Litteratur.VonLehrbüchern der frühesten Zeit, seit 1500, sind die umfassendsten herausgegeben von
Gafurius, Glarean,
Kircher und
Fux lateinisch, von
Zarlino italienisch, von Cerone spanisch, von
Morley englisch, von Mersenne
französisch, von Mattheson deutsch; die spätern sind von
Rameau, Marpurg, Martini, Kirnberger,
Reicha,
Weber,
Marx, Lobe,
Richter,
Hauptmann, O.
Paul, Jadassohn u. a. -
UmfassendeLexika erschienen seit 1732 von
Walther, Gerber, Lichtenthal,
Schilling, Fétis, Mendel, Reißmann,
Grove,
Riemann, zum
Teil nur biographische, zum
Teil auch theoretische
Artikel darbietend.
Lediglich theoretische und andere
Sacherklärungen enthalten die Werke von
Rousseau, Heinr.
Christoph,
Koch und Dommer.
Größere Werke u. d. T. einer Geschichte
der Musik wurden seit 1668 verfaßt von Printz, Bontempi,Hawkins,
Burney, La
Borde,
Forkel,
Ambros,
Brendel,
Reißmann, Fétis,
Naumann, Gevaert, Köstlin, Langhans u. a. Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Werke
ist gering, denn das große Gebiet der Geschichte der Musik ist noch viel zu wenig erforscht, um reife Gesamtdarstellungen
zuzulassen. Daher kommt es, daß die besten
Arbeiten der jüngsten Zeit auf musikgeschichtlichem Gebiete
einzelne
Perioden oder
Meister behandeln, wie z. B. die Werke von C. von Winterfeld über
Gabrieli und über den evang.
Kirchengesang,
von O.
Jahn über
Mozart, von
Chrysander über
Händel, von
Spitta über J. S.
Bach.
selbständiger Zweig des
Buchhandels, gleich diesem in Verlag,Kommission, Sortiment
und Antiquariat gegliedert, allenthalben aber besonders entwickelt.
Der Handel mit musikalischen Notenwerken ist aus dem mittelalterlichen
Buchwesen entstanden, und es haben sich aus dem Wandel der Herstellungsweise seiner Ware mancherlei Vetriebsformen bis zur
Gegenwart nebeneinander erhalten. Die Handschriftenzeit des alten Buchwesens ist hierbei im Vertrieb noch vielfach lebendig,
da in neuerer Zeit die Notenschrift gelegentlich durch
Abklatsch vervielfältigt wird; die Veranstaltung
fester
Auflagen in Letterndruck hat sich aus der Zeit der Missaldrucke der neu erfundenen
Buchdruckerkunst für liturgische
Bücher erhalten und am erfolgreichsten auf Liedersammelwerke erstreckt; die der Kupferstichzeit des Kunsthandels entstammende
schmiegsame Gelegenheitsauflage des Zinnplattendruckes
dient noch dem Bedarfe gewählter künstlerischer
Kreise,
[* 4] während die Massenherstellung unbeschränkter
Auflagen durch
Umdruck auf
Stein den Weltvertrieb billiger Volksausgaben
ermöglicht hat.
Der deutsche Musikalienhandel hat seinen Hauptsitz in
Leipzig,
[* 5] wo J. G. J.
Breitkopf (s. d.) den Musikverlag auf ein von ihm erfundenes Notensatzverfahren
und große Lager
[* 6] zumeist geschriebener Musikalien begründete, für die er eine eigene musikalische
Bibliographie
schuf. Der in
Leipzig vertretene Musikalienverlag beschäftigt (1895) 301 Firmen ausschließlich, in
Leipzig selbst betreiben
insbesondere Originalverlag
Breitkopf & Härtel,
MaxBrockhaus, Ernst Eulenburg, Rob. Forberg,
Fr. Hofmeister, Fr. Kistner, C. A. Klemm, F. E. C.
Leuckart, J. Rieter-Biedermann, Jul. Heinr. Zimmermann u.a.;
verbunden
mit Zeitschriftverlag E. W. Fritzsch, C. F. Kahnt Nachf., B. Senff und C. F. W.
Siegel;
den Verlag billiger
Klassikerausgaben C. F.Peters,
Breitkopf & Härtel, J.Schuberth &
Co. und
Th. Steingräber;
Die Zahl der Neuigkeiten auf dem deutschen Musikalienmarkte betrug (1895) 10936 Werke: 6867 für
Instrumente, 3756 für
Gesang, 313
Schriften u. a. Das über
Leipzig verkehrende Musikaliensortiment wird (1896) von 2653 Firmen
zum
Teil als Nebengeschäft des
Buchhandels betrieben. Barsortimente, d. h. Lager gebundener Musikalien, führen
Breitkopf &
Härtel, Gebr. Hug &
Co., K. F. Koehler,L. Staackmann, F.
