Kanonenfutter, Ausdruck für schleckt discipli- nierte und schlecht geführte Soldaten, nach Shake- speares («Heinrich IV.»,
I, 4, 2) «looä toi- ^(nväoi'» («Futter
für Pulver»). Kanonengut, s. Geschützbronze. Kanonenjolle, früher die kleinsten Ruder- kanoncnboote, die nur ein Geschütz
(vorn) fübrten, während die Kanonenboote deren mehrere (hinten und vorn) hatten. Kanonenkugelbaum,
s. (^ni-o^nt^. Kanonenmetall, s. Geschützbronze. Kanonenofen, s.
Ösen. Kanonenschlag, eine in einer widerstands- fähigen Umschließung (starkes Papier mit Sack- bandumwicklung) enthaltene
Pulverladung, die durch einen daran angebrachten Zünder zur Erplo- sion gebracht wird und dann eine ins Auge
[* 4] fallende Raucherscheinung
und einen starken, als Signal dienenden Knall, einem Kanonenschuß ähnlich, er- zeugt.
Man kann den Kanonissinnen auch als Versetzung einer Rakete benutzen. (S. auch Gewehrschlag.) Kanonicität, der Inbegriff der Merkmale,
ver- möge welcher ein Buch kanonifch(f.d.)ist, dem Kanon (s. d.) angehört. Kanonier, der Gemeine bei der Artillerie. Kanönik,
s. Kanon. Kanoniker (lat. canoni"),
ursprünglich die in den Kanon (d. h. das Verzeichnis) der Kirche ein-
getragenen, zu einem gemeinsamen Leben (vit^ canonic^) vereinigten Geistlichen an einer Bischofs- kirche (Kathedrale); fpäter
und noch jetzt die Mit- glieder der Kollegial- und Domkapitel (s. d.). Es giebt
c^nonici i-oFuiai'68 und c^uonici L^Lcni^res stratenfer. Über die in der Vlilsik s. Kanon. Kanonisation, Heiligsprechung,
in der kath. Kirche die feierliche Handlung, durch die der Vapst einen Verstorbenen in den Kanon (d. h.
das Verzeichnis) der von der kath. Kirche als Heilige Verehrten aufnimmt (kanonisiert).
In den ersten Jahrhunderten wurden nur Märtyrer (s. d.) als Heilige verehrt; Martin von Tours
[* 5] (gest. um 400) ist der erste,
der, obfchon nicht Märtyrer, als Heiliger verehrt wurde. Die Aufnahme eines Verstorbenen unter die Heiligen
stand bis zum 10. Jahrh, unter der Aussicht der Bischöfe. BischofUlrich von Augs- burg ist der erste (993) förmlich von einem
Papste Alexander III. dem Papste das Recht der Kanoni- iation. Die jetzt dabei eingehaltenen Regeln sind
namentlich von Urban VIII. festgefetzt worden und werden in dem Werke Benedikts XIV.
«D6 Lervo- i'uin Oei deÄtiü cktionk et döktorum cÄNoniLatione» (4Bde.,Nom
1735) ausführlich erörtert. InderRegel wird nur ein bereits Seliggesprochener (s. Selig- sprechung)
kanonisiert, und zwar erst, wenn der Be- weis erbracht ist, daß mindestens zwei Wunder auf die Fürbitte
des Seligen bewirkt worden sind. Die Kanonissinnen erfolgt auf Grnnd einer dem Prozeßverfahren nachgebildeten Untersuchung
(Kanonisations- oder Heiligsprechungsprozeß), die von der ^on^reFatio 1-iwuin geleitet wird.
Der von dieser bestellte ?i-o inotoi- iiäei hat die Bedenken gegen die Kanonissinnen geltend zu machen und wird daher
^ävocHtus äiadoli lTeufelsanwalt) genannt, wie der Prokurator, der die Kanonissinnen zu betreiben
hat, ^ävoclUuZ Doi (Gottes- anwalt). Ist der Prozeß im Sinne des letztern be- endigt, so erfolgt die Kanonissinnen durch eine päpftl.
Bulle und eine Feierlichkeit in der Peterskirche, und der neue Heilige wird nun in das offizielle Verzeichnis, das Nai-t)'l's)1oZWin
Komanum, eingetragen. In der griech. Kirche hat der Patriarch von Konstanti- nopel
das Recht, die Kanonissinnen zu
vollziehen, was jedoch nur selten geschehen ist.
Kanonisch, dem Kanon (s. d.) gemäß, darauf bezüglich. Unter kanonis ch emLeben ist das
ur- sprünglich gemeinsame, nach bestimmten Regeln zu führende Leben der Kanoniker (s. d.)
gemeint. Kanonische Bücher, s. Kanon (kirchlich). Kanonischer Gehorsam, s. Gehoyam. Kanonisches Alter,
eine bestimmte Anzahl von Lebensjahren, deren Zurücklegung als Be- dingung für die Fähigkeit erscheint, die Weiben zu empfangen;
erforderlich ist sür die niedern Weihen vollendetes 7., für den Subdiakonat 21., den Dia- tonat 22., die Priesterweihe 24.,
die Bischofsweihe 30. Lebensjahr; das letztere Alter wird wohl auch in besonderer Weise als Kanonissinnen A. bezeichnet.
