sakramente, deren
Sinn und Vollzugsart man vor Nichtchristen geheim hielt,
Anlaß, sie mit den
griech.
Mysterien in
Analogie zu setzen und deren Bezeichnungen auf sie zu übertragen, z. B. die bei der
Taufe in alle christl.
Lehren
[* 8] Eingeweihten
Mysten zu nennen.
Auf griech. Seite hatten inzwischen die Neuplatoniker (s. d.)
eine philosophisch-religiöse Mystik ausgebildet, die als höchste
Stufe der Erkenntnis das unmittelbare geistige
Schauen der Gottheit erstreben lehrte, aber auch den
Glauben an einen ununterbrochenen Verkehr mit der übersinnlichen Welt,
an Orakel, Visionen und an übernatürliche Kundgebungen aller Art begünstigte. Die hieraus hervorgehende spekulativ-mystische
Art zu theologisieren wurde durch die
Schriften des angeblichen Dionysius (s. d.) Areopagita
auch ins
Christentum verpflanzt und kam durch Erigena auch in die abendländ.
Theologie. Doch wirkte der eigenartige Grundzug des
Christentums dem pantheistischen Zuge dieser Mystik stets entgegen, weshalb
sich der in ihr mächtige
Geist inniger
Andacht und religiöser
Kontemplation in der mittelalterlichen
Theologie und
Kirche zu
der Form einer sittlich-religiösen Mystik läuterte. Im Gegensatz zur Scholastik (s. d.)
legte schon
Bernhard (s. d.) von Clairvaux alles Gewicht auf den unmittelbaren
Glauben und die im
Glauben und in der Liebe erlebte
Gottesgemeinschaft des frommen Individuums.
Nach seinem Vorgange entwickelte
Hugo von
Sankt
[* 9] Victor ein förmliches
System der religiösenErhebung, das
Richard von
Sankt
Victor noch weiter ausbildete. In ihren
Spekulationen über die Geheimnisse der Gottheit will diese Mystik doch
vorwiegend eine
Theologie der
Andacht, des Gefühls und der unmittelbaren
Erleuchtung sein und die innere Erfahrung der göttlichen
Liebe im Gemüt sowie als Grundbedingung der Gottesgemeinschaft
Reinigung desHerzens in einer ascetischen
Moral erstreben. Der kirchliche
Verfall rief endlich im 14. Jahrh. eine Reaktion des religiösen Gefühlslebens hervor,
die vielfach an den mystischen
Schriften Erigenas und der Victoriner sich nährte, aber doch in der sittlichen Erneuerung
des
Menschen die eigentliche
Frucht aller mystischen
Erhebung erblickte.
Diese namentlich im Augustinerorden gepflegte Mystik hat auch auf den Bildungsgang
Luthers wesentlich eingewirkt, währendThomasMünzer und die Wiedertäufer in ihrem mystischen
Trachten diejenige Form unmittelbarer göttlicher
Erleuchtung
erstrebten, die die kirchliche Überlieferung als besondern Vorzug nur wenigen mit neuen Offenbarungen begnadeten Geistern
vorzubehalten pflegte. Auf
Grund des ihnen zu teil gewordenen «innern Lichts» verwarfen sie den
kirchlichen Gemeinglauben und wollten die ganze bestehende kirchliche und staatliche Ordnung von
Grund aus umstürzen.
Unter der Herrschaft der
Orthodoxie lebte auch die Mystik im deutschen
Protestantismus wieder auf. Während
in den Andachtsbüchern von
JohannArnd,
Christian Scriver u. a. die innigen
Töne der ältern Mystik wieder erklangen, führte die
Verbindung naturphilos.
Spekulationen und alchimistischer Träumereien bei
JakobBöhme,
JohannGichtel u. a. zu einer tiefsinnigen
Theosophie, die die phantastischen Ideen der Schwarmgeister erneuerte. Bis auf die Gegenwart haben
sich Theosophen wie
Swedenborg und seine
Anhänger unmittelbarer Offenbarungen gerühmt.
In der rationalistischen
Periode ward es daher üblich, jedes Geltendmachen des Geheimnisvollen und übernatürlichen in der
Religion als
Mysticismus zu bezeichnen.
In denAnschauungen solcher Mystiker mischen sich oft die tiefsinnigsten religiösen
Ideen unvermittelt mit verworrenen
Phantasien, die tiefsten Erlebnisse des religiösen Gemütslebens mit leeren Träumereien,
die geistige Wahrheit mit dem rohesten Unverstande. Neuerdings hat die Ritschlsche Schule den rationalistischen Widerwillen
gegen alle religiöse Mystik erneuert und jede
Unmittelbarkeit des religiösen Verhältnisses als
Hallucination verdächtigt. Die
Folge davon ist der in neuester Zeit geführte Streit über die in der
Theologie. Auch der
Islam brachte
unter dem
NamenSufismus (s. d.) eine Mystik hervor.
Vgl.
Tholuck, Blütensammlung aus der morgenländischen Mystik (Berl. 1825);
Görres, Die christliche Mystik (4 Bde., Regensb.
1836-42; neue Aufl., 5 Bde., 1879-80);
CharlesSchmidt, Essai sur les mystiques du XIVe siècle (Straßb. 1836);
Helfferich, Die christliche in ihrer
Entwicklung und
¶
Eine Blumenlese aus den deutschen Mystikern
des 14. Jahrh. (4. Aufl., Graz
[* 12] 1895); Julius Köstlin, Die Begründung unserer sittlich-religiösen Überzeugung (Berl. 1893);
Marx, Idee und Grundlinien einer allgemeinen Geschichte der Mystik (Heidelb. 1893).