Volckmar in
Leipzig. Der Musikalienkommissionshandel ist nur
auf
Leipzig beschränkt; ihn betreiben hauptsächlich:
Breitkopf & Härtel, Rob. Forberg,
Fr. Hofmeister, Fr. Kistner, C. F. Leede. Musikantiquariat wird von den größern Antiquariatsbuchhandlungen
wissenschaftlicher
Richtung gelegentlich vertrieben. Der Musikaliendruck hat seine großartigste
Stätte in der Notendruckerei
von
C. G. Röder in
Leipzig. Die Musikinstrumentenfabrikation, ursprünglich mit dem Musikverlag eng verbunden, hat sich selbständig
entwickelt; der Instrumentenhandel ist noch vielfach Nebengeschäft des Musikaliensortiments.
Nur der deutsche Musikalienhandel ist in Anlehnung an den
Buchhandel organisiert; mit
Österreich
[* 14] und der
Schweiz
[* 15] ein
einheitliches Gebiet bildend, nimmt er durch Verlag, Kommissionsvertretung und
Notendruck eine Weltstellung ein. Der deutsche
Original- und Klassikermusikverlag tritt in allen
Ländern überlegen auf, auch wo der
Nachdruck freigegeben ist. Der französische
Musikalienhandel, auf das
Pariser Platzgeschäft begründet, beschränkt sich hauptsächlich auf Ausbeutung seiner ausgedehnten
Verlagsmonopole, zumal an
Opern, im In- und
Auslande.
Der belgische Musikalienhandel, bisher als
Teil des französischen Musikalienhandel behandelt, hat sich neuerdings unabhängiger gestellt und sich gleich
dem niederländischen und dem aufstrebenden skandinavischen enger mit dem deutschen Musikalienhandel befreundet, wenn
schon in den
Niederlanden und in
Dänemark
[* 16] und
Schweden
[* 17] auch noch der
Nachdruck ermöglicht ist. Der englische Musikalienhandel, von
London
[* 18] aus durch das Reisegeschäft die
Provinz, durch die
Beziehungen des brit.
Weltreichs die
Kolonien beherrschend, entwickelt, durch
deutsche Musik befruchtet, nächst
¶
mehr
Deutsch-land die größte planmäßige Verlagsthätigkeit, wofür sich England trotz seines Beitritts zur BernerKonvention
von 1886 die Weiterführung seines Nachdrucks gesichert hat. Der italienische Musikalienhandel stand fast ganz unter der Herrschaft des
Hauses Ricordi in Mailand;
[* 20] neben diesem war Lucca
[* 21] und ist E. Sonzogno hervorzuheben. Der italienische Musikalienhandel bat sich
infolge der eigenen Gestaltung des dortigen Musikwesens in diesem Jahrhundert lange gegen Deutschland
[* 22] abgeschlossen, bis die
Gegenwart einen lebendigern Austausch zu Wege brachte. Der spanische und portugiesische Musikalienhandel und der der
Balkaninsel sind noch unentwickelt. Der russische Musikalienhandel hat durch einen hohen Schutzzoll den eigenen Nachdruck deutscher Musik
großgezogen. Der nordamerikanische Musikalienhandel fördert gleichfalls den Nachdruck durch hohe Eingangszölle, doch
können neue deutsche, französische u. a. Werke durch Eintragen in Washington
[* 23] geschützt werden.
Der Verein der deutschen Musikalienhändler in Leipzig (gegründet Vorsteher: Fr. Hofmeister 1829-52, Dr. H. Härtel 1852 -
75, Dr. O. von Hase
[* 24] seit 1875) giebt «Mitteilungen»
heraus (seit 1888), die die durch die deutsche Musikpflege bedingten besondern Bestrebungen des Musikalienhandel auf dem
Gebiete des Urheber- und Verlagsrechts, der Verkehrsordnung und Kreditsicherung verfolgen sowie statist. Jahresübersichten
der musikalischen Erscheinungen bieten. Musikbibliographien: Immanuel Breitkopfs Kataloge von Musikalien (3 Sammlungen, 1700 -
87);
Darstellung
der musikalischen Litteratur (1836 - 39);
C. F. Whistlings Handbuch der musikalischen Litteratur (Lpz. 1816; 3. Aufl., 3 Bde.,
von Adolf Hofmeister, 1844; fortgesetzt von Fr. Hofmeister, Bd.
4-10, ebd. 1852-91);
Verzeichnis der seit 1852 erschienenen Musikalien, hg. von Fr. Hofmeister (1. bis 44. Jahrg.,
ebd. 1853-96);
Musik-Katalog. Gesammelte Verlagskataloge des deutschen Musikhandels (6 Bde.,
ebd. 1895).
alle Körper, die zur Klangerzeugung verwendet werden. Man teilt sie ein in Saiten-, Blas- und Schlaginstrumente.
Die Saiteninstrumente teilt man wieder ein in Streich- oder Bogeninstrumente und in Kneif- oder Zupfinstrumente,
die Blasinstrumente in Holz- und Messinginstrumente. Eigentlich giebt es nur zwei Arten der Tonerzeugung: entweder ist ein
in Schwingung
[* 25] gesetzter fester, elastischer Körper oder ein gebrochener Luftstrom das tonerregende Element. Sehr richtig
schieden daher die Alten die Musikinstrumente nur in zwei große Gruppen: in die der Schlaginstrumente (rhythmica, krustica),
zu denen außer den Saiten- auch die Schall- und Lärminstrumente, wie Pauken, Becken, Klappern u. dgl. gehörten, und in die
der Blasinstrumente (organica, pneumatica, inflata).