Kanonische Schreibart, in der Musik diejenige Art der Komposition, in der die verschiedenen Ge- sang- oder Instrumentalstimmen
durch die Form des Kanons (s. d.) verbunden sind. Kanonisches Necht (lat.
.jn8 ^nouicuni), so genannt von den in der christl. Kirche allmählich aus den heiligen Schriften entnommenen
Rechtsbestim- mungen (c^Q0Q68), heißt das Recht, wie es in den Rcchtsfammlungen des (^orpuZ ^uri8 cknouici (s.Corpus^uriä)
enthalten ist. Da sich dieKirche eine mit der weltlichen Macht konkurrierende oder viel" mehr dieselbe überragende Gewalt
zuschrieb, so be- handelt das Kanonissinnen R. des Mittclalters nicht bloß die Stellnng und die
Angelegenheiten der Kirche als solcher, sondern anch das Privat-, Prozeß- und Strafrecht und ift damit eine wichtige Quelle
[* 6] des gemeinen deutschen Privatrechts sowie des Straf- rcchts, insbesondere aber des Civilprozesses gewor- den.
Nicht gleichbedeutend mit Kanonissinnen R. ist Kirchen - recht, worunter man den Inbegriff der Normen ver- steht,
die sich auf die Kirche beziehen. Dieselben find zum Teil im Ooipu" ^nri8 cauoiiici enthalten (so- mit ist dieses Kirchenrecht
auch gleichzeitig kano- nisches), zum Teil in spätern und frühern kirchlichen und auch staatlichen Rcchtsquellen. Das Ooi-pnä
.inriß cnnouici bildet zwar bis zum Ausgang des Mittclaltcrs eine im wesentlichen erschöpfende Sammlung
des Kirchenrechts. Seitdem aber ist das letztere vielfach weiter gebildet worden, wodurch sich neue Quellen eröffneten, unter
welchen nur die Beschlüsse des Tridcntinischcn und des VatikanischenKonzils, die evang. Kirchenordnungen des 16. und die Synodalorduungen
des 19. Jahrh., dazu die zahlreichen und tief einschneidenden ^otaatsgesetze
über Fragen der kirchlichen Rechtsordnung hervor- gehoben werden sollen. - Lehrbücher des Kirchen- rechts verfaßten von
Protestanten: Richter (8. Aufl. von Dove und Kahl,Lpz. 1886), Hinschius (Berl.
18N9 - 93), Zorn (Stuttg. 1888), Friedberg
[* 7] (3. Aufl., Lpz.
1889), Frautz (2. Aufl., Gott. 1892);
von Ka- tholiken: Walter (14. Aufl., Bonn
[* 8] 1871), Phillips (3Aufl.,Regensb.1881
und fortgesetzt von Veringi 1872 - 89)', Schulte (Gieß. 1886), vergenröther (Freib. i.
Vr. 1888), Lämmer (2. Aufl. 1892). Kanonische Stunde, f. Ilorg. cHiwriica. Kanonisieren, f. Kanonifation.
Kanonissinnen (lat. oHnonicaL), Damen des Adels (fpäter meist unvermählte Töchter), im Genuß einer Pfründe bei einem stifte.
Bis 1060 waren diefe auf die (jetzt badische) Rheininsel ^äckingen Nrtilc'l, dic man unter K vermißt,
sind unter C aufzusuchen.
¶
mehr
99 beschränkt. Sie folgten der Regel Augustins, verwandelten aber ihre Anstalten fast alle in weltliche Stifte, von denen
viele (Gandersheim, Gernrode, Quedliuourg u.s.w.) auch nach der Reformation als Pfründeanstalten für adlige Damen bestehen
blieben.
oder Kanobus, eine Küstenstadt des alten Ägypten,
[* 10] von welcher die Kanobiscbe Nilmündung benannt wurde, 120 Stadien
östlich von Alexandria, etwa in der Nähe des heutigen Abukir gelegen. Sie sollte nach Plinius und andern ihren Namen von Kanopos,
dem Steuermann des hierher verschlagenen Menelaos,
[* 11] erhalten haben, der daselbst sein Leben verlor. Ägyptisch
hieß sie Peguat. Die Stadt besaß einen berühmten Serapistempel und bildete zu Strabos Zeit den beliebtesten Vergnügungsort
für Alexandria, mit dem es durch einen Kanal
[* 12] in Verbindung stand.
Hier versammelten sich auch 238 v.Chr. die Priester Ägyptens, um das Dekret von Kanopus zu Ehren des Ptolemäus Energetes
zu erlassen; es wurde hieroglyphisch, demotisch und griechisch ausgefertigt und in allen Tempeln aufgestellt. Lepsius' Entdeckung
eines Exemplars dieser dreisprachigen Inschrift auf dem Trümmerfelde von Tanis (1867) brachte den Ägyptologen die Bestätigung
ihrer Entzifferungen; seither sind noch zwei andere Exemplare bekannt geworden. Einen ägypt.