Lade, gewöhnlich Cista mystica genannt, ein cylindrischer Behälter von Flechtwerk, der in den antiken Mysterien
(besonders des Dionysos)
[* 13] eine große Rolle spielte und in spätern Zeiten mit Vorliebe als deren Symbol hervorgehoben
wird.
Auf Abbildungen steht diemystische Lade gewöhnlich halbgeöffnet auf der Erde und eine Schlange
[* 14] kommt daraus
hervor. -
zwei Voralpengipfel der Sihlgruppe in den Glarner Alpen (s. Westalpen), nordöstlich von Schwyz,
in der Wasserscheide
zwischen Sihl (Limmath) und Muota (Reuß).
[* 16]
Der Große Mythen, ein steiler Kegel aus Jurakalk, seit dem Waldbrand von 1800 fast kahl, 1903 m
hoch, wird oft bestiegen.
Der Kleine Mythen, vom großen durch den Zwischmythensattel (1441 m) getrennt, ist 1815 m
hoch;
Schriftsteller des Altertums, die seit der alexandrinischen Zeit Sagen und Dichtungen der frühern Zeiten
in Prosa bearbeiteten und zusammenstellten. Die wichtigsten Reste der Schriften griechischer Mythographen sind die
«Bibliotheca» des Apollodor, die nur bei Photius im Auszug erhaltenen «Narrationes» des Konon, die «Narrationes
amatoriae» des Parthenius, die «Transformationes» des Antoninus Liberalis, die dem Eratosthenes beigelegten «Katasterismen».
Auch rechnet man dazu das Werk des Cornutus (s. d.) «Über das Wesen der Götter» und die Homerschen Allegorien
des Heraklitus, die eine vorwiegend philos. Tendenz haben. In den Sammlungen der röm. «Mythographi»
finden sich namentlich die «Fabulae» des Hyginus, die «Mythologica» des Fulgentius, des Luctatius Placidus «Narrationes
fabularum» (aus Ovid),
das erst im Mittelalter von einem Albericus geschriebene Buch«De deorum imaginibus» u. a. Eine Ausgabe
der «Mythographi graeci» veranstaltete Westermann (Braunschw.
1843; von einer Neubearbeitung derselben durch Wagner u. a. ist Bd. 1, enthaltend
«Apollodori bibliotheca», Lpz. 1894, und Bd.
2, Werke von Parthenius und Antoninus Liberalis enthaltend, ebd. 1896, erschienen); die «Mythographi latini»
gaben Muncker (2 Bde., Amsterd.
1681) und van Staveren (2 Bde., Leid. 1742) heraus, wozu dann noch
die Ausgabe der drei «Mythographi Vaticani»,
von denen wenigstens der erste noch dem heidn. Altertum angehört, durch Mai (in «Auctorum classicorum», Tl. 3, Rom
[* 17] 1831) und
Bode (in den «Scriptores rerum mythicarum latini», 2 Bde.,
Celle
[* 18] 1834) gekommen ist.
und Mytholŏgie. Der Wortbedeutung nach ist Mythus zunächst soviel wie Rede, Erzählung,
so bei Homer; aber schon die spätern Griechen gebrauchen das Wort für Erzählung aus vorhistor. Zeit. Jetzt versteht man
unter Mythus im engern Sinne, im Unterschied von Sage, einmal eine Erzählung, deren Mittelpunkt ein göttlichem Wesen ist,
und dann den in konkreter Erzählungsform auftretenden religiösen Glauben. Mythologie als Wissenschaft
des Mythus ist zunächst der Inbegriff aller Erzählungen von Göttern, dämonischen und halbgöttlichen Wesen; dann aber auch
die Lehre
[* 19] von den Vorstellungen der Völker über ihre Götter, deren Wesen und Thun und deren Kult.
Die Entstehung des Mythus hat man sich folgendermaßen zu denken. Die Kräfte, welche die Naturerscheinungen
bedingen, abstrakt als Kräfte aufzufassen, als Wärme,
[* 20] Elektricität u. s. w., vermag nur
das abstrakte Denken, während der Naturmensch, ebenso wie das Kind, den Dingen der umgebenden Natur unmittelbar die Eigenschaft
des Lebens beilegt, sowie sie eine Thätigkeit auszuüben scheinen. Erst auf einer höhern Stufe der Entwicklung gelangen
beide zu der Erkenntnis, daß man bei jeder Thätigkeit eine wirkende Kraft
[* 21] voraussetzen muß.
Mit Notwendigkeit setzt also eine Zeit, in welcher die Phantasie überwiegt, an Stelle der abstrakten Naturkräfte willensbegabte
Persönlichkeiten, von denen die in ihrer Wirkung wahrgenommene Kraft ausgeht. Da aber die Kräfte und deren Wirkungen immer
dieselben oder wenigstens immer ähnlich bleiben, so erscheinen sie als die den Persönlichkeiten anhaftenden
Eigenschaften. Je nachdem nun die Wirkungen, welche man dem Willen dieser oder jener Persönlichkeit zuschrieb, dem Menschen
gegenüber segensvoll oder verderblich waren, erschien die Persönlichkeit als eine freundliche oder als eine feindliche.