Als klingende Festkörper können die verschiedenartigsten Stoffe in sehr verschiedenartiger Form und Anwendung dienen, z. B.
Metall- und Darmsaiten, Holz- und Metallplatten und Röhren
[* 26] oder Zungen, gegerbte Tierfelle, Glas- und Metallglocken
u. s. w., die wiederum entweder durch Reibung,
[* 27] wie Violine, Violoncello, Bratsche, Gambe und Glasharmonika, oder durch Reißen,
wie Harfe und Guitarre, oder durch Schlagen mit Hammer
[* 28] oder Klöppel, wie Pianoforte, Hackebrett, Pauken und Tamtam, zum Erklingen
gebracht
werden.
Die Tonquelle ist hingegen ein schwingender abgegrenzter Luftkörper bei allen Blasinstrumenten: Flötenarten,
Orgelpfeifen, Oboe, Klarinette, Fagott, Trompete, Posaune u. s. w. Die ältesten Musikinstrumente waren neben Lärminstrumenten,
Pauken und Trompeten die harfen- und zitherartigen Saiteninstrumente sowie flöten- und hornartige Blasinstrumente. Geigeninstrumente
mit Bogen
[* 29] waren den Alten unbekannt und wurden erst nach dem frühen Mittelalter ausgebildet. Spätern
Ursprungs sind Fagott und Oboe; die Klarinette wurde erst um 1690 erfunden. Die Klavierinstrumente mit Saiten verdanken ihren
Ursprung (sicher schon vor dem J. 1500) dem Bestreben, ein passendes Instrument für freie accordliche, nicht kontrapunktische
Harmonie zu gewinnen. Gleichzeitig oder ein wenig früher ist die endliche Vervollkommnung der Orgel zu
setzen, obwohl die ersten Anfänge ihrer Erfindung in die vorchristl. Zeit hinaufreichen. Von den zahlreichen neuerdings
erfundenen Musikinstrumente haben nur das Harmonium und die mechanischen Musikinstrumente große Verbreitung gefunden. - Über die genannten s. die einzelnen
Artikel.
Ein grundlegendes Werk über die Geschichte der Musikinstrumente fehlt noch; die besten Quellen zu deren Kenntnis sind
Seb. Virdung, Musica getutscht (1511), und Musikinstrumente Prätorius, Syntagma musicum, Bd. 3 (Wolfenb. 1619), beide neu hg. von
Eitner, sowie der Katalog der königl. Instrumentensammlung in Berlin. Wichtige Sammlungen alter Originalinstrumente sind in
Paris,
[* 30] London, München, Nürnberg
[* 31] (Germanisches Museum), Salzburg,
[* 32] Florenz,
[* 33] Leipzig (Paul de Wit), besonders
aber in Brüssel
[* 34] (Musée de Conservatoire) und in Berlin (königl. Musikinstrumentensammlung).
Die Brüsseler Sammlung (Katalog von V. Mahillon, 1893) ist besonders reich an ethnogr. Instrumenten, während die noch junge
Sammlung in Berlin (1888, Katalog von Oskar Fleischer) wohl die wichtigste in musikgeschichtlicher Hinsicht ist. Namentlich
reich ist letztere an Klavieren (vom 16. Jahrh. an in systematischer Ordnung) sowie an historisch berühmten
Instrumenten (von Bach, Friedrich d. Gr., Mozart, Beethoven, Weber u.s.w.).
Nach der Gewerbezählung von 1882 waren in Deutschland für die Herstellung von Musikinstrumente 5519 Betriebe mit 21807 Arbeitern vorhanden,
darunter 154 Motorenbetriebe mit 6932 Arbeitskräften. Die Zahl der 1894 in diesem Erwerbszweige Beschäftigten
wird etwa doppelt so hoch, zu etwa 40000, anzunehmen sein, da die Berufsgenossenschaft der Musikinstrumentenindustrie, der
die zahlreichen kleinen Betriebe ohne Motoren und mit weniger als fünf Arbeitern nicht angehören, allein 827 Betriebe mit 23585 Arbeitern
aufzuweisen hat. Schon hieraus geht hervor, daß die Herstellung der in Deutschland sehr entwickelt ist.
Dies beweist auch die bedeutende, nach allen Ländern der Erde gerichtete Ausfuhr. Es betrug:
Seit 1888 ist ein Rückgang der Ausfuhr und ein Steigen der Einfuhr zu bemerken, welch letztere schon seit 1880 in
stetem Zunehmen begriffen ist. Abgenommen hat seit 1890 besonders die AusfuhrDeutschlands
[* 36] nach den Vereinigten Staaten
[* 37] und
Australien,
[* 38] zugenommen die nach Rußland und Brasilien.
[* 39] Hauptabsatzgebiet ist nach wie vor England.