Gott Kanopus hat es nicht gegeben.
Ebenso irrig ist die Meinung, daß gewisse ägypt. Vasen
[* 13] Kanopen (oder Kanoben) genannt worden wären. Die häufig in den Gräbern
gefundenen Vasen mit Köpfen auf den Deckeln, die man jetzt auch noch häufig Kanoben nennt, dienten zur Aufbewahrung von mumisierten
innern Körperteilen, wie Herz, Leber, Lunge,
[* 14] und tragen die Köpfe der vier Osirissöhne, die über die
Eingeweide
[* 15] der Toten wachen: Amset mit Menschenkopf, Hapi mit Kopf, Duamutef mit Schakalskopf und Kebhsenuf mit Sperberkopf.
Wegen der Ähnlichkeit
[* 16] mit dieser ägypt. Gefäßform nennt man auch die häufig in etrurischen Gräbern
vorkommenden VasenKanopen, welche schwarz gefirnißt und mit einem menschlichen Kopf und an den Henkeln
ansetzenden Armen versehen sind. Man weist die ältern dieser Gattung etwa dem 8. bis 7. Jahrh. v.Chr.
zu.
Formationsgruppe, zusammenfassende Bezeichnung für die Tertiärformation
[* 18] (s. d.), das Diluvium
[* 19] (s. d.)
und Alluvium (s. d. und Geologie).
[* 20] Die känozoische Formationsgruppe folgt
auf die Mesozoische Formationsgruppe (s. d.) und ist dadurch charakterisiert, daß
die Bewohner des Meers und des Landes in dieser Ara im allgemeinen schon denselben Habitus zeigen wie die gegenwärtigen; in
je jüngere känozoische Schichten man hinaufsteigt, um so mehr stimmen Gattungen wie auch Arten mit den
jetzt auf der Erde verbreiteten überein. Die beigefügten Tafeln: Petrefakten der Känozoischen Formationsgruppe I und II
lassen dieses Verhältnis für die Tertiärformationen erkennen.
Kanhapur, d. i. Stadt des Kanh (Krischna), engl. Cawnpore, Hauptstadt des Distrikts Kanpur (6138 qkm, 1181390 E.)
der zu den Nordwestprovinzen gehörenden AbteilungAllahabad, am Ganges, am östl. Gangeskanal und an der
Hauptlinie der Ostind. Eisenbahn, hat (1891) mit
dem bedeutenden Kantonnement auf dem linken Flußufer 188712 E., darunter 44199 Mohammedaner
und 2994 Christen. Kanpur ist unregelmäßig gebaut und hat enge, schmutzige Straßen. Auf den Bazars werden alle Handelsartikel
aus Europa, China
[* 21] und Indien feilgeboten, und die in Kanpur verfertigten Juwelier- und Lederarbeiten sind berühmt.
Hier befindet sich auch die Lederfabrik für die brit. Truppen. Die Umgegend ist gut angebaut und bringt Früchte und Gemüse
in großer Menge hervor. – Im Mai und Juni 1857 ließ hier Nana-Sahib 446 engl. Soldaten, Frauen und Kinder hinmorden.
Nach Wiedereroberung der Stadt fand ein blutiges Strafgericht statt. An der Stelle, wo General Wheeler sich gegen Nana-Sahib
verschanzt hatte, erhebt sich die Gedächtniskirche; am Gangesufer, dort, wohin man die Leichen geworfen hatte, breiten sich
die Memorial Gardens aus, in deren Mitte ein Engel aus weißem Marmor (von Marochetti) sich erhebt.
(AbkürzungKans. oder Kan.), einer der Vereinigten Staaten
[* 22] von Amerika,
[* 23] im N. an Nebraska, im O. an Missouri, im
S. an das Indianergebiet und im W. an Colorado grenzend, zwischen 37 und 40° nördl. Br. und 94°40' bis 102° westl. L. von
Greenwich, hat 212580 qkm und 1427096 (752112 männl., 674984 weibl.) E., d. i. 7 auf 1 qkm. Es giebt etwa 45000 Farbige.
Der Osten ist hügelig, eine «rollende Prairie», fruchtbar, holz- und wasserreich,
der Westen trocken, holzarm und wenig ergiebig.
Die Kohlenformation bildet den Südosten und Osten, Kreide
[* 24] den Rest. Nichtmarines Tertiär tritt im Nordwesten
und Westen auf. Der Nordosten wird vom Missouri, der Norden
[* 25] vom Kansas, der Süden vom Arkansas nebst Nebenflüssen bewässert.
Die Kohlenlager im Südosten und Osten werden ausgebeutet. 1888 beschäftigten 25 Gruben 5600 Leute, förderten über 40 Mill.
BushelKohle und repräsentierten ein Kapital von 1,19 Mill. Doll. 1887 erbohrte man Salzlager im südlich-centralen
Teil, und schon 1889 produzierten 17 Walzwerke 547224 Fässer Salz.