Da ferner im einen wie im andern Falle die Wirkungen und also auch die sie hervorbringenden Persönlichkeiten
über menschliche Kraft erhaben, der menschlichen Einwirkung entzogen waren, so erscheinen diese Personen selbst als übermenschliche
Wesen, d. h. als Gottheiten, und zwar mußte man notwendig in der auf den unmittelbaren Eindruck
bauenden Zeit so viele Gottheiten annehmen, wie man voneinander unabhängige Kräfte wahrzunehmen glaubte.
Von diesen göttlichen Personen fühlt sich in jedem Augenblick seines Lebens der Mensch abhängig; der Mensch tritt seinen
Gottheiten gegenüber in ein religiöses Verhältnis, fühlt gegen die freundlichen Liebe und Verehrung, vor den feindlichen
Furcht und Scheu, sucht die freundlichen durch Gebet und Opfer für sich zu gewinnen, die feindlichen durch
dieselben Mittel zu entfernen oder zu versöhnen. Aber nicht allein auf den Menschen, sondern auch direkt aufeinander wirken
die Naturerscheinungen bedingend ein; es müssen also die sie vertretenden göttlichen Personen auch zu einander in bestimmten,
dauernden Verhältnissen stehend vorgestellt werden. Je nachdem die von ihnen ausgehend gedachten Kräfte
sich fördern oder aufheben, erscheinen sie in Liebe und Haß gegeneinander, und
¶
mehr
aus der Verschiedenheit der Kräfte ergiebt sich das Verhältnis der Neben- und Unterordnung der göttlichen Personen zu einander.
Die auf Naturwahrnehmung gestützten physischen Mythen haben also bei jedem göttlichen Wesen einen festen Hauptcharakterzug
und ein bestimmtes Verhältnis sowohl zu andern Göttern wie zum Menschen ausgeprägt. Es wird nun auf Grund
der ursprünglichen Gestaltung fortgebaut und der Charakter jedes Gottes nach Analogie des ursprünglichen Typus und unter Mitwirkung
des Verhältnisses, in welchem er zu andern göttliches Wesen steht, ausgeführt. Die Folge ist, daß auch die Beziehung des
so vollendeten, göttlichen Wesens zum Thun und Treiben des Menschen sich vermannigfacht und daß, je fester
sich infolgedessen das religiöse Verhältnis setzt, um so mehr die ursprüngliche physische Gestaltung des göttlichen Wesens
in den Hintergrund, die ethische dagegen in den Vordergrund tritt. Da jedoch auch auf dieser Stufe noch die den Mythus bildende
Menschheit selbst nur nach Naturtrieben, nicht nach einem sittlichen Gesetz handelt, so kann sich dieses
auch noch nicht bei der Schilderung der Götter und ihrer Handlungen zeigen.
Aus dieser Zeit stammen die vielen, später unsittlich erscheinenden Züge der Göttersage, welche bei dem Fortschreiten
des sittlichen Bewußtseins wohl hier und da abgeschwächt, nicht aber ganz getilgt worden sind. Das ist die Entwicklungsstufe,
auf welcher die griech. Götter in der griech. Poesie und Kunst stehen: sie sind ethische, potenziert menschliche Wesen, denen
aber auch alle menschlichen Schwächen anhaften. (S. Griechische Mythologie.) Auf gleicher Stufe stehen auch die nordgerman.
Gottheiten.
Als letzte Phase dieser fortarbeitenden mythischen Thätigkeit ist die vollendete Vermenschlichung ursprünglich göttlicher
Wesen zu bezeichnen. Diese ist nur dann möglich, wenn die Naturbedeutung gegen die ethische Entwicklung
zurückgetreten ist, und sie erfolgt wohl am häufigsten durch die Berührung der verschiedenen Stämme, welche Gottheiten
gleicher Geltung haben. Da, wo sich nicht beide miteinander völlig und unter einem Namen verbinden können, tritt die eine
Gottheit in ein abhängiges Verhältnis zu der andern, oder sie wird gänzlich von ihr verdrängt.
Letzteres ist namentlich bei feindlichem Zusammenstoß verschiedener Stämme anzunehmen. Die vermenschlichte Gottheit erhält
dann eine neue menschliche Genealogie, in der sich ihr gegenüber die letzte Thätigkeit des Mythus offenbart, tritt aber
dann aus dem Gebiete des Mythus in das der Sage (s. d.) über,
welche auf ihre Weise an das vom Mythus Überkommene anknüpft und daran fortspinnt. Eine andere Reihe mythischer Gestalten
entwickelt sich aus der Vorstellung, daß die Seelen der Verstorbenen in verschiedenen Formen fortleben und in mancherlei
Gegenständen oder Wesen wirksam seien (s. Ahnenverehrung und Fetischismus).
Die Aufgabe der wissenschaftlichen Mythologie ist die Sammlung, Deutung und Geschichte der Mythen. Schon im Altertum haben viele
Philologen und Philosophen Sammlungen oder Deutungen der Mythen unternommen. (S. Mythographen.) Die moderne wissenschaftliche
Mythologie beginnt nach schwachen ältern Versuchen (Boccaccio, Lil. Gyraldus, Natalis Comes, Is. ^[Isaac] Vossius, Banier) mit
Heyne, Creuzer, Voß und O. Müller. Es sind die verschiedensten Principien der Mythendeutung aufgestellt,
je nachdem man
dem Mythus einen physischen, oder einen ethischen, oder einen pragmatisch-histor.