Für die Herstellung der Klaviere kommen vorzugsweise Berlin, Hamburg, Dresden,
[* 40] Leipzig, Stuttgart,
[* 41] Breslau,
[* 42] Königsberg,
[* 43] Hannover,
[* 44] Barmen,
[* 45] von den Mittelstädten Koblenz,
[* 46] Liegnitz,
[* 47] Zeitz,
[* 48] Heilbronn,
[* 49] Kirchheim in Betracht. Die Klavierfabrikation, weitaus der
wichtigste Zweig der Musikinstrumentenindustrie, ist seit 1871 besonders durch Einführung des Eisenrahmens und des kreuzsaitigen
Bezugs rapid gewachsen. Angaben über die deutsche Ausfuhr s. Pianoforte.
Trommeln und Pauken arbeiten Berlin und das sächs. Vogtland, andere Orte nur vereinzelt. (S. auch Musikinstrumente,
mechanische.) - Die starke Ausfuhr der deutschen Musikinstrumente ist ein deutlicher Beweis für deren Brauchbarkeit
und Beliebtheit. Frankreich, England, Österreich, Italien
[* 67] leisten in manchen Artikeln sehr Beachtenswertes, und von alters her
gelten als hervorragend z. B. Paris für Kirchenorgeln und Blasinstrumente, Italien für Darmsaiten, London gleichfalls für Blasinstrumente
als beste Bezugsquellen. Ähnlich wie im sächs. Vogtlande wird die Massenfabrikation von Streich- und Blasinstrumenten in
den böhm. Nachbarorten Graslitz und Schönbach sowie in Mirecourt (Depart.
Vosges) in Frankreich betrieben. In betreff der Qualität vermag die deutsche Instrumentenindustrie ebenso Hervorragendes
zu leisten; in der Massenherstellung guter und mittelguter Musikinstrumente steht sie zur Zeit unerreicht da. -
Vgl. die «Zeitschrift für
Instrumentenbau» (Lpz. 1880 fg.),
«Musikinstrumenten-Zeitung» (Berl. 1890 fg.)
und «Weltadreßbuch der Musikinstrumentenindustrie»
(ebd. 1893).
mechanische, Instrumente, von denen Musikstücke mechanisch mittels Walzen oder Bretter mit Stiften,
durchlochter Papier- oder Pappnoten, sowie mit Erhöhungen versehener Blechnoten hervorgebracht werden. Dahin gehören Drehorgeln,
Spieldosen, Orchestrions u. s. w.
Die ältern Musikinstrumente, Glockenspiele, Orchestrions, Spieluhren, hatten ausschließlich Stiftwalzen, die ein oder mehrere Musikstücke
enthielten. Größere Musikstücke sind auf den Walzen spiralförmig angeordnet. Befinden sich mehrere Musikstücke auf einer
Walze, so ist eins nach einer Umdrehung beendet; durch seitliches Verschieben tritt eine andere Serie von
Stiften in Thätigkeit. Einschnitte auf der Achse der Walze sichern ihre Verschiebung.
Eine Erfindung der neuesten Zeit, die eine unbeschränkte Anzahl von Musikstücken auf einem Instrument ermöglicht, sind
die auswechselbaren Notenblätter, verschiedenartig gestaltet (kreis-, spiral-, fächer- und bandförmig), von Papier, Pappe
und Metall hergestellt und je nach ihrer Bestimmung durchlocht oder mit Erhöhungen versehen. Die Wirkung
der Notenblätter auf das Ansprechen der Töne ist verschieden; einerseits tritt ein Windstrom durch die Notenlöcher direkt
auf die Zungenstimmen oder Pfeifen und es erfolgt so das Ansprechen der Töne; andererseits werden durch die Notenlöcher oder
Erhöhungen Hebel und sonst entsprechende Mechanismen bewegt, welche die Tonorgane beeinflussen.
Die handlichsten und verbreitetsten Musikinstrumente sind die mit kreisförmigen, um den Mittelpunkt drehbaren, durchlochten
Notenblättern, wie das Ariston (s. d.) von Ehrlich (bis 1894 über 300000 Stück gefertigt), das Symphonion, die Resonatorspieldose
Monopol und das Polyphon. Nach Art der SchweizerSpieldosen werden bei den drei letztern Instrumenten Klangzungen
durch eine mit Erhöhungen versehene Metallnotenplatte vermittelst einer geeigneten Mechanik zum Ertönen gebracht.
Hierzu gehören ferner: Orpheus,
[* 70] Daimonion, Baskanion, Klavierautomat, Herophon, Flötenwerk, Helikon, Phönix, Harmoniphon.
Das Ercelsior-Ariston ist ein mit Fächernoten und den gewöhnlichen Aristonnoten spielbares Instrument.
Mechanische Musikinstrumente mit langen Notenblättern in Bandform sind: Orchestrionettes, Orchestrions, Kalliston,
Cölestina, Mignon, Manopan, Victoriadrehorgel, Piano-Melodico, Klavierautomat, Pianista, das mechan. Piano, das mechan. Harmonium,
das pneumat. Piano, das elektrische Piano u. s. w.
Die gegliederten Notenblätter sind ebenfalls lange Bänder, die als einzelne Glieder
[* 71] scharnierartig verbunden sind.