[* 26]
Die Industrie von 1888 stellte ein Kapital von 27 Mill. Doll. in 593 Etablissements dar. Der Wert der Manufakturen überschreitet
jährlich 30 Mill. Doll. Hauptbeschäftigung ist der Ackerbau. Die Ernte
[* 27] von 1890 ergab 55 Mill. BushelMais, 28 Mill. Bushel Weizen und 31 Mill. Bushel Hafer,
[* 28] außerdem Kartoffeln, Sorghum, Heu, Gerste
[* 29] und Obst in Fülle. Zuckerrohrbau
und Baumanpflanzungen werden staatlich unterstützt. Der Staat ist in 106 Counties geteilt, Hauptstadt ist Topeka.
Wichtiger ist Kansas City, daneben Wichita, Leavenworth und Atchison. Der Gouverneur und die 125 Repräsentanten
werden auf zwei Jahre, die 40 Senatoren auf vier Jahre gewählt. Die Sitzungen der Legislatur finden alle zwei Jahre statt.
Bel der Präsidentenwahl hat Kansas 9 Stimmen: zum Kongreß sendet es 8 Repräsentanten. Die Eisenbahnen hatten 1885: 7325, 1889 hingegen 15604 km
Länge. Die Staatsschuld betrug 1889 nur 803000 Doll., wovon allein dem Schulfonds 537000
Doll. gutgeschrieben waren. Die Städte- und Countyschulden aber beliefen sich 1884 auf 16, 1890 auf mehr als 33 Mill. Doll.;
die Zunahme war hauptsächlich durch die Eisenbahnbauten verursacht. Die Farmen sind zum großen Teil mit Hypotheken schwer
belastet. Der Wert des besteuerten Eigentums betrug (1889) 353248332 Artikel, die man unter K vermißt,
und unter C aufzusuchen.
¶
forlaufend
100
Doll. Die Schulen wurden durchschnittlich von 244 697 Kindern besucht und verursachten über 4 Mill. Doll. Kosten. Höhere
Unterrichtsanstalten bestehen 16 mit 3945 Zöglingen. Kant ist seit 1880 Prohibitionsstaat: der Verkauf von berauschenden Getränken
ist verboten. Kant war ursprünglich ein Teil von Louisiana und wurde gleichzeitig mit Nebraska durch die
sog. Kansas-Nebraska-Bill (s. d.) als Territorium organisiert. Die diesem Akt vorausgehenden und folgenden Kämpfe
bilden eine der wichtigsten Phasen der polit.
Geschichte der Vereinigten Staaten. Durch die Kansas-Nebraska-Bill war es den Ansiedlern freigestellt, ob sie in ihren Territorien
die Sklaverei gestatten wollten oder nicht. Bei der Besiedelung des Gebietes erhob sich nun zwischen
der Sklavenhalter-Partei, die namentlich aus Missouri Zuzug erhielt, und den freistaatlichen Elementen des Nordens ein erbitterter
Wettkampf, der 1855-56 zu einem förmlichen Bürgerkriege, einem Vorspiel des großen Bundeskrieges, führte.
Die Sklavenhalterpartei, die anfangs in der Territoriallegislatur das Übergewicht hatte, brachte Dezember 1857 die sog.
Lecomptonverfassung zur Annahme, in der die Sklaverei sanktioniert und der Erlaß von Emancipationsgesetzen verboten war. Da
inzwischen die Antisklavereileute in der Territoriallegislatur die Mehrheit gewonnen hatten, beschlossen sie eine nochmalige
Abstimmung über die Lecomptonverfassung vornehmen zu lassen, und diese wurde jetzt da sich die Anhänger der Sklaverei
ihrer Stimmen enthielten, fast einstimmig abgelehnt. Es wurde eine neue Konvention zum Entwurf einer Verfassung nach Wyandotte
berufen und die von ihr vereinbarte Konstitution Okt. 1859 vom Volk angenommen. Nach weitern lebhaften Kämpfen im VereinigtenStaaten-Kongreß sah sich endlich Präsident Buchanan gezwungen, Kant als «freien» Staat zuzulassen.
-
Vgl. Eli Thayer, History of the Kansas Crusade its friends and its foes (Neuyork
[* 31] 1889).
Kansas City (spr. ßittǐ), Stadt im County Jackson im nordamerik. Staate Missouri, auf dem rechten Ufer des Missouri gerade
unterhalb der Mündung des Kansasflusses und an der Grenze des StaatesKansas, hatte 1860: 4118,1880: 55785 E.
Seitdem bat die Stadt einen erstaunlichen Aufschwung genommen. Die Bevölkerung betrug (1890) 132716 E., darunter 20858 Deutsche.
[* 32] Öffentliche Bauten sind das Opernhaus, die Börse, die Gebäude der Neuyorker Lebensversicherung, das Handelsamt, das Zollhaus
u. a. Drei schöne Brücken
[* 33] führen über den Fluß.
Vermöge seiner Lage an den beiden Strömen mit ihrem regen Dampferverkehr und als Eisenbahnknotenpunkt
beherrscht es den Handel eines großen Teils des Westens, und der Vieh- und Getreidehandel sowie die großen Rinder- und Schweineschlächtereien
stehen nur hinter denen Chicagos zurück. Die bedeutendsten Firmen der Fleischverpackungsgeschäfte sind Fowler Brothers und
Jacob Dold. Der Wert des versandten Fleisches erreicht jährlich 50 Mill. Doll.