Inhalt zuschrieb; je nachdem man ihn ferner aus dem Volksglauben oder aus uralter Priesterweisheit und Spekulation ableitete,
und je nachdem man seine Quelle
[* 23] in Griechenland
[* 24] selbst oder im Orient suchte. Die Mythenforschung muß zuerst
den umgekehrten Weg gehen, den die Mythenbildung gegangen ist: sie muß das allmählich Vereinigte auflösen, nicht sowohl
um zu dem einen und letzten Kern des Mythus, der ursprünglichen Anschauung zu gelangen, als vielmehr, um die verschiedenen
Phasen nachzuweisen, welche ein göttliches Wesen durchgemacht hat, und so denStoff zu einer Geschichte
der Mythen und des religiösen Glaubens zu liefern, welche die einzelnen Mythen und ihre Gesamtheit dann wieder von ihrer Entstehung
bis zu ihrer Auflösung verfolgt, also Sammlung und Deutung der Mythen vereinigt. Dabei wäre es aber falsch, einen Sagenzug
bloß deshalb für jung zu erklären, weil er nur in spätern Quellen überliefert ist, denn abgesehen davon, daß so viele
ältere Schriftsteller verloren gegangen sind, aus denen derselbe entlehnt sein kann, sind sicherlich auch manche uralte
in Lokalsagen erhaltene Mythen erst spät in die litterar. Tradition übergegangen.
Ähnlich wie bei der Philologie verstand man früher unter Mythologie ausschließlich oder in der Hauptsache
die klassische Mythologie, d. h. die Mythologie der Griechen und der Römer,
[* 25] wie diese nach Aufnahme der griechischen und Verschmelzung
mit einheimischen Elementen in röm. Litteratur und Kunst uns entgegentritt. Der Griechischen Mythologie (s. d.) ist die der
verwandten indogerman. Völker (s. Indogermanen) zur Seite getreten, namentlich der Inder, Slawen (s. Slawische Mythologie),
Kelten und Germanen (s. Deutsche Mythologie und Nordische Mythologie), und ebenso ist man an die Erforschung der einheimischen
Mythologie und Religion der italischen Völkerschaften gegangen (s. Römische Religion).
[* 26]
Die ursprünglich allen diesen Völkern gemeinsamen religiösen Vorstellungen und Mythen untersucht dann
die Schwester der vergleichenden Sprachforschung: die vergleichende Mythologie. Als die bedeutendsten Vertreter dieser Wissenschaft
sind AdalbertKuhn, MaxMüller, Wilhelm Mannhardt und E. H. Meyer zu nennen. Versuche einer Darstellung der gesamten vergleichenden
Mythologie der indogerman. Völker machten Cox («The mythology of the Aryan nations», 2 Bde.,
Lond. 1870; neue Aufl. 1882) und Schrader («Die
Grundzüge des altarischen Götterglaubens», 1880, und «Sprachvergleichung und Urgeschichte», Jena
[* 27] 1883). Dasselbe versuchte
vom religionsphilos. Standpunkt aus Asmus («Die indogerman. Religion in den Hauptpunkten ihrer Entwicklung», 2 Bde., Halle 1875-77);
Lippert («Die Religionen der europ. Kulturvölker», Berl. 1881) behandelt
im besondern den Seelenkult. Doch hat neuere Forschung ergeben, daß keine von den Parallelen, aus denen
man einen indogerman. Götterglauben erschlossen hatte, haltbar ist. -
Vgl. O. Gruppe, Die griech. Kulte und Mythen in ihren
Beziehungen zu den orient.
Religionen, Bd. 1 (Lpz. 1887),
worin neben der im Titel genannten Untersuchung eine scharfe Kritik aller bisherigen Methoden der Mythendeutung
gegeben wird.
Endlich aber hat die Forschung noch weitere, endlose Gebiete betreten. Wenn die Völker indogerman. Stammes auch auf dem Gebiete
der
¶
mehr
Mythen am fruchtbarsten und reichsten gewesen sind, so ist der mythenbildende Trieb doch ein Eigentum nicht einer einzelnen
Völkerfamilie, sondern der Menschheit. AlleVölker drücken auf einem gewissen Kulturzustande ihre religiösen Gefühle und
Vorstellungen in Form von Erzählungen aus, und so gilt es, einmal die Reste solcher Mythen aller Völker
zu sammeln, welche, auf diesem Kulturzustande stehend, solche gedichtet haben, und zweitens die Mythen derer, welche noch darauf
stehen. So hat Brugsch («Religion und Mythologie der alten Ägypter», Lpz. 1888; 2. Ausg.
1891) die Reste des ägypt. Mythus zusammengestellt und unter Hardys Leitung erscheinen seit 1890 die «Darstellungen aus dem
Gebiete der nichtchristl. Religionsgeschichte» (Münster).
[* 29] Namentlich aber hat sich in England eine reiche Litteratur gebildet,
in welcher die freilich oft sehr dürftigen und kümmerlichen Ansätze zu Mythologien bei den verschiedenen Völkern Afrikas,
Asiens und Polynesiens gesammelt werden. Und ebenso haben dort namentlich Tylor («Early history of mankind», Lond.