Viele Bezeichnungen der mechanischen Musikinstrumente bedeuten nicht verschiedene Arten von Instrumenten, sondern oft
nur die Größen oder Formen einer und derselben Gattung. Die Thätigkeit der Musikinstrumente erfolgt durch Drehen an
einer Kurbel,
[* 72] durch Uhrwerk oder sonstige motorische Einrichtungen. Die SchweizerSpieldosen werden hauptsächlich in der Schweiz(Genf,
[* 73] Ste. Croix, Teufenthal) und in Frankreich, die Orchestrions und ähnliche Instrumente im Schwarzwald(Freiburg,
[* 74] Villingen),
die Musikinstrumente mit auswechselbaren, kreisförmigen Notenblättern in Leipzig (s. d., Bd.
11, S. 63a) und Wahren hergestellt.
Fachschulen zur Unterrichtung im Gebrauch und in der Behandlung der Instrumente behufs
rationellen
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mehr
Musikinstrumentenbaues. Die ältesten solcher Schulen bestehen in Markneukirchen seit 1834, in Klingenthal seit 1843 und in
Adorf seit 1860; diese Schulen sind städtisch und dienen der Förderung der dortigen sehr bedeutenden Industrie. Alle drei
Schulen zerfallen in eine Vorschule und eine Fachschule; die erstere nimmt Knaben mit 9 und 11 Jahren
auf und ist 5- und 3jährig; die Fachschule hat einen 3jährigen Lehrgang und nimmt nur Schüler auf, welche die Vorschule
absolviert haben.
Der Unterricht erstreckt sich auf Spielen von Streich- und Blasinstrumenten, Chorübungen, außerdem auf Musik- und Harmonielehre,
Deutsch, Rechnen, Physik und Technologie, Akustik und Mechanik, Geometrie und geometr. Zeichnen, Projektionslehre,
technisches und Fachzeichnen, Geschichte der Musikinstrumente und Buchführung. Das Schulgeld beträgt jährlich 4, 8 und 12 Musikinstrumentenbauschulen. Die
größte dieser Schulen ist die zu Markneukirchen. In dem an vorgenannten Bezirk angrenzenden böhm. Musikinstrumentenbaubezirk
giebt es zwei den oben genannten Schulen nachgebildete Fachschulen zu Graslitz und Schönbach. Ebenso sind
in Baden
[* 76] zur Förderung der Schwarzwälder Musikwerkindustrie seit 1868 zu Furtwangen, Unterkirch, Villingen und Vöhrenbach
Fachschulen entstanden, welche zusammen durch 5 Lehrer jährlich durchschnittlich 40 Vorschüler und 25 Hauptschüler ausbilden
lassen.
die technische Herstellung der Musiknoten durch Druck. Der Musiknotendruck kann erfolgen auf dem
Wege des Buchdruckes von Notentypensatz, auf dem Wege der Lithographie durch Autographie, direktes Schreiben oder Gravieren
auf Stein und auf dem Wege des Kupferdruckes durch gestochene oder geschlagene Platten. Die bekannten ältesten gedruckten
Musiknoten sind von 1473. Bis dahin wurden alle Notenzeichen geschrieben. Die frühesten Notendrucke wurden
nach Art der ältesten Buchdrucke durch Abdruck von Holztafeln erzeugt.
Später bediente man sich auch des Kupferstichs und um die Mitte des 18. Jahrh. der wohlfeilern
Zinktafeln, in welche die Noten mit Stahlstempeln eingeschlagen wurden. Diese letztere Technik hat sich bis zur Gegenwart
erhalten. Die Erfindung des Musiknotensatzes, also der Kunst, die Tonzeichen in Form einzelner Typen für den Abdruck zusammenzusetzen,
fällt in das Ende des 15. Jahrh.; sein Erfinder soll der Italiener Ottaviano dei Petrucci gewesen sein. Doch unterscheidet
sich die von diesem geübte Technik von der heutigen dadurch, daß sie einen zweimaligen Druck bedingte.
Erst wurden die Systemlinien gedruckt und auf diese dann die Notenzeichen. Die Erfindung eines Notentypensystems, welches
das Zusammensetzen der Linien und Zeichen in eine Form möglich macht, verdankt man dem BuchdruckerJohann Gottlob Immanuel
Breitkopf (1755). Das Breitkopfsche Notensystem ist in der Hauptsache das noch gebräuchliche. Typographischer
Musiknotendruck findet Anwendung bei großen Auflagen sowie bei Liederbüchern mit Text; der Satz kann wie Schriftsatz stereotypiert
werden.