Hoch entwickelt ist auch die Fabrikthätigkeit aller Art. -
C. gegenüber im StaateKansas liegt ein anderes Kansas City, das 1880: 9349, 1890: 38316 E. zählte und gleichfalls großartige
Schlächtereien und Versandgeschäfte (darunter Armour) besitzt. 20 Bahnsysteme gehen nach allen Richtungen. Im Innern dienen
Straßen-
und Kabelbahnen sowie eine Hochbahn dem Verkehr. -
Vgl. von Bülow, Aus fernem Westen (in den
«Grenzboten», Lpz. 1893).
Kansas-Midland-Eisenbahn, s. Amerika (Bd. 1, S. 520, A, VII). Kansas-Nebraska-Bill, ein 1854 in den Vereinigten Staaten von Amerika
erlassenes Gesetz, durch das die Territorien Kansas und Nebraska organisiert wurden mit der Bestimmung,
daß es den Ansiedlern überlassen sein solle, ob sie die Sklaverei gestatten wollten oder nicht. Dem Missourikompromiß (s.d.)
zufolge war in dem fraglichen Gebiet allerdings die Sklaverei ausgeschlossen: da aber durch den Erwerb von Kalifornien die
freien Staaten bereits in der Mehrzahl waren, setzten die Sklavenhalter alles daran, Kansas und Nebraska
für sich zu gewinnen, und erst nach heftigen parlamentarischen Kämpfen wurde die Kant im Repräsentantenhaus, 25. Mai im
Senat angenommen.
Eine unmittelbare Folge waren der Zerfall der Whigpartei und die erbitterten Kämpfe, zu denen es bald darauf in Kansas (s. d.)
kam. Kansas-River (spr. riww’r),Fluß im nordamerik. StaateKansas, entsteht bei Junction City und Fort
Riley durch Zusammenfluß des Republican-River und des Smoky Hill-Fork. Er fließt im nordöstl. Teil des Staates an den StädtenManhattan, Topeka und Lawrence vorbei, ist auf seiner ganzen Länge schiffbar und mündet bei Kansas City in den Missouri. Seine
Nordseite begleitet die Union-Pacificbahn, den größten Teil der Südseite die Atchison-Topeka-Santa Fé.
Kansk.
1) Kreis
[* 34] im südöstl. Teil des russ.-sibir. Gouvernements Jenisseisk, im S. gebirgig, im NW.
eben mit Schwarzerde, im NO. sumpfig und waldig, hat 80758,5 qkm, 72 550 E. (meist Russen), Jagd, Ackerbau, Goldwäscherei,
Salzsiederei. - 2) Kreisstadt im Kreis Kant, 230 km östlich von Krasnojarsk, rechts am Kan, hat (1893) 6075 E.,
Post, Telegraph,
[* 35] eine Kirche, 2 Kapellen, eine israel. Betschule; Ackerbau, Pelzjagd, Kleinhandel, eine Stadtbank. Kan-su, Provinz
im nordwestl.
China, 1775 gebildet, grenzt im O. an Schen-si und im S. an Sze-tschwan, im W. an das Gebiet des Kuku-nor
und im N. (durch die GroßeMauer getrennt) an die Mongolei. Kant hat auf 325000 qkm etwa 9300000 E., d. i. 18 auf 1 qkm. Unter
den Einwohnern befinden sich viele Mohammedaner und Tanguten. Von den Gebirgen erreichen oder übersteigen der Nan-schan im
NW. und der Min-schan im S. die Schneegrenze. Im O. gehört das obere Thal
[* 36] des Hwei-ho zu Kant. Von den sonstigen
Nebenflüssen des Hoang-ho sind die bemerkenswertesten der Ta-tung-ho, der im O. von Si-ning auf der linken Seite, und der
Tao-ho, der oberhalb Lan-tschou auf der rechten Seite mündet. Im NW. gehört der die GroßeMauer im N.
durchbrechende Tao-laifluß dem abflußlosen Gebiete an. Die Hauptstadt Lan-tschou, rechts am Hoang-ho, liegt etwa 36° 8'
nördl. Br. und 103° 55' östl. L. von Greenwich.
Über den Hoang-ho führt eine Schiffbrücke. Die Stadt, deren Einwohner auf 100000 mit 600 mohammed.
Familien geschätzt werden, war bisher Sitz des Oberstatthalters von Schan-si und Kant, der aber zur Zeit
in Ning-hia, dem Sitze des Oberbefehlshabers der Truppen, wohnt. Kant, Immanuel, Philosoph, geb. zu Königsberg
[* 37] als Sohn eines Sattlers, studierte seit 1740 daselbst Theologie, mit der er jedoch frühzeitig das Studium der Naturwissenschaften,
¶
forlaufend
101
Mathematik und Philosophie verband, und die er bald ganz aufgab. Nach Ablauf
[* 39] seiner Universitätszeit bekleidete er neun Jahre
lang in mehrern Familien die Stelle eines Hauslehrers und habilitierte sich 1755 in Königsberg, wo er Vorlesungen über Logik
und Metaphysik, Physik und Mathematik hielt. Ihm wurde 1762 die erledigte Professur der Dichtkunst angetragen,
die er aber zu versehen sich nicht für befähigt hielt, und so erhielt er erst 1770 die ordentliche Professur der Logik und
Metaphysik.