1865; deutsch von Müller, Lpz. 1866, und «Primitive culture»,
Lond. 1871; deutsch von Spengel und Poske, 2 Bde.,
Lpz. 1873) und Lubbock («Origin of civilization», 5. Aufl.,
Lond. 1890; deutsch Jena 1875) Darstellungen des analogen Verlaufs der ältesten Sitten-, Religions- und Mythenbildung bei den
verschiedenen Völkern unternommen. In Deutschland haben namentlich Waitz («Anthropologie der Naturvölker», 6 Bde.,
Lpz. 1859-71; fortgesetzt und in 2. Aufl. hg. von Gerland, 1877 fg.)
und Bastian (s. d.),
letztere vorzugsweise bei Erörterung griech. und deutscher Mythen, wertvolle Beiträge geliefert, und hat Caspari («Die Urgeschichte
der Menschheit», 2. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1877) eine zusammenfassende Darstellung der ältesten Religionsvorstellungen und Mythen versucht.
Ein sehr brauchbares kleines Kompendium der Religionsgeschichte hat der HolländerTiele verfaßt (deutsch vonWeber, Potsd.
1880). Eine geistvolle Vorarbeit bietet Réville («Prolégomènes de l'histoire
des religions», 2. Aufl., Par. 1881), doch enthält dieselbe mehr
eine Religionsphilosophie als eine Darstellung des gegebenen Materials. Als Ergebnis dieser vergleichenden
Mythologie darf angesehen werden, daß fast alle Völker die Vorstellung vom Fortleben der Seele nach dem Tode haben, woraus
sich aller Orten ein Seelen- und Ahnenkult entwickelt hat.
(so auf Inschriften und Münzen,
[* 30] bei den Schriftstellern gelegentlich unrichtig Mitylene, nach einheimischem
Dialekt Mytilana), die Hauptstadt der InselLesbos (s. d.), auf einem Vorsprung der Ostküste gelegen, hatte
zwei Häfen, einen an der Nord- und einen an der Südseite, die beide durch weit vorgeschobene Steindämme geschützt und
durch einen quer durch die Stadt laufenden Kanal
[* 31] untereinander verbunden waren. Dieser Kanal ist jetzt gänzlich verschwunden,
der nördl. Hafen ganz verlassen, auch der südliche nur noch für kleinere Schiffe
[* 32] brauchbar; doch ist
auch das jetzige Mitilini (türk. Midillü), das den schon seit dem Mittelalter auch auf die ganze Insel ausgedehnten Namen bewahrt
hat, eine nicht unansehnliche Stadt von etwa 20000 E., meist Griechen, die bedeutenden Handel treiben,
der Sitz eines griech. Erzbischofs und eines türk. Paschas. Kenntlich
ist noch die Akropolis
[* 33] auf dem Hügel, den jetzt das türk. Kastell
einnimmt, und die Form des Theaters; von den übrigen Bauten
der Stadt sind nur noch vereinzelte Trümmer erhalten.
(grch.), das Muschelgift, s. Leichenalkaloide^[= Leichenbasen, Kadaveralkaloide, Ptomaïne, Septicine, eine Anzahl von organischen Basen, die ...] und Muschelvergiftung.
altgriech. Stadt in Karien, nordöstlich von Milet, am südl. Ufer des Mäander,
[* 34] ursprünglich nicht weit von
der Mündung gelegen, die kleinste der Städte des IonischenBundes.
(grch.), eine eigentümliche Krankheit, welche vorwiegend das weibliche Geschlecht befällt und sich
durch eine starke ödemartige Schwellung einzelner Hautpartien, besonders an Stirn, Wangen, Augenlidern und Lippen, aber auch
an den Extremitäten, am Rumpf und im Kehlkopf
[* 37] zu erkennen giebt. Dabei atrophieren Zähne,
[* 38] Nägel
[* 39] und Schilddrüse, die Haare
[* 40] fallen aus, Appetitlosigkeit, Muskelschwäche und Albuminurie treten auf und schließlich gesellen sich Apathie und allgemeine
geistige Schwäche hinzu; der regelmäßige Ausgang ist der Tod.
Charcot, der die Krankheit Cachexie pachydermique nennt, hält sie für eine Nervenkrankheit, die das Gefäßcentrum im verlängerten
Mark betrifft; andere Forscher suchen ihre Ursache in der Schrumpfung oder im Fehlen der Schilddrüse, weil eine Entfernung
der Schilddrüse eine eigentümliche Störung (Cachexia strumipriva, Cachexia thyreopriva, s. d.) herbeiführt,
die dem Myxödem völlig gleicht. Die Krankheitserscheinungen verschwinden, wenn man derartigen Individuen Schilddrüsensubstanz
unter die Haut
[* 41] bringt (Implantation) oder sie mit tierischer Schilddrüsensubstanz füttert. -
Vgl. Buschan, Über Myxödem und verwandte
Zustände (Wien 1896).
Mycetozoen, Myxogasteres, Schleimpilze, Pilztiere, eine Gruppe von Organismen, die durch die Eigentümlichkeiten
ihres Vegetationskörpers von den übrigen niedern Pflanzen bedeutend abweichen und sich mehr den niedersten Tierformen nähern.