Allgemeiner Deutscher, eine 1859 bei Gelegenheit des 25jährigen Jubiläums der «Neuen Zeitschrift sür
Musik» auf Schumanns Anregung von F. Brendel gegründete Vereinigung, welche Aufführungen bedeutender neuerer und älterer Werke,
die aus irgend welchen Gründen nicht zur Kenntnis und Anerkennung gelangt sind, bezweckt. Er veranstaltet
hierzu (in der Regel) alljährlich stattfindende Musikfeste, deren Orte wechseln; früher waren diese Zusammenkünfte auch
mit Musikertagen verbunden, d. h. Versammlungen, in denen wichtige Fragen in Vortrag und Diskussion
behandelt wurden. Der Verein besitzt eine Bibliothek und läßt zuweilen interessante Werke drucken. Der Beitritt steht Musikern
und Musikfreunden für einen Jahresbeitrag von 6 Musikverein offen. Sitz der Kasse ist Leipzig (Breitkopf & Härtel).
musische Künste, bei den Griechen der Inbegriff alles dessen, was zur
höhern geistigen und künstlerischen Bildung gehört, im Gegensatz zu den Leibesübungen;
man nimmt an, daß bei ihnen die
Bilder der Außenwelt sich aus lauter einzelnen Bilderstückchen, die von den einzelnen Hornhautfacetten entworfen werden,
zusammensetzen, ähnlich einem Mosaik.
eine organische Base von der Zusammensetzung C5H15NO3, die sich neben Cholin im Fliegenpilz (AgaricusmuscarinusL.) vorfindet und äußerst giftig wirkt. Muskarin kann auch aus dem Cholin durch Oxydation dargestellt
werden. Es bildet zerfließliche, alkalisch reagierende Krystalle, die sich leicht in Wasser und Alkohol, aber nicht in Äther
lösen. Seiner chem. Konstitution nach ist das eine Ammoniumbase von der Konstitution (CH3)3.N(CH2.CHO).OH. Es dient
als Gegengift bei Atropinvergiftung, während umgekehrt Atropin auch bei starker Muskarinvergiftung lebensrettend
wirkt. Es ist übrigens noch zweifelhaft, ob die Muskarin aus Pilzen, die aus Cholin und die auf synthetischem Wege gewonnenen identisch
sind.
deutscher Meistersinger, wahrscheinlich aus Bayern gebürtig, lebte in der ersten
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0112a
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Hälfte des 15. Jahrh. In seinen polit. Gedichten, die 1415-37 datierbar sind, bekämpft er
Huß, aber auch die Schäden des kath. Klerus. Ausgabe von Groote, Lieder M.s (Köln
[* 87] 1852).
Muskatnußöl, Muskatöl (Oleum Nusticae s. OleumMyristicae), eine Mischung von Fett, ätherischem Öl
und braunem Farbstoff, die durch heißes Pressen oder reichlicher durch Erschöpfen mit Äther aus zerkleinerten
Muskatnüssen (s. Myristica) bereitet wird, gewöhnlich eine rotbraune, selten gelbe oder weiße Fettmasse von eigentümlich
aromatischem Geruch, die bei 45-51° schmilzt, in siedendem Alkohol, Äther, Petroleumäther, Chloroform leicht und in 10 Teilen
kaltem Alkohol löslich ist. Die Hauptmasse der Muskatbutter besteht aus Myristin, gemengt mit etwas
Oleïn und zwei ätherischen Ölen, einem Terpen (Myristicen), C10H16, und einem sauerstoffhaltigen Öl, dem Myristikol,
C10H14O. Die Muskatbutter findet vorzugsweise Verwendung in der Pharmacie zur Anfertigung des Muskatbalsams (s. d.) und einiger
Salben.
9. Klasse des Lucasschen Birnensystems (s. Birne). ^[= # Birnbaum, gehört zur Gattung Pirus (s. d.) der Familie der Pomaceen; die Gattung liefert Ziergehöl ...]
oder Muskatweine, mehrere Arten süßer, starker, sowohl roter als weißer Weine. Die Muskatellertraube,
schon im Altertum eine der bekanntesten Sorten (Uva apiana), wird fast überall sowohl als Tafel- wie als Weintraube gebaut,
nur unter verschiedenen Namen, wie Muscat in Frankreich, Moscatello in Italien, Zoruna in Spanien,
[* 89] Beli Dinka in
Syrmien, Weier Muskataly in Ungarn,
[* 90] Schmeckende in Niederösterreich, Kümmeltraube an der Bergstraße, Katzendreckeler in Württemberg.
Aus dem weißen Muskateller werden die berühmtesten Liqueurweine, wie die südfranz. Frontignan, Lunel und Rivesaltes, der
Elsässer Strohwein, der dalmatin. Moscato di Rosa, der span. Lagrima-Malaga, der portug.
Carcavellos, der ital. Aleatico u. s. w. gewonnen. Außerdem giebt es schwarzblaue, rote
und violette Muskatellerweine, letztere vorzugsweise Tafeltrauben. Der Muskatgeschmack im Wein entwickelt sich besonders vollkommen, wenn
die Gärung auf den Hülsen eingeleitet wird. Die Muskatellerweine behalten ihren aromatischen Geschmack und großen Wert nur in den ersten
Jahren und verlieren ihn dann schnell. Sie eignen sich besonders zum Verschneiden mit andern bouquetarmen
Weinen. In guten Jahren liefern die Muskatellertrauben 20-30 Proz. Zucker
[* 91] bei 6-8 Promille Säure.
Schloß und berühmte, von dem Fürsten
Pückler geschaffene Parkanlagen. In dem 604 ha großen Parke befindet sich eine Baumschule nebst Arboretum, eine
Fasanerie und Papierfabrik sowie das Hermannsbad mit salinischen Eisenwässern, Dampf-, Moor- und Fichtennadelbädern, ferner
die gräfl. Begräbniskapelle (1888), eine Kirchenruine der ältesten Kirche (13. oder 14. Jahrh.) der Herrschaft.-
Vgl. Donath,
Das Hermannsbad zu Muskau; ders., Ein Spaziergang durch den MuskauerPark; ders., Ein Ausflug nach dem MuskauerGarten;
[* 97] ders.,
die gräfl.