Als akademischer Lehrer äußerte Kant einen überaus wohlthätigen Einfluß. Überhaupt hatte sich Kant, obgleich er unverheiratet
blieb, durch seine philos. Untersuchungen keineswegs von einem vielseitigen Verkehr mit der Welt und
der Gesellschaft abziehen lassen. Er liebte heitere Geselligkeit, und sein Umgang wurde ebenso gesucht als geschätzt. Übrigens
hat sich Kant von seinem Geburtsort nie weiter als wenige Meilen entfernt. Er starb Ihm wurde zu
Königsberg ein von Rauch modelliertes Bronzestandbild gesetzt. Kant wurde zunächst durch eine Reihe von
Abhandlungen und Schriften bekannt, die sich teils auf Naturwissenschaften («Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen
Kräfte», 1747),
und physische
Geographie, teils auf Philosophie bezogen («Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen
[* 38]
Figuren», 1762; «Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen», 1763; «Der einzig mögliche
Beweisgrund zu einer Demonstration vom DaseinGottes», 1763; «Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen», 1764;
«Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen
Theologie und Moral», 1764; «Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik», 1766". Die Reihe von Schriften,
durch die er in die Geschichte der Philosophie epochemachend eingriff, begann mit der Abhandlung«De mundi sensibilis atque
intelligibilis forma et principiis», mit welcher er 1770 seine Professur antrat. Sie enthält
teilweise schon die Grundgedanken der «Kritik der reinen Vernunft», die er 11 Jahre später (1781) herausgab.
Von da an folgten
seine Hauptwerte verhältnismäßig rasch aufeinander: 1783 die «Prolegomena zu
einer jeden künftigen Metaphysik», 1785 die «Grundlegung zur Metaphysik der Sitten», 1786 «Metaphysische Anfangsgründe der
Naturwissenschaft», 1788 die «Kritik der praktischen
Vernunft», 1790 die «Kritik der Urteilskraft», 1793 die «Religion innerhalb der Grenzen
[* 41] der bloßen Vernunft», die ihm eine
Maßregelung durch das Ministerium Wöllner zuzog, 1797 die «Metaphysischen Anfangsgründe der Tugendlehre»
und «Die metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre».
Endlich schloß seine mehr als fünfzigjährige schriftstellerische Thätigkeit 1798 mit der «Anthropologie
in pragmatischer Hinsicht». Zwischen diese größern Werke, unter denen wieder die drei Kritiken gleichsam die Hauptpfeiler
feines Systems bilden, fallen noch eine große Anzahl kleiner gehaltreicher Abhandlungen. K.s wichtigere Schriften haben sämtlich
mehrere, die Hauptwerke zahlreiche Ausgaben und Nachdrucke erlebt; handlich und meist sehr gut bearbeitet sind die
Ausgaben in Reclams «Universalbibliothek»; vollständige
Sammlungen
seiner Werke sind die von Hartenstein (10 Bde., Lpz.
1838-39; neu bearbeitet, 8 Bde., 1867-69), die von Rosenkranz
und Schubert (12 Bde., ebd. 1838-42) und von Kirchmann (8 Bde.,
mit Erläuterungen, Berl. 1868-73). Die zum Teil noch bei seinem Leben nach seinen Vorlesungen herausgegebenen
Schriften über Logik, Pädagogik, Metaphysik, philos. Religionslehre sind, die von Rink (2 Bde.,
Königsb. 1802) und von Vollmer (4 Bde.,
Hamb. 1801-5) herausgegebene «Physische Geographie» ausgenommen, von geringerer Wichtigkeit.
Zuletzt wurde noch veröffentlicht: «Reflexionen K.s zur kritischen Philosophie» (hg. von B. Erdmann, Lpz. 1882-84),
«Vom Übergang
von den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zur Physik» (in der «Altpreuß. Monatsschrift»,
Königsb. 1882-84 und hg. von Krause, Lahr1888),
«Lose Blätter aus K.s Nachlaß» (mitgeteilt von R. Reiche in der «Altpreuß.
Monatsschrift», 1887 fg.). Unter den ältern Sammlungen seiner kleinern «Vermischten
Schriften» ist die vollständigste die unter Mitwirkung K.s von Tieftrunk (3 Bde.,
Halle
[* 42] 1799) besorgte, zu der als vierter Band
[* 43] die «Sammlung einiger bisher unbekannt gebliebener kleiner
Schriften von Kant» (Königsb. 1800) gehört.
Vgl. Borowski, Darstellung des Lebens und Charakters K.s (Königsb. 1804);
Wasianski,
in seinen letzten Lebensjahren (ebd. 1804);
Jachmann, Immanuel Kant, geschildert in Briefen (ebd. 1804);
Kant Fischer, K.s Leben und die Grundlage
seiner Lehren
[* 44] (Mannh. 1860);
Frauenstädt, Immanuel Kant Lichtstrahlen aus seinen Werten.