Es giebt eine große Anzahl von Arten, die meistenteils saprophytisch auf faulenden organischen Substanzen
wachsen; nur wenige leben als Parasiten. Der vegetative Teil dieser Pilze
[* 44] ist eine nackte Protoplasmamasse, die sowohl im Substrat
als auf ihm amöbenähnliche Bewegungen ausführt; sie kann ansehnliche Größe erreichen, wie z. B. die bekannte Lohblüte
(Aethalium septicum Fr.), die auf der Gerberlohe ziemlich häufig mit ihren gelben Plasmamassen ansehnliche
Strecken überzieht. Man bezeichnet diese nackten, von keiner Zellhaut umgebenen Vegetationskörper als Plasmodien. Die
Gestalt und Färbung der Plasmodien ist sehr verschiedenartig, und die äußern Umrisse wechseln fortwährend. Aus den Plasmodien
wachsen später die Sporangien hervor, die letztern werden entweder in der Weise gebildet,
¶
forlaufend
133
daß das ganze Plasmodium sich in ein Sporan- ' gium umwandelt, oder daß einzelne kleinere kapsel- ! artige Gebilde entstehen,
die eine große Anzahl kleiner dickwandiger, einzelliger Sporen und außer- dem ziemlich häusig noch ein eigentümlich gebautes
Faserwerk, das sog. Capillitium, enthalten. Die reifen Sporen keimen sehr bald, dabei tritt aus! ihnen
der Plasmainhalt heraus und beginnt sofort . entweder eine schnellere schwärmende Bewegung j oder eine amöbenähnliche kriechende,
die letztere tritt auch dann ein, wenn die schwärmende Bewegung aufgehört hat.
Während des Umherwanderns neh- men diese Körper, die man als Myramöben be- zeichnet, an Volumen zu, vereinigen sich
mit andern und bilden so allmählich wieder ein Plasmodium. Von den saprophytisch lebenden Formen ist außer der Lohblüte
keine von allgemeinerm Interesse. Von den parasitischen ist es besonders dieKohlhernie (s. ?Ill8in0äi0p1i0i'a).
Die meisten auf Pflanzen schmarotzenden M. kommen in Algenzellen vor. Im tierischen Körper sind ebenfalls einige parasitisch
lebende Formen aufgefunden worden, so in den Muskeln
[* 46] der Schweine
[* 47] eine uoch näher zu unter- suchende
Art, Ili^iococeuZ retionlatug ^5o^/.
Wahr- scheinlich sind einzelne M. in dem Körper mancher Tiere ziemlich verbreitet.
Vgl. De Vary, Die Mycetozoen (2. Aufl., Lpz.
1864); ders., Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten
[* 48] und M. (ebd. 1866);
Myxorrhöe (grch.), Schleimfluß. sschwulst. Myxosarköm (grch.), bösartige Schleimge- III.
2., Abkürzung für MangelsZahlung. M'zäb oder M'zabrten, s. Beni Msab. Mzchet, Dorf im Kreis
[* 49] Tiflis des
russ. Gou- vernements Tistis in Transkaukasien, an der Mün- dung der Aragwa in die Kura und an der Linie Batum
[* 50] - Samtredi -
Tiflis der Transkaukas. Eisen- bahn, hat (1893) 1221 E., 3 griech.-kath., 1 arme- nisch-gregorianische Kirche und ein Nonnenkloster.
M. war einst eine blühende Stadt von 30 km Umfang. Vom 4. bis Ende des 5. Jahrh, residierten daselbst
die Könige von Georgien, seit dem 5. Jahrh, der Patriarch (Katholikos) der georgischen Kirche. - Nahe bei M. liegen die Ruinen
der Stadt Armasis (Harmozica, Arma-Ziche), in nächster Nähe der Grusinischen Heerstraße (s. d.)
das 1871 entdeckte Gräberfeld von Samtawra, wo bedeutende vor- histor. Funde gemacht wurden. Mzensk.
1) Kreis im nordöstl. Teil des russ. Gouvernements Orel, im Gebiet der Oka, hat 2397,4 qlcm, 94478 E., Getreide- und Hansbau,
Spitzenflechterei. - 2) Kreisstadt im KreisM., an der Euscha und der Eisenbahn Moskau-Kursk, hat (1894) 16318 E., in
Garnison die 36. Feldartillerie- brigade, 11 Kirchen, 1 Kloster, 1 Synagoge; 7 Ziege- leien, 2 Glasfabriken, 3 Färbereien, 1 Tabakfabrik,
Flußhafen, Handel mit Getreide,
[* 51] Hanf,
Metall- waren und Sal^. Nabatäer 3!, der vierzehnte Buchstabe unfers Alphabets, wird von dem
phöniz. ^un (Fisch) abgeleitet; ur- sprünglich eine Zickzacklinie von oben nach unten, aus drei Strichen
bestehend, bildete die Gestalt sich später zu 5l um. Im Griechischen bedeutet N: 50. (S. Schrist.) Als Laut gehört N zu den
Nasalen.
Als Abkürzungszeichen stehtN auf röm.In- schriften und Handschriften für den Vornamen ^n- inerius, ferner für Neutrum,
^0ui6n, ^oininHtivns, ^on, ^uni6ru8; aus der Abkürzung ^. für Komen ist Nabatäer X. (s. d.) entstanden. Auf
altfranz. Münzen ist X das Münzzeichen für Montpellier.
[* 52] In der Chemie ist X das Zeichen oder Symbol für Stick- stoff (XitroFenium).
Im Handel, besonders im Buchhandel, ist nabatäer Abbreviatur von netto. Bei geogr. Bezeichnungen ist Nabatäer Abkürzung für Norden.