(spr. möß-), Hauptstadt des County Muskegon im nordamerik.
Staate Michigan, unweit der Mündung des Muskegonflusses
in den Michigansee, an mehrern Bahnen, hat Dampferverbindung mit Chicago, Holzhandel, ungefähr 40 Sägemühlen und (1890) 22 702 E.
gegen 11 262 im J. 1880. -
Vgl. Somerset, The land of the Muskeg (Lond. 1895).
Muskelschwund, die Atrophie (s. d.) der Muskeln. Die progressive Muskelatrophie ist eine höchst eigentümliche Form
des Muskelschwundes, wobei im Laufe der Zeit in gewisser Reihenfolge ein Muskel nach dem andern Zu Grunde geht und schließlich
das befallene Glied
[* 99] völlig gelähmt ist. Am häufigsten ergreift die Muskelatrophie den Daumenballen, die Muskeln
der Hand
[* 100] und der Schulter und schreitet von einer Gruppe auf die andere über, bleibt aber auch bisweilen auf gewisse Muskeln
beschränkt.
Über das Wesen der Krankheit sind die Ansichten der Forscher geteilt; während die einen eine schleichende
parenchymatöse Entzündung des Muskelgewebes als Ursache des Leidens annehmen, ist der eintretende Muskelschwund nach der Ansicht
der andern nur die Folge einer eigentümlichen Erkrankung des Rückenmarks. Die Muskelatrophie befällt häufiger
Männer als Frauen und tritt öfters nach übermäßigen Anstrengungen gewisser Muskelgruppen sowie nach starken Erkältungen
auf; häufig ist die Anlage zur Krankheit angeboren. Absolute Schonung der erkrankten Muskeln, die methodische
Anwendung des galvanischen Stroms und der Massage und Heilgymnastik sind die einzigen Mittel, dem Weiterschreiten der Krankheit
Einhalt zu thun. -
Vgl. Friedreich, Über progressive Muskelatrophie (Berl. 1873).
die elektromotorische Wirksamkeit, die jeder Muskel während des Lebens zeigt, indem er beständig
von seinem Querschnitt zur Oberfläche von einem elektrischen Strom (Muskelstrom) durchströmt wird;
die Muskelelektricität gehört zu den
wichtigsten Lebenseigenschaften des Muskels und ist nur dem lebenden Muskel eigen;
sie erlischt erst allmählich
mit dem Tode des Tieres, nach übermäßigen hohen oder niedrigen Temperaturen und nach der Einwirkung gewisser chem. Agentien.
die Organe der aktiven Bewegung des tierischen Körpers. Die ausgebildetsten Muskeln finden sich bei den Säugetieren, Vögeln,
Amphibien und Fischen, und den ausgedehntesten Gebrauch von diesen Organen macht der Mensch. (S. Tafel:
Die Muskeln des Menschen.) Die Lehre
[* 102] von den Muskeln heißt Muskellehre oder Myologie. Man unterscheidet nach Form und Thätigkeit
willkürliche (quergestreifte, animale) und unwillkürliche (glatte, organische) Muskeln Bei den höhern Tieren bestehen die der
willkürlichen Bewegung dienenden Muskeln aus einer weichen, feuchten, roten Substanz, welche gewöhnlich Fleisch
genannt und von einer sehr großen Menge rundlicher, sehr langer, zwischen 0,01 und 0,05 mm dicker, kontraktiler Fäserchen,
der Muskelfasern oder Muskelfibrillen (Primitivfasern, fibrillae musculares), gebildet wird.
Auf jeden Quadratcentimeter eines menschlichen Muskels kommen nach Valentin durchschnittlich 28000 solcher Muskelfibrillen.
Diese Muskelfasern vereinigen sich zu kleinen, 0,5 bis 1 mm dicken Muskelbündeln, welche in dünnen Scheiden
von Zellhaut (sarcolemma) eingeschlossen sind. Diese treten wieder zu größern, ebenso eingeschlossenen Muskelbündeln zusammen
und so entsteht durch immer wiederholte Vereinigung der ganze Muskel, welcher wieder seine Zellhautscheide besitzt. Die rote
Farbe rührt von dem Blutfarbstoff (s. d.) her.
Die willkürlichen Muskeln, deren man beim Menschen über 500 zählt, gehören dem animalen Leben an und bilden den größten Teil
der gesamten Körpermuskulatur (ungefähr ein Drittel der gesamten Körpermasse); die unwillkürlichen Muskeln dagegen,
welche den Zwecken des vegetativen Lebens dienen, kommen nur in der Brust- und Unterleibshöhle vor, vermitteln
die Bewegungen des Herzens, des Magens, des Darms, der großen Blutgefäße u. s. w., stehen unter dem Einflüsse des Gangliensystems
und sind somit dem Einflüsse des Willens entzogen.