Mit einer Biographie und Charakteristik
K.s (Lpz. 1872).
Die Kantsche Philosophie ist einerseits das reife und abschließende Resultat der Aufklärungsbewegung des
18., andererseits als solches der gemeinsame Ausgangspunkt aller bedeutendern wissenschaftlichen Richtungen des 19. Jahrh.,
und diese mächtige Stellung auf dem Gebiete der Philosophie hat auch für die übrigen Kultursphären derartig gewirkt, daß
man auch in ihnen überall den K.schen Gedanken als lebenskräftigen Triebfedern begegnet. Was den histor.
Ursprung dieser Lehre
[* 45] betrifft, so sieht man in ihr die einheitliche und principielle Zusammenfassung
der mannigfachen Strömungen, welche das Jahrhundert der Aufklärung hervortrieb: die glänzende Entfaltung der mechan. Naturwissenschaft,
die mit der Untersuchung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit beschäftigte Philosophie, der den positiven Religionen sich
kritisch gegenüberstellende Vernunftglaube der engl. Freidenker und der deutschen Rationalisten,
der in Rousseau leidenschaftlich gegen die Kultur sich aufbäumende Drang nach natürlicher Entfaltung des Individuums, die
lebhafte, gegen alles autoritative Ansehen ringende Diskussion der großen Fragen des Staates und der Gesellschaft, alle diese
Bestrebungen finden in Kant ihre Vereinigung und damit ihre gegenseitige Abklärung und Versöhnung. Und doch tritt bei
ihm der Wert dieser vereinigenden und alles umfassenden Kraft
[* 46] seines Geistes noch zurück hinter demjenigen der mächtigen
Energie des Grundgedankens, von dem aus er alle diese Fragen behandelt. Es ist die Überzeugung von der gesetzgebenden
Kraft der Vernunft in Wissenschaft und Leben, die Kant nach allen Seiten durchzuführen sucht, und mit
der er eben das Geheimnis des Zeitalters der Aufklärung ausspricht.
¶
forlaufend
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Seine gesamte Philosophie will nichts anders sein, als eine Feststellung der in der Vernunft selbst enthaltenen Principien,
und sie nennt sich in diesem Sinne die kritische Philosophie. Es war zunächst das theoretische Gebiet, auf welchem sich in
diese Stellung gedrängt sah. Er selbst hatte sich aus anfänglicher Abhängigkeit von dem dogmatischen
Nationalismus (s. d.) der Wolfschen Schule selbständig zu empiristischen Principien
durchgerungen und dann die verwandten Gedanken der engl. Denker, namentlich Lockes und Humes, mit lebhafter Sympathie ergriffen.
Die skeptischen Konsequenzen, denen er sich so wenig wie Hume entzog, und seine feste, zum größten Teil auf den Einfluß
Newtons
[* 48] zurückzuführende Überzeugung von der Gültigkeit der Mathematik, die er für eine reine Vernunftwissenschaft
hielt, scheinen ihn zuerst schwankend gemacht zu haben, und schließlich geschah es nicht ohne Einwirkung von Leibniz, der
bereits zwischen den großen Gegensätzen des Rationalismus und des Empirismus einen von der Wolfschen Schule freilich nicht
begriffenen Versuch der Vermittelung gemacht hatte, daß Kant seinen gänzlich neuen und mit staunenswertem
Tiefsinn ergründeten Standpunkt dahin befestigte: es gebe allerdings principielle, unabhängig von aller Erfahrung und
vor aller Erfahrung bestehende Vernunfterkenntnisse, aber diese gelten ausschließlich für die durch Erfahrung zu erkennenden
Gegenstände, und zwar deshalb, weil eine im Individuum ohne dessen Willen wirksame allgemeine Vernunftthätigkeit
die gesamte Welt der Vorstellungen nach denselben Gesetzen erzeuge.
Diese Gesetze sind für Kant die Formen der räumlichen und zeitlichen Anschauung und die «Stammbegriffe des Verstandes», die
Kategorien (s. d.). So verwandelte sich für Kant die gewöhnliche
Wirklichkeit in eine Welt von Erscheinungen, welche Lehre er den kritischen oder transcendentalen Idealismus
nennt. Die problematische Frage nach einer Welt von «Dingen an sich», die,
unerkennbar für die theoretische Vernunft, hinter den Erscheinungen stecke, glaubte Kant nur auf dem Wege der Moralphilosophie
lösen zu können.