[* 53]
Ua, chem. Zeichen für Natrium. Naab (Nab), linker Nebenfluß der Donau im
bayr.Reg.-Bez. Oberpfalz, entsteht aus derFichtel -, der Wald- und der Haidenaab. Erstere kommt vom Südfuh des Ochsenkopfs
im Fichtelgebirge, die zweite östlich vom Entenbühl im Vöhmer Wald und die dritte westlich von der Nassen Heide, süd-
östlich von Warmensteinach im Fichtelgebirge. Die Vereinigung der beiden ersten erfolgt bei Nindisch-
Eschenbach, die Haidenaab mündet erst bei Wil- denau, zwischen den beiden Vereinigungen fließt rechts, bei Weiden, noch die
Schweinnaab zu. Die Nabatäer behält den Lauf nach Süden, nimmt links Pfreimt und Schwarzach, rechts die Vils auf und mündet, 165 Km lang, 8 km
oberhalb Regensburg.
[* 54]
Naarden, Stadt und Festung
[* 55] in der niederländ. Provinz Nordholland, unweit vom Zuidersee,
an der Linie Amsterdam-Winterswyk der Holland. Eisenbahn, hat (1892) 3232 E., die größtenteils vom Garten- und Landbau leben.
Naas (spr. nehs), Stadt in der irischen Graf- schaft Kildare, an einer Abzweigung des Grand- Kanals 32 km
im SW. von Dublin,
[* 56] hat (1891) 3735 E., Kaserne und Gerichtshof. Es war früher Residenz der Könige von Leinster. Naassener,
s. Ophiten. Nab, Fluß, s. Naab.
Nabatäer, im Altertum ein arab. Volksstamm im Peträischen Arabien, zwischen dem Manitischen Meerbusen und dem TotenMeer, der
in der Namens- form Nebajot bereits in der Genesis (25,13) als Erstgeborener Ismaels aufgeführt wird.
In denKeilinschriften Asurbanipals (von 668 v. Chr.) heißen sie Nab aitai. Bei den klassischen Autoren erscheinen sie zuerst
in der Zeit der Diadochen bei Gelegenheit verunglückter Feldzüge, welche Anti- gonus und Demetrius nach jenen Gegenden,
die vorher die Idumäer innehatten, unternahmen. Erst in der Matkabäerzeit lassen sie sich genauer verfolgen.
Nach mehrfachen Kämpfen, die schon unterPompejus begannen, wurde ihrem Reiche unter Trajan 105 n. Chr. ein Ende gemacht. Die
Hauptstadt der Nabatäer war Petra; die neuen Forschungsreisen von Doughty, Huber und Euting haben dargethan, daß
das Reich der Nabatäer sich viel weiter ausdehnte, als man bisher geglaubt; Doughty hat zuerst 1875 in
El-Hedschr
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forlaufend
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oder Madam Salih, 240 km nordwestlich von Me- dina, nicht weit von Teimä, eine große nabatäische Stadt mit vielen Bauwerken
und Inschriften ent- deckt (vgl. besonders Euting, Nabatäische Inschriften aus Arabien, Verl. 1885; mit einer Geschichte der
Nabonassar von A. von Gutschmid), und nach Norden erstreckte sich ihr Neich bis gegen Damaskus hin, so das; in
den nördl. Teilen viele Aramäer lebten. Nach dem Auf- hören der großen Inschriften seit dem Untergange ihres Reichs haben
aber noch die arab. Hirten in diesen Ländern, namentlich auf der Sinaihalbinsel, ihre Namen in die Felswände eingeritzt,
dies sind diesog.SinaitischenInschriften. (Vgl.M.A. Levy, über die nabatiüschen Inschriften von Petra,
Haurau, vornehmlich der Sinaihalbinsel, in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesell- schaft», Bd. 14, Lpz.
1860; Eütin, Sinaitische In- schriften, Verl. 1891.) Die Alten rühmen die frei- sinnigen Institutionen der nabatäischen
Monarchie; dem König war unter dem Namen«Bruder» ein von den Magnaten erwählter Mitregent beigegeben.
IhreReligion war Sonnen- und Sternendienst. Die Nabonassar trieben lebhaften Zwischenhandel zwischen Ägyp- ten und den Euphratländern
und müssen der röm. Kultur sehr zugethan gewesen sein. Nabburg.
1) Bezirksamt im bayr. Reg.-Bez. Oberpfalz, hat 405,86 ykm, 1890:
18975, 1895: 18829 (9109 männl., 9720 weibl.) E., 176 Ortschaf- ten, darunter 2 Städte. - 2) Bezirksstadt
im Be- zirksamt Nabonassar, an der Naab und der Linie Negens- burg-Hof der Vayr. Staatsbahnen,
[* 58] Sitz des Bezirks- amtes, eines Amtsgerichts
(Landgericht Amberg)
[* 59] und Rentamtes, hatte 1890: 2086,1895: 2089 (5., darunter 29 Evangelische, Postexpedition, Telegraph;
[* 60] Kunstzinngießerei,
bedeutende Granit- und Flußspat- brüchc. In der Nähe die Ruine der BurgTraus- nitz, auf der Friedrich
der Schöne gefangen saß. Nabe, Teil des Rades (s. d.). Nabel (Ilnidilieug), die rundliche Vertiefung in der Mittellinie des
Leibes, welche die Stelle be- zeichnet, wo am fötalen Körper die vordem offene Leibeshöhle sich geschlossen hat. Der Embryo
der Wirbeltiere besteht in einer sehr frühen Zeit seiner Entwicklung aus dem scheibenförmigen Körper,
welcher der aus dem Dotter hervorgegangenen Keimblase aufliegt. Diefer scheibenförmige Kör- per schlägt sich mit den Rändern
nach innen um und bildet so die ersteAnlage der Leibeshöhle, welche zuletzt nur noch durch ein kleines Loch, die Nabelöffnung,
mit der Keimblafe zusammen- hängt.