Die unwillkürlichen Muskeln besitzen nicht so viel roten Farbstoff und bestehen aus kurzen, an beiden Seiten zugespitzten,
glatten Fäserchen, während die Fasern der willkürlichen eine schöne Querstreifung zeigen. Die willkürlichen
Muskeln haben meist eine bedeutendere Länge als Breite
[* 103] und gehen an ihren Enden in breite oder runde, mehr oder weniger lange und
starke Bänder, die Sehnen oder Flechsen (tendines), über, mit denen sie sich an den Knochen
[* 104] so anheften, daß sie ein Gelenk
überspringen und so dasselbe bei ihrer Verkürzung beugen. Diese festen, sehnigen Gebilde dienen gewissermaßen
als Zugseile, vermittelst deren die lebendige Kraft
[* 105] des Muskels auf den beweglichen Knochen übertragen wird. Eingeleitet wird
die Bewegung durch den Einfluß der Nerven,
[* 106] von welchen je einer zu jedem einzelnen (willkürlichen) Muskelbündel tritt, so
daß die Muskelfasern gewissermaßen die Endorgane der motorischen Nerven darstellen.
Ihrer Form nach pflegt man folgende Gruppen von Muskeln zu unterscheiden:
1) länglichrunde, welche vorzugsweise an den Gliedmaßen, weniger am Rumpfe vorkommen und meist rundliche, längere oder
kürzere Flechsen besitzen; ihr mittleres dickeres
Stück wird als Muskelbauch, ihre an den festen Punkt
angeheftete Ursprungsstelle als Kopf, ihre mit dem beweglichen Teil verbundene Ansatzstelle als Schwanz bezeichnet;
2) breite oder Flächenmuskeln, welche sich nur am Rumpf finden und vorzüglich der Begrenzung der großen Leibeshöhlen dienen;
sie sind flach und dünn und endigen nicht in rundliche strangförmige Sehnen, sondern in breite Sehnenhäute;
3) ringförmige oder Schließmuskeln, welche in Gestalt eines Ringes die verschiedenen Leibesöffnungen
umgeben und diese schließen können;
Nach der Art der Bewegungen, welche die willkürlichen Muskeln veranlassen können, giebt man den letztern
folgende Namen: Beugemuskeln oder Flexoren (s. d.); Streckmuskeln oder Extensoren (s. d.). Die Anziehmuskeln oder Adduktoren
ziehen irgend ein Glied des Körpers gegen die Mittellinie desselben hin (z. B. den Arm an den Rumpf, die Schenkel gegeneinander),
wogegen die Abziehmuskeln oder Abduktoren das Glied von der Mittellinie des Körpers abziehen (z. B. den
Arm vom Rumpfe ab, die Schenkel auseinander). Die Rollmuskeln oder Rotatoren endlich drehen einen Körperteil um seine eigene
Achse oder um einen andern Körperteil in einem Halbkreise herum (z. B. den Kopf nach der Seite, die Hand nach ein- oder auswärts).
Außerdem besitzt jeder willkürliche Muskel noch einen besondern Namen, den er entweder seiner Lage oder
seiner Form und Struktur oder seiner Wirkungsweise verdankt.
Von den Krankheiten der Muskeln sind zu nennen Krampf (s. d.) und Lähmung (s. d.), der Muskelrheumatismus (s. Rheumatismus)
und die Atrophie (s. d.) der Muskeln, deren wichtigste Form die fortschreitende
(progressive) Muskelatrophie (s. d.) ist. Die Trichinen (s. d.) verursachen durch ihre Einwanderung in die willkürlichen
in diesen heftige Entzündung; auch nehmen bei manchen Konstitutionskrankheiten (z. B. Typhus) die Muskeln durch kolloide Entartung
an der Erkrankung teil.
Hinsichtlich der physiologischen Vorgänge muß man am Muskel drei Zustände, Ruhestand, thätigen Zustand und die
Starre unterscheiden. Der ruhende Muskel besitzt wie ein Kautschukfaden eine geringe, aber sehr vollkommene Elasticität;
durch geringe Belastungen schon wird er bedeutend verlängert, kehrt aber nach dem Aufhören der dehnenden Kraft sofort wieder
zu seiner ursprünglichen Länge zurück. Über den Stoffwechsel des ruhenden Muskels ist nur soviel bekannt, daß er
dem durchströmenden Blute der Kapillargefäße fortwährend Sauerstoff entnimmt und an dasselbe Kohlensäure wieder zurückgiebt.
Wird einem Muskel die Blutzufuhr abgeschnitten oder wird er ganz aus dem Körper entfernt, so geht er bei Warmblütern sehr
bald, bei Kaltblütern viel später in den Zustand der Muskelstarre über, in welchem er seine Erregbarkeit
völlig eingebüßt hat, verkürzt, steif und derb ist und eine saure Reaktion zeigt. Werden die Muskeln der Leiche von der Starre
ergriffen, so nimmt der ganze Leichnam völlige Steifheit an (Leichen- oder Totenstarre, rigor mortis). Die Ursache der Muskelstarre
liegt in einer spontanen Gerinnung des Myosins (s. d.); beschleunigt wird das Eintreten
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