Auch hier war ihm die «Autonomie» der Vernunft, d. h. ihre Fähigkeit, sich selbst Gesetze vorschreiben
zu können, der leitende Gedanke, dem er in dem «kategorischen Imperativ», daß jeder nur nach
dem Pflichtgesetz bandeln dürfe, seinen Ausdruck gab. Und in diesem sittlichen Bewußtsein hatte er etwas über alle Erfahrung
Hinausgehendes gefunden und zeigte nun, daß nur in diesem, aber auch in ihm sicher der «vernünftige
Glaube» beruhe, wonach jene Welt der «Dinge an sich» diejenige
der moralischen Wesen sei. So gründete er auf das sittliche Bewußtsein die Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit,
und aus dem Gegensatze der menschlichen Natur, die teils sinnlich, teils moralisch vernünftig sei, entwickelte er seine
Religionsphilosophie, welche den sittlichen Gehalt aus dem Dogmensystem der positiven Religionen herauszuschälen
suchte.
Auf den Begriff der Menschenwürde und des unveräußerlichen Menschenrechts stützte er dann seine Rechtsphilosophie, deren
Tendenz darauf hinauslief, die absolute Achtung der sittlichen Freiheit zur Grundlage des staatlichen und des gesellschaftlichen
Lebens zu machen, und in der Realisierung dieses Freiheitsideals erblickte er das einstige Ziel aller
menschlichen Geschichtsentwicklung. Die Verbindung zwischen der Welt der Erscheinungen und der Welt der sittlichen Ideen
endlich
suchte in der Betrachtung der Natur unter dem Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit.
Als verfehlt galt ihm der Versuch, die Entstehung der natürlichen Dinge, der einzelnen so gut wie der
Gattungen, aus der Wirksamkeit eines zweckthätigen Gedankens zu erklären; aber als nicht minder verfehlt galt ihm der andere
Versuch, die kausale Betrachtung der Natur für die einzige und höchste anzusehen. Die vollkommenste Versöhnung aber finden
ihm diese Gegensätze in der ästhetischen Welt: hier ist alles zugleich kausal und zweckmäßig bedingt,
hier ist alles notwendig und alles frei, hier ist alles Natur und alles Idee.
In demBegriff des Genies als eines Geistes, der wie die Natur handelt, gipfelt und krönt sich das Gebäude der K.schen Philosophie,
und dies war der tiefste Grund für die innige Verschmelzung des philos. und des ästhetischen Lebens,
welche die deutsche Geistesentwicklung um die Wende der beiden Jahrhunderte so überaus fruchtbar gemacht hat. (S. Deutsche Philosophie.)
Vgl. außer den größern Werken über Geschichte der Philosophie (s. d.) besonders: Kuno Fischer, Immanuel Kant Entwicklungsgeschichte
und System der krit. Philosophie (2 Bde., Mannh. 1860; 3. Aufl.,
Münch. 1882; neue Ausg., Heidelb. 1890).
Gegen das letztgenannte Werk schrieb Trendelenburg: Kuno Fischer und sein Kant (Lpz. 1869), worauf Fischer durch seinen
Anti-Trendelenburg (Jena
[* 49] 1870) antwortete. Die Litteratur über die K.sche Philosophie ist so ausgebreitet wie die philos. Litteratur
des 19. Jahrh. überhaupt. Denn darin prägt sich die gewaltige Wirkung K.s am
klarsten aus, daß jeder der folgenden Philosophen in irgend einer Weise zu den Gedanken des großen Königsbergers Stellung
nehmen muß.
Dabei zeigte sich in der positiven Entwicklung, die zunächst in Deutschland
[* 50] Platz griff, die natürliche Erscheinung, daß
jeder der darin thätigen Denker eins der in der K.schen Untersuchung auftretenden Principien als Hauptrichtung
aufnahm und mehr oder minder einseitig verfolgte. (Vgl. Rosenkranz, Geschichte der K.schen Philosophie, in Bd. 12 der von
ihm besorgten Ausgabe, Lpz. 1842.) Dabei hielt sich jeder, Fries, Fichte,
[* 51] Schelling, Schopenhauer, Herbart, für den wahren
Nachfolger K.s. (Vgl. Fischer, Die beiden K.schen Schulen zu Jena, Stuttg. 1862, und O. Liebmann, und
die Epigonen, ebd. 1865.) Für das Ausland wurden die Lehren K.s erst allmählich zugänglich, dann aber auch um so wirksamer:
für England sind Nitsch, Whewell und Hamilton, für Frankreich Villers, V. Cousin, Tissot, für Italien
[* 52] befondcrs Galuppi zu
nennen.
Nachdem in Deutschland einerseits bedeutende Naturforscher, vor allen Helmholtz, sich zu fundamentalen
Elementen der K.schen Lehre bekannt hatten, nachdem andererseits das histor. Werk von Kuno Fischer dem eben erregten Interesse
das beste entgegengekommen war, wurde allmählich die «Rückkehr zu Kant» das
allgemeine Feldgeschrei. Es entstand eine völlige «Kant-Philologie», aber
auch eine positive Richtung, welche die K.schen Ideen mit den methodischen Arbeiten der Naturwissenschaft
in innigen Zusammenhang zu bringen sucht. Unter den zahlreichen Forschern, welche in der einen oder der andern Richtung thätig
sind, seien hier Arnold, BonaMeyer, Cohen, B. Erdmann, Göring, Laas, Lange, Liebmann, Natorp, Paulsen, Riehl, Stadler, Thiele,
Vaihinger, Windelband und Witte genannt.