Der in der Leibeshöhle eingeschlossene Teil der Keimblase bildet die ersteAnlage des Darms, während der außerhalb der Leibeshöhle
befindliche Teil der Keimblase von nun an Nabelblase heißt und durch den dümlen N ab elb lasen gang (äuew8 vit6i1o-intL8tiua,1i8)
mit dem Darmrohr in Verbin- dung steht. Aus dem untern Teil der Leibeshöhle wächst dann durch die Nabelöffnung
neben dem Stiel der einschrumpfenden Nabelblase ein schlauch- förmiger Körper hervor, die Allantois oder Harn- haut (s. d.),
die sich an die.Wand der Gebärmutter
[* 61] anlegt und deren Gefäße sich später zu dem Nabel- strang (Nabelschnur, fuuiculus uindilicaliL)
umgestalten.
Dieser besteht aus zwei Arterien und einer Vene, die das Blut vom Embryo zum Mutter- kuchen und zurück führen
(f. Embryo, Bd. 6, S. 73 a) und, von einer gallertartigen Masse (Whartonsche Sülze)
umhüllt, in einer Scheide der Schafhaut
liegen. Die Nabelschnur erreicht meist eine Länge von 50 bis 55 cm. Bei großer Länge
umschließt sie oft Teile der Frucht und kann fo nicht bloß zu einem Geburtshindernisse werden, sondern durch Druck auf die
umschnürten Körperteile selbst das Leben des Kindes in Gefahr bringen.
Das mittels des Hör- rohrs bei Schwangern wahrnehmbare blasende oder schnarrende Nabelschnurgeräusch, das mit den Herztönen
des Fötus zeitlich zusammenfällt, ent- steht durch wellenförmige Bewegung des Blutes in den Nabelarterien,
wenn in diesen der Blutlaus durch Spannung, Zerrung oder Nmschlingung leicht behindert ist. Eine diagnostische Bedeutung wird
ihm nicht zugeschrieben. Zur Zeit der Geburt sind die Bauchdecken bereits rings um den Nabelstrang geschlossen und bilden
hier einen festen Ring, den Nabelring.
Sodald das Kind nach der Geburt kräftig zu atmen beginnt, eröffnen sich dem Blutkreislauf
[* 62] neue Bahnen und der Blutlauf hört
in den Nabelgefäßen auf. BeimMenschen wird dann der Nabelstrang unterbunden und abgeschnitten; bei den Säugetieren beißt
die Mutter die Nabelschnur ab. Während sich gleichzeitig die in der Leibeshöhle gelegenen Nabelgefäße
in solide Stränge verwandeln (obliterieren), vernarbt der Nabonassar, indem der Rest des Nabelstranges schrumpft und nach
4-5 Tagen abgestoßen wird.
Ost tritt sedoch eine selbst das Leben gefährdende Entzündung der Wunde ein, oder es öffnen sich die nur locker ge- schlossenen
Gefäße und es erfolgt eine gefährliche Blutung. Häufig entsteht bei der Verheilung des Nabonassar ein Nabelbruch
(lleruig. uNdilicaiis) dadurch, daß sich an dieser dünnen Stelle der Darm
[* 63] nach außen drängt und die Haut sackartig vor sich
her- schiebt, namentlich, wenn die Kinder viel schreien. Das übel läßt sich leicht durch einen Heftpstasterver- band beseitigen.
Tritt bei Erwachsenen ein Nabel- bruch ein,' was häusig bei sehr starker Ausdehnung
[* 64] des Bauchs (Schwangerschaft,
Korpulenz) geschieht, so muß dauernd ein Bruchband
[* 65] getragen werden. (S. Bruch, medizinisch.) InderBaukunstistN.einTeileinerKuppel(s.d.).
Nabelblase, Nabelbruch, s. Nabel. Nabeleisen, s. Glas.
[* 66] Nabelpunkte, s. Krümmung. Nabelfchwein, s. Bisamschwein. Nabelstrang
oder Nabelschnur, s. Nabel; in der Botanik soviel wie Samenstrang. Nabenbremse, eine Bremse, die ihren Angriffs-
punkt an der Nabe des Rades hat, indem sie durch Vergrößerung der Reibung
[* 67] Nabe und Achsenschenkel fest miteinander verbindet.
^V. «b Z?s., f. ^Vees. Nabis, Tyrann von Sparta, riß 207 v. Chr. die, Gewalt an sich. Er brach die Herrschaft der alten dor.
Oligarchie und wies deren Eigentum der aus Heloten, Periöken, armen Spartanern und fremden Proletariern
neu gebildeten Bürgerschaft zu. Er wurde 195 durch ein röm. Heer unter Fla- mininus besiegt und 192 durch die Truppen feiner
eigenen Verbündeten, der Atoler, ermordet. Nabob, vom arab. Nawwäb (s. d.),
spöttische Bezeichnung für jeden, der in Ostindien
[* 68] reich ge- worden ist, auch wohl überhaupt für mit
auffallen- dem Luxus lebende Reiche. Nabonaffar, babylon. Nabünasir, babylon. König
(747 - 733 v. Chr.), wurde in Kämpfe mit seinem Zeitgenossen, dem assyr.
Könige Teglattpha- lasar III. verwickelt, der unter seinem Nachfolger (731) die Herrschaft Babyloniensan sich riß. Die
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